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Archiv "Von Schulmedizinern und Zauberern" (07.05.1981)

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Von

Schulmedizi·

nern

und Zauberern

Mit zunehmender Zahl der Ärzte akzentuieren sich Spannungen in- nerhalb der Ärzteschaft, die den

"berufsständischen Familien-Ver-

band" zu sprengen drohen. Dabei können auch die über einen lan- gen geschichtlichen Zeitraum und zumeist mit großer Mühsal durch- gesetzten ethischen Normen in Mitleidenschaft gezogen werden.

Eine solche Entwicklung kann - wenn wir ihrer in gemeinsamer Anstrengung nicht Herr werden - bedenkliche Folgen für die Sozial- gemeinschaft haben. Unabhängig von den jeweils herrschenden po- litischen und ökonomischen Sy- stemen scheinen alle Staaten da- von betroffen, wo die Zahl der Ärz- te unvernünftig ansteigt.

Mit ständig zunehmender Arzt- dichte steigt ja in keinem Lande proportional der Gesundheitszu- stand der Bevölkerung. Hier beste- hen nur schwer durchschaubare und komplizierte Beziehungen; es mag "Grenzwerte für die Arztdich- te" in einem Lande geben, die oh- ne Gefährdung der Bevölkerung nicht überschritten werden soll- ten. Ausgehend von dem logi- schen Denken, das seit den grie- chischen Philosophen im Abend- land bis zu den modernen Natur- wissenschaften führte, hat auch die Medizin als Wissenschaft in ungeheurem Ausmaß profitiert.

Nur so war die Entwicklung der modernen Heilkunde in den letz- ten hundert Jahren möglich. Mit der naturwissenschaftlichen Ver- breiterung des ärztlichen Hand- lungsspielraumes in Diagnostik und Therapie sind die Verständi- gungsmöglichkeiten zwischen Pa- tient und Arzt - aber auch unter Ärzten, also von Arzt zu Arzt - schwieriger geworden. Zuneh- mend führt dies zu Mißverständ- nissen und zu Abwehrhaltungen.

Der seit Urzeiten von uns allen mit- geschleppte Hang zum Geister- glauben, die archaische Angst vor unfaßbaren Naturkräften (- die ja alle irgendwelchen Gesetzmäßig- keiten unterliegen-), auch primiti- ve Vorstellungen einer Ersatz-Me- taphysik, wobei ich an Parapsy- chologie und Astrologie erinnern möchte, gewinnen wieder an Bo- den. Der atemraubende, vor kur- zem noch bejubelte technische Fortschritt- auch in der Medizin- wird durch eine neue Form von Anti-Wissenschaftlichkeit in Frage gestellt. Nachdem über viele Jah- re, insbesondere unter ständigem Hinweis auf die Entwicklung in den USA, die Möglichkeiten der Technik in der Medizin immer wei- ter ausgebaut wurden, scheint nun eine Art Bilderstürmerei ge- gen die Technik auszubrechen.

Man wendet sich dafür uns unver- ständlichen medizinischen Vor- stellungen zu, die ihre Wurzeln in China, Indien oder sonstwo ha- ben. Besonders deutlich wird dies bei den Auseinandersetzungen um die sogenannte Schulmedizin und bei der wohlgefälligen Bewer- tung sogenannter Außenseiterme- thoden.

..,.. Dabei sollten. wir unter Schul- medizin alle die wissenschaftli- chen Erkenntnisse und daraus ab- geleiteten ärztlichen Handlungs- weisen verstehen, die auf über- prüfbaren, reproduzierbaren und in ihrem kausalen Zusammen- hang hinreichend logisch erklär- baren Naturbeobachtungen beru- hen. Hierbei werden die aus wie- derholter, kontrollierter Empirie abgeleiteten Naturgesetze deut- lich, die prinzipiell von jedermann unter Beachtung der vorgegebe- nen Bedingungen nachgeprüft werden können. Eine so verstan- dene Medizin ist Naturheilkunde par excellence, sie ist zugleich:

Schulmedizin!

Es ist daher abwegig, diese Schul- medizin durch eine konstruierte, nicht reelle Antithese- die Natur- heilkunde - in Mißkredit bringen zu wollen. Entsprechende Kritik muß auch gegenüber der neuen

Die Information:

Bericht und Meinung DER KOMMENTAR

Devise von der sogenannten "al- ternativen Medizin" angemeldet werden. Soll sie eine Alternative zur Logik, zur Vernunft sein?

Daß die wissenschaftliche Medi- zin, die Schulmedizin also, immer wieder Irrtümern und falschen Schlußfolgerungen aufgesessen ist, weiß jeder vernünftige Arzt.

Dennoch ist sie auf dem einzig richtigen Wege zu neuen Erkennt- nissen, indem sie auch ihr Wissen ständig wieder in Zweifel stellt und kritisch überprüft. Sie ist nicht fortschrittsfeindlich, wie einfältig oder auch böswillig immer wieder unterstellt wird. Nirgendwo sind in den letzten hundert Jahren so vie- le "Alternativen" entwickelt, er- probt und auch wieder verworfen worden. wie in der Medizin. Was erfolgreich war, wurde Teil der Schulmedizin. Sie geht zu Recht von der Forderung nicht ab, wo- nach jede These über ein neues diagnostisches oder therapeuti- sches Verfahren bewiesen werden muß. Hier darf nicht "Meinen oder Glauben", manchmal auch Sektie- rerhaftes Rechthabenwollen den Ausschlag geben. Dabei ist es Auf- gabe des oder der Verfechter neu- er Behandlungsweisen, die Rich- tigkeit ihrer Behauptungen zu be- legen. Dies kann aber nicht mit Subjektivismen geschehen, son- dern nur in einer jederzeit nach- prüfbaren Form.

Bereits vor rund 70 Jahren hat der Schweizer Psychiater Bleuler den Ärzten in seinem Buch über das autistisch-undisziplinierte Denken in der Medizin klargemacht, in welche Fallgruben der permanen- ten Selbsttäuschung wir geraten, wenn die ehernen Grundregeln wissenschaftlichen Denkens und Urteilans mißachtet werden. Die Unterwerfung unter die Disziplin wissenschaftlich begründbaren Handeins scheint auch eine For- derung der Ethik zu sein. ln die- sem Zusammenhang muß mit al- lem Nachdruck die unsinnige Be- hauptung mancher Außenseiter zurückgewiesen werden, die von ihnen angewendeten Behand- lungsmethoden seien den wissen- DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 19 vom 7. Mai 1981 921

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freundlich aussehender, bärtiger Mann von 52 Jahren, und er hat auch viel Humor, wie jedermann in Deutschland weiß. Wie, Sie wissen das nicht? Sie kennen Herrn Ger- lach überhaupt nicht? - Aber sei- ne Produkte kennen Sie: Wolf Ger- lach ist nämlich der Erfinder, Zeichner und Realisator (so heißt das wohl) der „Mainzelmänn- chen" im ZDF. (Jener pädagogi- schen Glanzleistung also, die seit nunmehr 18 Jahren ihre einzigarti- ge Chance gründlich vertut, die Kinder der Nation - und die Kinder der Gastarbeiter! - gutes Spre- chen zu lehren. Aber das nur ne- benbei.) Über den lustigen Ger- lach und sein anderes Hobby heißt es jetzt mit vollem Ernst in einer Programmzeitschrift: „Gerlach ist ausgebildeter Heilpraktiker. Seit zwei Jahren gibt es in der Familie keinen Schnupfen mehr, und auch sonst sorgt der Vater für das allge- meine Wohlbefinden. Mit Akku- punktur" - so steht das da - „und Nervenpunktdetektor zieht er ge- gen heimtückische Leiden zu Fel- de."

Sagen Sie mal, Frau Doktor, oder Herr Doktor: Wie rechtfertigen Sie als Arzt es eigentlich, wenn bei Ihnen in der Familie mal jemand krank wird? Bedenken Sie doch:

Dieser Mann ist nur Heilpraktiker, und das sogar nur als Hobby, so nebenbei - und so einfach läßt sich der ganze Schnupfen ab- schaffen! gb

BLÜTENLESE

My home .. .

Meine Enkelin studiert. Mit drei Kommilitoninnen hat sie eine richtige Wohnung ge- mietet. Vier Treppen hoch, Ofenheizung und Klo über den Gang. Ich sollte sie un- bedingt besuchen. Meine Neugierde zu sehen, wie die heutige Jugend wohnt, sieg- te. Allerorten wird entrüm- pelt. Die drei haben einge- rümpelt. An der Tür fing es schon an. Keine Klingel, son- dern ein goldglänzender Türklopfer. Gleich neben dem Eingang ein Wagenrad und Pferdehalfter. Keine Betten, Matratzenlager. Statt Stühlen Naturholzhocker mit Strohsäcken als Polster. An der Wand eine verblichene, etwas angekokelte Seekarte aus Polynesien, daneben ein verrosteter Vorderlader. Als es dämmerte, kam stark ge- dämpftes Licht aus einer Wiener Gaslaterne mit ka- schierter Propanflasche. Na- türlich halten sich die vier Mädchen für „links". „Ihr wollt doch mit Neuem die Welt beglücken", fragte ich.

„Na klar, wir sind für den wahren Fortschritt. Hier in der Wohnung ruhen wir uns davon aus." Was soll man dazu sagen! Dr. Fleiß schaftlichen Prüfmöglichkeiten

nicht zugänglich oder die von ih- nen benutzten Verfahren könnten nur von jenen beurteilt werden, die diese Methoden selbst an- wenden.

Dies alles bedeutet kein Verbot ei- ner sogenannten Scheintherapie.

Die Anwendung von Placebos ist häufig sinnvoll, und wir alle ma- chen davon Gebrauch. Der Arzt muß.dann aber sicher sein, daß er aus ärztlicher (= humanitärer) Mo- tivation „zaubert" - und nicht an- deren VerSuchungen erliegt. Vor allem darf er nie in die Selbsttäu- schung verfallen und sich für ei- nen wirklichen Zauberer halten!

Prof. Dr. med. Ulrich Kanzow

Problem gelöst

Ein hoher Prozentsatz aller Krank- schreibungen ist bekanntlich, je nach Interessenlage der ursprüng- lichen Quelle der Meldung, immer nur auf ein Krankheitsbild zurück- zuführen. Mal ist es das Rheuma, dann sind es die Gefäßerkrankun- gen, Magen-Darm-Infektionen, vielleicht Streß oder Überernäh- rung, vor allem aber wohl die ba- nale Erkältung.

Aber der Schnupfen braucht es nicht mehr zu sein. Jedenfalls nicht für Wolf Gerlach und seine Familie. Herr Gerlach ist ein DER KOMMENTAR

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Die Information:

Bericht und Meinung

922 Heft 19 vom 7. Mai 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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Dies wiederum war Anlaß dazu, daß das Bundesarbeitsministerium im Oktober 1951 den Entwurf eines Ge- setzes über die Regelung der Bezie- hungen zwischen Ärzten und

senärztlichen Selbstverwaltung in die RVO. Das zur einzigen Errechnungsart für die Gesamtvergütung erklärte Kopf- pauschale — errechnet aus den Aus- gaben der einzelnen Krankenkassen

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