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ie Idee einer systematischen, objektivierbaren und regel- mäßigen, über die einzelnen Disziplinen hinausgehenden Klärung von neuen Erkenntnissen, die als Schwerpunkte über die Fort- bildung allen Ärzten bekannt sein sollten, auch wenn sie selbst nicht auf dem Gebiet solcher Neuerkenntnisse tätig würden, führte vor gut zwanzig Jahren zu dem Konzept einer jährli- chen interdisziplinären Zusammen- kunft, bei der die einzelnen Fachdiszi- plinen die Möglichkeit hätten, über solche Neuerkenntnisse zu berichten, die nach der Meinung der Fachexper- ten so weit entwickelt wären, daß sie über die Fortbildung an die Ärzte- schaft in Krankenhaus, Praxis, Be- triebsmedizin und öffentlichem Ge- sundheitsdienst weitervermittelt wer- den sollten.Die Wissenschaftlichen Gesell- schaften sollten jährlich um Vorschlä- ge gebeten werden, die dann darauf- hin geprüft werden sollten, welche über die neue interdisziplinäre Veran- staltung von den für die Fortbildung verantwortlichen Mandatsträgern nach Prüfung auf ihre Fortbildungsre-
levanz als Fortbildungsschwerpunkt herausgehoben und über die Fortbil- dung an alle Kolleginnen und Kolle- gen weitervermittelt werden sollten.
Idee und Konzept hat der Autor dann mit dem damaligen, langjähri- gen Vorsitzenden des
Wissenschaftlichen Beirats, Professor Dr.
Friedrich Loew, aber auch mit dem damali- gen Präsidenten der Bundesärztekammer, Professor Dr. Hans Joachim Sewering, und dem damali- gen Hauptgeschäfts- führer, Professor J. F. Volrad Deneke, besprochen. Ohne die spontane Zustim- mung und intensive Förderung dieser drei Persönlichkeiten wäre es kaum zum Inter- disziplinären Forum
„Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“ gekommen.
Verbindung zu den Fachgesellschaften
Auf die Einladung der Wissen- schaftlichen Medizinischen Gesell- schaften um Vorschläge für entspre- chende Themata war die Resonanz zum Teil recht ablehnend, wurde doch von wesentlichen Persönlichkeiten befürchtet, es gehe um eine Konkur- renz zu den Wissenschaftlichen Jah- resveranstaltungen der traditionsrei- chen Fachgesellschaften. In einem Gespräch, das der Präsident der Bun- desärztekammer, der Hauptgeschäfts- führer und der Autor mit dem damali- gen Vorsitzenden der Arbeitsgemein-
schaft der Wissenschaftlichen Medizi- nischen Fachgesellschaften (AWMF), Professor Dr. Hans Kuhlendahl, und dessen Stellvertreter, dem späteren Präsidenten der AWMF, Professor Dr.
Karl-Heinz Vosteen, in Köln hatten, konnten aber die Schwierigkeiten weit- gehend beseitigt wer- den.
Die Bundesärzte- kammer hatte am 31.
Oktober 1975 zum er- sten „Interdisziplinä- ren Zentralkongreß ,Fortschritt und Fort- bildung in der Medi- zin‘“ in Köln einge- laden und die Wis- senschaftlichen Medi- zinischen Fachgesell- schaften zu einer eingehenden Bespre- chung über den Pro- grammablauf des Kongresses für den 24. und 25. Januar 1976 nach Bad Go- desberg gebeten. Das Gespräch wur- de von Professor Deneke eröffnet und von Professor Dr. Loew geleitet, der den Autor bat, die Idee und die Aufgabe des geplanten interdiszi- plinären Kongresses darzustellen und die Vorarbeiten zu schildern. Aus dem prominenten Kreis von über 30 Vertretern Wissenschaftlicher Medi- zinischer Fachgesellschaften seien nur genannt: Professor Dr. H. E.
Bock, Professor Dr. K. Kremer, Pro- fessor Dr. R. Gross, Professor Dr. K.
Junghanns, Professor Dr. W. Kreien- berg, Professor Dr. K. G. Ober, Pro- fessor Dr. H. Valentin, Professor Dr.
H. H. Wieck.
Erfreulicherweise wurden nach Vorschlag der Änderung des Arbeits- titels „Zentralkongreß“ in „Forum“
A-303 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 6, 9. Februar 1996 (31)
T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE
Rückblick nach 20 Jahren
Systematische fachübergreifende Ermittlung des Fortbildungsbedarfs
Idee und Aufgabe – Verwirklichung und Entwicklung des Interdisziplinären Forums der Bundesärztekammer „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“
Das „Forum“ fand in diesem Jahr zum zwanzigsten Mal statt. Im Oktober 1976 veranstaltete die Bundesärzte- kammer (BÄK), die bis dahin vor al- lem mit internationalen Fortbildungs- kongressen hervorgetreten war, erst- mals diesen neuartigen Fortbildungs- kongreß. Die Initiative ging wesentlich vom Verfasser dieses Artikels aus, der seinerzeit die BÄK-Abteilung für Fortbildung und Wissenschaft leitete.
Blickt auf das von ihm „aus der Taufe“ ge- hobene „Forum“ zurück: Erwin Odenbach.
Foto: Archiv/Neusch
die Bedenken seitens der Repräsen- tanten Wissenschaftlicher Fachgesell- schaften ausgeräumt. So kam es in Godesberg zu einer intensiven und fruchtbaren Diskussion über einen möglichst sinnvollen Ablauf der vor- gesehenen Veranstaltung. Das 1. In- terdisziplinäre Forum fand vom 13.
bis 16. Oktober 1976 in Köln statt.
In den vergangenen 20 Jahren wurden 140 Themen von 140 Modera- toren, 621 Referenten und 519 gela- denen Diskussionsgästen (als Podium- steilnehmer) behandelt. Sehr bald be- wies das Interdisziplinäre Forum, daß es keine Konkurrenzveranstaltung für die Wissenschaftlichen Gesellschaften war. Die Zusammenarbeit mit ihnen entwickelte sich ausgezeichnet. Jähr- lich werden seither mit positiver Reso- nanz alle Wissenschaftlichen Gesell- schaften um Nennungen von Themata und Mitwirkenden gebeten, wobei schon bei der Anfrage ebenso wie bei der Information der Moderatoren und der Referenten folgender Fragenkata- log vorgelegt wurde:
¿ Was ist neu?
À Was hiervon ist für die prakti- sche Medizin wichtig?
Á Ist Prävention möglich?
 Welche Methoden sind dia- gnostisch/therapeutisch obsolet?
à Welche alten Methoden sind zu Unrecht vergessen?
Ä Welche Fehler werden erfah- rungsgemäß häufig gemacht?
Å Möglichkeiten (Stand) der Qualitätssicherung?
Æ Über welche nicht praxisrele- vanten neuen Entwicklungen muß der niedergelassene Arzt trotzdem in- formiert werden?
Ç Wie ist das Kosten-Nutzen- Verhältnis der empfohlenen bezie- hungsweise verglichenen Diagnostik- und Therapie-Verfahren?
È Was muß deshalb dringend über die Fortbildung weitergegeben werden?
Die den Referaten folgende Dis- kussion mit dem Plenum hat sich in den weitaus meisten Fällen als wichtig herausgestellt, weil nämlich sowohl von den Fortbildungsmultiplikatoren, die die wesentliche Zielgruppe des In- terdisziplinären Forums sind, wie auch von den fortbildungsinteressier- ten Ärzten aller Bereiche, die am Fo- rum teilnehmen, entweder Fragen zur
Klärung oder aber zur Relevanz und Realisierung und gelegentlich auch zu den Kosten gestellt werden. In dem jährlich erscheinenden Berichtsband über das Interdisziplinäre Forum sind deshalb auch diese Diskussionen ent- halten, nicht nur die Referate. Die Zusammenfassungen der Themenbe- handlung der Moderatoren sind so- wohl während der Veranstaltung als auch im Berichtsband von Bedeu- tung. Mit der Sammlung der Berichts- bände besteht eine Übersicht über die moderne Medizin, die zu konsultieren nach Meinung vieler sehr nützlich ist.
Der Inhalt der Berichtsbände „Fort- schritt und Fortbildung in der Medi- zin“ ist weltweit über medizinische Datenbanken abrufbar. Die einzelnen Bände sind bei der Bundesärztekam- mer erhältlich.
Markt für Fortbildung
Professor Loew hat das Interdiszi- plinäre Forum gerne auch als „Markt für die Fortbildung“ bezeichnet, weil die Fortbildungsmultiplikatoren, also diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die in ihrem jeweiligen Bereich für die Gestaltung der Fortbildungsarbeit und die Wahl der Fortbildungsthemata ver- antwortlich sind, Themen und Refe- renten kennenlernen können.
Die Beteiligung der Medizinjour- nalisten war von Anfang an beim In- terdisziplinären Forum gegeben. Von 1980 an waren auch die Prüfärzte der Kassenärztlichen Vereinigungen re- gelmäßig beteiligt, um bei vielen Kri- tiken an Regressen durch die Teilnah- me am Interdisziplinären Forum auch zu wissen, was nach dem derzeitigen Stand der Medizinischen Wissen- schaft zu wissen wichtig und auch ab- seits hochspezialisierter Einrichtun- gen anzuwenden sinnvoll ist.
Von 1960 an hat der Autor – an- fangs als Delegierter, später als Vor- standsmitglied der Bundesärztekam- mer – an allen Deutschen Ärztetagen teilgenommen. Dabei ist ihm immer wieder negativ aufgefallen, wie sehr Aufgaben und Ablauf der Deutschen Ärztetage von der breiten Presse mißverstanden wurden. Journalisten erwarten zumeist von einem Deut- schen Ärztetag wesentliche Anstöße für eine Verbesserung der ärztlichen
Versorgung. Verständlich ist, daß lan- ge Debatten über Einzelheiten der Berufsordnung, der Weiterbildungs- ordnung, der Gebührenordnung und mancher Interna, die auf der „Haupt- versammlung“ einer solch umfassen- den Organisation notwendig sind, von Außenstehenden nicht verstanden werden. Von der Spitzenorganisation der Ärzteschaft erwarten Laien in er- ster Linie sie selbst vorrangig betref- fende Themata. So sah und sieht der Autor in den Interdisziplinären Foren – und in den 20 Jahren ihres bisheri- gen Verlaufs – einen bedeutsamen Kontrapunkt zum Deutschen Ärzte- tag, wo die Bundesärztekammer ganz unabhängig von jedem „Eigeninteres- se“ der Ärzte eine patientenbezoge- ne, medizinische Thematik nach dem obengenannten Fragenkatalog ab- handelt, um dann durch Festsetzung der Schwerpunkte ärztlicher Fortbil- dung wichtige Neuerkenntnisse über die Fortbildung dem Patienten zugute kommen zu lassen.
Auch zur Harmonisierung des Verhältnisses zwischen Wissenschaft- lichen Medizinischen Fachgesell- schaften und Ärztekammern, zwi- schen der Arbeitsgemeinschaft Wis- senschaftlicher Medizinischer Gesell- schaften und der Bundesärztekam- mer hat das Interdisziplinäre Forum
„Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“ im Laufe der Jahre wesent- lich beigetragen.
Zum Abschluß ist es dem Autor eine tiefempfundene Verpflichtung, ganz besonders Herrn Professor Dr. F.
Loew für die ununterbrochene Förde- rung und Zusammenarbeit für das
„Forum“ zu danken sowie Frau H.
Verheggen für die Arbeit bei Vorbe- reitung und Durchführung der Inter- disziplinären Foren sowie Herausga- be des Berichtsbandes über die Ver- anstaltungen. Ohne ihr außergewöhn- liches Engagement wären wir nicht ausgekommen.
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. P. Erwin Odenbach Arzt für Neurologie und Psychiatrie Hauptgeschäftsführer der BÄK a. D.
Kapellenstraße 24, 50997 Köln A-304 (32) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 6, 9. Februar 1996
T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE
Literatur: Berichtsbände 1 bis 19 über die In- terdisziplinären Foren, erhältlich bei der Bun- desärztekammer