Zur Exegese und Kritik der rituellen Sütras') . Von
W. Caland.
xxvm. Zum Kausikasütra.
1. Zu 15,2. Statt varahavihitäd ist ohne Zweifel varäha-
vihatad zu hessem. Bekanntlich wird die von einem Eber
aufgewühlte Erde unter den pärthiväh sambhäräh beim Agnyädhäna
aufgezählt, vgl. z. B. Ap. srs. V, 1, 7 s. f.
2. Zu 18, 18. Statt des von Bloomfield aufgenommenen
tittyayä channam ist zu lesen: titlyayächannam , d. h. trtiyayä
(sc. rcä) ächannam (sc. lohitam väsah, vgl. 18,16: ächädya)
(sc. apsv apavidhyati).
3. Zu 33, 9 wird als Vorschrift beim Ausgraben eiaes gewissen
ZauberkrantS die Beschränkung gemacht: astamite chattrena cän-
tdrdhäya, d. h. : „nach Sonnenuntergang und nachdem er einen
Sonnenschirm dazwischen gestellt hat". Das ist unbegreiflich.
Richtig scheint mir die von Bü und Bi überlieferte Lesart **):
chattrena väntardhäya. Das Ausgraben soll also stattfinden ent¬
weder nach Sonnemmtergang oder (am Tage) nachdem man einen
Sonnenschirm zwischen Pflanze und Sonne gestellt hat. Zur
Konstruktion vgl. das bekannte: antar mrtyum dadhatämparvatena.
4. Zu 34, 19. Es handelt sich um ein Mittel, wodurch man
erfahren kann, aus welcher Richtung die Jungfrau einen Freier
erwarten darf ; dazu wirft der Brabman ein neues Kleid über einen
Stier und nun heisst es ferner: udardayati yärn diäam: das
kann nichts anderes bedeuten als : „ aus der Richtung wird der
Freier kommen, in welcher er den Stier jagt". Es leuchtet ein,
dass dies Unsinn ist und dass die handschriftlich überaus gut
beglaubigte Lesart : udardati wäre aufzimehmen gewesen : der
Freiersmann wird nl. aus der Richtung kommen, in welcher der
Stier aus freien Stücken forteilt.
1) Vgl. diese Zeitschrift Bd. 53, S. 205.
2) Über den Wert der mit Bü bezeicbneten Handschrift vgl. meins Bemerkangen in dieser Zeitschrift 53, 207 (vgl. 217 Nr. 1, 218 Nr. 4, 219 Nr. 6, 222 Nr. 28).
Caland, Zur Exegese und Kritik der rituellen Sütras. 697
5. Zu 57, 8. Diese Stelle bedeutet nach Bloomfields Ausgabe:
.überall, wenn ein (zu rituellen Zwecken benutzter) Gegenstand
geborsten, gebrochen oder verloren gegangen ist, macht er ein
anderes Exemplar und soll es mit der Strophe VII, 67 ädadhita".
Welche Bedeutung hier dieses Zeitwort hat, sehe ich nicht, meine aber,
dass mit K und E ädadita zu lesen ist: „soll in Gebrauch nehmen'.
6. Zu 72, 25, 26. Unrichtig hat, wie mir scheint, der Heraus¬
geber die Sütras getreimt ; es ist vielmehr so abzuteilen : aparedyur
agnim cendrägnl ca yajeta sthälipäkäihyäm \ 25 | agnirn cägnl-
somau ca päurnamäsyäm | 26 | Dass aparedyur hier für amä¬
väsyäyäm gebraucht ist , wird durch 69, 2 erklärt , wo es heisst :
amäväsyäyäm pürvasmin , d. h. : , Am Neumondstage soll er (das
neue Feuer gründen) , am Tage vorher (aber erst das zunächst
Folgende verrichten)'.
7. Zu 79, 16. Der Sinn dieses Sätzchens ist Weber (Ind.
Stud. V, S. 401) völlig entgangen, was freilich kein Wunder ist,
weil damals, im Jahre 1862, noch keine Ausgabe des Kausikam
vorlag. Das Sütra enthält den folgenden Sinn : „während die
beiden (Jungvermählten) ihn von hinten berühren, opfert er mit
den beiden Kapiteln AS. XIV, 1 und 2 eine der dreizehn Opfer¬
substanzen". In den anderen rituellen Texten steht statt des
Dativs immer der Lokativ anvärabdhesu. Ein ganz ähnlicher
Dativ findet sich in der Pari bhäsä 7,21: anvärabdhäyäbhiman-
tranahomäh. Über die dreizehn Opfersubstanzen {haviihsi) vgl.
Säyana in Shankar Pändurangs Ausgabe der Atharvasamhitä,
Vol. I, S. 5.
8. Zu 82, 6 und 19. Nachdem mir diese beiden Sütren lange
Zeit eine rechte „Crux" gewesen sind, glaube ich endlich ihren
Wortlaut und Sinn feststellen zu können. Nach der Kremation
gehen die Verwandten , ehe sie nach Haus zurückkehren , in einer
Reihe nach einem Strom, jeder mit sieben Kieseln, die sie allmählig
mit der linken Hand ausstreuen , während der Brabman hinter
ihnen hergehend, das Apägha-lied ausspricht (gemeint ist das Lied,
welches apa nah ^oSucad agham zum Refrain hat (AS. IV, 33),
vgl. 42 , 22, 36 , 22 ; Bloomfields Vorschlag (zu 82 , 4) apägha in
apädya zu ändern ist natürlich verfehlt) : apäghenänumantrayate | 4 |
Sarve 'grato brähmano vrajanti \ 5 | mä pra gämeti japanta
udakänte vyapädye japanti \ 6 | Erstens sind nach meiner Ansicht
die Sütren ein wenig anders zu trennen ; dann ist statt japanti
mit vier HSS. der Singular herzustellen (sc. brahmä) und was
endlich das von Bloomfield in den Text aufgenommene vyapädye
betrifft, wofüi- er zögernd apäghe (sc. sükte) vorschlägt (unmöglich,
da es nur ein Apägha-lied giebt), so glaube ich hier und 82, 19
mit ziemlich grosser Sicherheit vyaghäpäghe, bzw. vyaghäpäghähhyäm
vorschlagen zu dürfen. Das erste der beiden Süktas ist das
Vyagha-lied (HI, 31), dessen Refrain lautet: vy aharn sarvena
päpmanä vi yaksmena sam äyu§ä. Säyana (Vol. I, S. 504)
46»
bestätigt unsere Auffassung. Sütra 5 und 6 sind demnacb höchst-
wahrscbeinlicb so zu lesen : sarve 'grato brähmano vrajanti mä
pra gämeti japantah \ 5 | udakänte vyaghäpäghe japati \ 6 |
9. Zu 90, 13. Die Stelle ist so zu interpungieren: athäsanam
ähärayati savistaram: äsanam bho iti | 13 |
10. Zu 90, 23. Es ist statt vedayante der Singular herzu¬
stellen : athäsmai madhuparkam vedayate dvyanucaro: madhuparko
bho iti I 23 I
XXIX. Zum Baudhäyanapitfmedhasütra.
Als ich diesen Text herausgab, hatte ich noch nicht die
übrigen Teüe des wichtigen Kalpasütra des Baudhäyana studiert,
sonst hätte ich eine Stelle anders gelesen; es ist nl. im Anfang,
statt des von mir aufgenommenen : dayanarn kalpayeyur jaghanena
(färJtapalyam antarasmai bhaksän äharanti, zu lesen und zu
interpungieren: Cayanam kalpayeyur jaghanena gärhapatyam ;
tad asmai bhaksän äharanti. Hier hat tad, wie so oft im
Baudhäyanasütra, die Bedeutung von tatra.
XXX. Zum Äpastambiyakalpasütra.
1. Die Paribhäsä LVHI: na mantravatä yajhähgenätmänam
abhipariharet , wird von M. Müller (Sacr. Books of the East,
Vol. XXX, S. 331) in folgender Weise übersetzt: „after a sacrificial
object has been hallowed by a Mantra, the priest should not toss
it about'. Der Sinn scheint mir ein anderer zu sein. Die Präp.
abhi in ahhipariharati wird nl. in den Wörterbüchem völlig bei
Seite gelassen. Das Kompositum bedeutet: „einen Gegenstand
(Instr.) im Kreise (um das Peuer, den Vihära, eine Person u. s. w.)
heramtragen , so dass man den Gegenstand auch um das im Acc.
genannte herumträgt'. Wenn z. B. beim Pasubandha das Paryagni¬
karana gehalten wird , so soll der Agnidhra , wenn er den Feuer¬
brand um das Opfertier dreimal herumträgt, demselben die rechte
Seite zukehrend , den Feuerbrand nicht in der linken , sondern in
der rechten Hand halten und vice versa; sonst würde er ja sich
selbst durch das Paryagnikarana weihen, ünsere Paribhäsä lautet
denn auch bei Hiranyakesin (ärs. 1 , 3, 2):_ na yajnähgenätmänam
anyarn väbhipariharati. So bedeutet Apast. Srs. XI, 21, 2:
nädiksitam abhipariharet: „wenn der Adhvaryu das Vasatlvarl-
wasser vor dem Soma- opfer um den Vihära herumträgt, soll er
dasselbe nicht auch um einen nicht-geweihten herumtragen" , d. h.
er trägt das Wasser um den Vihära herum, der von dem Yajamäna
und der Gattin, die ja beide geweiht worden sind, nicht verlassen
wird , nachdem die anderen Priester sich daraus entfemt haben ;
vgl. Äsv. srs. IV, 12, 7: . . . vasativarlh pariharanti dtksitä
abhiparihärayeran, d. h. „Auch um die Geweihten soll das Wasser
herumgetragen werden ".
Caland, Zur Exegese und Kritik der rituellen Sütras. 699
2. Die Sütras XIX, 16, 6, 7 (srs.) . . . nwltä rtvijah pracaranti
malhä iii | 6 | manilä ity arthah \ 7 | sind so zu trennen: . .
pracaranti \ 6 | malhä iti manilä ity arthah \ 7 |
3. Eine unrichtige Sutratrennung findet sich auch srs. XIX,
18, 12, 13: upahomä vä tatra samdigdhäh | 12 | anukra-
misyämah \ 13 [ Zu lesen ist: upahomä vä \ 12 | tatra sarndigdhä
anukramisyämah | 13 | d. h. „diejenigen im Brähmana erwähnten
Istis, über welche Unsicherheit besteht, werden wir hier behandeln".
Im Folgenden giebt denn auch Äpastamba keine vollständige Dar¬
stellung der kämyä istis.
4. Zu XX, 1, 6. Unbekannt war bis jetzt den Wörterbüchern
das Wort apadätih: „nicht zu Fusse gehend'. Es findet sich auch
Baudh. grhs. 1,1; das von Winternitz (das altind. Hochzeitsrituell S. 30) an dieser Stelle gelesene apadig gatvä, das „er geht hinaus' bedeuten soll, ist nl. in apadätir gatvä zu verbessern.
XXXI. Das Rad im Ritual.
Ausser beim Väjapeya findet sich das Drehen eines Wagenrades
auch bei der Gründung der sakralen Feuer. Was Hillebrandt (Ved.
Rituallitteratur S. 107) hierüber sagt: „draussen, ausserhalb des
Vihära, setzt der Yajamäna einen Wagen oder ein Wagenrad in
Bewegung, so dass es dreimal, für einen Feind sechsmal, sich im
Kreise dreht' , ist weder deutlich noch genau. Weshalb denn
sechsmal für einen Peind ? Apastamba sagt nur (srs. V, 14, 6, 7):
„südlich (vom Vihära) lässt der Brabman (also nicht der Yajamäna)
einen Wagen oder ein Rad rollen , so dass das Rad sich dreimal
herumdreht, sechsmal für einen Feind'. Da Rudradatta uns im
Stiche lässt, wenn wir das Genauere über dieses Rad zu erfahren
streben, wollen wir uns zu den verwandten Texten wenden.
Hiranyakesin nun (III, 9, 10) lehrt nichts neues. Im Baudhäyana
Kalpasütra (II, 17) heisst es nur: atha rathacakram pravartayati
samtatäm gärhapaiyäd ähavanlyät. Nach dieser Quelle also wird
das Rad nicht im Kreise gedreht, wie beim Väjapeya, sondern vom
Gärhapatya-heerd nach dem Ahavaniya, also in östlicher Richtung
fortgedreht. Genauer noch die hierauf bezügliche Stelle des
Karmäntasütra (I, adhy. 8, kha.näa: 15): pranitälokena rathacakram
pravartayati , also über demselben Wege , wo die Pranita-wasser
hingeführt werden, d. h. nördlich von der Vedi, vom Gärhapatya
zum Ahavaniya (vgl. Hillebrandt, das Neu- '4hd Vollmondsopfer,
S. 19)*). Am meisten belehrend ist aber Bhäradväja, der die
folgenden Vorschriften giebt (Ädh. prasna , 8): daksinato brahmä
ratham vartayati rathacakram vä; brhaspate pari diyä rathe-
1) Der Vollständigkeit halber füge ich auch die Controversen aus dem Dvaidhasütra (I.adhy. 6) bei: ratliacakrasya karaiia iti; kuryäd iti baudhäyano;
na kuryäd iti säl'tkir ; atro ha smähavjiamanyavo : ratham (vaitai/i
samprayuktam präncam pravartayet, tam rtvigbhyo dadyäd ity; etad api
na kuryäd ity äSfigavi/i.
neiy'^) etarn väpralirathasyarcarn brahmä japaiity elcesäm, tayä ratharn vartayaii yävac cahrarn trih parivartate ; yah sapatnavän
bhrätt-vyavän syät tasya punad cakram trih parivartayet. Damit
stimmt die Angabe in der Maitr. Samh. I, 6, 6 (p. 96, 14) überein:
yah sapatnavän bhräti-vyavän vä syät tasya rathacakram trir
anuparivartayeyuh^). Aus dem Baudhäyanasütra folgt, dass das
Rad nicht am Boden liegend herumgedreht, sondem aufrecht stehend
fortgerollt wird und diese Auffassung scheint auch für die anderen
Quellen geboten zu sein , da sonst ein pradaksiriam nicht hätte
fehlen können. Auch die Erlaubnis, den Zauber mit einem ganzen
Wagen zu verrichten, deutet darauf hin.
Es steht also fest, dass das Heramdrehen eines Rades in
entgegengesetzter*) Richtung eine für den Opferer oder dessen
Feind schädliche Wirkung hatte , wie man glaubte. Fragt man
aber, Ln welcher Hinsicht diese Handlung schädlich war und welchen
Zweck sie hatte, so geben uns auch die Brähmanas, die sonst nicht
um eine Erklämng verlegen sind , keine Auskunft. HofiFentlich
wird uns hier die Vergleichung verwandter Bräuche das erwünschte
Licht bringen. Es ist freilich nicht zu bezweifeln, dass ein sich
drehendes Rad in erster Stelle das Symbol der Sonne ist, dass
also , wenn man mit Hinblick auf jemanden das Rad zurückdreht,
sein Leben verkürzt werden musste. Und diese Erklärang ist
auch für unser Rad an sich befriedigend. Es scheint aber , dass
noch ein anderer Gedanke mit dem Heramdrehen des Rades ver¬
bunden gewesen ist , dass es nl. auch eine Art Regenzauber
gewesen ist. Mit diesem Zweck wird der Brauch noch heute in
Indien geübt; hierüber belehrt uns J. Campbell Oman, aus dessen
Schrift : Indian Life, religious and social, ich das Folgende citiere *) : , a Bunneah had recourse to a still more efiFectual method of keeping
oflF the rain. He had a chukra, or spinning-wheel, made out of
the bones of dead men: Such an article could only be made very
secretly and for a large sum of money , but its action was most
potent. Whenever the clouds were gathering the Bunneah set his
virgin daughter to work the chukra the reverse way and by
that means unwound or onwove the clouds, as it were, thus
driving away the rain ; and this over and over again, notwithstanding
1) TS. IV, 6, 4, d.
2) Im Mänavasrautasütra (I, 5, 4, 9) lautet die allgemeine Regel: ratham vartayati rathacakram vä; die besondere: sapatnavato bhrätrvyavato vä rathacakram vihäre trih parivartayati. Das ursprüngliche Ritual ist hier im Sütra also stark verwässert.
3) punah findet sicb in der Bedeutung „zurück" aucb in dem bekannten punarähäram : „jedesmal zurückholend", vgl. diese Zeitschr. Bd. 53. S. 224. Mit
dieser Erklärung lässt sich der Ausdruck des Mänavarituals: anuparivartayati in Einklang bringen, der ja nur besagt, dass das Kad, nachdem es dreimal gedreht ist, für einen Feind nochmals (anu) dreimal umzudrehen ist, indem die Ricbtung bier nicht ausgedrückt wird.
4) Nach Simpson, Tbe Buddhist praying wheel, p. 103.
Caland, Zur Exegese und Kritik der rituellen Sütras. 701
that the young Hindu maidens had gone forth, harnessed them¬
selves to the plough, and with suitahle ceremonies and offerings
had invoked the gods for rain ; while the Mohammedans , on their
part, had assembled in the Musjid and offered prayers to Allah
for the much needed showers." Hier lässt sich eine Stelle ans
Plinius*) zur Vergleichung anführen: „pagana lege in plerisque
Italiae pra^diia cavetur ne mulieres per itinera ambulantes
torqueant fusos aut omnino detectos ferant, qtumiam adversetur
id omnium spei praecipueque frugum". Hiernach war es in
Italien auf dem Lande den Weibem verboten , mit Spinnrocken
über den Weg zn gehen, indem sie dieselben hemmdrehten, ja
wenn sie diese Maschinen bei sich tragen, musste man dieselben
sogar bedecken, weil dies (nl. das Drehen des Fusus) einen schäd¬
lichen Einfluss auf die Hoffnungen ausübe, die man von AUem,
insbesondere aber von der Emte hatte. Durch das Drehen konnten
also die Weiber die Emte missglücken lassen. Noch in unserer
Zeit giebt es, glaube ich, ein Überlebsei dieses Zaubers mit dem
Rade, in dem Volksglauben, dass es — und auch hier bemerke
man den Zusammenhang des Rades mit dem Regen — wenn es
lange Zeit trocken gewesen ist und der Scherenschleifer lässt seinen
Ruf hören, bald Regen geben müsse. Man darf aus allen diesen
Thatsachen scbliessen , dass das Drehen eines Rades in normaler
Richtung die Kraft hatte, den Regen herbeizulocken: der Scheren¬
schleifer!; in entgegengesetzter Richtimg aber, den Regen fem zu
halten: der Bunneah, die italienischen Weiber! Freilich wird bei
den letztgenannten die Richtung des Drehens nicht erwähnt, welches
Detail entweder ausser Gebrauch geraten oder unserem Gewährs¬
manne unbekannt geblieben ist. So kann nun auch endlich das
Drehen des Rades im altindischen Ritual des Agnyädhäna ursprüng¬
lich den Zweck gehabt haben , es dem Opferer regnen zu lassen,
seinem Feinde aber den Regen vorzuenthalten.
xxxn. Zur Deutung eines Tryambaka-spruches.
Eine Untersuchung eines beim Tryambaka-ritual verwendeten
Spraches (RV. VII, 59, 12) hat Pischel^ zum Ergebnis geführt,
dass von den Worten : urvärukam iva bandhanän mrtyor mükstya
mämrtät, die beiden letzten so zu trennen wären ma mrtät; der
Sinn wäre: ,möge ich, wie eine Gurke vom Stengel, vom Tode
gelöst werden, nicht möge ich sterben". Pischel sieht in diesem
mrtät die 1. Sing. Imprt. Aor. Act. zu mar, sterben; der Imp.
auf -täd wäre hier gehraucht wie AS. IV, 5,7: ä rnfusarn jägrtäd
aham. Zu dieser Trennung der Worte hat ihn der Sinn veranlasst,
der den Worten mä amrtät inne zu liegen schien, da man übersetzte:
„möchte ich vom Tode loskommen, nicht von der Unsterblichkeit' 1) N. H. 28, 5 (2).
2) In dieser Zeitschrift Bd. 40 S. 121.
4 9
702 Caland, Zur Exegese wnd Kritik der rituellen Sütras.
(so auch noch Eggeling in S. B. E. Xü, S. 441). Mit Recht hat
Pischel an dieser Übersetzung Anstoss genommen. Es scheint mir
aber, dass die Schwierigkeit des Spruches sich auf ganz einfache
Weise lösen lässt, ohne dass man dem bgveda die ohne Zweifel
sehr späte Verwendung eines Imperativs auf -täd mit der Funktion
einer 1. Person aufzubürden hat. In dem folgenden Spmche:
apaibu, mrtyur amrtam na ägan vaivasvata no abhayarn
krnotu parnam vanaspater iva abhi nah diyatäm rayih u. s. w.
(TBr. m, 7, 14, 4, vgl. ääükh. srs. IV, 16, 5, Mantr. brahm. I, 1, 15)
bedentet amrtam ofFenbar nicht , ÜnsterbUchkeit" (wer wünscht,
dass der Tod an ihm vorübergehe, bittet nicht zu gleicher Zeit,
dass die „ÜnsterbUchkeit kommen möge"), sondem: „Nicht-
sterhen", das heisst ,am Leben bleiben" : amarana, maranarähitya,
wie es die Schol. nennen. Die besprochene Stelle bedeutet also:
„möge ich, wie eine Gurke vom Stengel, von dem Tode befreit
werden, nicht vom Nicht-sterben (= vom Leben)'. Mit amrta ist
also gemeint : nicht vor der Zeit , puro äyusah , vncq fiÖQOv,
sterben, wie es in den Brähmanas deutlich gesagt wird: etad väva
manusyasyämrtatvam yat sarvam äyur eti (Tänd. Br. XXIV, 19, 2,
Maitr.' Sainh. II, 2, 2)!
Verzeichnis der behandelten Stellen.
Apastamba srautasutra V, 14, 6, 7 . . . . XXXI.
XI, 21, 2 XXX, 1.
XIX, 16, 6, 7 . . . XXX, 2.
XLX, 18, 12, 13 . . XXX, 3.
XX, 1, 6 XXX, 4.
paribh. LVIII XXX, 1.
Asvaläyana srautasütra IV, 12, 8 XXX, 1.
Baudhäyana Srautasütra II, 17 XXXI.
pi. sü. p. 3, z. 2 XXIX.
Bhäradväja ädh. sü. 8 XXXI.
Kausikasütra 15, 2 XXVIII, 1.
18, 18 XXVIII, 2.
33, 9 XXVIII, 3.
, 34, 19 XX^HI, 4.
57, 8 XXVIII, 5.
72, 25. 26 XXVni, 6.
79, 16 xxvm, 7.
82, 6 XXVIII, 8.
82, 19 XXVIII, 8.
90, 13 XXVIII, 9.
90, 23 xxvm, 10.
Maiträyani Samhitä I, 6, 6 XXXI.
Rksamhit'ä VII, 59, 12 XXXIL
Taittiriya Brähmana III, 7. 14. 4 XXXII.
k 9
703
Berichtigung.
Meine Anzeige des Werkes „Muhammedanisches Recht usw."
von Eduard Sachau (ZDMG. Bd. 53, S. 125 ff.) bekam ich erst im
Juli 1899 gedruckt zu Gesicht, also nahezu ein Jahr, nachdem sie
geschrieben wurde. Bei abermaliger Durchsicht ergab sich mir,
dass ich mich bezüglich der Besetzung des Rektorats der Azhar-
Universität (S. 135 und Pussnote 1) etwas ungenau und unvoll¬
ständig geäussert habe. Als ich dies bemerkte, befand ich mich,
ebenso wie bei der Abfassung der Besprechung selbst, wieder in
Atjfeh und konnte also meine älteren Notizen über die Maschjachat al-Azhar nicht nachschlagen. Erst jetzt finde ich dazu Gelegenheit, und so will ich gleich die richtigen Daten über Bädjüri's Nachfolger im Rektorate mitteilen.
Ibrähim al-Bädjüri war Schaich al-Azhar von 1263 H.
(1847) bis auf seinen Tod, Dul qa'dah 1277 (Juni 1861). In
seinen letzten Jahren war er jedoch vor Altersschwäche nicht mehr
imstande, seine Amtspflichten wirklich zu erfüllen. Die Regiemng
gab ihm daher im Muharram 1275 (August 1858) vier „Stell¬
vertreter" (unikalä) bei zur Erledigung der Geschäfte. Dies waren:
Schaich Alimad Kabüh al-'Idwl al-Mälikl, S. Ismä'il al-HalabI al-
Hanafi, S. Chalifah al-Paschni as-Schäfi'i, S. Mu9t.afa a9-Qäwi as-
Schäfi'I. Nach dem Tode Bädjüri's blieb das Amt einstweilen
unbesetzt, und die Geschäfte wurden von den beiden übrig gebliebenen
„Stellvertretem": Schaich Kabüh und S. Chalifah al-Paschnl erledigt,
bis im Jahre 1281 H. (1864—65)
Sajjid Mu9tiafa' al-'Arüsi as-Schäfi'i mit der Würde
bekleidet wurde. Sein Vater und sein Grossvater zählten zu den
Vorgängern Bädjüri's im Amte. Sajjid Mu^lafa wurde aber im
Scbawwäl 1287 (Januar 1871) entlassen; sein Nachfolger war der
in meiner Anzeige erwähnte berühmte hanafitische Mufti :
Schaich Muhammad al-Mahdl al -'Abbäsi, der dies¬
mal beinahe 11 Jahre lang das Amt behielt. Im Muharram 1299
(Dezember 1881) musste er dasselbe einem schäfi'itischen Gelehrten
abtreten, und zwar dem von Sachau allein erwähnten :
Schaich Muhammad al-Imbäbi. Noch nicht ein volles
Jahr nach Antritt des Amtes wurde dieser von seinem Vorgänger
verdrängt, und es fungierte