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Archiv "Grundlegende Voraussetzungen für die Durchführung einer Narkose" (14.11.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Die Entwicklung der Anästhesio- logie seit dem letzten Krieg und besonders innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte hat dazu ge- führt, daß heute verantwortungs- bewußt ausgeführte Narkosen in den Händen erfahrener Anästhe- sisten auch für schwerkranke und alte Patienten in der Regel keine besondere Gefährdung mehr mit sich bringen; es sind Eingriffe möglich geworden, die früher un- denkbar waren. Dieser Erfolg ist zum guten Teil darauf zurückzu- führen, daß die Anästhesisten ihre Tätigkeit von der ursprünglich rein intraoperativen Phase auf das perioperative Gebiet ausgedehnt haben. Die postoperative anästhe- siologische Betreuung ist schon sehr früh grundsätzlich zu einer Selbstverständlichkeit guter an- ästhesiologischer Versorgung ge- worden — Anästhesisten sind heu- te kompetente Intensivmediziner.

Demgegenüber gibt es eine prä- operative anästhesiologische Be- treuung in entsprechendem Um- fang erst seit relativ kurzer Zeit und noch zu selten. Aber überall dort, wo anästhesiologische Am- bulanzen eingerichtet werden, ha- ben sie sich als sehr sinnvoll er- wiesen, weil hier Patienten bereits präoperativ von Anästhesisten nach anästhesiologisch wichtigen Kriterien untersucht und eventuell auch behandelt werden.

Das anästhesiologische Risiko Ob bei einem Patienten präopera- tiv anästhesiologisch relevante Ri- sikofaktoren vorhanden sind, ist zunächst mit klinischen Methoden

Die gute Narkose, deren grundlegende Vorausset- zungen dargestellt werden, hat zum Ziel, das Vertrauen in die Allgemeinanästhesie ge- genüber der Regionalanäs- thesie besonders für die Be- handlung von Risikopatien- ten zu stärken. Die präopera- tive Betreuung in Form eines vorbereitenden Gesprächs zwischen Anästhesist und Patient wird als hilfreich an- gesehen. Sie kann dem Pa- tienten die Angst vor der Nar- kose nehmen, die oftmals größer ist als die Angst vor der Operation.

zu untersuchen. Stellt man durch Anamnese und Befunderhebung fest, daß keine wesentlichen Er- krankungen vitaler Organsysteme bestehen, und befindet sich der Patient nicht gerade in einer ex- tremen Altersklasse, dann ist es heute durchaus zu verantworten, einen chirurgischen Eingriff, der seinerseits nicht wesentlich in vi- tale Funktionen eingreift, ohne weitere präoperative Untersu- chungs- und Behandlungsmaß- nahmen durchzuführen. Ergeben sich jedoch bei der klinischen Un- tersuchung pathologische Sym- ptome, die für den intra- und post- operativen Verlauf des Patienten auch nur eventuell bedeutungs- voll werden können, so ist der An- ästhesist verpflichtet, diesen Sym- ptomen so weit nachzugehen, bis sie abgeklärt sind. Er muß ihre Re- levanz für den bevorstehenden Eingriff beurteilen und vor der

Narkose für ihre Behandlung sor- gen, soweit dies die Dringlichkeit.

des Eingriffs zuläßt. Die anästhe- siologische Einwilligung in die Operation sollte erst dann gege- ben und der Operationstermin erst dann festgelegt werden, wenn der präoperative Zustand nicht mehr zu verbessern ist.

Wer sich an solche Regeln hält und die Narkose entsprechend gewissenhaft führt, der darf auch bei Patienten mit hohem Risiko in große Eingriffe einwilligen, wenn er davon überzeugt ist, daß diese aus chirurgischer Sicht zum gege- benen Zeitpunkt wirklich indiziert sind. Wir jedenfalls setzen aus anästhesiologischen Gründen in ähnlich gelagerten Fällen keine Operation ab.

Das präoperative Gespräch Eine weitere sehr wesentliche Voraussetzung für eine gute Nar- kose ist ein gutes präoperatives Gespräch mit dem Patienten. An- ästhesist und Patient befinden sich hier in einer besonderen Si- tuation. Sie haben sich in der Re- gel vorher nie gesehen und tref- fen sich in einer für den Patienten kritischen Phase, die wenig Zeit läßt, sich so gut kennenzulernen, daß Vertrauen entstehen kann.

Vertrauen aber ist sehr wichtig, denn die meisten Patienten haben

— zugegeben oder unbewußt — Angst vor der Narkose, und Ver- trauen ist das beste Mittel gegen diese Angst, die oft größer ist als die Angst vor der Operation.

Ein solches Gespräch ist nicht einfach. Es muß zum Ziel haben, den Patienten von der Richtigkeit der eigenen Überlegung zu über- zeugen, um seine Zustimmung zu erlangen, ohne ihm dabei die Ver- antwortung für die Entscheidung aufzubürden. Nur wer versucht, sich in die Situation seines Patien- ten zu versetzen, nur wer barm- herzig und aufrichtig zugleich sein kann, nur wer in seinem Ge- sprächspartner nicht ausschließ- lich den Patienten sieht und nur,

Grundlegende Voraussetzungen für die Durchführung einer Narkose

Karl Bonhoeffer und Maria Imhoff Aus dem Institut für Anästhesiologie

(Direktor: Professor Dr. med. Karl Bonhoeffer) der Universität zu Köln

3418 (54) Heft 46 vom 14. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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wer sich ausgiebig Zeit nimmt, wird ein solches Gespräch erfolg- reich zu führen in der Lage sein.

Die .heute allgemein geübte und

besonders von Juristen geforder- te Aufklärungspraxis ist für solche Gespräche tödlich. Sie ist als Schutz für den Arzt gedacht und bedeutet für den Patienten häufig nichts anderes als praktiziertes Mißtrauen. Wer aber nicht bereit ist, Vertrauen zu schenken, braucht sich nicht zu wundern, wenn er selbst keines erhält. Ver- trauensbildende Gespräche hin- gegen sind für die unmittelbare Vorbereitung auf die Operation in der Regel wichtiger als präopera- tiv verabfolgte Beruhigungsmittel.

Die "Prämedikation"

Unter "Prämedikation" versteht man normalerweise die Gabe ei- ner Mischung von Pharmaka, die der Vorbereitung des Patienten auf die Narkose dienen soll. Art, Zusammensetzung und Applika- tionsform dieser Medikamente waren über lange Zeit weitgehend unumstritten. Erst in den letzten Jahren lebt mit der Entwicklung neuer Präparate die Diskussion über diesen Punkt wieder auf.

Trotz mancher zweifellos beacht- licher pharmazeutischer Fort- schritte auf dem Gebiet der Psy- chopharmaka halten wir für Er- wachsene die individuelle Dosie- rung eines zuverlässigen Sedati- vums - wir nehmen Promethazin (Atosil®) - kombiniert mit einem zuverlässigen, euphorisierenden Analgetikum -wir nehmen Pethi- din (Dolantin®) -, als intramusku- läre Injektion appliziert, bisher für unübertroffen.

Prophylaxe und Kompensation von Komplikationen

Jede Narkose, auch die kürzeste, stellt einen Eingriff in drei unmit- telbar lebenswichtige Organsyste- me dar: Das Bewußtsein, die At- mung und den Kreislauf. Während

DEUTSCHESXRZTEBLATT

es früher die Hauptaufgabe eines narkotisierenden Arztes war, den

Patienten während der Operation

schlafen zu lassen und ihm die Schmerzen zu nehmen, so kann der wesentliche Teil einer Narko- se heute durchaus darin beste- hen, gefährlichen Folgen von un- vermeidlichen anästhesiologi- schen oder operativen Maßnah- men vorzubeugen oder sie zu kompensieren.

Prophylaxe ist in der Anästhesie deshalb so wichtig, weil anäs- thesielogische Komplikationen in der Regel unmittelbar lebensbe- drohlich sind und nur wenig Zeit zur Kompensation zur Verfügung steht. Jeder verantwortungsbe- wußte Anästhesist wird daher vor der ersten Injektion narkotisieren- der Substanzen grundsätzlich zweierlei Maßnahmen ergreifen: einmal wird er für eine entspre- chende Überwachung- das soge- nannte "Monitoring"- des Patien- ten sorgen, also für die Messungall derjenigen Parameter, die ihm für den Verlauf der speziellen Anäs- thesie wichtig erscheinen. Zum an- deren wird er die Voraussetzungen für eventuell notwendige Behand- lungsmaßnahmen treffen.

Das Monitaring

Die Überwachung der Gehirn- funktion beschränkt sich heute,

wie in den Anfängen der Anästhe-

sie, im wesentlichen auf die Beur-

teilung der Narkosetiefe und ge- schieht fast ausschließlich anhand klinischer Beobachtungen. Bemü- hungen, diese Beobachtungen durch die Entwicklung von Elek- troenzephalographie und Myogra- phie zu verbessern, sind interes-

sant, haben aber in der Klinik bis-

her nicht die erhoffte Verbreitung erfahren.

Die Überwachung der Gehirn- funktion zur Beurteilung zerebra- ler Komplikationen spielt - so er- staunlich dies auf den ersten Blick erscheinen mag - während der Narkose eine nur untergeordnete Rolle. Dies wird verständlich,

Narkose

wenn man berücksichtigt, daß ernsthafte zerebrale Komplikatio- nen, von neurochirurgischen Pa- tienten einmal abgesehen, stets aufgrund massiver Störungen im Atem- oder Kreislaufsystem zu er- warten sind und solche Störungen entdeckt werden müssen, lange bevor es zur Ausprägung zerebra- ler Komplikationen kommt.

Die Überwachung der Atmung hängt oft eng mit derjenigen des Kreislaufs zusammen. Einflüsse auf die Atmung während der Nar- kose sind denkbar durch Anästhe- tika, die zu einer Atemdepression führen, durch Relaxantien, die die Atemmuskulatur lähmen, durch die Technik der Anästhesie, die mechanische Probleme im Be- reich der Atemwege mit sich brin- gen kann.

Das Minimum an Überwachung stellt bei spontan atmenden Pa- tienten die Beobachtung der Atemfrequenz dar. Differenzierte- re Aussagen erhält man, wenn man das Atemzugvolumen und, zum Beispiel bei intubierten Pa- tienten, fortlaufend die Kohlen- säurekonzentration in der Ausat- mungsluft vermißt Erschöpfende Auskunft über die Atmungsfunk- tion geben Blutgasanalysen.

~ Das Ausmaß der intraoperati- ven Überwachungsmaßnahmen muß abhängig sein vom Ausmaß der präoperativen Risikofaktoren und von der Art des Eingriffs.

Der Überwachung des Kreislaufs kommt eine besonders große Be- deutung zu, weil so gut wie alle Anästhetika und viele intraopera- tive Maßnahmen direkt oder indi- rekt Nebenwirkungen auf Herz und Gefäße haben.

Als minimale Überwachungsmaß- nahmen gelten heute bei uns ein kontinuierlich auf einem Bild- schirm registriertes EKG und ein diskontinuierlich nach Riva-Rocci gemessener Blutdruck. Zusätz- liche Informationen liefern blutig gemessene Blutdrucke im zen- tralvenösen Bereich, in der Arteria Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 46 vom 14. November 1984 (57) 3419

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pulmonalis oder auch in der Arte- ria radialis. Weiter geben zentral- venöse Blutgasanalysen und schließlich die Urinproduktion Aufschlüsse über Veränderungen im Kreislaufsystem.

Es gilt auch hier, daß die Überwa- chungsmaßnahmen um so um- fangreicher und differenzierter zu werden haben, je ausgeprägter die kardiovaskulären Erkrankun- gen sind und je größer der direkte oder indirekte Einfluß der Opera- tion auf das kardiovaskuläre Sy- stem ist.

Eine Differentialdiagnostik von Störungen der Herz- und Kreis- lauffunktion ist deshalb sinnvoll und wichtig, weil wir heute gerade auf diesem Sektor über sehr diffe- renzierte medikamentöse Thera- piemöglichkeiten mit unmittelbar wirkenden Präparaten verfügen.

Die intravenösen Zugänge So mühsam es sein kann, bei Pa- tienten mit hohem Risiko alle not- wendigen Überwachungsmaßnah- men zu installieren, so einfach ist es in der Regel, die übrige Vorsor- ge zur Verhütung oder Behand- lung intraoperativer Komplikatio- nen zu treffen. Im wesentlichen hat der Anästhesist nämlich nur für eine hinreichende Anzahl von gut laufenden intravenösen Zu- gängen zu sorgen. Als Grundsatz hat zu gelten, daß für jeden Ein- griff in Narkose mindestens eine Infusion vorhanden sein muß und daß Anzahl und Größe der Kanü- len sich nach den präoperativen Risikofaktoren und dem intraope- rativ zu erwartendem Volumen- verlust zu richten hat.

Die Narkosetechnik

Nach einer adäquaten Vorberei- tung des Patienten und der Über- prüfung aller zur Anästhesie not- wendigen Geräte und Instrumente beginnt die eigentliche Narkose.

Man kann Narkosen mit verschie- denen Techniken und verschiede-

nen Medikamenten durchführen.

Eine Frage der Anästhesietechnik ist es zum Beispiel, ob der Patient spontan atmet oder ob er beatmet wird; ob dies über eine Gesichts- maske oder einen endotrachealen Tubus geschieht; ob dieser Tubus oro- oder nasotracheal eingeführt wurde; ob die Beatmung vom Pa- tient-en selbst oder automatisch gesteuert wird. Manche Anästhe- sisten halten auch die Applika- tionsform von Narkosemitteln für eine Frage der Narkosetechnik.

Von all den aufgezählten Möglich- keiten ist sicher die Intubation im gegebenen Zusammenhang die wichtigste Frage. Bei uns werden heute so gut wie alle Patienten in- tubiert, wenn sie narkotisiert wer- den, da nur auf diese Weise jeder- zeit ein freier Luftweg garantiert und eine Atemdepression gefahr- los kompensiert werden kann. Die Intubation als solche ist bei eini- ger Übung technisch keineswegs schwieriger als die Punktion von Venen.

Die Narkosemittel

Der relativ geringen Anzahl von Narkosetechniken steht eine Viel- zahl von Medikamenten gegen- über, die zur Narkose verwendet werden können und deren Wir- kung und Nebenwirkungen in der Regel gut untersucht sind. Es gibt Anästhesisten, die es für wichtig halten, über eine möglichst große Palette verschiedener Anästhetika zu verfügen, um diese je nach Pa- tient und Krankheitsbild variieren zu können. Andere wiederum — und zu diesen gehören wir — hal- ten diese Vielfalt für überflüssig und vertrauen mehr auf eine diffe- renzierte, individuell angepaßte Verwendung weniger Medika- mente für möglichst viele Patien- ten und Situationen.

Der Narkoseverlauf

Im folgenden soll der prinzipielle Ablauf von Einleitung, Aufrechter- haltung und Ausleitung einer Nar-

kose anhand der bei uns üblichen Praxis geschildert werden. Das Prinzip einer guten Narkosefüh- rung sehen wir in ihrer Steuerbar- keit, das heißt darin, sie in ihrer Tiefe den wechselnden Erforder- nissen des Operationsverlaufs an- zupassen. Eine solche Anpassung kann nur erreichen, wer bereit ist, Medikamente ihrer Wirkung ent- sprechend zu dosieren und zu kombinieren.

Im Angelsächsischen gibt es für diese Art der Narkoseführung den Ausdruck „Balanced Anaesthe- sia", der heute im deutschen Schrifttum zunehmende Verbrei- tung findet. Zur Einleitung der Narkose wird beim Erwachsenen in aller Regel intravenös ein Hyp- notikum injiziert, das den Patien- ten rasch und angenehm ein- schlafen läßt — wir nehmen hierfür meist Thiopental (Trapanal®). So- bald der Patient eingeschlafen ist, bekommt er über eine Maske Sau- erstoff zu atmen, dem eine gerin- ge Menge desjenigen Inhalations- anästhetikums beigemischt ist, mit dem die Narkose aufrechter- halten wird — wir verwenden hier meist Halothan (Fluothane®) in ei- ner Konzentration von 0,3 bis 0,5 Volumenprozent. Sobald der Pa- tient tief genug narkotisiert ist, wird er intubiert.

Kurz vor der Relaxation wird eine geringe Menge eines potenten kurzfristig wirkenden Analgeti- kums injiziert, um adrenerge hä- modynamische Reaktionen zu vermeiden, die andernfalls durch die Irritation der Trachealschleim- haut bei der Intubation häufig zu beobachten sind und besonders für kardiovaskuläre Risikopatien- ten durchaus Gefahren mit sich bringen können — wir verwenden hierfür Fentanyl in einer Dosie- rung von 0,1 mg pro dosi. Sodann wird relaxiert und intubiert — wir verwenden hierfür Succinylcholin in einer Dosierung von 1 bis 1,5 mg/kg Körpergewicht, dem zur Vermeidung von Muskelzittern, das postoperativ sehr schmerz- haft sein kann, 2 mg Toxiferin (Al- loferin®) vorgegeben wurden. I>

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Narkose

Aufrechterhalten wird die Narkose im wesentlichen mit Hilfe eines Gasgemisches, das zu zwei Drit- teln aus Lachgas und einem Drit- tel aus Sauerstoff mit dem er- wähnten Halothan-Zusatz besteht und mit dem der intubierte Patient während der gesamten Dauer der Operation maschinell oder manu- ell beatmet wird. In schmerzhaf- ten Phasen wird die Narkose mit

kleinen Dosen Fentanyl (0,1 mg pro Injektion) vertieft. Wenn die Muskelerschlaffung nicht den operativen Erfordernissen ent- spricht, wird Toxiferin in kleinen

Dosen (4 mg pro Injektion) appli- ziert. Eine solche Narkoseführung setzt voraus, daß der Anästhesist mit der Operation und möglichst auch mit dem Operateur gut ver- traut ist, um selbständig und rechtzeitig die richtigen Entschei- dungen treffen zu können.

Eine gelungene „Balanced Anaesthesia" versetzt den Anäs- thesisten in die Lage, die Narkose gleichzeitig mit der Operation zu beenden. Früher galt dies für alle Patienten und für alle Operatio- nen als selbstverständliches Ziel.

Es war geradezu ein Kriterium für die Qualität einer Narkose, ob der Patient am Ende der Operation extubiert und auf die Station ver- legt werden konnte oder nicht.

Dieses Vorgehen hatte wohl in der Vorstellung seine Rechtfertigung, daß lange Narkosen etwas Schäd- liches seien. Aus dieser Zeit stammt auch die Gepflogenheit, Patienten, die einen Überhang an Opiaten oder Relaxantien aufwei- sen, mit Antidots zu behandeln, nur um die Narkose möglichst rasch beenden zu können. Heute trennt man sich mehr und mehr von dieser auch früher nicht über- all üblichen Praxis. Mit den risiko- reichen Eingriffen sind auch die Gefahren der Aufwachphase ge- wachsen, und man hat erkannt, daß es gerade bei Patienten mit hohem anästhesiologischem Risi- ko gute Gründe geben kann, eine Narkose noch lange über das Operationsende hinaus aufrecht- zuerhalten, um den Patienten dann unter optimal kontrollierten

Bedingungen auf einer Intensiv- station seine vitalen Funktionen nach und nach wieder selbst übernehmen zu lassen.

Schlußfolgerung

Narkosen, die von erfahrenen An- ästhesisten nach den hier geschil- derten Prinzipien durchgeführt werden, sind sehr sicher. Sie sind so sicher, daß wir sie für schwer- kranke, besonders kardiovaskulär kranke und alte Patienten, die sich größeren Eingriffen unterzie- hen' müssen, stets einer manch- mal ebenfalls diskutablen Regio- nalanästhesie vorziehen.

Die Narkose hat in unseren Au- gen verschiedene, entscheidende Vorteile: Da ist zunächst die Schlafindukation. Es ist gut nach- fühlbar und einfach nachzuwei- sen, daß Patienten während eines für sie riskanten Eingriffs lieber schlafen als wach sind, und es ist verständlich, daß Operateur und Anästhesist sich besser auf den Eingriff bzw. auf die Risikofakto- ren konzentrieren können, wenn sie frei von der Sorge um das sub- jektive Befinden des Patienten sind.

Die absolute Zuverlässigkeit der Wirkung von Narkosemitteln ist ein weiterer Vorteil einer Allge- meinanästhesie. Bei Regional- anästhesie kann man nie ganz si- cher vorhersagen, ob, wie gut und wie lang sie „sitzen" — eine Unsi- cherheit, die bei Risikoeingriffen für alle Beteiligten besonders lä- stig ist. Ein weiterer Vorteil ist die Steuerbarkeit einer Narkose.

Als unübersehbarer Vorzug der Narkose bleibt schließlich eine Art Schutzfunktion für die drei vitalen Organsysteme zu erwähnen. Die Ausschaltung des Bewußtseins durch die Narkose führt zu einer Ausschaltung von psychischen Einflüssen auf Atmung und Kreis- lauf. Ganz abgesehen davon, daß diese Einflüsse gerade bei Risiko- patienten kritische Ausmaße an- nehmen können, garantiert ihr

Ausbleiben eine wesentlich einfa- chere Beurteilung von eventuell auftretenden respiratorischen oder hämodynamischen intraope- rativen Komplikationen anderer Genese.

Was die Atmung von Risikopatien- ten betrifft, so kann eine Narko- se das einzige Anästhesieverfah- ren sein, das eine optimale Ven- tilation durch Ausschalten einer insuffizienten Spontanatmung, durch Intubation und durch ad- äquate Beatmung gewährleistet.

Sind zerebrale und respiratori- sche Parameter unter Kontrolle, so kann sich die Aufmerksamkeit des Anästhesisten voll auf das kar- diovaskuläre System richten. Dies ist gerade bei Risikopatienten deshalb so wichtig, weil vom kar- diovaskulären System die ge- fürchtetsten Komplikationen zu erwarten sind, Komplikationen, die häufig auch unter optima- len Narkosebedingungen noch schwierig genug zu diagnostizie- ren und therapieren bleiben.

Abschließend möchten wir fest- stellen: Eine gute Narkose ist in aller Regel das beste Anästhesie- verfahren, um einen Patienten — und besonders einen Risikopa- tienten — subjektiv möglichst an- genehm und objektiv möglichst ungefährdet über einen schwieri- gen Eingriff zu bringen.

Literatur

Dripps, R. D.; Eckenhoff, J. E.; Vandam, L. D.:

Intruduction to Anesthesia. The Principles of safe Practice. Sixth Edition 1982, W. B. Saun- ders Company, Philadelphia/London-Toronto

— Lebowitz, P. W; Clark, J. L.: Praktische An- ästhesie. Deutsche Übersetzung von H. Bur- chardi und R. Larsen. Georg Thieme Verlag Stuttgart/New York (1982)

Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med.

Karl Bonhoeffer Dr. med. Maria Imhoff Institut für Anästhesiologie der Universität zu Köln Joseph-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 46 vom 14. November 1984 (61) 3421

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