EU-Kommission
Unbeachtete Bedenken
Embryonale Stammzellfor- schung wird gefördert.
T
rotz der Bedenken des Eu- ropaparlaments will die EU- Kommission die Forschung mit embryonalen Stammzellen künftig mit Geldern aus dem EU-Haushalt unterstützen.Das gab die Kommission bei der Vorstellung ihrer Vor- schläge für das 7. Forschungs- rahmenprogramm am 21. Sep- tember bekannt.
Im März hatte das Europa- parlament die Kommission in einer Resolution aufgefordert,
in den Mitgliedsstaaten ethisch kontrovers diskutierte For- schung nicht aus EU-Mitteln zu finanzieren. 67 Abgeordne- te bekräftigten diese Haltung in einem offenen Brief an EU- Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso vom 19. September.
Die Rechtslage ist in den 25 Mitgliedsstaaten unterschied- lich. „Pluralität ist europäische Stärke“, sagte Göran Her- meren, Medizinethiker aus Schweden, bei der Bioethik- Fachkonferenz des Bundes- forschungsministeriums Mitte
September. Eine Harmonisie- rung in ethischen Fragen sei zwar wünschenswert, Kom- promisse verletzten aber die Rechte einer Minderheit. Vier Länder kündigten Widerstand gegen die Entscheidung der Kommission an. ER A K T U E L L
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 39⏐⏐30. September 2005 AA2593
Frühgeborene
Bindungsverhalten häufig gestört
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rühgeborene, die lange Zeit im Inku- bator und auf der Intensivstation ver- bringen, seien später oftmals in ihrem Bindungsverhalten unsicher oder des- organisiert, berichtete Entwicklungs- psychologe Prof. Dieter Wolke beim 4. Augsburger Nachsorgesymposium.Der Wissenschaftliche Direktor der Ja- cobs Foundation in Zürich betonte, dass die emotionale Verbundenheit, die Säuglinge schon früh mit Bezugs- personen eingehen, sowie die Art und Sicherheit dieser Bindung eine wichti- ge Grundlage für die weitere Entwick- lung ist. Sie bestimme auch das spätere Verhalten im Umgang mit neuen Situa-
tionen und Personen sowie den Aufbau von Vertrauensbeziehungen. Eine un- sichere Bindungsentwicklung wird bei zeitgerecht geborenen Kindern im All- gemeinen durch ein wenig einfühlsa- mes Verhalten der Eltern erklärt. Bei sehr Frühgeborenen trifft diese Er- klärung in der Regel nicht zu, wie der Entwicklungspsychologe Wolke her- ausgefunden hat. Ihren Eltern könne deshalb auch nicht ein schlechteres El- ternverhalten vorgeworfen werden.
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eine Untersuchung zum Bindungs- verhalten von 90 sehr Frühgebore- nen und 105 reifgeborenen Kontroll- kindern im Alter von 18 Monaten ha- be ergeben, dass ein Drittel der sehr Frühgeborenen, aber nur 17 Prozent der Kontrollkinder desorientiertes Bindungsverhalten zeigten, berichtete Wolke. Um eine kindgerechte Betreu- ung auch auf Intensivstationen mög-lichst optimal gewährleisten zu kön- nen, sollten regelmäßig Bezugsperso- nen mit ausreichend Zeit vorhanden sein, sagte Dr. Caroline Benz (Univer- sitäts-Kinderklinik Zürich). Je jünger die Patienten sind, desto kleiner sollte der Kreis der Bezugspersonen sein.
Dass solche Anforderungen im Klinik- alltag oftmals nicht zu erfüllen sind, sei ein großes Problem, räumte Benz ein.
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enn ein Kind unter solchen Bedin- gungen erwachsene Bezugsperso- nen deshalb als „unzuverlässig“ erlebe, könne das zu Entwicklungs- oder Ver- haltensauffälligkeiten führen. Die Be- treuung vor allem chronisch kranker Kinder dürfe sich daher nicht darauf beschränken, das Kind organisch wie- der gesund zu machen. Auch die psy- chischen und körperlichen Bedürfnisse sollten bei der Betreuung berücksich- tigt werden. Jürgen Stoschek AkutInsulinanaloga
Bewertung umstritten
Fehlende Patientensicht kritisiert
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ach der ersten Anhörung zur Nutzenbewertung in- novativer Medikamente ha- ben Vertreter der Pharmain- dustrie das Institut für Qua- lität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kritisiert. Sie stellen dessen methodische Vorgehensweise infrage. So werde bei der Nutzenanalyse kurz wirksa- mer Insulinanaloga bei Typ-2- Diabetes die Lebensqualität der Patienten nicht ausrei- chend berücksichtigt. Statt- dessen werde der Erfolg einer Insulintherapie ausschließlich an der Reduktion von Spät- komplikationen und Gesamt- mortaliät gemessen.In dem Vorabbericht zu kurzwirksamen Insulinanalo- ga bei Typ-2-Diabetes betont das IQWiG, es liege keine Stu- die vor, die die Sicherheit der Insulinanaloga in der Lang- zeitanwendung geeignet dar- stelle. Dem Institut zufolge
gibt es keine Untersuchung, die belegt, dass die Analoga den herkömmlichen kurz- wirksamen Humaninsulinen in der Verminderung von Fol- gekomplikationen bei Typ-2- Diabetes überlegen sind.
In Pharmakreisen wird un- terdessen gefordert, die Wün- sche der Patienten und die Er- fahrung der Ärzte in die Be- wertung mit einzubeziehen.
Die Patienten spürten den Nutzen kurzwirksamer Insu- linanaloga bei jeder Mahlzeit.
Gerade jüngere und aktive Diabetiker profitierten von den Präparaten, da der Spritz- Ess-Abstand entfalle.
„Auch Lebensqualität und Therapiezufriedenheit der Pa- tienten werden berücksich- tigt“, betonte Dr. med. Tho- mas Kaiser, Ressortleiter Arz- neimittelbewertung beim IQWiG. Allerdings hält er die Studienlage diesbezüglich bei Insulinanaloga für äußerst dünn. In anderen Bereichen gebe es jedoch sehr wohl eine größere Zahl randomisierter Studien zur Bewertung der Lebensqualität. Mit dem ab- schließenden Bericht zum Nutzen kurzwirksamer Insuli- nanaloga bei Typ-2-Diabetes ist Ende dieses Jahres zu rech-
nen. BH
Embryonale Stammzellfor- schung: Eine Mehrheit der Eu- ropaparlamenta- rier hatte sich gegen die Förde- rung ausgespro- chen.
Foto:epd