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Archiv "Heutige Problematik aus chirurgischer Sicht: Der Ikterus" (26.12.1988)

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Heutige Problematik

aus chirurgischer Sicht

Der Ikterus

Ernst Kern und Hans-Peter Bruch

Wrird ein Ikterus beobachtet, so bleibt die vor- dringlichste Auf- gabe, herauszu- finden, ob es sich um einen Paren- chymikterus oder um einen mecha- nischen Verschluß mit Gallerück- stauung handelt. Wenn die mechani- sche Stauung verifiziert ist, muß der Galleabfluß so rasch wie möglich wiederhergestellt werden, damit die Noxe kurzfristig wirkt und die Schä- digung der Leber gering bleibt. Da- bei kann eine mechanische Ursache immer nur auf mechanischem Wege beseitigt werden. Vor zwanzig, ja noch vor zehn Jahren, handelte es sich hierbei um eine ausschließlich chirurgische Aufgabe. Infolge der seitherigen stürmischen Entwick- lung, vor allem der endoskopischen Methoden, ist dies heute ein interdisziplinäres Problem.

Im Vordergrund dieser Überle- gungen steht der Wunsch, dem Pa- tienten unter allen Umständen „ei- ne Operation zu ersparen". Statisti- ken belegen, daß sich mit der Ein- führung des Computertomogramms, der Sonographie, der perkutanen und der endoskopischen Verfahren die Quote der Patienten, bei denen wegen eines Verschlußikterus auf ei- ne Laparotomie verzichtet wurde, verfünf- bis verzehnfacht hat. Vor allem die früher übliche und häufig durchgeführte Probelaparotomie ist heute weitgehend perhorresziert. Ist eine solche Einstellung richtig — in einer Zeit, in der jede Operation

Der mechanische Aufstau der Galle, der nur auf mechani- schem Wege beseitigt werden kann, war früher ein ausschließ- lich chirurgisches Problem.

Heute muß interdiszplinär zwi- schen Internisten, Radiologen und Chirurgen festgelegt wer- den, auf welchem Weg dem Pa- tienten rasch, ungefährlich und auf Dauer geholfen werden kann. Endoskopische und ope- rative Methoden sind nicht al- ternative Verfahren, sondern beide haben heute ihre klaren Indikationen; operativ muß im- mer dann vorgangen werden, wenn ein malignes Leiden be- steht oder nicht sicher ausge- schlossen werden kann.

durch schonende Narkoseverfahren, durch subtile Techniken und umfas- sende prä-, intra- und postoperative Maßnahmen so ungefährlich und subjektiv „angenehm" geworden ist wie nie zuvor? Im Sinne eine Risiko- abwägung einerseits, eines möglichst raschen und tragfähigen Daueref-

Chirurgische Klinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Ernst Kern), Bayerische Julius-Maxirnilians- Universität Würzburg

fektes andererseits, sollen die thera- peutischen Konzepte hier erneut überdacht werden.

Differentialdiagnose zwischen benignem und malignem Verschlußikterus

Bei den möglichen Ursachen ei- nes Verschlußikterus wird vorwie- gend an Gallenwegskonkremente einerseits und an maligne Tumoren

— wie das immer häufiger werdende Pankreaskopfkarzinom — anderer- seits gedacht. Aus der Tabelle wird ersichtlich, daß eine solche Denk- weise zumindest unvollständig ist.

Bei benignen Prozessen erscheint es sinnvoll, alle Möglichkeiten einer konservativ-endoskopischen Be- handlung auszuschöpfen; im Falle der Malignität liegt die Chance in ei- ner radikalen operativen Therapie.

Die Abbildung zeigt die in den letzten Jahren an der Chirurgischen Universitätsklinik Würzburg wegen Verschlußikterus durchgeführten Eingriffe. Man ersieht hieraus die Vielfalt der zugrundeliegenden Pro- zesse wie des gesamten Problems.

Entzündliche und angeborene Ursachen des Verschlußikterus

Erkrankungen der Gallenblase erzeugen kaum einmal einen Stau- ungsikterus; dies kommt fast nur im Rahmen des sogenannten Mirizzi- A-3670 (38) Dt. Ärztebl. 85, Heft 51/52, 26. Dezember 1988

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Syndroms vor, wenn ein übergroßes Konkrement in der Gallenblase den Choledochus von außen kompri- miert. Entzündliche Prozesse grei- fen - wenn auch selten - auf den Hauptgallengang über und können innere Fisteln induzieren; vor allem fortgeschrittene Schrumpfgallenbla- sen prädisponieren zu diesen unge- wöhnlichen Komplikationen.

Eine viel häufigere Ursache ist die akute Cholangitis, die in klassi- scher Weise durch die Charcotsche Trias: hohes Fieber - Ikterus - druckschmerzhafte Leber gekenn- zeichnet ist. Ihre Ursachen sind as- zendiere Infektionen, die meist durch eine Abflußbehinderung im Bereich der abführenden Gallenwe- ge oder durch infizierte Gallensteine hervorgerufen werden. Die Bakte- rienflora in der Gallenflüssigkeit entspricht der der Darmflora, so daß die Primärbehandlung mit einem breiten Antibiotikaspektrum erfol- gen muß, das sowohl aerobe als auch anaerobe Keime erfaßt. Im weiteren Verlauf kann sich eine abszedieren- de Cholangitis mit multiplen Leber- abzessen entwickeln, wobei fast im- mer der septische Schock die - le- bensgefährliche - Begleiterschei- nung und Folge ist.

Wenn das Krankheitsbild unter den Symptomen einer

'

,akuten Gal- le" imponiert, so ist die sofortige Cholezystektomie mit Choledochus- revision, Spülung der Gallenwege und Beseitigung des ursächlichen Hindernisses die Methode der Wahl.

Bei geschwächten Risikopatienten muß primär eine endoskopische Pa- pillotomie mit Verbesserung des Gallenabflusses durchgeführt wer- den. Gelingt die Drainage der extra- hepatischen Gallenwege weder ope- rativ noch endoskopisch, ist wegen der drohenden Sepsis ein perkutane transhepatische Ableitung der Galle zu erwägen.

Anders ist die Situation bei der chronischen eitrigen Cholangitis („Cholangitis lenta" , „Hongkong- Diasease", Markoff 1979), bei der kein mechanisches Abflußhindernis besteht, dagegen eine chronische Coli-Besiedlung der Gallenwege;

klinisch imponiert eine Hepatome- galie mit Fieberschüben bei 40°C, Schüttelfrösten und Druckschmerz

im rechten Oberbauch. Hier ist die alleinige Antibiotikabehandlung in- diziert. Bei der Zunahme des inter- nationalen Personenaustauschs und der Übersee-Ferienreisen ist heute auch immer an Parasiten (Askari- den, Echinokokken, Bilharziose usw.) zu denken.

Besondere Probleme bietet wei- terhin die primär sklerosierende Cholangitis, deren Ätiologie noch völlig ungeklärt ist, wenn auch ihr gemeinsames Vorkommen mit ent- zündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn

auf eine gemeinsame

Ätiologie hinweist. Die Haupt- schwierigkeit dieses Krankheitsbil-

des besteht darin, daß es makrosko- pisch nicht und histologisch meist erst nach zahlreichen Probeexzisio- nen von einem Karzinom unter- schieden werden kann. Es ist anzu- nehmen, daß zahlreiche Fälle wegen der makroskopisch getroffenen Ent- scheidung „Inoperabilität" keine adäquate chirurgische Therapie er- halten. Eine solche ist vor allem dann indiziert, wenn segmentale Strikturen die Passage der Gallen- wege partiell oder total verlegen und entzündliche Schübe sich

klinisch durch aszendierende Infektionen

manifestieren. Von der primären ist die sekundäre sklerosierende Cho- Tabelle: Wegen Verschlußikterus durchgeführte Operationen an der Chirurgischen Universitätsklinik Würzburg (1970 bis 1986)

1. Benigne Erkrankungen - Gallenwege und Leber

Echinokokken (Resektion) 54

Abszesse, Drainage und Resektion 31

Zysten (Resektion) 24

Gallenwege und Papille, Choledocholithiasis (Steine) 987 transduodenale Papillotomien, Steine, Papillentumoren,

Papillitis stenosans, Duodenaldivertikel 227

biliodigestive Anastomosen 159

Transkatheterlyse, Choledochusrevision bei Caroli-Syndrom 3

Resektion bei Gallengangszysten 2

Pankreas:

- Pankreatitiden 103

- Zysten 20

2. Maligne Erkrankungen - Gallenwege und Leber

Leberresektionen 62

Palliativoperationen - Tumorverkleinerung, Drainage usw. 70 Gallenwege - biliodigestive Anastomosen 168 Resektionen von Gallenblase und Gallenwegen 62 Probelaparotomie mit und ohne Ableitung 62 Papille und Pankreas:

- Resektionen 99

- Palliativoperationen (Umgehung und Drainage) 90

- Probelaparotomien 43

Gesamtzahl der Operationen 2266

Dt. Ärztebl. 85, Heft 51/52, 26. Dezember 1988 (39) A-3671

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langitis zu unterscheiden, welcher feststellbare Ursachen zugrunde lie- gen, wie Choledocholithiasis, Gal- lengangsstrikturen oder -maligno- me, kongenitale Mißbildungen wie Caroli-Syndrom oder Choledochus- zyste. Kurzstreckige Stenosen kön- nen durch eine endoskopische oder transhepatische Katheterdilatation behandelt werden, langstreckige be- dürfen meist einer bilio-jejunalen Anastomose.

Zu den endoskopischen Eingrif- fen mit Papillotomie sei eine An- merkung gestattet: In den 60er Jah- ren war die transduodenale Papillo- tomie ein überaus häufiger Eingriff in der Gallenchirurgie, dessen Indi- kation seither jedoch wieder sehr streng gestellt wird: Man erkannte, daß die Papillenfunktion, nämlich der Verschluß der Gallenwege ge- gen das Duodenum und gegen einen Reflux von Duodenalsaft und Nah- rungsbrei ein wichtige Schutzmecha- nismus des Körpers ist. Inzwischen

Postoperative Zustände

Es ist bedauerlich, daß nach wie vor (sogar im Gegenstandskatalog der Studenten) das „Postchole- zystektomiesyndrom" herumspukt, ein Syndrom, das es nicht gibt: Es gibt keine klinische Symptomatik, deren Ursache lediglich die Entfer- nung der Gallenblase wäre. Dage- gen gibt es organisch faßbare Ursa- chen nach Cholezystektomie wie zum Beispiel übersehene Papillen- stenosen, zurückgelassene oder neu- gebildete Choledochuskonkremen- te , Strikturen etwa an der Stelle des Zystikusabganges und vieles andere.

In diesen Möglichkeiten liegt eine triftige Begründung dafür, daß nach wie vor die intraoperative Cholan- giographie ein unabdingbarer Be- standteil jeder Gallenoperation, auch und gerade der „einfachen"

Cholezystektomie sein muß: Nur die zu Anfang der Operation durchge- führte Röntgenuntersuchung läßt Befunde nachweisen, die durch Pal- pation und andere Methoden nicht feststellbar sind, wie kleine präpapil- läre Konkremente, organische Pa- pillenstenosen, accessorische Gal- lengänge im Zystikusbereich, ange-

hat die Welle endoskopischer Papil- lotomien ähnliche Ausmaße er- reicht, der genannte Vorbehalt gilt jedoch auch für sie in gleicher Wei- se. Zu bedenken ist ferner, daß nach neuesten Untersuchungen fast alle Konkremente, die nicht nur Chole- sterin, sondern auch Gallepigment enthalten (und dies ist weitaus ihre Mehrzahl!) von Bakteriennestern durchsetzt sind, die bei Zertrümme- rung der Steine freigesetzt werden und zu Infektionen führen können.

Mit anderen Worten: Eine Opera- tion mit Exstirpation der Gallenbla- se, mit Ausräumung von Konkre- menten und Steinschlamm aus den abführenden Gallenwegen und de- ren endgültiger Sanierung auch be- züglich bakterieller Kontamination, wobei gleichzeitig die Papille unver- sehrt bleibt, ist für das weitere Be- finden des Patienten, für seine Chance „gesund" zu werden, im Zweifelsfall stets der beste und seit hundert Jahren der bewährte Weg.

borene Anomalien wie atypische Gefäßverläufe mit Choledochus- kompression usw. — alles Befunde, die — übersehen — die Chimäre des

„Postcholezystektomiesyndroms"

auf den Plan rufen.

Der nicht erkannte oder zurück- gelassene Choledochusstein ist heu- te weitgehend eine Domäne der En- doskopie, da mehr als 90 Prozent dieser Steine endokopisch entfernt werden können. Nur wenn die endo- skopischen Techniken nicht zum Ziel führen, ist eine chirurgische Reintervention indiziert. Die orale Lithyloyse hat nur bei röntgen-nega- tiven Steinen die Erwartungen er- füllt.

Die postoperative Gallengangs- striktur, die entweder als frühe Gal- lengangsstriktur wenige Wochen oder als späte Gallengangsstriktur nach sechs Monaten bis zu einem Jahr post operationem auftritt und sich durch Erhöhung der Exkre- tionsenzyme beziehungsweise des Bilirubins kenntlich macht, ist eine folgenschwere Komplikation; Pa- tienten, deren extrahepatische Gal- lenwege nicht entlastet werden, ha- ben ein erhebliches Risiko, an einer sekundären biliären Zirrhose mit

Sepsis zu sterben. Die Gallengangs- striktur ergibt also, sobald sie er- kannt ist, die Indikation zur Inten- vention; es muß abgewogen werden zwischen endoskopischer oder trans- hepatischer Ballondilatation. Diese Verfahren besitzen ihre Indikation bei sehr kurzstreckigen Stenosen.

Als Standardverfahren der chirurgi- schen Intervention hat sich die Cho- ledochojejunostomie mit einer nach Roux y-förmig ausgeschalteten Schlinge bewährt, da hier die Gefahr einer aszendierenden Cholangitis am geringsten ist. Daß in neueren angelsächsischen Arbeiten wieder die technisch etwas einfachere, aber mit vielen Fernkomplikationen bela- stete und oft noch nach Jahrzehnten zu Reoperationen führende Cho- ledochoduodenostomie favorisiert wird, ist nicht recht verständlich.

Unter dem Einfluß der mikro- chirurgischen Techniken haben sich in den letzten Jahren die End-zu- End-Naht des Choledochus, die Er- weiterungsplastik und die Versor- gung der Striktur und des Choledo- chusdefektes mit einem Jejunal- patch beziehungsweise Duodenal- patch bewährt. Diese Techniken er- halten die Physiologie der extrahe- patischen Gallenwege und des Sphincter Oddi; wenngleich Lang- zeitergebnisse noch nicht beurteilt werden können, scheinen sie in den Händen des mikrochirurgisch ge- schulten Chirurgen optimal zu sein.

Zystische Veränderungen der intra-

und extrahepatischen Gallenwege

Zysten im Bereich der Gallen- wege sind selten und meist angebo- ren. Die zystische Degeneration der intrahepatischen Gallenwege (Caro- li-Syndrom) bedingt die Ausbildung multipler intrahepatischer Konkre- mente mit allen damit in Zusam- menhang stehenden Komplikatio- nen wie Verschlußikterus, chroni- sche Cholangitis usw. Das Verfah- ren der Wahl ist die Choledochoje- junostomie und die möglichst weit- gehende Ausräumung der intrahe- patischen Gallenwege. Residualstei- Dt. Ärztebl. 85, Heft 51/52, 26. Dezember 1988 (43) A-3675

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Chirurgische Operationsverfahren

Lebersegment- bis -hexasegmentresektion Lebertransplantation

Coledochohepatico-, Cholangiojejunostomie (z. B. Rodney Smith)

Cholezystektomie, Choledochussanierung

Choledochuszystenresektion zu 1-4

zu 5-6

zu 7-9

zu 10

Erweiterungsplastik des Choledochus End-zu-End-Naht des Choledochus Cholezystojejunostomie

Choledochusrevision und Steinextraktion T-Drainage

transduodenale PapIllotomie transduodenale Papillenplastik

Divertikelresektion

Lymphadenektomie des Ligamentum hepatoduodenale und retropankreatische Choledochoduodenostomie

f

transduodenale Papillektomie mit choledocho- duodenalerhaltender Pankreasresektion oder Wirsungioduodenostomie

zu 11 + 12

zu 13 + 15

zu 16

zu 17

zu 18-20

Duodenopankreatektomie Chirurgischer Verschlußikterus

1 primäre Lebertumoren 2 Metastasen in der Leber 3 Parasiten

4 biliäre Zirrhose 5 Sklerosierende Cholangitis 6 Gallengangskarzinom 7 Gallenblasensteinperforation 8 und innere Fistel 9 Mirizzi-Syndrom 10 Choledochuszysten 11 Strikturen der Gallenwege 12 Gallengangssteine und Sludge 13 Papillensklerose und -adenomatose 14 Papillentumor

15 eingeklemmter Papillenstein 16 Duodenaldivertikel

17 retropankreatische Lymphknoten mit Lymphadenopathie oder Metastasen 18 Pankreatitis

19 Pankreastumor 20 Pankreaszysten

Abbildung: Mögliche Ursachen eines Verschlußikterus und Methoden zur operativen Behandlung ne können unter Umständen durch

direkte Transkatheterlitholyse ent- fernt werden.

Die Zysten der extrahepati- schen Gallenwege werden in der Re- gel bis zum Erwachsenenalter nicht diagnostiziert. Sie werden dann durch Kompression der extrahepati- schen Gallenwege und Kompres- sionserscheinungen im Bereich der Oberbauchorgane oder durch rezidi- vierende Cholangitiden mit Erhö- hung der Leberwerte symptoma- tisch. Unter Umständen finden sich auch Gallensteine in den Zysten.

Die Zysten lassen sich operativ sa- nieren; ein Problem besteht eventu- ell darin, daß ein oder mehrere Pan- kreasausführungsgänge in die Zy- sten münden, so daß deren Implan- tation in das Duodenum notwendig wird.

Papillenstenosen, -tumoren und

juxtapapilläre Divertikel

Entzündliche Papillenstenosen sollten, wenn möglich, durch endo- skopische Papillotomie behandelt werden, wobei in jedem Falle Biop- sien aus der Gegend der Papille und aus der Gegend der Papillotomie zu entnehmen sind, da sich hinter einer unscheinbaren Papillenstenose ein

frühes Papillenkarzinom verbergen kann. Ist der distale Ductus pancre- aticus mit in die Striktur einbezogen, empfiehlt sich eine transduodenale Papillotomie mit Papillenplastik und Vereinigung des distalen Ductus Wirsungianus und Ductus choledo- chus zu einem gemeinsamen, ausrei- chend großen Vestibulum. Duode- naldivertikel sind im allgemeinen harmlos. Symptome des Verschluß- ikterus ergeben sich, wenn die Papille am Rande eines Duodenaldivertikels einmündet. Hier ist die endo- skopische Papillotomie angezeigt, oder — sofern dies nicht gelingt bezie- hungsweise zu risikoreich erscheint — es sollte eine transduodenale Papillo- tomie durchgeführt werden.

Benigne Tumoren des Papillen- systems können durch Papillektomie und Choledocho- beziehungsweise Wirsungio-Duodeno-Neostomie be- handelt werden.

Akute und

chronische Prankreatitis

Wenn eine akute Pankreatitis mit Ikterus einhergeht, so ist meist ein kleiner eingeklemmter Papillen- stein die Ursache. In solchen Fällen wird heute allgemein die endoskopi- sche Primärbehandlung mit Papil- lenspaltung und Steinextraktion pro-

pagiert, jedoch sollte man nicht übersehen, daß nur die operative Sa- nierung den Steinnachschub aus der Gallenblase verhindern kann.

Eine typische Spätkomplikation der chronischen Pankreatitis ist die röhrenförmige Stenose des distalen Ductus choledochus. Diese Stenose kann durch Katheterdilatation nicht aufgeweitet werden. Wenn die Ste- nose den Gallefluß wirksam beein- trächtigt, ist die Indikation zur Um- gehungsanastomose durch Chole- dochojejunostomie gegeben. Eine Choledochoduodenostomie ist in keinem Fall anzuraten, da mit fort- schreitender chronischer Pankreati- tis nicht selten Duodenalstenosen beobachtet werden.

Maligne Prozesse -

Neoplasien der Gallenwege

Der Anteil der Gallenblasen- und Gallengangskarzinome an allen malignen Tumoren beträgt nur etwa zwei Prozent, jedoch sind die Folgen im Einzelfall besonders deprimie- rend. Die Prognose der Gallenbla- senkarzinome ist infaust, wenn sie sich in einem fortgeschrittenen Sta- dium befinden, das zu einem Ver- schlußikterus geführt hat. Die Ein- jahresüberlebensrate beträgt unter fünf Prozent; kurativ sind die Tumo- A-3676 (44) Dt. Ärztebl. 85, Heft 51/52, 26. Dezember 1988

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ren nur resezierbar, wenn sie noch auf die Mucosa und Submucosa der Gallenblase beschränkt sind. Die operative Therapie eröffnet dem Pa- tienten daher im allgemeinen keine besseren Überlebenschancen als die konservative Maßnahme der Gallen- ableitung über transhepatische oder transduodenale Drainagen.

Die Prognose der Gallengangs- karzinome wird von ihrer Lage be- stimmt. Distale Tumoren, das heißt Karzinome des mittleren und dista- len Choledochusdrittels, sind unter Umständen kurativ resezierbar, und es werden Fünfjahresüberlebensra- ten bis zu 30 Prozent berichtet. Pro- ximale Gallengangskarzinome, die im allgemeinen den Confluens des rechten und linken Ductus hepaticus erfassen und als Klatskin-Tumoren bezeichnet werden, besitzen häufig nur eine geringe Wachstumspotenz.

Die ungünstige Lage dieser Tumo-

Peripapilläre

und Pankreaskarzinome

Maligne Tumoren der Papille erfordern die Duodenopankreatek- tomie, da Fünfjahresüberlebensra- ten bis zu 30 Prozent erreicht wer- den. Die sparsame Exzision der Pa- pille und der distalen Ausführungs- wege des Pankreas sind nur in Aus- nahmefällen bei Hochrisikopatien- ten anzuraten.

Pankreaskarzinome verursa- chen einen Verschlußikterus nur dann, wenn sie im Kopfbereich an- gesiedelt sind; insofern besteht ein ausgesprochener klinischer Unter- schied zwischen Karzinomen im Pankreaskopf einerseits, im -körper und -schwanz andererseits. Wenn- gleich die Prognose des Pankreas- kopfkarzinoms mit Verschlußikterus auch heute noch als sehr schlecht einzuschätzen ist und Fünfjahres- überlebensraten nur in geringer Zahl berichtet werden, erscheint die Duodenopankreatektomie ange- zeigt, da das Überleben bei konser- vativer Therapie drei Monate selten überschreitet. Ein Verzicht auf jede operative ]Behandlung ist nur dann sinnvoll, wenn die Diagnostik siche- re Kriterien der Inoperabilität, wie ausgedehnte Lebermetastasen oder

ren macht sie jedoch, sobald die Grenzen der Gallenwege überschrit- ten sind, inoperabel, da die großen, die Leber versorgenden Gefäßsyste- me erfaßt werden. Im Frühstadium kann eine Exstirpation des Conflu- ens und zentrale Leberresektion die Überlebenschancen verbessern. Pa- tienten mit fortgeschrittenen zentra- len Gallenwegskarzinomen haben durch radikale chirurgische Maß- nahmen keine bessere Chance; die Einjahresüberlebensrate liegt unter fünf Prozent. Endoskopische oder chirurgische Drainageverfahren sind jedoch in jedem Fall indiziert, da die mittlere Überlebensrate hierdurch etwa verdoppelt werden kann und die Lebensqualität subjektiv verbes- sert wird. Im Einzelfall ist auch eine Lebertransplantation zu erwägen, wenngleich die Indikation bei mali- gnen Erkrankungen mit äußerster Zurückhaltung gestellt werden muß.

diffuse lokale Infiltration des Tu- mors in die großen Gefäße des Oberbauchs, eindeutig beweist. In solchen Fällen kann eine perkutane oder transnasale Intubation der Gal- lenwege dem Patienten mit Rück- gang des Ikterus subjektiv und ob- jektiv Erleichterung verschaffen.

Dies gilt aber nur dann, wenn die Malignität des zugrunde liegenden Prozesses histologisch oder zytolo- gisch, im allgemeinen also durch Punktion, eindeutig gesichert ist.

Chirurgie der Metastasen

Metastasen von Magen-, Pan- kreas- und kolorektalen Tumoren finden sich häufig im Bereich des Li- gamentum hepatoduodenale, so daß es zu Kompressionserscheinungen an den peripheren Gallenwegen kommt. Die Dekompression durch Lymphadenektomie ist sinnvoll, da diese nur ein geringes Risiko auf- weist, die extrahepatischen Gallen- wege jedoch mit großer Sicherheit dekomprimiert werden können. Ha- ben Metastasen oder zentral sitzen- de Lebertumoren die Gallenwege erreicht, und entwickelt sich auf die- sem Boden ein Verschlußikterus, so kommt die chirurgische Therapie im

allgemeinen zu spät; hier sind pallia- tive Verfahren indiziert.

Schlußfolgerungen

Die Methoden zur Behandlung des mechanischen Ikterus wandeln sich in den letzten Jahren fortlau- fend. Schien es eine Zeitlang, als sei- en chirurgische Operationen durch die modernen aggressiven internisti- schen Verfahren überflüssig gewor- den, so ergibt sich heute in interdis- ziplinärer Zusammenarbeit ein aus- gewogenes und dem Einzelfall und seinen Risiken angepaßtes Konzept der Therapie des Ikterus.

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Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Ernst Kern

Chirurgische Universitätsklinik Josef-Schneider-Straße 2 8700 Würzburg

Dt. Ärztebl. 85, Heft 51/52, 26. Dezember 1988 (45) A-3677

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