Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
KONGRESS-NACHRICHTEN
Krebsbehandlung nicht mehr
verzetteln
Unzureichende Chemotherapie ak- tiviert unter Umständen solide Ma- lignome eher, als daß sie zytosta- tisch wirkt. Verzettelung birgt stets die Gefahr in sich, daß der nicht- proliferierende Tumoranteil zur Proliferation aktiviert wird (Profes- sor Dr. W. Gallmeier, Tumorklinik, Universitätsklinikum Essen). Den- noch müssen die Intervalle der mo- dernen, proliferationskinetisch aus- gerichteten adjuvanten Polyche- motherapie so lang bemessen sein, daß die gesunden Zellen sich erho- len, nicht jedoch die malignen. Das setzt subtile Kenntnis der Prolifera- tionskinetik der verschiedenen Mali- gnome voraus (Professor Dr. H. 0.
Klein, Medizinische Universitätskli- nik Köln). Deshalb auch primäre Operation und Chemotherapie koordinieren!
(Deutscher Krebskongreß, Februar 1976 Hamburg)
Chronische Störungen
des Hirnstoffwechsels
Arzneimittel, die eine diffuse zen- tralnervöse Hypoxidose beeinflus- sen können, wenn alleinige kardia- le Behandlung nicht genügt, wer- den noch immer unterschiedlich beurteilt. In praxi wirken sie jedoch durchaus. Sie ersetzen aber kei- nesfalls die kardial orientierte Ba- sistherapie, die auf hämodynami- sche Ursachen zurückgeht. Des- halb gehören die sogenannten An- tihypoxidantien zur Zusatztherapie einer zerebrovaskulären Insuffi- zienz (Privatdozent Dr. K. A. Flügel, Universitätsnervenklinik Erlangen).
Es handelt sich zum Beispiel um Arzneimittel wie Enzephabol, Hel- fergin, Normabrain, Hydergin, Theophyllin und viele andere mehr.
Voraussetzung ihres Einsatzes bei diesem Krankheitsbild sind gesi- cherte Diagnose und ungenügen-
der Effekt der kardialen Basisthe- rapie. Weiterhin dürfen die Antihyp- oxidotika im engeren Sinn keine gravierenden Nebenwirkungen ha- ben, und ihr Einsatz muß wissen- schaftlich begründet sein. Die em- pirischen Erfahrungen müssen kri- tisch gewertet werden (Spontanre- missionen sind bei ZWS-Hypoxido- sen auch noch nach Wochen, ge- legentlich einmal noch nach Mona- ten und in Einzelfällen sogar nach Jahren möglich).
(4. Fortbildungstagung „Neurologie und Psychiatrie" für niedergelassene Ärzte, April 1976, Erlangen)
Diagnostische Amniozentese
Diagnostische Amniozentesen wer- den in großen Frauenkliniken im- mer häufiger durchgeführt. Indika- tionen (Dr. W. D. Jonatha, Universi- täts-Frauenklinik Ulm): Pränatale Diagnostik für angeborene Stoff- wechselstörungen, Chromosomen- anomalien und Neuralrohrdefekte der Feten. Günstigster Zeitpunkt (15. bis) 16. Woche der Gravidität.
Optimale Technik: Fruchtwasser- punktion unter Ultraschallsicht, steril, transabdominal, aber nicht transplazentar. — Die genetische Diagnostik aus dem Fruchtwasser kann allerdings nur am Ende einer umfassenden genetischen Bera- tung stehen (Dr. P. Kaiser, Human- genetisches Institut, Universität Marburg).
(Fortbildungstagung über Prävention und Therapie kindlicher Schädigungen, März 1976, Hamburg)
Hypoxidose des ZNS
Mit dem Begriff „Hypoxidose" ist verminderte Gesamtzellatmung ge- meint, speziell beim Hirngewebe.
Bei bloßem Sauerstoffmangel spricht man von Hypoxie (Profes- sor Dr. H. H. Wieck, Universitäts- nervenklinik Erlangen). Bei den mehr degenerativen Insuffizienzen des ZNS primärer oder sekundärer Genese (zum Beispiel Alkoholenze- phalopathie) ist in erster Linie die
zentralnervöse Glukoseutilisation gestört. Zerebralvaskuläre Insuffi- zienzen, die sich meistens im Gefolge einer Gefäßsklerose plus Blutdruckmangel manifestieren, gehören zu den weitaus überwie- genden Ursachen für eine Hypoxi- dose. Sie sind — weil lange Zeit reversibel — mit kardialer Basis- therapie und zusätzlichen Gaben sogenannter Antihypoxidantien im engeren Sinn gut zu beeinflussen.
Im Einzelfall kann man die Wirkun- gen der Wirkstoffkomponenten nur nicht immer streng umreißen, weil zerebrovaskuläre Hypoxidosen schon im Verlauf einer wirksamen Herztherapie und überhaupt spon- tan verschwinden können, zumin- dest zeitweilig.
(4. Fortbildungstagung „Neurologie und Psychiatrie" für niedergelassene Ärzte, April 1976, Erlangen)
Therapie bei
akutem Schlaganfall
Wenn bei akutem Schlaganfall ir- gendeine Hoffnung auf Rückbil- dung besteht, klinische Einwei- sung. Differentialdiagnostik und Therapiekontrolle verlangen einen recht großen apparativ-techni- schen Aufwand. Das jüngste Kind in diesem Reigen ist die Com- puter-Tomographie. Behandlungs- grundsatz für die weit überwiegen- de Zahl der ischämischen Insulte:
Hirndurchblutung mit allen zur Ver- fügung stehenden Mitteln vermeh- ren und erleichtern (Professor Dr.
H. Lechner, Psychiatrische und Nervenklinik der Universität Graz):
Niedermolekulares Dextran 40 (zum Beispiel Makrodex), Sorbit oder Mannit. Diurese mit Furese- mid forcieren. Azetylsalizylsäure (zum Beispiel Colfarit oder Aspi- sol); Azidose beseitigen; Dexame- thason. — Erst im Anschluß an die akute Phase gefäßwirksame und antihypoxidotische Wirkstoffe. Bei transitorischen Herdsymptomen gefäßchirurgische Indikationen
prüfen. WP
(4. Fortbildungstagung „Neurologie und Psychiatrie" für niedergelassene Ärzte, April 1976, Erlangen)
1598 Heft 24 vom 10. Juni 1976 DEUTSCHES ARZTEBLATT