Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 40|
8. Oktober 2010 A 1939 Ruhen der Zulassung und Rückruf von Octa-gam® – Octagam enthält aus menschlichem Plasma hergestelltes Immunglobulin. Nachdem das Paul-Ehrlich-Institut bereits am 15. 9. 2010 das Ruhen der deutschen Zulassung von Octagam® 5 % befristet bis zum 31. 3. 2011 angeordnet hat, empfiehlt nun die Europäische Arzneimittel- behörde das Ruhen der europäischen Zulassung und den europaweiten Rückruf aller Octagam- Präparate (fünfprozentige und zehnprozentige Lö- sungen). Ärzte sollen Octagam nicht länger an- wenden und ihre Patienten auf eine angemesse- ne alternative Behandlung umstellen. Hintergrund der Anordnung sind vermehrte Berichte über thromboembolische Ereignisse einschließlich Schlaganfall, Myokardinfarkt und Lungenembolie bei Patienten nach Gabe von Octagam. Die ge- naue Ursache für das vermehrte Auftreten von thromboembolischen Ereignissen ist bisher nicht bekannt, es muss aber die Anwesenheit bezie-
hungsweise die erhöhte Konzentration von Sub- stanzen angenommen werden, die die Blutgerin- nung aktivieren und bei einzelnen Patienten zur Bildung multipler Thromben führen können.
Privigen® ersetzt Sandoglobulin® – Das poly- valente intravenöse Immunglobulin (IVIG) Privigen wird das Präparat Sandoglobulin, das nicht mehr produziert wird, ersetzen. Patienten, die eine The- rapie mit Sandoglobulin erhalten, sollten auf den Nachfolger Privigen umgestellt und weiterbehan- delt werden. Es gelte aufgrund seiner innovativen Galenik mit L-Prolin als Vertreter einer neuen Ge- neration von IVIG, teilt der Hersteller, CSL-Beh- ring, mit. Mit Privigen stehe seit der Zulassung im April 2008 ein verbessertes Immunglobulinpräpa- rat zur Verfügung, das zur Substitutionstherapie bei primären und sekundären Immundefekten so- wie zur Immunmodulation bei Autoimmunerkran-
kungen zugelassen sei. EB
KURZ INFORMIERT
THERAPIE DES DIABETES MELLITUS TYP 2
DPP-Hemmer auch für Nierenkranke
Der hochselektive DPP-4-Inhibitor Linagliptin wird über Galle und Fäzes eliminiert, nicht aber über den Urin. Dies begünstigt seine Anwendung bei Diabetikern mit ein- geschränkter Nierenfunktion. Die Erkrankungen sind häufig miteinander assoziiert.
N
eue Antidiabetika wie Lina- gliptin, ein Dipeptidyl-Pepti- dase(DPP)-4-Hemmer, der auch bei nierengeschädigten Patienten ohne Dosisanpassung einsetzbar ist, sind ein Beitrag zur individuellen The - rapie des Diabetikers. „Jeder achte bis zehnte Bürger in Deutschland ist zuckerkrank“, konstatierte Dr.med. Ludwig Merker (Dormagen)
„Und acht Prozent der Deutschen leiden an einem chronischen Nie- renschaden.“ Nicht immer, aber doch sehr oft, sei beides kausal assoziiert. „Nach Zahlen aus dem QuaSi-Niere-Report 2006 war die Ursache für eine Dialysepflichtig- keit bei 32 Prozent der Patienten ein Typ-2- und bei zwei Prozent ein Typ-1-Diabetes“, sagte Merker.
Um mikrovaskuläre Folgeer- krankungen zu vermeiden, ist eine frühe Diabetestherapie notwendig, zur Verhinderung makrovaskulärer
Folgeerkrankungen eine konse- quente und gut verträgliche, so Mer - ker: „Unverzichtbar ist es, trotz der hohen Fallzahlen jeden einzelnen Typ-2-Diabetiker individuell zu be- handeln.“ Eine zusätzliche Option für den Baukasten der individuel- len Diabetestherapie wird der neue Dipeptidyl-Peptidase(DPP-)4- Hem - mer Linagliptin, der derzeit in meh- reren Phase-III-Studien allein oder als Fixkombination (mit Metformin oder Pioglitazon) getestet wird.
Dr. Ludwig Mehlburger, Medi- cal Advisor Diabetes bei Boehrin- ger Ingelheim, erinnerte an die Da- ten einer Phase-II-b-Studie: In der Dosisfindungsstudie erhielten 262 Typ-2-Diabetiker, die mit Metfor- min unzureichend eingestellt wa- ren (HbA1c 8,2 bis 8,5 Prozent), zusätzlich zwölf Wochen lang ent- weder 1, 5 oder 10 mg Linagliptin täglich oder Placebo. „Mit allen
Linagliptindosen wurde der Lang- zeitblutzuckerwert im Vergleich zu Placebo signifikant gesenkt“, be- richtete Mehlburger, „am deut- lichsten war dieser Effekt in der 5-Milligramm-Gruppe, hier verrin- gerte sich der HbA1c um etwa 0,7 Prozentpunkte.“
Er betonte die hohe Selektivität des Wirkstoffs für DPP-4 im Ver- gleich zu anderen Dipeptidylpep - tidasen: „Linagliptin bindet an DPP-4 zehntausendmal stärker als an DPP-8 oder DPP-9, es hat des- halb eine hohe therapeutische Brei- te und ist gut verträglich.“ So habe sich in den vorliegenden Studien keine Kardiotoxizität gezeigt, und es habe weder Hypoglykämien noch Gewichtszunahme bei Lina- glitpintherapie gegeben.
„Ein besonderes Merkmal von Linagliptin ist, dass es nicht me - tabolisiert und nicht über die Nie- re ausgeschieden wird“, ergänzte der Ernährungswissenschaftler, „es bindet an DPP-4 und wird mit die- sem über Galle und Fäzes elimi- niert. Im Harn gab es von keiner getesteten Linagliptindosis mehr als sieben Prozent.“ Deshalb wer- de auch für Patienten mit einge- schränkter Nierenfunktion keine Dosisanpassung empfohlen. „Die Wirkdauer von mindestens 24 Stun- den macht den Effekt unabhängig vom Einnahmezeitpunkt“, betonte er, „die Patienten können nach Li- nagliptin morgens oder abends, vor oder nach dem Essen schlucken, je nach ihren individuellen Anforde-
rungen.“ ■
Simone Reisdorf
LITERATUR
1. Uhlig-Laske et al.: Diabetes 58, Suppl.1, 2009, Abst. 595-P.
2. Hüttner et al.: J Clin Pharmacol 2008;
48(10): 1171–8.
3. Heise et al.: Diabetes Obes Metab 2009;
11(8): 786–94.
Pressegespräch „Was tut sich in der Forschung? Typ-2-Dia-
betes benötigt neue Antworten!“ im Rah- men der Jahrestagung der Deutschen Diabe-
tes-Gesellschaft in Stuttgart; Veranstalter:
Boehringer Ingelheim