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Archiv "Samuel Hahnemann: Mehr als nur ein Denkmal" (15.04.2005)

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um 250. Geburtstag des Begrün- ders der Homöopathie lohnt sich ein Blick über den Atlantik, wo die Homöopathie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine dominante Stel- lung im Gesundheitswesen erreicht hat- te, die sie allerdings wenige Jahrzehnte später wieder verlor. In Washington D.C.

steht unweit des Weißen Hauses das wohl imposanteste Hahnemann-Denk- mal der Welt. Es wurde am 21. Juni 1900 feierlich eingeweiht, doch die Planun- gen dazu gehen bereits auf das Jahr 1892 zurück. Damals begannen die amerikanischen Homöopathen, Geld für ein Denkmal an einem zentralen Ort zu sammeln. In wenigen Jahren kam die beträchtliche Summe von 75 000 Dollar zusammen. So hätte mit dem Bau begonnen werden können, wenn da nicht das Problem gewesen

wäre, dass Denkmäler in der Bundes- hauptstadt der Vereinigten Staaten nur mit Zustimmung des Gesetzgebers und des Präsidenten errichtet werden dür- fen. Da Hahnemann kein Amerikaner war, bedurfte es beträchtlicher Lobby- Arbeit, um das Ziel zu erreichen. 1897 lag die Zustimmung beider Häuser des Senats vor, doch Präsident Cleveland verweigerte seine Unterschrift. So konnte das Denkmal an der Ostseite des Scott-Circles, wo die auf das Weiße Haus hinführende Massachusetts Avenue die Sixteenth Street kreuzt, erst unter seinem Nachfolger William McKinley, einem Anhänger der Homöopathie, errichtet werden. An der feierlichen Enthüllung nahmen mehrere Tausend Menschen teil, darunter auch viel Pro- minenz aus der Politik. Sogar der US- amerikanische Präsident ließ es sich

nicht nehmen, zusammen mit seiner Frau dem Festakt beizuwohnen. Der amerikanische Justizminister John W.

Griggs betonte in seiner Ansprache, dass Hahnemann zwar kein Amerika- ner gewesen sei, sein wissenschaftliches Vermächtnis aber der ganzen Welt gehöre. Aus diesem Grund habe man auch einen der schönsten Plätze der Hauptstadt für die Errichtung eines Denkmals zu Ehren dieses bedeuten- den Mannes zur Verfügung gestellt.

Wer war dieser Erneuerer der Heil- kunde, dem man nicht nur in der ameri- kanischen Hauptstadt ein Denkmal ge- setzt hat und der von dem wortgewalti- gen Dichter und Zeitgenossen Goethes, Jean Paul, einmal treffend als „Doppel- kopf von Philosophie und Gelehrsam- keit“ bezeichnet wurde? Hahnemann kam am 10. April 1755 als Sohn eines Porzellanmalers in Meißen zur Welt.

Obwohl er aus recht ärmlichen Verhält- nissen stammte und der Vater wegen der prekären finanziellen Verhältnisse der Familie kein rechtes Verständnis für die Studienpläne seines Sohnes hatte, konn- te Hahnemann nach dem Besuch der Fürstenschule St. Afra ein Medizin- studium in Leipzig aufnehmen. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich der fleißige und hoch begabte Student durch Sprachunterricht und Überset- zungen. Es folgte ein kurzes Auslands- studium in Wien, wo er schnell Kontakt zu Joseph von Quarin, dem Leibarzt der Kaiserin Maria Theresia, fand. Dieser vermittelte ihm 1777 eine Hausarztstel- le beim Statthalter von Siebenbürgen, Baron Samuel von Brukenthal. 1779 verließ er Hermannstadt, um den medi- zinischen Doktorgrad an der Univer- sität Erlangen zu erwerben.

Optimismus der Aufklärung

Ein Jahr später ließ er sich in Hettstedt im Mansfeldischen nieder, doch scheint die erste Praxis wenig einträglich gewe- sen zu sein. Die folgenden beiden Jahr- zehnte waren für Hahnemann und sei- ne ständig größer werdende Familie unstete Wanderjahre. Sein kärgliches Auskommen aus der ärztlichen Tätig- keit besserte er durch zahlreiche Über- setzungen sowohl von Fachliteratur als auch von belletristischen Werken auf.

T H E M E N D E R Z E I T

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A1048 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1515. April 2005

Fotos:Bildarchiv Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung

Hahnemann, porträtiert von seiner zweiten Frau Mélanie (1835)

Samuel Hahnemann

Mehr als nur ein Denkmal

Vor 250 Jahren, am 10. April 1755, wurde der Begründer

der Homöopathie in Meißen geboren.

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In diese Zeit fiel auch das riskante Un- ternehmen, eine private „Irrenanstalt für die besseren Stände“ in dem unweit von Gotha gelegenen Schloss Geor- genthal einzurichten. Im Unterschied zum damals üblichen repressiven Um- gang mit Geisteskranken behandelte Hahnemann seinen einzigen, aber zah- lungskräftigen Patienten, den Kanzlei- rat Friedrich Arnold Klockenbring, in einer menschlich-fürsorglichen Weise, die sich erst einige Jahrzehnte später in der Irrenreformbewegung auf breiter Basis durchsetzen sollte. Hahnemann war einer der ersten Ärzte, die den Optimismus der Aufklärung, den Men- schen aus seiner Unmündigkeit heraus- führen zu können, auf den Geisteskran- ken und seine Behandlung zu übertra- gen versuchten.

Nachdem sein Name durch die zahl- reichen Übersetzungen französischer, englischer und italienischer Werke aus den Bereichen Pharmazie, Medizin und Naturwissenschaften über die Fachwelt hinaus schon bekannt war, versuchte sich Hahnemann auch als Autor. Bereits in jenen Jahren deutete sich der unbän- dige medizinische Reformwille an. In diese äußerst produktive schriftstelle- rische Phase seines Lebens fiel die

„Entdeckung“ des Simile-Prinzips, das bis heute Grundbestandteil der homö- opathischen Lehre geblieben ist. Der er- ste Schritt war der berühmte Selbstver- such mit Chinarinde. Hahnemann war bei der Übersetzung eines damaligen Standardwerks der Arzneimittellehre auf- gefallen, dass der Verfasser, ein schotti- scher Arzt, die Wirkung der Chinarinde gegen Malaria auf die Stärkung des menschlichen Verdauungstrakts zurück- führte. Da ihn diese Erklärung nicht überzeugte, kam Hahnemann auf die Idee, die Wirkung dieses Medikaments am eigenen gesunden Körper zu über- prüfen. Dabei glaubte er, bei sich Sym- ptome feststellen zu können, wie sie bei Wechselfieber, wie Malaria damals häu- fig genannt wurde, auftraten. Sechs Jahre lang prüfte Hahnemann seine erst später ausformulierte Hypothese, dass „Ähnli- ches mit Ähnlichem“ geheilt werden könne. Die Ergebnisse seiner Arznei- prüfungen und die Summe seiner Re- flexionen über dieses Phänomen ver- öffentlichte er 1796 in einer der damals angesehensten medizinischen Zeit-

schriften, nämlich Hufelands „Journal der practischen Arzneykunde“. Dieses Datum gilt gemeinhin als die Geburts- stunde der Homöopathie.

Rational und empirisch

Kurz danach nahm Hahnemann seine ärztliche Tätigkeit wieder auf. Nach bescheidenen Anfängen im sächsischen Eilenburg und Schildau fand seine nun ausschließlich homöopathische Praxis in Torgau bereits über die Stadtgrenzen hinaus Zulauf. 1810 erschien sein Haupt- werk, das aufgrund des dogmatischen Grundtons der späteren Auflagen oft als

„Bibel der Homöopathie“ bezeichnet wird. Dieses Buch erreichte zu seinen Lebzeiten fünf Auflagen und wurde von Mal zu Mal ergänzt und verbessert. Zu-

mindest der erste Paragraph dürfte auch bei den Gegnern der Homöopathie bis heute auf Zustimmung stoßen. Er lautet:

„Der Arzt hat kein höheres Ziel, als kranke Menschen gesund zu machen, was man Heilen nennt.“

Über allem Für und Wider, was in den letzten 200 Jahren im Streit zwischen Homöopathen und Schulmedizinern vorgebracht wurde, sollte eines nicht in Vergessenheit geraten, dass nämlich Hahnemann auf durchaus rationale und empirische Weise zu seiner später von seinen Anhängern und Nachfolgern – je nach Standpunkt – erweiterten oder

„verwässerten“ Lehre gekommen ist.

Was in der heute noch weiterschwelen- den Auseinandersetzung über die „Rich- tigkeit“ dieses therapeutischen Ansatzes meist übersehen wird, ist die Tatsache, dass Hahnemann das Simile-Prinzip nicht für ein ehernes Naturgesetz, son- dern für eine Handlungsmaxime hielt.

Um sich aber von konkurrierenden Heilweisen abzugrenzen, musste der Be- gründer der Homöopathie zum Dogma- tiker werden und seine Lehre möglichst reinzuhalten versuchen. Das war bereits zu seinen Lebzeiten nicht einfach.

In der eigenen ärztlichen Praxis zeigte sich Hahnemann bis zu seinem Lebensende recht experimentierfreu- dig. Nicht nur verwendete er sehr früh bereits diagnostische Hilfsmittel wie das Stethoskop, das erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts weite Verbreitung unter den Ärzten in Stadt und Land fand; er wich auch in späteren Jahren von seiner Theorie in einigen Punkten ab, indem er zeitweise die in der „klassi- schen“ Homöopathie ansonsten ver- pönten Doppelmittel verschrieb oder an seinen Patienten die bis heute um- strittenen Hochpotenzen ausprobierte.

Das permanente Streben, seine Thera- pie zu verbessern, zeigte sich sogar im hohen Alter. Hahnemann hatte nämlich nach dem Tod seiner ersten Frau als 80-Jähriger eine 45 Jahre jüngere fran- zösische Künstlerin, Mélanie d’Hervilly, geheiratet und war mit ihr nach Paris gezogen – zum großen Erstaunen und zur Verärgerung seiner deutschen Schüler. Dort führte er seine Praxis mithilfe seiner frisch angetrauten Ehe- frau bis kurz vor seinem Tod fort.

Zu seinen berühmten Patienten gehörte neben Baron Rothschild auch der Violinvirtuose Niccolò Paganini.

„Sobald ein Mensch endgültig seinen Einfluss verloren hat, setzt man ihm ein Denkmal“, lautet ein viel zitiertes Wort des Schriftstellers Robert Musil.

Auf Hahnemann trifft das sicherlich nicht zu. Denn in der ganzen Welt gibt es nicht nur Hahnemann-Monu- mente, sondern auch Schriftenreihen, Zeitschriften, Kliniken, Apotheken, Ärzte- und Laienvereine und Institute, die seinen Namen tragen und seinen Nachruhm mehren.

Prof. Dr. phil. Robert Jütte Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin

der Robert Bosch Stiftung T H E M E N D E R Z E I T

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A1050 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1515. April 2005

Aufzeichnungen Hahnemanns zur Kranken- geschichte Paganinis

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