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Archiv "Unerwünschte Wachheit während der Narkose" (10.01.2011)

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ÜBERSICHTSARBEIT

Unerwünschte Wachheit während der Narkose

Petra Bischoff, Ingrid Rundshagen

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Die unerwünschte Wachheit während der Narkose (Awareness) und eine Erinnerung an Ereignisse während der Operation (Recall) können von Patienten als traumatisierendes Horrorszenario erlebt werden. Akustische, aber auch taktile Wahrnehmungen und darüber hin aus Gefühle der Hilflosigkeit, Be- wegungsunfähigkeit, Schmerzerleben, Panik bis hin zu Todesängsten sind möglich. Wachphänomene können folgenlos bleiben. Sie können aber auch im Sinne einer anästhesiologischen Komplikation eine posttraumatische Belas- tungsstörung mit Angstzuständen, Schlaflosigkeit, Alpträumen, Reizbarkeit, De- pressionen bis hin zu Suizidgedanken – also komplexe psychopathologische Phänomene – hervorrufen.

Methode: Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche.

Ergebnisse: Wenn keine besonderen Risiken vorliegen, treten Wachphänomene mit einer Häufigkeit von ein bis zwei Fällen pro 1 000 Narkosen (0,1 bis 0,2 %) auf und sind damit ein gelegentlich auftretendes kritisches Ereignis. Bei Kin- dern ist das Risiko für ein solches Ereignis jedoch um das 8- bis 10-fache er- höht. Verantwortlich für Wachphänomene sind zu leichte Narkosen, die keine vollkommene Bewusstseinsausschaltung erreichen. Begünstigend können Risi- ken vorliegen, die sich auf den Patienten beziehen (Klassifikation der American Society of Anesthesiologists [ASA] ≥ III, Medikamentenmissbrauch) oder auf den Eingriff (Kaiserschnittentbindungen, Notfalleingriffe und Nachtarbeit) oder auf die Anästhesie (Verzicht auf Benzodiazepine, Einsatz von Muskelrelaxan- zien).

Schlussfolgerungen: Strategien zur Vermeidung von Wachphänomenen in der Anästhesie umfassen: Personaltraining, um die problemorientierte Aufmerk- samkeit zu erhöhen sowie den Einsatz von Benzodiazepinen, den Verzicht auf Muskelrelaxierung – wenn möglich – und akustische Abschirmung. Die EEG- Überwachung ist wirksam, bietet aber keine Garantie für die Vermeidung einer Awareness. Eine zeitnahe fachkompetente, fächerübergreifende Patientenbe- treuung ist obligat und kann mögliche Folgeschäden minimieren.

►Zitierweise

Bischoff P, Rundshagen I: Awareness during general anesthesia.

Dtsch Arztebl Int 2011; 108(1–2): 1–7. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0001

D

er Gedanke, während einer bevorstehenden Ope- ration trotz Narkose wach zu sein, ist eine häufig geäußerte Sorge von Patienten beim Vorgespräch. Die- se Bedenken sind nicht ganz unbegründet, denn trotz modernster anästhesiologischer Technik kommt Wach- heit während der Narkose immer wieder vor. Die Häu- figkeit liegt zwar heute deutlich – das heißt nahezu 10-fach – unter den Zahlen der 1970er Jahre, wird aber für Patienten ohne besondere Risiken immerhin noch mit ein bis zwei Fällen pro 1 000 Anästhesien veran- schlagt (1–3). Es ist davon auszugehen, dass nicht alle Anästhesiepatienten gezielt auf Wachheitsphänomene untersucht werden und damit eine Dunkelziffer exis- tiert.

Ziel einer Narkose (Allgemeinanästhesie) für opera- tive Eingriffe ist es, Bewusstsein und Schmerzen aus- zuschalten sowie motorische (Muskelanspannung, Ab- wehrbewegung), autonome und kardiozirkulatorische Reflexantworten (Blutdruck- und Herzfrequenzanstie- ge) zu verhindern. Unerwünschte Wachphänomene (Synonym: Awareness) werden in den meisten Fällen durch zu leichte Narkosen verursacht (e2). Awareness kann ohne Erinnerung und mit Erinnerung an Ereignis- se während der eigenen Operation vorkommen. Im amerikanischen Sprachgebrauch wird letzteres Phäno- men als „Recall“ bezeichnet und entspricht einer expli- ziten Gedächtnisleistung, die direkt abgefragt werden kann.

Demgegenüber sind implizite Phänomene komple- xer und liegen im Verborgenen. Neuropsychologische Testverfahren sind erforderlich, um Spuren wahrge- nommener Sinnesreize zu entdecken, die im Unterbe- wusstsein versteckt liegen (4).

Awareness sowie Recall-Phänomene können als trau- matisierendes Horrorszenario erlebt werden, was oft- mals thematisch gerne von populärwissenschaftlich ori- entierten Journalen aufgenommen wird (zum Beispiel unter Spiegel-Online.de: „Patienten erleben Operation bei vollem Bewusstsein“ [28. 7. 2008; www.spiegel.de/

wissenschaft]). Leidensdruck und Hilflosigkeit Betrof- fener wird deutlich durch die Initiation organisierter Selbsthilfegruppen, Netzwerke und Internetplattformen mit Themenangeboten zur Problemorientierung, Prä- vention und Behandlung von Awareness und deren möglichen Folgen.

Das Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, Wachphä- nomene während der Narkose hinsichtlich ihrer Häu- figkeit, Risiken, möglicher Präventions- und Behand-

Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer, Klinikum der Ruhr Universität Bochum: Prof. Dr. med. Bischoff Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin:

PD Dr. med. Rundshagen

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lungsmöglichkeiten zu bewerten. Grundlage bildet eine selektive Literaturrecherche von internationaler Fachli- teratur, die in der Datenbank Medline gelistet ist, zum Thema Awareness und Störungen, die durch Awareness verursacht wurden, mit dem Schwerpunkt der letzten 15 Jahre.

Awareness und deren Folgen

Bei nicht ausreichender Bewusstseinsausschaltung kann eine explizite Erinnerung an Ereignisse während einer Narkose die Folge sein. Diese kann bei der post- operativen Visite anhand strukturierter Interviews ab- gefragt werden (5). Besteht der Verdacht auf ein Aware- ness-Geschehen, ist zur Abklärung zwingend ein Ge- spräch (Kasten 1) direkt postoperativ und wiederholt nach einigen Tagen durchzuführen. Durchschnittlich gibt nur etwa jeder dritte Betroffene die Awareness un- mittelbar nach dem Erwachen aus der Narkose im Auf- wachraum an. Der weitaus höhere Prozentsatz äußert

sich erst sehr viel später, bis zu 30 Tagen danach (1, 6, 7). Diese Beobachtung verdeutlicht den Stellenwert ei- ner postoperativen Visite insgesamt, wirft aber auch die Frage nach dem geeigneten Zeitpunkt einer Nachfor- schung auf.

Auf die Frage nach der Qualität unerwünschter Sin- neswahrnehmungen während Narkosen werden am häufigsten akustische Wahrnehmungen (Stimmen, Ge- räusche, Lärm) genannt (Tabelle 1) (3, 6, 7). Da Anäs- thetika die physiologischen Funktionen des Hörens nur indirekt, nämlich über die Ausschaltung der kognitiven Signalverarbeitung, beeinflussen, erscheint es plausi- bel, dass bei nichtvollständiger Bewusstseinsausschal- tung akustische Signaltransduktionen das Gehirn errei- chen. Die akustische Abschirmung vom Geräuschpegel im OP-Bereich (Schallschutzkopfhörer, disziplinierte Einhaltung von Ruhe im OP-Saal) oder die alternative akustische Abschirmung über Musikangebote (Kopfhö- rer) erscheinen dadurch als überaus wichtige Maßnah- men zur Prävention von Awareness (e3).

Der Zusammenhang zwischen akustischer Wahrneh- mung und möglicher Suggestion während Narkosen wird uneinheitlich bewertet (8). Überlegungen zur the- rapeutischen (positiven) Suggestion basieren auf frühe- ren Befunden über geringere Komplikationsraten, zeit- lich schnellere Erholung und frühere Krankenhausent- lassung, wenn intraoperativ Tonmaterial mit positiven Inhalten zum Operations- beziehungsweise Krankheits- verlauf vermittelt wurde (9). Vergleichbare Ergebnisse waren in Folgestudien nur eingeschränkt an kleinen Fallzahlen reproduzierbar (e4). Erklärungen dafür sind vor allem in nicht ausreichender Beachtung wichtiger Einflussgrößen zu suchen. So kann die Vorankündi- gung (Studienaufklärung), dass Tonmaterial während der OP eingesetzt wird, die Erwartung in die eine oder andere Richtung verstärken.

Ferner ist die Grundstimmung des Patienten (zum Beispiel Angst, Stress) ebenso wie der Aufbau des Ton- materials entscheidend. Einzelne Wörter dringen eher zum Patienten durch als formulierte Sätze. Scheinbar ist auch bedeutsam, ob Informationen negative, positi- ve oder neutrale Assoziationen bewirken. Die Formu- lierung in einer akustischen Darbietung „Sie werden keine Schmerzen haben“ ist ungünstig, da das Wort

„Schmerz“ als negativ besetztes Reizwort eher zu dem Patienten durchdringt, als der Zusammenhang des for- mulierten Satzes (8). Wachphänomene werden bei Schmerzfreiheit häufiger als weniger störend empfun- den, wohingegen sie bei intensivem Schmerzerleben größte Aufmerksamkeit erlangen (3, 7). Als ebenfalls extrem belastend mit Gefühlen der Panik und Todes- ängsten werden Erinnerungen an motorische Bewe- gungsunfähigkeit durch Muskelrelaxanzien geschildert (1, 2).

Awareness kann für die Betroffenen folgenlos blei- ben, aber auch in eine akute Belastungsreaktion und dar - über hinaus eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) münden (4), die jeweils komplexe Phänomene (Tabelle 2) darstellen. Psychopathologisch liegt bei der PTBS eine stressreaktive, gestörte Informationsverar- KASTEN 1

Standardisiertes Interview zur Erfassung von Awareness*

Was ist das Letzte, an das Sie sich erinnern, bevor Sie eingeschlafen sind?

Was ist das Erste, an das Sie sich erinnern, nachdem Sie wieder aufgewacht sind?

Können Sie etwas erinnern, was zwischen diesen Zeit- punkten liegt?

Haben Sie geträumt oder irgendwas wahrgenommen während Sie schliefen?

Was war das Unangenehmste während der Operation?

*modifiziert nach (5);

Durchführung erfolgt im Anschluss an die Narkose (Aufwachraum) und idealerweise nochmals an den Folgetagen

TABELLE 1

Wahrnehmung während intraoperativer Wachheit (3, 7)

Geräusche

visuelle Sinneseindrücke Angst

Hilflosigkeit Operationsdetails Lähmung Schmerz

Prävalenz 85–100 % 27–46 % 78–92 % 46 % 64 % 60–89 % 41 %

(3)

beitung vor (7). Leider basieren Erkenntnisse dazu überwiegend nur auf Einzelfallschilderungen, Auswer- tungen von versicherungsrechtlichen Daten (10, e5) und Studien anderer PTSD-Patientenkollektive nach psychotraumatischen Erlebnissen wie zum Beispiel Folter, Krieg oder Missbrauch (eDSM IV 1994, eGui- delines 1999). Positive Effekte psychotherapeutischer Interventionen nach den Leitlinien der Arbeitsgemein- schaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachge- sellschaften (AWMF; www.awmf.de) zur Behandlung von PTBS (ICD-10: F 43.1) sind bei diesen Patienten- kollektiven belegt (e6, e7).

Der Umgang mit Awareness-assoziierten Störungen überschreitet oftmals das Arbeitsfeld der Anästhesiolo- gie und erfordert die Einbeziehung von Kollegen ande- rer Fachgebiete. Im Vordergrund steht das frühzeitige Erkennen, die Einleitung einer psychotraumatologi- schen Diagnostik und die Mitbehandlung durch Psy- chiater, Psychologen oder Psychotherapeuten (e5). In den ersten Wochen nach dem Ereignis ist die Prognose für eine spontane Remission relativ gut. Persistieren Symptome über einen Zeitraum von mehr als 4 Wochen besteht die Gefahr der Chronifizierung, wobei die An- gaben zur Entwicklung anhaltender neuropsychologi- scher Störungen bei Awareness-Patienten von 10 % über 20 % bis hin zu 33 % variieren (3, 7, 11).

Häufigkeit von Awareness und Risiken

Wenn keine besonderen Risiken vorliegen, kommen Wachphänomene mit einer Häufigkeit von ein bis zwei Fällen pro 1 000 Narkosen vor (0,1 bis 0,2 %) (Tabelle 3) und sind damit ein gelegentlich auftretendes kriti- sches Ereignis. In Deutschland werden jährlich schät- zungsweise 8 Millionen Anästhesien durchgeführt, so dass eine beträchtliche Anzahl von 8 000 beziehungs- weise 16 000 betroffenen Patienten pro Jahr resultiert.

Awareness begünstigende Faktoren liegen als patien- tenbezogene Risiken vor, wenn Begleiterkrankungen (Klassifikation der American Society of Anesthesiolo- gists [ASA] ≥ III) und eingeschränkte kardiovaskuläre Leistungsreserven bestehen. Um das Herz-Kreislauf- System zu schonen, werden dann häufiger zu leichte Narkosen durchgeführt (2, 7). Auch Patienten mit chro- nischen Schmerzzuständen und einer häufigen Einnah- me von Schmerzmitteln oder Drogenabhängigkeit er- halten oft unzureichende Opioiddosierungen. Während einige Autoren Awareness-Risiken bei jungen Patienten und bei Frauen höher einschätzen (6, 7), postulieren andere bei Erwachsenen eine Geschlechter- und Alters- unabhängigkeit (2). Adipositas kann aufgrund einer schwierig einzuschätzenden Pharmakokinetik der An- ästhetika ein Awareness-Risiko bedeuten (e8), wenn- gleich auch dieses nicht immer einheitlich bewertet wird (7). Kinder stellen eine eigene Risikogruppe mit weit höheren – und zwar 8- bis 10-fach höheren – Awa- reness-Raten dar (12, e9, e10). Aus pharmakokineti- scher Sicht liegt die Ursache in einer vergleichsweise schnelleren Umverteilung von Anästhetika, was eine geringere Sicherheit für ausreichende Wirkplasmaspie- gel zur Folge hat (13).

Awareness-Risiken werden häufig auch für be- stimmte Operationen (eingriffsbezogene Risiken) be- nannt. Risikobehaftet sind insbesondere Kaiserschnitt - entbindungen (14). Awareness ist dabei Folge einer zu geringen Dosiswahl aus Angst vor einer möglichen An- ästhetikabelastung und Atemdepression bei dem Unge- borenen. Ferner gehen Notoperationen und Eingriffe während der Nachtstunden in den Statistiken mit höhe- ren Awareness-Raten einher (6). Fehler im Narkose - management wie zum Beispiel Applikationsfehler und/

oder Fehlverhalten durch übermäßige Arbeitsbelastung können weitere Ursachen für Awareness sein.

Letztlich wird Awareness auch immer wieder in Zu- sammenhang mit einzelnen Narkosemedikamenten (medikamentenbezogene Risiken) gebracht. Besondere Aufmerksamkeit haben Muskelrelaxanzien erlangt, wenn keine ausreichende Bewusstseinsausschaltung während Operationen erreicht wurde. Berichte über ne- gative Wahrnehmungen reichen von alptraumhaften Qualen bis hin zu Gefühlen der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins, da sich die Patienten aufgrund aus- geschalteter Muskelfunktionen nicht bemerkbar ma- chen konnten. Muskelrelaxanzien stellen in verglei- chenden Studien ein Risiko mit deutlich höheren Awa- reness-Raten (nahezu doppelt so hoch; 0,18 % versus 0,1 %) dar (1, 2). Muskelrelaxanzien sind allerdings während der Allgemeinanästhesie oftmals unverzicht- bar, weil nur sie unerwünschte motorische Bewegun- gen und Abwehrspannung ausschalten und optimale chirurgische Bedingungen herstellen können.

Seit Jahren werden kontroverse Diskussionen im Hinblick auf den Schutz vor Awareness bei der total in- travenösen Anästhesie (TIVA; zum Beispiel mit Propo- fol) gegenüber Verfahren mit Inhalationsanästhetika geführt. Unterschiede auf der Ebene molekularer Wirk- mechanismen oder regionaler Wirkeffizienz (Großhirn- rinde gegenüber Hirnstamm) werden für die genannten Anästhetika erörtert (15). Ob sich daraus unterschiedli- che Risiken für Awareness ableiten lassen, ist bislang

TABELLE 2

Klinische Symptome bei posttraumatischer Belastungsstörung (7) Schlüsselsymptome

Wiedererleben des Traumas

Vermeidungssymptome Emotionales Abstumpfen

Übererregtheit

Beispiele

quälende Erinnerung an das Trauma, Flashbacks, Alpträume, übersteigerte emotionale oder physische Reaktion bei Konfrontation mit Hinweisreizen auf das Trauma

Vermeiden von Aktivitäten, Orten, Gedanken, Gefühlen, Gesprächen, die im Zusammenhang mit dem Trauma stehen

allgemeine Interesselosigkeit, Losgelöstheit oder Entfremdung von anderen, eingeschränktes emotio- nales Erleben

Schlafstörungen, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, Konzentrationsstörungen, übermäßige Wachsamkeit, übertriebene Schreckreaktionen

(4)

nicht bewiesen. Die Studienlage deutet eher darauf hin, dass Awareness im individuellen Fall eine Frage der zu geringen Dosisbemessung ist und damit eher quantitati- ven als qualitativen Kriterien unterliegt (6, 7).

Benzodiazepine haben nach derzeitigem Kenntnis- stand aufgrund ihrer Amnesieeffekte einen hohen Stel- lenwert bei der Prävention von Awareness beziehungs- weise Recall, so dass eine fehlende Benzodiazepingabe das Risiko für Wachphänomene signifikant erhöht (6, 7). Im Umkehrschluss bieten Benzodiazepine aller- dings keinen absolut sicheren Schutz. Da Awareness unbemerkt und nicht vorhersagbar auftritt, ist die Er- mittlung des geeigneten Zeitpunkts für eine auf die Awareness abzielende Benzodiazepingabe nahezu un- möglich. Ferner ist der amnestische Effekt dieser Sub- stanzen dosisabhängig und damit insbesondere bei lan- gen Operationen nicht immer gleichwertig aufrechtzu- erhalten (16).

Lachgas hatte über viele Jahrzehnte aufgrund seiner analgetischen Potenz und seiner Induktion von retro- grader Amnesie mit zeitlich extrem kurzen An- und Ab- flutzeiten einen festen Stellenwert in der klinischen Praxis inhalativer Anästhesieverfahren. Heute wird aus umweltökonomischer Sicht zunehmend auf Lachgas verzichtet. Entgegen anfänglicher Befürchtungen zei- gen Literaturrecherchen, dass die An- oder Abwesen- heit von Lachgas ohne Einfluss auf die Häufigkeit von Wachzuständen zu sein scheint (7).

Optimierung der Narkosetiefe nur begrenzt möglich

Narkose ist das Zusammenwirken von vier verschiede- nen Komponenten (Blockaden) (17) (Grafik):

mentaler Block (Hypnose, Blockade von Wahr- nehmung, Bewusstsein und Erinnerung)

sensorischer Block (Analgesie, Blockade der Schmerzempfindung)

motorischer Block (Blockade der Muskelanspan- nung und reizvermittelter, motorischer Bewe- gungsantworten)

reflektorischer Block (Blockade der neurovegeta- tiven und kardiozirkulatorischen Reaktivität, Ver- meidung von Blutdruckspitzen und/oder Herz- rhythmusstörungen).

Wie jedoch die Komponenten Gedächtnisfunktion, Bewusstseinsverlust, Schmerzempfinden, sensorische und vegetative Blockade zusammenwirken und den Nar- kosezustand insgesamt bestimmen, ist im Detail nicht aufgeklärt (10). Ein Dilemma besteht, da keine allge- mein anerkannte Maßeinheit für Narkose und auch keine Normwerte existieren. Erfahrungen aus pharmakologi- schen Untersuchungen und Hilfsgrößen (Surrogatpara- meter) wie Blutdruck und Herzfrequenz bestimmen in der klinischen Praxis die Dosiswahl von Anästhetika.

Die Orientierung am Blutdruck- und Herzfrequenz- verhalten sind aber ebenso wie Tränenfluss, Schwitzen und motorische Bewegungsreaktionen nicht geeignet, die Bewusstseinsausschaltung ausreichend abzubilden.

Der Funktionszustand des eigentlichen Zielorgans Ge- hirn ist nur indirekt und damit unzureichend beurteil- bar. Nur die wenigsten Fälle von Awareness weisen kli- nische Zeichen nicht ausreichender Narkosetiefe auf (7). Das Phänomen ausbleibender physiologischer Re- aktionen (zum Beispiel Blutdruckanstiege, Tachykar- die, Schwitzen) wird häufig durch die Medikation von Antihypertensiva (Betablocker) begünstigt. Eine Ana- lyse von Schadensersatzforderungen nach Awareness- Fällen in den USA veranschaulicht den begrenzten Wert von Hilfsgrößen, die zur Abschätzung der Narko- sequalität üblicherweise benutzt werden. Lediglich in 15 % der Fälle wurden Anstiege des Blutdrucks, in nur 7 % Herzfrequenzsteigerungen und in nur 2 % motori- sche Bewegungen beobachtet (18).

Vor diesem Hintergrund wird seit Jahren versucht, dosisabhängige Anästhetikaeffekte auf den Funktions- zustand des Zielorgans Gehirn mit dem Elektroenze- phalogramm (EEG) abzubilden. Kommerziell erhältli- che EEG-Systeme ermöglichen heute computergestützt die Analyse komplexer Hirnstromsignale und bieten über eine automatische Indexkalkulation die Vorteile einer individuellen Abschätzung der Sedierungs- bezie- hungsweise Schlaf- oder Hypnosetiefe (19). Allerdings ist das EEG-Monitoring – wie jeder Messwert – immer im Kontext mit den verbleibenden klinischen Zeichen der Narkosetiefe (Blutdruckverhalten, Puls, Schweiß- sekretion, Bewegung) zu interpretieren.

Inwieweit das EEG bei gezieltem Einsatz Awareness zu verhindern hilft, wird kontrovers diskutiert. So zeigt eine Untersuchung von 4 945 Anästhesien mit EEG- TABELLE 3

Häufigkeit (%) von Wachheit (Awareness) mit expliziter Erinnerung (Recall)

Wachheit und Erinnerung sind angegeben mit Fall- und Kollektivzahlen, die in den aufgeführten Studien mittels standardisiertem Interview (5) ermittelt wurden.

EEG, Überwachung mittels Elektroenzephalographie;

MAC, „minimale alveoläre Konzentration“, Überwachung der endtidalen Narkosegaskonzentration

*1Reanalyse nach Ausschluss von Muskelrelaxanzien

*2 Reanalyse nach Ausschluss von Awareness-Risikopatienten (vgl. Grafik) Autor

Sandin (19) Sebel (2) Myles (21)

Ekman (20) Pollard (25) Avidan (22)

Errando (6) Samuelsson (3) Paech (e12) Xu (e13)

Jahr 2000 2004 2004

2004 2007 2008

2008 2008 2008 2009

Häufigkeit (%) 0,18/0,1*1 0,13 0,17–0,91

0,04 0,007 0,21

1,0/0,8*2 0,14 0,26 0,41

Fallzahl 18/11 785 25/19 575 13/2 463 2/1 225 (EEG) 11/1 238 2/4 945 6/87 361 4/1 941 2/967 (EEG) 2/974 (MAC > 0,7) 39/3 921 10/6 991 2/763 46/11 101

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Monitoring gegenüber einer historischen Kontrollgrup- pe ohne EEG-Monitoring eine 5-fache Reduktion des Awareness-Risikos (20). Eine weitere Untersuchung an 2 500 Patienten postuliert für das EEG-Monitoring so- gar eine Risikoreduktion um 82 % (21). Demgegenüber konnte allerdings auch gezeigt werden, dass die syste- matische Aufrechterhaltung geeignet hoher Narkose- gaskonzentrationen (0,7–1,3 MAC) eine mindestens gleiche Wirksamkeit gegen Awareness aufweist wie das EEG-Monitoring (22). Ferner konnte bislang für das Narkose-EEG-Monitoring keine ausreichende Trenn- schärfe bei der Beurteilung der wichtigen Grenzberei- che – Ausschaltung und Wiedereinsetzen des Bewusst- seins (Wahrnehmung) – nachgewiesen werden (19).

Letztlich liegen für einen sauberen statistischen Nach- weis in vielen Studien keine ausreichenden Fallzahlen vor. Die effektive Vermeidung von Awareness durch EEG-Monitoring würde bei einer derzeit anzunehmen- den Häufigkeit von 0,1 bis 0,2 % nach statistischen An- forderungen eine kaum realisierbare, prospektive Stu- dienkonzeption mit wenigstens 20 000 bis 50 000 Pa- tienten erforderlich machen (23).

Wachzustände können durch Applikationsfehler von Anästhetika verursacht werden. Um solche Behand- lungsfehler zu erkennen, haben sich Wirkspiegelkon- trollen bewährt. Bei inhalativen Anästhesietechniken wird dies nach anästhesiologischem Standard durch die Messung der Gaskonzentrationen im Beatmungssystem erreicht und kann als ein Alarmsystem genutzt werden (24). Die Grenzwertüberwachung inhalativer Anästhe- tika hat wie oben beschrieben eine dem EEG-Monito- ring vergleichbare Reduktion von Awareness-Risiken bewiesen (22). Bei intravenösen Narkosetechniken

müssen dagegen in der Praxis fehlende Wirkspiegel- kontrollen in Kauf genommen werden. Wirkspiegel- kontrollen (Plasmawirkspiegel) können am Patienten nicht direkt gemessen, sondern nur behelfsmäßig kal- kuliert werden, im Idealfall mittels spezieller compu- tergestützter Pumpensysteme auf der Basis pharmako- kinetischer Modelle. Eine simultane EEG-Überwa- chung dient dabei als grob orientierende Abbildung der Schlaftiefe und bietet somit einen besseren Schutz vor Applikationsfehlern.

Empfehlungen für die Praxis

Zur Prävention und Risikominimierung von Awareness tragen anästhesiologische Vermeidungsstrategien (Kas- ten 2) bei. Ferner sollen in einer Studie dauerhafte Schulungen des Personals ebenso wie engmaschige Kontrollen und die Umsetzung von Qualitätskriterien außergewöhnlich niedrige Raten von Awareness (Ta- belle 3) herbeigeführt haben (25). Darüber hinaus ist ei- ne Awareness-Prävention durch Überwachung der Nar- kosegaskonzentration und EEG ebenso wie durch eine konsequente Disziplin im OP mit akustischer Abschir- mung des anästhesierten Patienten zu erwarten. Das heißt, die Vermeidung lauter Geräusche oder Gesprä- che und/oder Kopfhörer mit und ohne Musik (13) sind wesentliche Punkte bei der Prävention von Awareness.

Essenziell für den praktischen Umgang im OP ist auch, keine Negativsuggestion durch eine negative Wortwahl wie zum Beispiel „Schmerz, Krebs, inoperabel, zweck- los“ auf den anästhesierten Patienten wirken zu lassen.

Grauzonen in den Grenzbereichen der Wahrnehmung können bislang nicht ausreichend kontrolliert werden (8, 19, e11).

GRAFIK

Ideale Narkosetiefe als Anästhesiekomponentengefüge (17). Die Narkosetiefe unterliegt einem Antagonismus (links) zwischen der do- sisabhängigen Anästhesiewirkung und dem chirurgischen Schmerzstimulus. Eine zu leichte Narkose birgt Risiken (rechts) für Ereignisse mit Wachheitsphänomen (Awareness, Recall), die komplizierend eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) induzieren können. Risiken für Awareness und Recall (rechts) können patientenbezogen, eingriffsbezogen oder anästhesiebezogen vorliegen.

(6)

Resümee

Moderne Anästhesietechniken gewährleisten eine aus- reichende Narkosetiefe mit adäquater Blockierung der sensorischen Qualitäten („Fühlen“, „Hören“), so dass in aller Regel keine Awareness und deren Folgen zu be- fürchten sind. Eine erfolgreiche Problemorientierung für unerwünschte Wachphänomene umfasst Präventi- onsmaßnahmen durch

Personalschulung

Ausräumen von Applikationsfehlern

Einhaltung von OP-Ruhebereichen beziehungs- weise akustische Abschirmung

Prämedikation mit Benzodiazepinen.

Awareness beziehungsweise Recall-Phänomene, de- ren Häufigkeit derzeit mit 0,1–0,2 % angegeben wer- den, können im Einzelfall anhaltende neuropsychologi- sche Störungen zur Folge haben, zunächst als akute Be- lastungsreaktion oder schwerwiegender als posttrauma- tische Belastungsstörung. Der leichtfertige Umgang und gar Nicht-Beachtung subjektiver Patientenbe- schwerden stellen Behandlungsfehler dar. Bei einer zeitnahen fachkompetenten Behandlung Awareness-as- soziierter Störungen ist die Prognose gut, wohingegen persistierende Symptome zur Chronifizierung neigen.

Grundkenntnisse über das Problem Awareness ebenso wie ein klares Konzept für kompetentes Vorgehen

(Kasten 3) sind in allen medizinischen Bereichen, bei denen für diagnostische oder operative Eingriffe das Bewusstsein teilweise oder ganz ausgeschaltet wird, er- forderlich.

Interessenkonflikt

PD Dr. Rundshagen hat Vortragshonorare von der Firma Abbott erhalten.

Prof. Bischoff erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 16. 2. 2010, revidierte Fassung angenommen: 24. 6. 2010

LITERATUR

1. Sandin RH, Enlund G, Samuelsson P, Lennmarken C: Awareness du- ring anaesthesia: a prospective case study. Lancet 2000; 355:

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3. Samuelsson P, Brudin L, Sandin RH: Intraoperative dreams reported after general anaesthesia are not early interpretations of delayed awareness. Acta Anaesthesiol Scand 2008; 52: 805–9.

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5. Brice DD, Hetherington RR, Utting JE: A simple study of awareness and dreaming during anaesthesia. Br J Anaesth 1970; 42: 535–42.

KASTEN 2

Strategien zur Vermeidung von Awareness

Fachliches Training des Anästhesiepersonals (Schulung der Aufmerksamkeit, wissenschaftliche Erörterung der Awareness-Problematik)

Aufklärung beim Prämedikationsgespräch

präoperative Awareness-Risikoabschätzung (Patienten - evaluation)

ausreichende Prämedikation, Benzodiazepine

Verzicht auf den unkritischen Einsatz von Muskelrelax- anzien

Risikopatienten einem erweiterten Monitoring (EEG) zuführen

Vermeidung von Applikationsfehlern

akustische Abschirmung – Stille, Ruhe im OP – Vermei- dung negativer Kommentare (Negativsuggestion)

Darbietung von Musik über Kopfhörer

postoperative Patientenevaluation (standardisiertes In- terview)

Konzept zum Umgang mit Awareness bereithalten und gezielt konsequent abarbeiten; z. B. bei V. a. Awareness:

In der Situation mit dem Patienten ruhig sprechen.

KASTEN 3

Umgang mit Awareness-Patienten

Klagen über Awareness-Phänomene ernst nehmen und mit dem Patienten besprechen

zur Kontaktaufnahme mit den behandelnden Anästhe- siologen raten

Symptome Awareness-assoziierter Störungen (posttraumatisches Belastungssyndrom [PTBS]) grob orientierend erklären:

– Angstzustände – Schlaflosigkeit – Alpträume – Reizbarkeit

– Depressionen bis hin zu Suizidgedanken

auf die Ernsthaftigkeit von PTBS hinweisen

auf die relativ gute Prognose einer zeitnahen PTBS-Be- handlung und die Gefahr der Chronifizierung bei persis- tierender Symptomatik hinweisen

Anbieten professioneller Hilfe: Psychologe, Psychiater, Psychotherapeut

u. U. die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin kontaktieren, um regionale Ansprech- partner zu vermitteln

(7)

6. Errando CL, Sigl JC, Robles M, et al.: Awareness with recall during general anaesthesia: a prospective oberservational evaluation of 4001 patients. Br J Anaesth 2008; 101: 178–85.

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Anschrift für die Verfasserinnen Prof. Dr. med. Petra Bischoff

Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer

Klinikum der Ruhr Universität Bochum In der Schornau 23–25, 44892 Bochum

SUMMARY

Awareness During General Anesthesia

Background: Awareness while under general anesthesia, and the later recall of what happened during surgery, can be experienced by patients as horrific events that leave lasting mental trauma behind. Patients may have both auditory and tactile perception, potentially accompanied by feelings of helplessness, inability to move, pain, and panic ranging to an acute fear of death. For some patients, the experience of awareness under anesthesia has no sequelae; for others, however, it can lead to the development of post-traumatic stress disorder, consisting of com- plex psychopathological phenomena such as anxiety, insomnia, night- mares, irritability, and depression possibly leading to suicidality.

Methods: The literature on the subject was selectively reviewed.

Results: In the absence of risk factors awareness phenomena occur in one to two per 1000 operations under general anesthesia (0.1 % to 0.2 %) and are thus classed as an occasionally occurring critical event.

In children, the risk of such phenomena occurring is 8 to 10 times higher.

These phenomena are due to an inadequate depth of anesthesia with incomplete unconsciousness. They can be promoted by a number of risk factors that are either patient-related (ASA class III or above, me- dication abuse), surgery-related (Caesarean section, emergency proce- dures, surgery at night), or anesthesia-related (anesthesia without ben- zodiazepines, use of muscle relaxants).

Conclusion: Strategies for avoiding awareness phenomena under anes- thesia include the training of staff to know about the problem and, spe- cifically, the use of benzodiazepines, the avoidance of muscle relaxants if possible, and shielding the patient from excessive noise. EEG monito- ring is effective but provides no guarantee against awareness. If aware- ness under anesthesia occurs despite these measures, the patient must be given expert, interdisciplinary treatment as soon after the event as possible in order to minimize its potential sequelae.

Zitierweise

Bischoff P, Rundshagen I: Awareness during general anesthesia. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(1–2): 1–7. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0001

@

Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:

www.aerzteblatt.de/lit0111

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de KERNAUSSAGEN

Awareness (Wachphänomene), respektive Recall (mit Erinnerung) tritt beim Erwachsenen mit einer Häufigkeit von 1 bis 2 Fällen pro 1 000 Narkosen auf.

Besondere Risiken können sich beziehen auf – den Patienten (ASA Klassifikation ≥ III, Medikamen-

tenmissbrauch)

– den Eingriff bzw. die Umstände für den Eingriff (Kaiserschnittentbindungen, Notfalleingriffe und Nachtarbeit)

– die Anästhesie (Verzicht auf Benzodiazepine, Einsatz von Muskelrelaxanzien).

Kinder stellen eine eigene Risikogruppe dar mit 8- bis 10-fach höheren Awareness-Raten.

Awareness kann folgenlos bleiben, aber auch als anäs- thesiologische Komplikation eine postraumatische Be- lastungsstörung nach sich ziehen.

Aufmerksamkeit, Personalschulung, Beachtung von Ri- siken und ggf. eine fachkompetente Behandlung kön- nen die Häufigkeit und mögliche negative Folgen von Awareness reduzieren.

(8)

ÜBERSICHTSARBEIT

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Petra Bischoff, Ingrid Rundshagen

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Referenzen

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