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Zur Exegese und Kritik der rituellen Sütras '
Von W. Caland.
XXXVIII. Zum Äpastamba Srautasutra.
Dass es in einem umfangreichen schwierigen Texte wie dem
Äpastamba Sütra noch immer etwas zu verbessern giebt, wird
Niemanden Wunder nehmen, der mit dieser Art Werken auch nur
ein wenig vertraut ist. Die folgenden kurzen Bemerkungen mögen
das Ibrige dazu beitragen, den von R. Garbe so vorzüglich heraus¬
gegebenen Text fehlerfrei zu machen.
1. Unrichtige Wortscheidung finde ich I, 9. 9, wo jedesmal
svadhämbhyah zu lesen ist; XII, 28. 11 und 16, wo zu trennen
ist : devebhyo deväyuvam ukthyebhya ukthyäyinam , bezw. deve¬
bhyas tva deväyuvam; ausserdem ist vermutlich an der zuerst
citierten Stelle ukthäyuvam zu verbessem, vgl. TS. I, 4. 12. 1,
Maitr. S. I, 3. 14; Ap. Srs. XIII, 7. 8 ist, meine ich, zu trennen:
äpuryä sthä mä pürayatety, d. h. : äpuryä stha ä mä pürayata.
2. Wenn in der von Gai-be_ gebotenen Redaktion des Sütra
I, 24. 5 wirklich die Lesart der Apastambins vorläge, hätten wir
eine höchst merkwürdige Abweichung von der Samhitä zu ver¬
merken, da hier der Sütrakära statt des einzig möglichen Wortlauts
der Sarnhitä: adbhyah pari prajätä stha (TS. I, 1. 8. d) das un¬
verständliche adbhih pari bietet. Da aber Hillebrandt (altind. Neu-
und Vollmondsopfer, S. 40) die Äpastamba-Stelle mit adhhyah
citiert, haben die HSS. wahrscheinlich diese Lesart. — Garbes
Ausgabe bietet VI, 19. 7 Sraddhä me mä vyägäd iti. Da eine
Zusammensetzung vy ägacchati bis jetzt nicht belegt ist und, wie
ich meine, auch unmöglich ist, hat man wohl zu lesen : mä vyagäd.
So bieten auch Bhäradväja und HiranyakeSin (VI, 21, wo freilich
die Haug'sche HS. vyapagäd, die Vaijayanti aber vyagäd liest).
Bekanntlicb kommen solche augmentierte Injunktive auch sonst vor,
vgl. Kuhns Zeitscbr. XXXIV, 456; weitere Belege bei Verf zur
Syntax der Pronomina im Avesta , S. 22, Pussnote und Kaul sü.
56. 6: tan me mä vyanaSait.
1) Vgl. diese Zeitschrift 55, 261.
36*
552 Caland, Zur Exegese und Kritik der rituellen Sülras.
3. Früher hielt ich (vgl. diese Zeitschr. 52, 429) das VI, 6. 4
überlieferte tustürsamänasya für eine Korruptel, weil Hiranyakesin
titirsatah und Bhäradväja titirsamäriasya haben. Ich war aber
damals im ünrecht, da tustürsate das unregelmässige Desiderativ
zu strnute ist (statt tistirsate) , vgl. Whitney , Sanski'it Grammar
§ 1028, 7. Sehr merkwürdig ist, dass XXII, 2. 9 das richtig ge¬
bildete tistirsa vorkommt. Die Lesung des Hir. dagegen ist gesichert
durch die Bemerkung der Vaijayanti : titirsatah päpmädilcom istarn
tarlum atileramitum icchato yajamänasya.
4. Dass die Sprache des Apastamba sehr oft von der als Norm
geltenden Grammatik abweicht, steht fest und wird von Niemandem
geleugnet. Es scheint mir aber doch, dass Garbe an einigen Stellen
statt des Regelmässigen, ohne genügenden Grund das ünregelmässige
aufgenommen hat. Nicht selten ändert er auf Grund von Rudra¬
dattas Bemerkungen den handschriftlich überlieferten Wortlaut.
Nach meiner Ansicht hätte er das nun auch an den folgenden
Stellen tbun dürfen. Der Ausdruck gudarn mä nirvlesik wird vom
Sütrakära selber erklärt durch die Worte : mä paryästah (VII, 22.
7—8). Das Bhäsya dazu lautet: gudam ca vanisfhum ca mä
viparyästhäh .... viparyäsarn mü Itj'thä ityarthah; . . . vipa¬
ryästa iti tu pathatärß pramädikas takärah. Es scheint mir
deutlich zu sein, dass Rudradatta selber hier die Lesart viparyästah
als einen pramädapäthah verwirft. Desgleichen XIII, 20. 13:
vicrtto varunasya päJa iti yajamäno mekhaläm vicfcate (sic).
Das Bbäsya lautet : vicrcate visratnsayati ; vicrcata iti pramäda¬
päthah. Hier muss im Texte wahrscheinlich vicrtate gelesen werden
und das erste vicrcate des Bhäsya muss ebenfalls in vicrtate ge¬
ändert werden. So ist wohl auch XII, 12. 13 vitatyamänam mit
dem Kommentator für pramädapätha zu erklären und in vitanya-
mänam zu ändern, ebenso srivyeyuh (XIII, 9. 11) in stvyeyuh.
Vielleicht ist auch das berüchtigte samplomnäya (VHI, 16. 5) statt
sarnpronmnüya als ein schon in Rudradattas Zeit allgemein gang¬
barer pramädapätha zu bezeichnen, vgl. XIII, 17. 9, wo die HSS.
statt des von Rudradatta gelesenen samplomnäya einstimmig sam-
pronmrjija bieten.
5. Rudradatta, der sonst ein wegeskundiger Führer ist, leitet
uns, wie icb fürchte , einmal irre , da er , und natürlich auf seiner
Spur auch der Herausgeber, uns die Sätze des Textes unricbtig
geschieden hat. Icb habe die folgende Stelle im Auge : na yaja¬
mänah somarn vicinuyät | näsya puruso nndhvaryar nädhvaryu-
purusah \ rä)'no viclyamänasyopadrastärah syuh (X, 20. 16—18).
Danach sollen weder der Opferberr noch seine Diener, noch der
Adhvaryu, noch dessen Diener den Soma aussuchen ; sie sollen aber
darauf hinblicken, wenn er ausgesucht wird. Diese Vorschrift kann
aber jedenfalls nicht für den Adhvaryu gelten, wie Rudradatta be¬
merkt, da er sich zuvor abwenden soll (Sütra 15). Was sagen aber
die verwandten Quellen ? Hira^yakeSin verordnet (IX, 4): nädhva-
Caland, Zur Exegese und Kritik der ritueUen Sutras. 553
j~yuh somam vicmuyäd näsya puruso na yajamänasyämätyä na
viclyarrtänasyopadrastäro bhavanti, ebenso Bhäradväja : na vidya-
mänasyopadrastäro bhavanti (SomapraSna I, 11 s. f.), ebenso Män.
srs. II, 1. 3. 55: nädhvaryuh somam vieinuyäd iti pratisiddhain
vicayanarn preksariarn ca und das Vaitänika Sntra der Kathas:
na vidyamänam prekseran, dazu vergleiche man Maitr. S. III, T. 4:
nädhvaryuh somaiii vicinuyän na yajamäno, na yajamänasya
purusa ; nopadrastäro viclyamänasya syuh (so sind wohl die Sätze
zu trennen). Polglich sind entweder die fraglichen Sütras des
Äpastamba so abzuteilen: na yajamänah somarn vicinuyät: näsya
puruso nädhvaryur nadhvaryupuruso räjno viclyamänasyopadra¬
stärah syuh , oder aber man hat anzunehmen , dass schon in der
dem Rudradatta bekannten Tradition die Negation aus Sütra 18
weggefallen sei und die Stelle ursprünglich so gelautet bat: na
räjfio viclyamänasyopadrastärah syuh.
6. Vermutlich ist überall in der Bescbreibung der Kaukill
Sauträmani statt pavitrena (XIX, 17. lfg.) mit den meisten HSS.
pattrena zu lesen, gemeint ist dann die Adlerfeder (vgl. XIX, 6. 7);
aucb Hiranyakesin (XXIII , 1 und 2) liest jedesmal so , vgl. die
Caraka Sauträmani, XIX, 2. 12. Das pavitra wird ja nicht zur
Abwischung des Graha gebraucht.
7. Die beiden Sütras XXI, 5. 4 und 5 bilden wohl einen Satz:
yävaniam ekasmä ahna äptam manyate, tam anyasmin väsasy
upanahya u. s. w., vgl. Hir. XVI, 4: yävän ekähäyaptas tävantam
räjänam anyasmin väsasy upanahya.
8. Obgleich alle HSS. zu XXII, 25. 20 mitsamt dem Kommentator
zu Taitt. Br. lesen : rohinyäm yajatopavyusarn irapayati , ist un¬
bedenklich zu emendieren : yajetopavyusarn Srapayati. Der uns
vorliegende Text des Taittiriya Brähmana und dessen Kommentars
ist ja nur ein sehr dürftiges Hülfsmittel für die Kritik.
9. Eine sehr merkwürdige Stelle ist XXII, 6. 18, wo von einem
Ekäha gehandelt wird, den derjenige verricbten soll, der sich unter
Fremde begeben hat. Garbe druckt die Namen der Völkerschaften
so : gandhärikalihgamagadhän päraskarän sauvirän vä ; in drei
HSS. jedoch lautet der Text: gandhärikalingän ärattän karaska-
rän sauvirän vä. Garbe vermutet, dass hiermit die Änarta gemeint
sein könnten ; obgleicb Hir. (XVII, 6) beinahe ebenso liest, wenigstens in der mir verfügbaren Haug'schen HS. : (yagamdhärikaiimgätma-
gadhän päraskarän sauvirän vä) , glaube ich doeh , dass wir es
hier nicht mit einem Volke der Änarta oder der Päraskara zu thun
baben, sondern mit den Äratta und den Käraskara; das geht deut¬
licb aus zwei Baudbäyana-Stellen hervor. Die erste findet sich im
Dharmasütra I, 2. 14: ärattän käraskarän pundrän sauvirän
vahgakaliiigän pränünän iii ca gatvä punastomena yajeta, die
zweite im Srautasütra XX, 13 (oder 14): ya ärattän vä gändhärän
vä sauvirän vä käraskarän (var. 1.: käraskarän) vä kalihgän vä
gacchati. Zu den Namen vgl. man Büblers Bemerkungen zur Über-
554 Caland, Zur Exegese und Kritik der rituellen Sütras.
Setzung der zuerst citierten Baudhayana-Stelle (Sacr. B. of the East, Vol. XIV, p. 148).
10. Zur Beseitigung eines dicken Fragezeichens, das Garbe an
einer Stelle seines Textes angebracht hat, glaube ich etwas bei¬
tragen zu können. Den Vasatkärä bat der Hotf nach dem Äpastamba-
Ritual mit folgendem Spruche zu begleiten : vasatkäramä me pra
vänmo{?) aham tväm brhatä mana upahvaye u. s. w. (XXIV, 14. 12).
Icb glaube dass so zu lesen und abzuteilen ist: vasaäiära mä mä
pra vrn, mo aham tväm; brhatä mana upahvaye. Zu vergleichen
ist Ait. Br. III , 8. 3: vasatkärä mä mä pramfkso mäham tvärn
pramfksam bfhatä marw, upahvaye. In Apastamba ist dann vrn
die Sandhi-Form des Wurzel-Aorists zu vrriakti, die Pause-Form
ist Vfk, vgl. Ath. V. XIII , 2. 9: apävrk tamo. Der Ellips hinter
mo aharn tväm ist auszufüllen mit: pravarjarn. Das tjbrige ist
deutlich.
11. Im Kommentare des Rudradatta ist zu lesen:
Zu I, 24. 4 äpadarthaväda iti statt äpadartho väda iti.
Zu I, 4. 10 samäsarn gachanti statt samä samg^.
Zu VIII, 17. 7 vä samopya statt vä.sasopya.
Zu X, 12. 11 im Citate des Hir. nainarn statt yathairuxrn.
Zu XI, 7. 3 tena bhumisthena statt bhumisthe na.
XXXIX. Zum Kauäika-Sütra.
Die fortgesetzte Beschäftigung mit diesem schwierigen Texte
giebt mir zu den folgenden Bemerkungen Anlass.
1. Sütra 60. 10 und 11 sind zu trennen: tasmin yathäkämam
savän dadäty eJcam vä dvau sarvän väpi vaikaikam | 10 | ätmä-
diso dätäram väcayati | 11 |
2. Sütra 60. 18 enthält zwei Sätze : . . . prägudakpravanam äkrtilosta'^ .
3. Sütra 60. 21 ist ohne Zweifel mit Säyana zu lesen: yaja¬
mänah ca. Die beiden Sütras 20 und 21 bedeuten nämlicb: ,die
Patni ändert die Stropbe XI, 1. 1 nach dem Umstände, indem sie
statt aditi in Pada 1 ihren eigenen Namen sagt; der Opferherr
ebenso, der seinen Namen sagt und natürlich iyam und putrakämä
in ayam und putrakämah ändert.
4. Zu 6l. 2—3. Nach meiner Ansicht gebört pratidinam
noch in Sütra 2. Beim Herumgeben wird je eine Strophe in jeder
Himmelsgegend ausgesprochen , die erste im Osten , die zweite im
Süden u. s. w.
5. Hinter bhümim (61, 4) fängt ein neues Sütra an, wie aucb
in E angedeutet ist.
6. Zu 61. 6. Auch hier hat wieder einmal die von Bloomfield
herabgesetzte HS. Bü ganz allein das Ricbtige : ädistän arnään
ajänatyai prayacchati. Das Sütra bedeutet: „der Gattin überreicht
Caland, Zur Exegese und Kritik der rituellen Sütras. 555
er die (den Göttern, Manen und Menschen) zugewiesenen Teile (des
Havis) , indem sie (die Gattin) nicht weiss , (welcher Teil für wen
bestimmt ist)'. In KeSavas Paddhati z. d. S. ist natürlich zu ver¬
bessern : (ata . . . änaduhe und patnyä ajänatyai.
7. Satra 61. 34 und 35 gehören, wie die Parallelstelle 2. 8
beweist, zusammen ; es wäre so zu scheiden : „äuddhäk pütäh pütäh
pavitrair iti, pavitre antardhäya, udakam äsincati.
8. Schwierig aber nicht verdorben ist die Stelle 62. 7. Sie
bedeutet: ,Mit dem Darvi-Löffel schöpft er den oberen Teil (von
dem in der KumbhT befindlichen Odana) ab ; diesen (Teil) hält eine
befreundete Person, die südlich vom Peuer sitzt (5); jetzt schöpft
er den Odana (aus der Kumbhi in die Pätri) über (6); nachdem
der Odana (in die Pätri) geschöpft worden, legt er den Teil, den
die befreundete Person gehalten hat, obendrauf (nl. auf den Odana
in die Pätri) (7), um zu verhindern, dass das Untere oben kommt
(wie es der Pall sein würde, wenn der ganze Odana gleich über¬
geschöpft wäre) ; der obere Teil des Odana bleibt oben, der Odana
bleibt Odana'. Die Annahme, dass wir hier einen HalbSloka
haben, wie Bloomfield glauben möchte, wird durch diese Interpre¬
tation wohl beseitigt. Eher haben wir bier ein brähmanaartiges
Stück, wie es deren in den älteren Sütra-Texten so viele giebt.
9. Zu 62. 12. Was sä patyäv anvärabhate bedeuten sollte,
sehe ich gar nicht. Ich schlage vor zu lesen säpatyäv anvärabhete.
Und hier sieht man wieder einmal, wie misslicb es ist, einen Text,
der nicht in Sütras überliefert ist oder dessen Sutrateilung nicht
auf den Angaben eines Kommentars beruht, nach eigener Einsicht
in kurze Sätze zu zerlegen ; durch dies Verfahren geht ja dem Leser
ein wichtiger Paktor verloren , nämlich die Sandhiform. Es fragt
sich nämlich, ob in den HSS. steht: ^nvärabhate anvärabdhesu
oder ^nvärabhate nvärabdhesu ; falls das Erstere in den HSS.
steht, so ist das ein Argument für raeine Emendation. Das Sütra
bedeutet nun nach meinem Dafürhalten: „die beiden (Opferherr und
Gattin) mit den Kindem sollen den Odana berühren (d. h. der
Opferherr berührt den Odana, die Prau den Opferherrn, die Kinder
in ununterbrochener Reihe dem Alter nach das erste die Gattin,
das zweite das älteste u. s. w.).' Das stimrat aucb schön zum
folgenden Sütra: anvärabdhes'v ata ürdhvarn karoti, , die folgenden
Handlungen haben statt, indem alle (Mann, Gattin und Kinder) den
Odana (in der oben beschriebenen Weise) berühren'.
10. Zu 63. 19—22. Die Sütras wären eber so abzuteilen ge¬
wesen : süktena pürvarn sarnpätavantarn karoti, drämyata iti pra-
bhftibhir vä\ 19 | süktenäbhimantryäbhinigadya dadyäd dätä vä-
cyamänah | 20 | anuväkenottarain sampätavantarn karoti, präcy ai
tvä disa iti prabhrtibhir vä \ 21 j anuväkenäbhiniantryäbhinigadya
dadyäd dätä väcyamänah | 22.
556 Caland, Zur Exegese und Kritih der rituellen Sütras.
XL. Essen im Traume.
Aus dem Atharvan-Ritual ist es bekannt, dass Essen im Traume
als ein böses Omen galt und auf Mangel an Speise deutete (KauS.
sü. 46. 12). Um das Omen zu Nichte zu macben, musste man beim
Erwachen den Vers hersagen (AV. VII, 101):
yat svapne annam asnämi na prätar adhigamyate
sarvarn tad astu me äivam na hi tad dfiyate divä.
Eine Parallele dazu bietet das Baudhäyana präyaäcittasütra
(II, 9): svapne 'nnam bhuktvä Japati (nämlich der diksita) -.
yad annam adyate naktam na tat prätah ksudho 'vati
sarvam tad asmän mä himsln na ki tad dadfie divä. —
XLI. Noch einmal präna und apäna.
Seit ich in dieser Zeitschrift (LV, 261) einen Artikel über die
Bedeutung von präna und apäna schrieb , ist über diesen Punkt
in dem Joumal of the American Oriental Society (Band XXII, 249 fg.)
von A. H. Ewing, einem Schüler Bloomfields, ein Aufsatz ver¬
öff'entlicht. Während ich für präna, wenn im Gegensatz zu apäna
vorkommend, die Bedeutung , Aushaueh', für apäna die Bedeutung
„Einhauch* vorgeschlagen hatte, kommt dieser Gelebrte im Gegen¬
teil zum Schlüsse, dass/»mna „Einhauch" bedeute, oder auch, selbst
wenn es im Gegensatz zu apäna vorkommt: „both in- and out¬
breathing" ; apäna bedeutet nach ihm entweder „Aushaueh" oder
„tbe breath wbich is in the hinder part or lower part of the body'
(1. c. 286).
Ich muss sagen, dass die Darlegungen Ewings mich keineswegs
überzeugt, ja dass sie mich in meiner Auffassung eher gestärkt
haben. Statt seinen Artikel einer direkten Kritik zu unterwerfen, will ich bier lieber noch einige Beiträge liefern für meine Behaup¬
tung apäna bedeute in erster Linie „Einhauch".
Es ist bekannt, dass die Sämidheni-Stropben bei der Isti von
dem Hotf so in einander verkettet hergesagt werden , dass die
zweite Hälfte jeder Strophe mit der ersten Hälfte der nächstfolgen¬
den zusammengenommen wird und erst nach dieser ersten Hälfte
jedesmal eine Pause eintreten darf: uttarasyä ardharce 'vasyet tat
samtatam (ħv. irs. I, 2. 10, vgl. Säiikh. Srs. I, 1. 22. 23). Über
diese Vorschrift liest man bei Apastamba (srs. XXIV, 11. 11 fg.);
„die letzte (Hälfte) der vorhergehenden (Strophe) verbinde er mit
der ersten der nächstfolgenden | 11 | Die Vorschrift: „fortlaufend
hält er die Recitation" deutet an, dass die SämidhenTs ohne Atem
zu holen (einzuatmen, ucchväsa) sollen hergesagt werden | 12 | Es
heisst ja auch') (im Veda): „er soll nicbt zwischen zwei Strophen
1) Ich nehme vijnäyate ca iu Sutra 13.
Caland, Zur Exegese und Kritik der rituellen Sütras. 557
atmen {vyanyäf); atmete er zwischen zwei Strophen, so würde er
den präna in den apäna legen (und folglich sterben) ; nachdem er
(also) die Hälfte der ersten Strophe (beim Atmen) übersprungen
bat, atmet er {vyaniti) in der Hälfte der nächsten Strophe | 13."
Dasselbe wird nun im Baudhäyanasütra (HI, 27) so ausgedrückt:
ardharcaho 'päniti; dazu Bhavasvämin : ardharce 'pänity ucchva-
siti; uttaram ardharcam uttaräyä ädyarn ardharcam ca sarndhatte.
Also bei jeder Halbstrophe soll er einatmen, etwas anderes kann
apäniti unmöglich bedeuten, vgl. auch Hir. XIX, 3: uttame 'nuva-
cane 'gna äyähi vitaya ity etasyärdharce 'pänity, eoam itaräsu.
Deutlich ist auch die Vorschrift für die Nivid des Hotrs beim
Pravara; während es beim Säökh. (I, 4. 19) heisst: deveddho . . .
ghrtähavana ity avasäya, sagt Apast. (XXIV, 11. 17. 18): sämidhenlv
anücifa pravaräm uktvä nivido 'nväha | 17 | täsäm sapta padäny
uktväpäniti \ 18 | atha catväry atha catväri \ 1 j; vgl. Hir. 1. c. ;
atha nivido dadhäti: deveddho manviddha iti pratipadyate, sapta
padäny uktväpänity , atha catväry , atha catväri. Dies stimmt
völlig zu Sänkh. 1. c. 20 und 21, vgl. Hillebrandt, das altindische
Neu- und Vollmondsopfer, S. 81. Ebenso bei den Anuyäjäs; man
vergleiche Sänkh. (I, 13. 3): devo agnih svistakrt sudravinä . . . .
amatsatety avasäya mit Apast. (XXlV, 13. 7); anavänam anüyä-
jän yajati, amatsateti väpäniti (vgl. Hillebrandt 1. c. S. 139, Z. 2).
Das von Ewing gesammelte Material, obschon weit von Voll¬
ständigkeit, *) ist docb sehr wertvoll. Ich entnehme ibm die folgen¬
den Beweisgründe für meine These. Man erwäge ganz ohne Vor¬
urteil die beiden folgenden Stellen : täs (sc. äpas) tapas tepänä
huss ity eva präcih präSvasan, sa väva präno 'bhavat; täh prä-
nyäpänan, sa vä apäno 'bhavat; tä apänya vyänan , sa väva
vyäno 'bhavat (etc.; Jaim. B. Up. IV, 22, vgl.'Ewing, S. 296).
Jedesmal wird bier die Handlung des vorigen Satzes durch das
Absolutiv kurz wiederholt, also pränya ist Umschreibung von prä¬
cih präävasan, und bedeutet „Aushaueh". Hätte der Verfasser
dieses Textes einfach statt präcih präsvasan, pränan gesagt, so
wäre das weniger deutlicb gewesen , da dies auch hätte bedeuten
können: „sie atmeten" und der Hörer im voraus nicbt wissen kann
ob präriiti hier im Gegensatz zu apäniti gebraucht wird oder im
weitern Sinne. In der von Ewing behandelten Stelle des Sat. Br.
(IV, 1. 2. 2), welche so lautet: tam etatparähcarn pränam dadhäti
yad upämiurn. gfhriäti, tam etasminn etat pratyäncam udänarn
dadhäti yad antaryämarn grhnäti, heisst der präna also parän,
von dem Menschen sich wegbegebend, der udäna dagegen, welcher
Terminus im Sat. Br. in Verbindung mit präna gleichwertig ist
1) Bei Seite gelassen sind die Taitt. Sainli., das Taitt. Br., das Käthaka, die Maitr. Samh. , das Aitareya und KausTtaliibrähm. Auffallend ist es in der Anordnung des Materials, dass das Sat. Br. absonderlich behandelt wird, nach¬
dem in einem vorhergehenden Absebnitte schon der Yajurveda besprochen war, als ob das Sat. Br. ausserhalb dieses Kreises stände.
558 Caland, Zur Exegese und Kritik der 'rituellen Sütras.
mit sonstigem apäna , heisst pratyan , zurück , nämlich auf den
Menschen zugewendet.
Ich glaube kaum, dass noch mehrere Beweisstellen nötig sind,
um den Punkt endgültig festzustellen, dass, in den älteren Quellen
wenigstens, mit präna, wenn es im Gegensatz zu apäna gebraucht
wird, der Aushauch gemeint ist, mit apäna der Einhauch oder —
und nur dieses gebe ich Ewing gerne zu, ich hatte es ja früher
selbst auch behauptet — der Atem, die eingezogene Luft, die sich
als Folge der eingezogenen Luft, apäna, im Unterleibe befindet.
Verzeichnis der behandelten Stellen.
Apastamba Srautasutra I, 9. 9 XXXVIII, 1.
1,24.5 . 2.
VL6. 4 , 3.
VI, 19. 7 , 2.
VII, 22. 7. 8 . 4.
VIII, 16. 5 4.
X, 20. 16-18 5.
XII, 12. 13 4.
XII, 28. 11. 16 .... , 1.
XIII, 7. 8 1.
XIII, 9. 11 4.
XIII, 20. 13 , 4.
XIX, 17. 1 6.
XXL5. 4—5 , 7.
XXII, 6. 18 , 9.
XXII, 25. 20 8.
XXIV, 14. 12 , 10.
XXIV, 11. 11 fg XLL
Baudhäyana Srautasütra III, 27 XLI.
XX, 13 , 9.
, präyascittasütra II, 9 XL.
KauSika sütra 56. 6 XXXVIII, 2.
, 60. 10. 11 XXXIX, 1.
, 60, 18 , 2.
,60.21 , 3.
- 61,2-3 4.
. 61, 4 5.
,61,6 , 6.
. 61. 34—35 , 7.
, 62, 7 , 8.
,62.12 9.
, 63. 19—22 , 10.
^at. Brähm. IV, 1. 2. 2 XLI.
559
Zur syrischen Übersetzung der Kirchengeschichte
des Eusebius.
Von Eberhard Nestle.
Die so lange erwartete syrische Übersetzung der Kirchen¬
geschichte des Eusebius ist endlich rasch nach einander zweimal
erschienen, zuerst von P. Bedjan (1897; Vorrede vom 22. April),
dann von N. McLean mit Beihilfe von A. Merx, in der schon von
W. Wright vorbereiteten Ausgabe (1898; Vorrede Pebruar). Einem
Antrag von A. Hamack entsprechend, habe ich sie „möglichst
wörtlich" ins Deutsche übersetzt (Leipzig 1901, Texte und Unter- -. suchungen. Neue Polge VI, 2), damit der des Syrischen nicbt kundige Bearbeiter des griechischen Eusebius sie textkritisch verwerten könne.
Mein Übersetzungsverfabren ist mehrfach beanstandet worden; zu¬
erst vori Ryssel iu der Deutscben Litteraturzeitung 1901, Nr. 29,
Sp. 1809—1815, womit man meine Antwort Nr. 36, Sp. 2248f
und Ryssels erneute Bemerkung Nr. 37, Sp. 2322 vergleichen möge:
d.mn von Hugo Gressmann in der Theologischen Litteraturzeitung
1901, Nr.24, Sp. 641—645. Die Gründe, welche trotz meiner
Bedenken zum Druck der Übersetzung führten, waren wesentlicb
praktischer Art, und sind hier nicht weiter zu erörtern. Dass die
Übersetzung gedruckt wurde, hat nun wenigstens den Vorteil, zur
öffentlichen Besprechung des syrischen Textes und seiner Übersetzung
Anlass zu geben. Da der Herausgeber der Theologischen Litteratur¬
zeitung mir zu einer Entgegnung auf die Gressmann'schen Bean¬
standungen in der Theologischen Litteraturzeitung das Wort ver¬
sagte , will ich hier einige Punkte näher erörtern , in einer Weise,
hoffe ich , die selbst meinen Kritikern nicht zum Anstoss ge¬
reichen wird.
Als erstes beanstandete Gressmann „buchstäblich-etymologische
Übersetzungen, die selbst hinter das syrische Sprachbewusstsein zu¬
rückgehen. Z. B. (ich citiere nach Seiten- und Zeilenzahl) 37. 1
Trauernde = Mönche."
Ich erörtere also
i J