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Archiv "Unerwünschte Arzneimittel-Wirkungen bei geriatrischen Patienten" (01.04.1983)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÄRZTEBLATT

Heft 13 vom 1. April 1983

Unerwünschte

Arzneimittel-Wirkungen bei geriatrischen Patienten

Häufigkeit, Ursachen und Möglichkeiten zur Verhinderung Wolfgang Kruse, Tullio Mander,

Manuela Merkel, Peter Oster und Günter Schlierf

Aus dem Bethanien-Krankenhaus Heidelberg Innere (geriatrische) Abteilung

(Direktor Professor Dr. med. Günter Schlierf)

und dem Klinischen Institut für Herzinfarktforschung (Direktor: Professor Dr. Dr. h.c. mult. Gotthard Schettler) an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg

Das häufig „bunte" klinische Bild bei betagten Patienten wird durch eine hohe Anzahl von unerwünschten Arznei- mittelwirkungen kompliziert.

Alterstypische anatomische und physiologische Gegeben- heiten führen zu veränderter Pharmakokinetik und -dyna- mik. Dadurch steigt das Risiko für unerwünschte Arzneimit- telwirkungen bei nicht ange- paßter Dosierung. Multimorbi- dität im Alter führt häufig zur Polypragmasie in der medika- mentösen Therapie. Vielfach- verordnungen erhöhen eben- falls das Risiko für das Auftre- ten von Nebenwirkungen. Um- fangreiche und komplizierte Therapiepläne überfordern die Patienten und bedingen oft eine fehlerhafte Einnahme.

Diese gefährdet den Thera- pieerfolg und kann das Auftre- ten unerwünschter Wirkungen begünstigen. Solche Risiken müssen vom Arzt bedacht und bei der Behandlung so gering wie möglich gehalten werden.

Zusammenfassung

In einem geriatrischen Krankengut wurden während sechs Monaten 250 Patienten im Alter von 65 Jah- ren oder darüber auf vorhandene unerwünschte Arzneimittelwirkun- gen (UAW) zum Zeitpunkt der sta- tionären Aufnahme untersucht. Si- chere UAW ließen sich in 5,2 Pro- zent der Fälle nachweisen.

Unter Berücksichtigung der wahr- scheinlichen und möglichen UAW betrug die Anzahl 18 Prozent. Di- uretika und Digitalispräparate ver- ursachten mit 46,7 Prozent und 33,3 Prozent die häufigsten UAW.

Vier Patienten (1,6 Prozent) wur- den wegen UAW ins Krankenhaus aufgenommen.

53,8 Prozent der Patienten mit si- cheren UAW und 50 Prozent der Patienten mit wahrscheinlichen UAW nahmen mehr als fünf Medi- kamente ein. 79 Prozent dieser Pa- tienten kannten keines ihrer Medi- kamente.

Nur 2,4 Prozent aller Patienten nahm bei Aufnahme in die Klinik

überhaupt keine Medikamente.

Auf einen Patienten entfielen im Durchschnitt 4,02 Arzneimittel.

Geriatrische Patienten sind aus vielen Gründen anfällig für UAW, z. B. durch geänderte Pharmako- kinetik, Pharmakodynamik und häufige Einnahmefehler. Die Viel- zahl der Medikamente ist eine ent- scheidende Ursache. Eine Verrin- gerung in der Verschreibung von Arzneimitteln bei geriatrischen Pa- tienten scheint nötig und möglich.

Einleitung

Betagte Patienten unterscheiden sich nicht nur durch das Geburts- jahr von Jugendlichen und Patien- ten mittleren Alters. So finden sich oft vier oder mehr Diagnosen bei einem Patienten (13, 14)*). Fort- geschrittene Krankheitsstadien pfropfen sich auf Alterungsvor- gänge auf. Dies führt über geän- derte physiologische und anato- mische Gegebenheiten zu verän-

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 13 vom 1. April 1983 27

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derter Pharmakakinetik und Phar- makadynamik im Alter (1 bis 12, 17, 18).

Die mit zunehmendem Alter gene- rell abnehmende fettfreie Körper- substanz und der verminderte Ge- samtwassergehalt bei zunehmen- dem Fettgehalt verändert die Ver- teilung fett- und wasserlösli- cher Medikamente. Abnehmendes Herzminutenvolumen verringert die Organperfusion, wodurch an Gastrointestinaltrakt und Nieren die Metabolisierung und die Aus- scheidung beeinflußt werden kön- nen. Die Absorption von Arznei- mitteln, vorwiegend als passive Diffusion, verringert sich dagegen im Alter kaum oder erst sehr spät.

Verminderte körperliche Aktivität, bei Betagten häufig, kann dage- gen offenbar zu Änderungen der Resorption führen. Eine im Alter häufig erniedrigte Albuminkon- zentration im Serum kann den An- teil an freier, wirksamer Substanz erhöhen. Schließlich wird die Aus- scheidung durch die Niere im Alter verringert durch abnehmende glo- meruläre Filtration, tubuläre Funk- tion und verringerten Plasmafluß.

Dies ist besonders wichtig für Me-

dikamente, die hauptsächlich über die Niere ausgeschieden werden.

Die erwähnten Mechanismen so- wie die eingeschränkten Kompen- sationsmöglichkeiten einer ge- störten Homöostase prädisponie- ren alte Patienten für das Auftre- ten von unerwünschten Arzneimit- telwirkungen. Häufig werden mul- tiple Beschwerden beklagt, für die vom Arzt eine Behandlung erwar- tet wird. Dies macht eine rationale Therapie nicht immer einfach. Die Multimorbidität führt oft zur Poly- pragmasie mit entsprechenden Arzneimittelnebenwirkungen.

Material und Methoden

Untersucht wurden in sechs Mo- naten insgesamt 250 Patienten über 65 Jahre auf das Vorhanden- sein von unerwünschten Arznei- mittelwirkungen (UAW) zum Zeit- punkt der Aufnahme in die Klinik.

Es handelte sich um 165 Frauen und 85 Männer im Durchschnitts- alter von 77,7 Jahren. Anzahl und Art der Medikamente wurden fest- gehalten.

Patienten n

=

250 165 w 85 m

% % %

UAW 45 (18) 26 (15,7) 19 (22,3)

...

sicher 13 (29) 9 (35) 4 (21)

...

wahrscheinlich 8 (18) 3 (11) 5 (26)

...

möglich 24 (53) 14 (54) 10 (53)

Tabelle 1 a: Vorkommen von sicheren, wahrscheinlichen und möglichen unerwünsch- ten Arzneimittelwirkungen (UAW)

n Altersgruppen UAW%

94 65-75 Jahre 44,4

127 75-85 Jahre 46,7

29 über 85 Jahre 8,9

Tabelle 1 b: Prozentuale Verteilung der UAW auf drei Altersgruppen

Zur Auswertung wurden klinischer Befund, Krankengeschichte, La- boruntersuchungen, EKG-Befun- de, übermittelte Befunde bei ver- legten Patienten und Mitteilungen von Begleitpersonen, z. B. Fami- lienangehörigen, herangezogen.

Zusätzlich wurden anhand eines Fragebogens Daten über frühere

UAW, Zuverlässigkeit der Medika-

menteneinnahme und Kenntnis- stand über die eingenommenen Medikamente erhoben. Hierbei wurden die Punkte nicht standar- disiert formuliert abgefragt, son- dern ein individuelles, auf das Ver- ständnis des einzeln zugeschnitte- nes Vorgehen war nötig. Naturge- mäß waren nicht immer detaillierte Auskünfte zu erhalten.

Angelehnt an eine Definition nach Karch und Lasagna (19) haben wir die UAW wie folgt eingeteilt:

..,. Eine sichere UAW wurde ange- nommen, wenn ein vernünftiger zeitlicher Zusammenhang zwi- schen Einnahme und UAW und/

oder ein toxischer Blutspiegel ge- geben, die UAW nach Absetzen re- versibel war und nicht durch die zugrundeliegende Erkrankung er- klärt werden konnte.

..,. Eine wahrscheinliche UAW wurde angenommen, wenn eine nach Absetzen reversible UAW in einem vernünftigen zeitlichen Zu- sammenhang mit der Einnahme stand und wahrscheinlich nicht durch eine zugrundeliegende Er- krankung erklärt werden konnte.

..,. Eine mögliche UAW wurde schließlich dann angenommen, wenn eine bekannte UAW des be- treffenden Medikamentes vorlie- gen konnte, diese jedoch mög- licherweise auch durch andere Umstände und die zugrundelie- gende Erkrankung hätte erklärt werden können.

Ergebnisse

Unerwünschte Arzneimittelwir- kungen wurden bei 45 Patienten 28 Heft 13 vom 1. April1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

(3)

5 7,7 5 12,5 16,6

4 15,4 4 25,0 4 16,6

3 23,0 3 12,5 3 25,0

1 1 1

0 0

sichere UAW wahrscheinliche UAW mögliche UAW

Anzahl der

Medikamente > 5 53,8 50,0 > 5 37,5

2 4,2

2 2

Medikamente 0 1 2 3 4 5 >5

Patienten 6 10 32 41 53 41 67

= Prozent 2,4 4,0 12,8 16,4 21,2 16,4 26,8 Tabelle 2: Arzneimittelverordnungen bei 250 Patienten

Tabelle 3: Arzneimittelverordnungen bei 45 Patienten mit sicheren, wahrscheinlichen und möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW)

Arzneimittel-Nebenwirkungen

festgestellt. Davon wurden 28,9 Prozent als sichere, 17,8 Prozent als wahrscheinliche und 53,3 Pro- zent als mögliche UAW klassifi- ziert. 26 von 165 untersuchten Frauen und 19 von 85 Männern zeigten UAW (vergleiche Tabelle 1 a). Die Aufgliederung macht deut- lich, daß Männer häufiger von UAW betroffen sind als Frauen.

Digitalispräparate und Diuretika verursachten in den meisten Fäl- len UAW. Durch Digitalis hervor- gerufene Symptome bzw. die Be- funde waren Übelkeit, Erbrechen, bradykardiebedingter Schwindel, Sehstörungen, Bradyarrhythmien, sinuaurikulärer Block, atrioventri- kuläre Blockierungen verschiede- ner Grade und polytope ventriku- läre Extrasystolie. Diuretika verur- sachten hauptsächlich Hypo- und Hyperkaliämien. Bei zwei Fällen führten die Symptome der Digitalis- intoxikation unmittelbar zur Kran- kenhauseinweisung. Zwei Patien- ten wurden wegen Polytoxikoma- nie eingewiesen.

Die übrigen UAW entfallen auf Psychopharmaka, Antikoagulan- tien, Antibiotika, Insulin, Antipar- kinsonmittel und Zytostatika.

Von den 45 Patienten mit UAW verstarben 13. In einem Fall konn- te die UAW als bedingte Todesur- sache nicht sicher ausgeschlos- sen werden.

Es handelte sich um eine zerebra- le Massenblutung unter Antiko- agulation mit Phenprocoumon (Marcumar®) wegen Zustand nach Myokardinfarkt (bei Hypertonie).

Von den restlichen 205 Patienten ohne UAW verstarben 15.

In Tabelle 1b ist die Zuordnung der UAW zu drei Altersgruppen dargestellt. Aufgrund der be- schränkten Patientenzahl ist eine Aussage über eine Altershäufig- keit nicht möglich.

Von den untersuchten 250 Patien- ten nahmen nur 2,4 Prozent zum Zeitpunkt der stationären Aufnah- me überhaupt keine Medikamente

ein. Hingegen nahmen 64,4 Pro- zent aller Patienten vier oder mehr Arzneimittel.

Für 26,8 Prozent waren mehr als fünf Medikamente verordnet wor- den! Die durchschnittliche Verord- nung für einen Patienten pro Tag betrug 4,02 Medikamente. Die am meisten verordneten Medikamen- te waren nach ihrer Häufigkeit Digitalispräparate, Diuretika, Psy- chopharmaka, Insulin orale Anti- diabetika, Antibiotika, Antikoagu- lantien und Anti-Parkinson-Präpa- rate (Tabelle 2, Darstellung 1).

Tabelle 3 zeigt, daß Patienten, bei denen sich UAW fanden, häufiger mehr als fünf Medikamente einzu- nehmen hatten.

Bezüglich Kenntnis der Medika- mente und Compliance waren die Fragebögen von 234 Patienten auswertbar. Insgesamt war die Einnahme bei 36,3 Prozent als

„ziemlich sicher", bei 59,4 Prozent als zumindest „fraglich" und in 4,3

Prozent der Fälle als „sehr unsi- cher" anzunehmen. Es fanden sich keine geschlechtsgebunde- nen Unterschiede in bezug auf die Zuverlässigkeit der Einnahme (sie- he Darstellung 2).

38,5 Prozent aller Patienten kann- ten keines der von ihnen einge- nommenen Medikamente. Bei den weiblichen Patienten schien die mangelnde Kenntnis mit zuneh- mendem Alter zuzunehmen. Bei Männern war diese Tendenz in Ab- hängigkeit vom Alter nicht zu fin- den. Patienten mit UAW konnten sogar in 79,5 Prozent der Fälle kei- nes ihrer Medikamente benennen.

Ihre Angaben zur Zuverlässigkeit der Einnahme unterschieden sich nicht von denen im Gesamtkollek- tiv (siehe Darstellung 3).

Diskussion

Insgesamt wurden bei 250 Patien- ten in 18 Prozent der Fälle uner- wünschte Arzneimittelwirkungen Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 13 vom 1. April 1983 29

(4)

100- c - o)

60- o_

20-

0 2 4 >5 0 2

17,7

0 2 >5 0 2 4 zum Zeitpunkt der stationären

Aufnahme erfaßt. Diese Zahl wird durch Angaben der Literatur be- stätigt (25 bis 29, 31, 32). Mit 15,3 Prozent lag die Häufigkeit der UAW bei insgesamt 1998 ebenfalls ausschließlich geriatrischen Pa- tienten nur gering niedriger (48).

Bei 1,6 Prozent unserer Patienten wurde die UAW als direkt verant- wortlich für die Krankenhausauf- nahme angesehen, was niedrig er- scheint gegenüber 2,8 Prozent in der Studie von Williamson und Chopin (48).

Es ist anzunehmen, daß die wirkli- che Häufigkeit von UAW im vorlie- genden Untersuchungsgut mehr als 18 Prozent betrug, da nur be- kannte UAW erfaßt wurden.

So wurden nicht aufgenommen zum Beispiel relativ unspezifische Symptome wie Appetitlosigkeit, durch Diuretika möglicherweise verursachte oder verstärkte Exsik- kose, Somnolenz, Urininkontinenz oder medikamentös verstärkte Verwi rrtheitszustände.

Die Zahl dieser nicht immer klar definierbaren UAW ist möglicher- weise beträchtlich. Die obenge- nannten uncharakteristischen Zei-

chen sind während des stationä- ren Verlaufs besser zu erkennen als sofort bei der Aufnahme. Ande- rerseits überschätzten UAW-Stati- stiken mit Berücksichtigung

„möglicher" UAW die wahre Zahl, und nur als „sichere" und „wahr- scheinliche" UAW erfaßte Daten unterschätzen die tatsächliche In- zidenz (19). Ausbildungsstand und Lerneffekt beim Untersucher schlagen sich ebenfalls in der An- zahl erfaßter UAW nieder (33).

Durch die meistverordneten Medi- kamente waren insgesamt 80 Pro- zent der UAW bedingt, davon 46,7 Prozent durch Diuretika und 33,3 Prozent durch Digitalis. Digitalis- nebenwirkungen und -intoxikatio- nen treten bei alten Patienten ge- häuft auf (29, 35, 38, 39). Beson- ders häufig finden sich toxische Wirkungen bei Patienten, die zu- sätzlich diuretisch behandelt wer- den. Die Symptome können, wie oft bei geriatrischen Patienten, un- charakteristisch sein und lassen nicht immer sofort an eine Überdi- gitalisierung denken, wie etwa Rhythmusstörungen (7, 11).

Prädisponierende Faktoren sind verminderte Körpergröße, verrin- gerte Nierenfunktion (36) (vor al- lem Digoxin), verminderte Leber-

funktion (vor allem Digitoxin), er- heblich geschädigtes Herz, Hyp- oxie und Elektrolytstörungen.

Wichtig ist, daß ein normaler Krea- tininwert im Serum nicht gleichbe- deutend mit normaler Nierenfunk- tion ist.

Die Kreatinin-Clearance kann um über 50 Prozent absinken, bevor das Serumkreatinin ansteigt. Zu- dem ist die Kreatininbildung im Al- ter aufgrund der geringereren Muskelmasse überhaupt herabge- setzt (37).

Als unerwünschte Wirkungen ei- ner diuretischen Behandlung tre- ten unter anderem Elektrolytent- gleisungen und Kreatininanstieg auf (15). Auch unter Kombina- tionspräparaten mit Kalium-spa- render Komponente werden Hypo- kaliämien gesehen (16). Hyperka- liämien sind ebenfalls möglich.

Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von UAW steigt mit der Anzahl verordneter Medikamente (20, 48).

Die hohe Zahl von Medikamenten gilt in der Anamnese als Risikofak- tor neben Alter, weiblichem Ge- schlecht sowie Allergien und frü-

Anzahl der Medikamente bei der stationären Aufnahme

sichere UAW wahrscheinliche UAW mögliche UAW ohne UAW

n = 13 n=8 n=24 n=205

Darstellung 1: Anzahl der Medikamentenverordnungen bei der stationären Aufnahme bei Patienten ohne UAW und bei Patienten mit sicheren, wahrscheinlichen und möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW)

32 Heft 13 vom 1. April 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(5)

% Patienten 100

%Patienten 1

Arzneimittel-Nebenwirkungen

Zuverlässigkeit der Einnahme Kenntnis der Medikamente

20 20

Patienten ohne UAW n=190

Patienten mit UAW n=45

IIlliiiiliiJ Einnahme ziemlich sicher

OliT'J Einnahme fraglich

IIIIIIIIIlii alle Medikamente bekannt

IT2J Medikamente zum Teil bekannt - kein Medikament bekannt

·- Einnahme unsicher

Darstellung 2: Zuverlässigkeit der Medikamenteneinnahme bei Patienten ohne UAW und Patienten mit unerwünschter Arznei- mittelwirkung (UAW)

Darstellung 3: Kenntnis der verordneten Medikamente bei Patienten ohne unerwünschte Arneimittelwirkung (UAW) und rnit unerwünschter Arzneimittelwirkung (UAW)

heren Arzneimittelnebenwirkun- gen (30). ln unserem Kollektiv be- trug der Anteil mit mehr als fünf Medikamenten bei Patienten mit sicheren UAW über 50 Prozent, im Gesamtkollektiv 26,8 Prozent. An- dere Arbeiten bestätigen diese Tendenz (20, 48).

Mit steigender Medikamentenzahl und komplizierteren Dosierungs- plänen steigt die Wahrscheinlich- keit, daß Medikamente gar nicht oder falsch eingenommen wer- den.

Dies gilt besonders für alte Men- schen mit abnehmender Merkfä- higkeit, schlechterem Sehen und erst recht bei konfusen Patienten.

D. Schwartz et al. erarbeiteten 1962 Kriterien bei alten Patienten, die häufig mit Einnahmefehlern korreliert waren. Am häufigsten wurden Medikamente einfach ver- gessen.

20 Prozent der Patienten wußten nicht recht über ihre Tabletten Be- scheid (21 ). Von unseren Patien- ten kannten immerhin 38,5 Pro- zent nicht ein einziges ihrer Medi-

kamente. Patienten mit UAW konnten sogar in 79,5 Prozent der Fälle keines ihrer Medikamente benennen. Gerade weil alte Pa- tienten über ihre Arzneimittel oft nicht orientiert sind, sind Klinik- ärzte auf eine möglichst umfas- sende Information vom Hausarzt angewiesen. Das ist leider oft nicht der Fall (23).

Nicht verwunderlich ist eine "frag- liche" oder "sehr unsichere" Zu- verlässigkeit der Einnahme bei 63,7 Prozent. Unverständnis der Verordnung führten zu einem Ab- weichen vom vorgeschriebenen Verordnungsplan. Dieses Verhal- ten war nicht mit dem Alter, je- doch wiederum mit der Anzahl der verordneten Medikamente korre- liert (22).

Eine Studie zur Digitaliseinnahme zeigte, daß 50 Prozent der Patien- ten (Durchschnittsalter 69,9 ± 9,9 Jahre) zum Zeitpunkt der Kranken- hausaufnahme ihre Tabletten nicht korrekt eingenommen hat- ten (44). Manche Patienten schei- nen auch keiner Dauerdigitalisie- rung zu bedürfen. Diese ist dann

nutzlos und setzt die Patienten nur Gefahren aus. Fehlende Com- pliance dürfte hier oft einen kom- pensierenden Schutzfaktor vor In- toxikationen darstellen. Zahlrei- che Untersuchungen haben ge- zeigt, wie wichtig eine begründete Indikation zur kontinuierlichen Di- gitalisierung ist, und daß diese oft abgesetzt werden kann (23, 40, 41, 42, 43, 45).

Insgesamt sind die Indikationen für eine Digitalisbehandlung heute sicher enger zu stellen und sollten stets wieder überdacht werden (45, 46, 47). Um die Häufigkeit von UAW und damit eine nicht uner- hebliche gesundheitliche Gefähr- dung besonders geriatrischer Pa- tienten zu verringern, sind als Konsequenz einige Punkte beden- kenswert.

..,.. Als erstes ist immer zu fragen, ob eine medikamentöse Therapie überhaupt indiziert ist. Als Basis sollten nichtmedikamentöse Be- handlungsmöglichkeiten ausge- schöpft werden. Oft verbessern re- gelmäßige, vollwertige Ernährung, Diabetesdiät, Salzrestriktion, aus- Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 13 vom 1. April 1983 33

(6)

reichende Flüssigkeitszufuhr, Ver- hinderung von Immobilisation und nicht zuletzt menschliche Zuwen- dung das Befinden unserer Pa- tienten.

~ Wenn Medikamente notwendig sind, sollte versucht werden, mit möglichst wenigen, in Wirkungen und Nebenwirkungen möglichst bekannten Medikamenten, auszu- kommen.

Einfache Dosierungsschemata sollten angestrebt werden. Neben ausführlicher mündlicher Instruk- tionen können Hilfen in Form von gut leserlichen Plänen, Kalendern und Dosierungsschachteln ge- nutzt werden, um Fehler bei der Einnahme zu vermeiden (24). Vor der Entlassung aus dem Kranken- haus können ergotherapeutische, einübende Maßnahmen hilfreich sein. Bei verwirrten Patienten kön- nen Angehörige oder Nachbarn die Medikamenteneinnahme über- wachen.

~ Alte Menschen neigen dazu, Arzneimittel zu horten und "bei Bedarf" auf ihre Vorräte zurückzu- greifen. Bei Hausbesuchen sollten Verordnungen und Dosierungen überprüft werden. Abgesetzte Me- dikamente sollten verschwinden.

Weniger Medikamente kosten auch weniger Geld. Einsparungen sind möglich, zu mal gerade auf al- te Patienten ein ganz wesentlicher Teil der Arzneimittelkosten entfällt (17). Die Ursachen für das gehäuf- te Vorkommen von unerwünsch- ten Arzneimittelwirkungen bei al- ten Patienten sind bekannt, wer- den jedoch zu wenig beachtet. Ein wesentlicher Faktor, der gut be- einflußt werden kann, nämlich die Anzahl der Verordnungen, sollte berücksichtigt werden.

Literatur beim Verfasser Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Wolfgang Kruse Bethanien-Krankenhaus Innere (geriatrische) Abteilung Rohrbacher Straße 149 6900 Heidelberg 1

Gentamicin-Dosierung bei Geriatrie-Patienten

Zur Erhaltung der therapeutischen Gentamicin-Serumkonzentratio- nen bei 417 Patienten im Alter von 65 bis 95 Jahren waren beträchtli- che Abweichungen der täglichen Dosierung erforderlich. Sie reich- ten von 0,3 bis 22,0 mg/kg!Tag bei Patienten mit normalem Kreatinin- seru mspiegel.

25 Prozent der Patienten benötig- ten eine über der Norm liegende Tagesdosis von 5 mg/kg!Tag, 33 Prozent brauchten weniger als 3 mg/kg/Tag. Die Gentamicin-Halb- wertzeiten lagen dabei zwischen 0,3 und 32,7 Stunden (im Ver- gleich zu früheren Berichten mit 2,5 bis 4,0 Stunden).

Das Verteilungsvolumen bewegte sich zwischen 0,07 und 0,53 1/kg (im Vergleich zu früher angegebe- nen Werten von 0,20 bis 0,25 1/kg).

Die großen Abweichungen in den kinetischen Variablen bei älteren Patienten sowie die Notwendig- keit, den Spielraum der Serum- konzentrationen zu verringern, machten das Messen der Serum- konzentrationen sowie eine indivi- duelle Berechnung der Dosis- erfordernis jedes einzelnen Pa- tienten im frühen Behandlungs- verlauf erforderlich. Durch die ständige Überwachung dieser Werte wurden optimale Serum- spiegel erreicht. Ototoxizität wur- de bei keinem der Patienten dia- gnostiziert.

Nephrotoxizität stand möglicher- weise bei 2 Prozent der älteren Patienten in Zusammenhang mit Gentamicin. Die routinemäßige Anwendung von Standarddosie- rungen setzt nach Ansicht der Ver- fasser eine große Zahl von Patien- ten unnötig dem Risiko eines The- rapieversagens oder einer toxi- schen Reaktion aus.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß die beschriebene Me- thode individueller Dosierung von Gentamiein bei älteren Patienten

gegenüber der herkömmlichen Dosierungsmethode bedeutende

Vorteile hat. Dpe

Zaske, D. E., lrvine, P., Strand, L. M., Strate, R.

G., Cipolle, R. J., Rotsehafer, J.: Wide Interpa- tient Variations in Gentamiein Dose Require- ments for Geriatrie Patients, JAMA 248 (1982) 3122-3126, Dr. Zaske, St. Paui-Ramsey Medi- eal Center, 640 Jaekson St., St. Paul MN 55 101, U.S.A.

Manometrie der

Speiseröhre- eine Kosten- Nutzen-Analyse

Manometrische Untersuchungen bei Symptomen von seiten d~r Speiseröhre haben in den vergan- genen Jahren in den größeren ga- stroenterologisch orientierten Kli- niken eine zunehmende Verbrei- tung erfahren.

Um die klinische Bedeutung die- ses aufwendigen Verfahrens zu analysieren, nahmen die Autoren bei 363 konsekutiven Patienten mit den Leitsymptomen Dyspha- gie, Sodbrennen und Thorax- schmerzen unklarer Genese ne- ben einer Röntgenuntersuchung der Speiseröhre auch eine Mano- metrie vor. Durch diese Untersu- chung wurde die klinische Dia- gnose in 6 Prozent der Fälle korri- giert, die Behandlung änderte sich in 4 Prozent.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß sich eine manometri- sche Untersuchung der Speise- röhre in erster Linie bei Patienten mit unklaren Thoraxschmerzen, Dysphagie und Verdacht auf Acha- lasie lohnt, nicht jedoch bei Pa- tienten mit chronischem Sodbren- nen. Setzt man die Kosten einer manometrischen Untersuchung mit etwa 600 DM an, so beliefen sich die Kosten für eine Änderung der Diagnose auf etwa 9500 DM, für eine Änderung der Therapie auf etwa 15 600 DM. Bei einer strengen Kosten-Nutzen-Analyse sollten diese Zahlen Berücksichti-

gung finden. W

Meshkinpour, H.; Gliek, M. E.; Sanehez, P.;

Tarvin, J.: Esophageal manometry. A benefit and eost analysis, Dig.Dis.Sei. 27 (1982) 772-775. Div. Gastroenterol. Univ. California, lrvine Medieal Centre, Orange, CA 92668.

34 Heft 13 vom 1. April1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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