Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 5|
31. Januar 2014 67M E D I Z I N
DISKUSSION
Nicht zu viel verlangt
Nach einer postalischen Befragung von Ärzten, Apo- thekern und Juristen stellen die Autoren fest, dass die Häufigkeitsangaben von Nebenwirkungen, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Konsens mit der 1997 standardisierten Ko- dierung durch das European Commission (EC) Phar- maceutical Committee übernommen hatte, dem um- gangssprachlichen Verständnis von Wahrscheinlichkei- ten nicht entspricht.
Die Autoren schlagen deshalb vor, die Kodierung (sehr häufig > 10 % .... sehr selten < 0,01 %) zu überar- beiten und der Umgangssprache anzupassen. Das kann man natürlich umsetzen und damit das Chaos perfektio- nieren.
Die BfArM-Kodierung hat sich seit Jahren in allen Gebrauchsinformationen für Anwender (Packungsbei- lagen), in den meisten Fachinformationen für Ärzte und Apotheker und in den Patienten-Informationen für Teil- nehmer an klinischen Studien eingebürgert.
Sollte man nicht eher fordern, dass sich Apotheker und Ärzte, die ihre Patienten und/oder Studienteilneh- mer beraten sollen und informieren wollen, mit der na- tionalen (und internationalen) Terminologie vertraut machen? Da es sich nur um fünf Abstufungen handelt, ist das wohl nicht zu viel verlangt. Ansonsten könnte vielleicht noch jemand auf die Idee kommen, regionale Unterschiede zu berücksichtigen, denn was in Bayern
„sehr häufig“ vorkommt, könnte in Mecklenburg-Vor- pommern vielleicht nur „gelegentlich“ auftreten oder vice versa.
DOI: 10.3238/arztebl.2014.0067a
LITERATUR
1. Ziegler A, Hadlak A, Mehlbeer S, König IR: Comprehension of the description of side effects in drug information leaflets—a survey of doctors, pharmacists and lawyers: Dtsch Arztebl Int 2013; 110(40):
669–73.
Prof. Dr. med. Frank P. Meyer Wanzleben-Börde
U_F_Meyer@gmx.de
Schwer in Einklang zu bringen
Ziegler et al. (1) kommen bei ihrer Umfrage zu dem Ergebnis, dass die in den Beipackzetteln von Medika- menten angegebenen Nebenwirkungshäufigkeiten, welche mit häufig, gelegentlich und selten angegeben
werden, sich nicht immer mit den Wahrscheinlichkeits- zuordnungen von Apothekern, Ärzten und Juristen de- cken, und schlussfolgern, dass die in den Beipackzet- teln angegebenen Definitionen von Nebenwirkungs- wahrscheinlichkeiten wohl nicht dem alltäglichen Ge- brauch der Begriffe entsprechen. Hierbei stellt sich die Frage, wenn schon zwischen den Angaben auf dem Beipackzettel und deren Interpretation von Fachleuten erhebliche Unterschiede zu beobachten sind, wie diese Ergebnisse wohl ausgesehen hätten, wenn auch Patien- ten befragt worden wären.
In weiterer Folge muss diskutiert werden, wenn schon die auf dem Beipackzettel vermerkten Nebenwirkungen und ihre Häufigkeiten scheinbar schwer verständlich sind, ob denn nicht die Beipackzettel im Allgemeinen für Patienten schwer verstehbar sind. Dies trifft sowohl auf formale als auch auf inhaltliche Kriterien zu, wobei selbstverständlich angemerkt werden muss, dass die Ver- pflichtung zur verständlichen Aufklärung nach wie vor beim Arzt liegt. Dass diese durch die schriftliche Aufklä- rung auf dem Beipackzettel ergänzt wird, ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn diese Information auch für den Pa- tienten verständlich aufbereitet wird.
Hierbei möchte ich auf den Artikel von Beate Beime und Klaus Menges (2) verweisen, die, auf die Lesbar- keit und Verständlichkeit von Beipackzetteln im Allge- meinen fokussierend, Beipackzettel anhand formaler Kriterien wie Schriftgröße und dergleichen analysiert haben.
Sie kommen zu der Schlussfolgerung, dass es sehr schwierig ist, die gesetzlichen Vorgaben über die Auf- klärung mit der Verständlichkeit in Einklang zu brin- gen, und machen konkrete Vorschläge, wie zumindest die formale Lesbarkeit und Verständlichkeit verbessert werden könnte.
Letztendlich kann aus dem Artikel der Schluss gezo- gen werden, dass Beipackzettel sowohl vom inhaltli- chen als auch vom formalen Aspekt die Aufklärung durch den Arzt oftmals nicht erleichtern, sondern gera- dezu erschweren. Es wäre zu fordern, dass intensive Anstrengungen gemacht werden, die Forderung nach Präzision mit der Verständlichkeit endlich in Einklang zu bringen.
DOI: 10.3238/arztebl.2014.0067b
LITERATUR
1. Ziegler A, Hadlak A, Mehlbeer S, König IR: Comprehension of the description of side effects in drug information leaflets—a survey of doctors, pharmacists and lawyers: Dtsch Arztebl Int 2013; 110(40):
669–73.
2. Beime, B, Menges K: Does the requirement of readibility testing improve package leaflets? Evaluation of the 100 most frequently prescribed drugs in Germany marketed before 2005 and first time in 2007 or after. Pharmaceutical Regulatory Affairs 2012; 1: 2.
Dipl.-Psych. Dr. phil. Dr. med. Helmut Niederhofer
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Sächsisches Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie, Rodewisch helmut.niederhofer@skhro.sms.sachsen.de
zu dem Beitrag
Verständnis von Nebenwirkungsrisiken im Beipackzettel: Eine Umfrage unter Ärzten, Apothekern und Juristen
von Prof. Dr. rer. nat. habil. Andreas Ziegler, Dr. med. Anka Hadlak,
Dr. med. Steffi Mehlbeer, Prof. Dr. hum. biol. habil. Inke R. König in Heft 40/2013