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Archiv "Endoskopische Operationen: Aus chirurgischer und rechtsmedizinischer Sicht" (03.02.1995)

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MEDIZIN ZUR FORTBILDUNG

Endoskopische Operationen

Aus chirurgischer

und rechtsmedizinischer Sicht

Heinz Pichlmaier'

Hansjoachim Wagner 2 Samir Said 1

E

ndoskopische Operationen ha- ben in den letzten Jahren zu re- volutionären Entwicklungen in der Chirurgie geführt. In kur- zen zeitlichen Abständen wird über die Möglichkeit neuer Anwendungs- bereiche berichtet. Als Standardme- thode neben dem klassischen Verfah- ren konnte sich im Bereich der Allge- meinchirurgie innerhalb weniger Jah- re die Cholezystektomie (43, 84, 98) durchsetzen. Dies trifft für die Ap- pendektomie (30, 38, 90), die älteste Form endoskopischen Operierens, nicht zu. Die Hernienchirurgie (2, 82) wiederum steht an der Grenze zum etablierten Verfahren. Im Bereich des Thorax darf die Pneumothorax-Be- handlung (11, 14, 83) als Standard ne- ben dem konventionellen Vorgehen gelten. Die meisten übrigen Opera- tionen befinden sich in unterschiedli- chem Maße in Entwicklung (13, 17, 20, 22, 25, 61, 69, 77, 81, 94, 107).

Die explosive Verbreitung endo- skopischer Techniken zur Durch- führung der häufigsten Operationen im allgemein-chirurgischen Kranken- gut der Regelversorgung hat zu einer deutlichen Zunahme der Begutach- tungsfälle in Verfahren wegen angeb- licher Behandlungsfehler geführt.

So standen von Januar 1991 bis Ende Dezember 1993 alleine bei der Ärztekammer Nordrhein 25 Fälle von Fehlervorwürfen nach endoskopi- schen Behandlungen aus der Allge- meinchirurgie zur Beurteilung an.

Dabei handelte es sich neunmal um endoskopische Appendektomien, zwölfmal um endoskopische Chole- zystektomien, zweimal um Adhäsio- lysen, je einmal um eine Zwerchfell- hernie und einen Harnleiterstein.

Natürlich sagen diese Zahlen nichts

Die explosive Verbreitung endoskopi- scher Eingriffe im Bereich der Allge- meinchirurgie hat leider auch zu einer deutlichen Zunahme diesbezüglicher Begutachtungen wegen geltend ge- machter Behandlungsfehler geführt.

Mit Darlegung der klinischen Gefah- renpunkte und der arztrechtlichen Grundlagen sollen Entscheidungshilfen vermittelt werden. Hoffentlich können diese Hinweise dazu beitragen, daß die segensreichen operativen Fortschritte nicht durch Außerachtlassung „klini- scher und arztrechtlicher Spielregeln"

in Mißkredit geraten.

über die tatsächliche Häufigkeit, da nur ein Teil der Fehlervorwürfe vor die Gutachterkommission kommt.

Auch ist zu bedenken, daß die Zahl der endoskopischen Operationen bei Cholelithiasis/-cystitis in den letzten drei Jahren sprunghaft zugenommen hat: Der Anteil der endoskopisch operierten Gallensteinpatienten ist von den im Kammerbereich Nord- rhein erfaßten Gallensteinoperatio- nen (16 112 in 1993) über 27 Prozent 1991 (13 391 Cholezystektomien) und 52 Prozent 1992 (14 849 Cholezystek- tomien) auf inzwischen 64,6 Prozent 1993 angestiegen.

Dennoch erscheint die Zahl von 25 Begutachtungsfällen nach endo- skopischen Eingriffen aus allgemein- chirurgischem Bereich hoch im Ver- gleich zu neun nach konventioneller

Klinik und Poliklinik für Chirurgie (Ge- schäftsführender Direktor: Prof. Dr. med. Dr.

dent. Heinz Pichlmaier) der Universität Köln,

2 Institut für Rechtsmedizin (Direktor: Prof. Dr.

med. Jochen Wilske) der Universität des Saarlandes

Cholezystektomie und sechs nach konventioneller Appendektomie im Zeitraum von 1991 bis 1993.

Ziel dieser Arbeit soll es deshalb sein, durch Offenlegung der klini- schen Gefahrenpunkte und der zu respektierenden arztrechtlichen Grundlagen Entscheidungshilfen zu vermitteln. Wenn die Appendek- tomie, die Hernienchirurgie und die Cholezystektomie endoskopisch durchgeführt werden, sind um 80 Pro- zent der abdominellen Eingriffe im Krankenhaus der Regelversorgung von dieser Entwicklung betroffen (3, 96). Hieraus ergibt sich für den Allge- meinchirurgen der Zwang, die neuen Techniken zu erlernen. Die betroffe- nen Fachärzte haben sich dieser Auf- gabe gestellt.

Operatives Vorgehen

Noch immer hat Methodenwech- sel in der Chirurgie nicht nur Fort- schritt, sondern auch Gefahr bedeu- tet, weshalb zunächst die spezifischen Gefahren aufgezeigt werden sollen.

Dabei beschränken wir uns auf die ge- nannten häufigsten Eingriffe, Her- nienkorrektur, Appendektomie und Cholezystektomie.

Gemeinsam ist allen dreien der Zugang durch die Bauchhöhle, wobei für die Herniotomie in jüngerer Zeit auch extraperitoneale Techniken in Anwendung kommen. Diese muß punktiert und mit Gas gefüllt werden.

Entsprechende Zugangswege für den eigentlichen Eingriff sind zu schaffen.

Schon hierbei kann es zu typischen Verletzungen kommen. Sie sind für alle laparoskopischen Eingriffe grundsätzlich gleich. Dem gegenüber ist die zweite Gruppe möglicher Lä- sionen eingriffspezifisch.

Es ist festzuhalten, daß sich der laparoskopische vom konventionel- len Eingriff an der Gallenblase und A-270 (40) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 5, 3. Februar 1995

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MEDIZIN

dem Wurmfortsatz nur durch den Zu- gang unterscheidet, während das ei- gentliche Ziel der Maßnahme, die Entfernung der Gallenblase bezie- hungsweise des Wurmfortsatzes, sich im Ergebnis entsprechen. Sie differie- ren allerdings in der Technik ihrer Durchführung. Für die Operation der Leistenhernie gilt dies nicht. Hier wird dem konventionellen Verschluß der verschiedenen Faszienschichten nach Abtragung des Bruchsackes von außen ein neues Konzept gegenüber- gestellt: Bei der heute meist geübten Methode ist es die Reposition des Bruchinhaltes und des Bruchsackes in die Bauchhöhle, in der Regel ohne diesen abzutragen. Die eigentliche Beseitigung der Bruchpforte besteht in der präperitonealen Implantation eines nicht resorbierbaren Kunst- stoffnetzes, um so dem Wiederaustre- ten des Bruches den Weg zu verlegen.

Der Zugang

Der Zugang zum Operationsge- biet erfordert freien Raum in der Bauchhöhle, die nach Punktion mit Gas gefüllt und auf diese Weise als Aktionsraum für die Tätigkeit des Chirurgen gewonnen wird. Hierzu ist die Punktion der Bauchhöhle erfor- derlich, wobei durch unkontrollierte Kraftanwendung innere Organe ver- letzt werden können (9, 46, 65, 67).

Dies ist dann möglich, wenn nach Luftfüllung und Inzision der Haut der Optiktrokar „blind" eingebracht wird. Mit Hilfe verschiedener techni- scher Vorkehrungen versucht man, Verletzungen intraabdomineller Or- gane vorzubeugen (47, 48, 63, 91). Es wird besonders problematisch, wenn in der Bauchhöhle Verwachsungen vorliegen (5, 36, 87). Ausgedehnte Adhäsionen können den Zugang un- möglich machen. Sie stellen im Ein- zelfall eine Kontraindikation für den endoskopischen Eingriff dar. Nach- dem derartige Verletzungen mit teil- weise schwerwiegenden Folgen be- schrieben wurden (66, 73, 101, 113), wird heute zumindest, wenn das Vor- liegen von Verwachsungen nicht aus- geschlossen werden kann, der präpa- ratorische Zugang zur Einführung der Kamerahülse unter Sicht empfohlen (37, 48, 59, 78, 93, 101).

ZUR FORTBILDUNG

Diesen mechanischen Gefahren gegenüber treten die Probleme des Emphysems in der Subkutis oder im großen Netz, das rasch resorbiert wird, in den Hintergrund (48, 101).

Vorsicht ist allerdings bei kardiopul- monal vorbelasteten Patienten gebo- ten, da (durch noch nicht eindeutig geklärte Pathomechanismen) negati- ve Auswirkungen auf die Herzaktion, aber auch auf die Lunge bei solchen Patienten befürchtet werden müssen (8, 23, 57, 68, 74, 76, 108, 109).

Laparoskopische Cholezystektomie

Die technischen Nachteile lapa- roskopischen Operierens - Zweidi- mensionalität, Aufhebung des Tast- empfindens, eingeschränkter Bewe- gungsspielraum, vergrößerter Ab- stand des Funktionsteils der Instru- mente vom Bedienungsteil und ande- re - haben bei der Cholezystektomie nicht zu dem erwarteten Anstieg der Komplikationen geführt (70, 98). Al- lerdings ist es zu einer Verschiebung des Komplikationsspektrums gekom- men. Hierzu gehört neben anderem das Problem des verlorenen und un- ter laparoskopischen Bedingungen schwer auffindbaren Steines aus einer akzidentell eröffneten Gallenblase (42, 45, 51, 110) und die unter laparo- skopischen Bedingungen schwerer zu versorgende arterielle Blutung (54, 56). Höher als bei konventioneller Cholezystektomie liegt die Verlet- zungshäufigkeit des Ductus hepaticus und choledochus (19, 50, 70, 73, 97, 98, 113). Nicht selten findet sich in derar- tigen Fällen im Operationsbericht der Hinweis auf einen vermeintlich ab- errierenden Gallengang (12, 33, 60).

Erfahrung, sorgfältige operative Technik mit Präparation im Bereich des Calotschen Dreiecks und die ein- wandfreie Identifizierung der einzel- nen Strukturen vor ihrer Klippung und Durchtrennung sowie eine subti- le Blutstillung verringern dieses Risi- ko deutlich (48, 41, 50). Dennoch ist die Verletzung der zentralen Gallen- wege ein äußerst folgenschwerer Zwi- schenfall, der nicht selten zu Choledo- chusersatz-Operationen unter Verlust der Papillenfunktion führt und damit langfristig das Risiko der aszendie-

renden Infektion und der biliären Zirrhose birgt (10, 72, 112). Insofern ist auch ein relativ seltenes Ereignis von großem Gewicht und entspre- chender rechtlicher Relevanz. Nur spezielle Schulung, Übung und Sorg- falt sind in der Lage, dieses Risiko in fast allen Fällen auszuschalten (1, 17, 21, 55, 103, 104, 111). Erschwerend wirkt allerdings, daß Gallengangsver- letzungen, soweit sie nicht zu einer Abflußbehinderung führen, erst über Tage zunehmend klinisch sichtbar werden. Der Operateur hat Hem- mungen, die geltend gemachten Vor- teile der laparoskopischen Technik nun durch eine nachfolgende konven- tionelle Operation zunichte zu ma- chen. Die Konsequenz ist eine Verzö- gerung des Korrektureingriffes mit rasch zunehmenden negativen Folgen einer galligen Peritonitis (35, 40, 73) und der durch die Entzündungsvor- gänge weiter erschwerten Rekon- struktion (41, 80).

Laparoskopische Appendektomie

Bis heute ist dieser Eingriff nicht zweifelsfrei (4, 6, 27, 88). So ist der ge- forderte Gewinn der Geringfügigkeit des Eingriffes gegenüber dem der konventionellen Operation von ei- nem kleinen Wechselschnitt im Un- terbauch aus weniger augenfällig als bei der Cholezystektomie. Neben der Möglichkeit der (Nach-)Blutung aus den den Wurmfortsatz versorgenden Gefäßen ist ein Hauptgefahrenpunkt die Grenzzone zwischen der Appen- dix und dem Zäkumpol (29, 32, 34, 65, 71, 92). Immer wieder kommt es an dieser Stelle zu einer Infektion der Bauchhöhle, eine vor allem bei „Ge- legenheitsappendektomie" folgen- schwere Entwicklung. Sie wird be- günstigt durch technische Mängel bei der Versorgung des Appendixstump- fes und durch elektrothermische Schäden in diesem Bereich (79, 85).

Die peritonitische Komplikation ent- steht schleichend und wiederum ist der Operateur zögerlich bei der Indi- kation zur Reintervention. Neben der Lebensbedrohlichkeit der akuten dif- fusen Peritonitis sind es vor allem die Folgen möglicher weiblicher Sterilität nach derartigen Ereignissen (39, 75, A-272 (42) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 5, 3. Februar 1995

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MEDI

105), die diesen Zwischenfall so ge- fährlich machen. Zunehmend wird deshalb heute empfohlen, bei der endoskopischen Appendektomie die Anwendung von (monopolarem) Koagulationsstrom zu vermeiden (62) und ein möglichst sicheres Verschluß- system zu verwenden. Ob dies im Ein- zelfall zwei Rödersche Schlingen oder die Applikation entsprechend großer Klips (7, 67, 86) oder vielleicht am si- chersten die Anwendung des linearen Klammernahtgerätes (18) sind, ist bisher offen.

Zweifellos stellt die Anwendung des Klammernahtgerätes ein erhebli- ches zusätzliches Kostenproblem dar (einmalige Anwendung 465 DM).

La pa roskopische Hernienchirurgie

Bei diesem Eingriff wird in der heute am häufigsten geübten transpe- ritonealen Methode (15, 24, 26, 53) das Peritoneum ventral der inneren Bruchpforte von weit lateral des inne- ren Leistenringes bis zur Plica umbili- calis medialis (horizontal oder bogen- förmig) inzidiert. Meist mit kleinen Tupfern wird dann das präperitoneale Fett präpariert, so daß die Fascia transversalis, dorsomedial das Coo- persche Ligament und dorsolateral der Tractus ileopubicus sichtbar wer- den. Bei diesem Vorgehen wird auch der Bruchsack reponiert. Die Samen- stranggebilde werden fakultativ um- fahren und damit rundum mobilisiert.

Eine Gefahr bei diesem Vorgehen ist die Verletzung der epigastrischen Ge- fäße an deren Abzweigung zu den Iliakalgefäßen, bei genügender Vor- sicht kaum je der Vasa iliaca externa.

Doch auch eine Blutung aus den epi- gastrischen Gefäßen kann zur Lapa- rotomie zwingen, da sie nicht immer endoskopisch stillbar sind. Bei vor- sichtiger stumpfer Präparation ist ei- ne Läsion des Samenstranges kaum zu befürchten. Im folgenden wird dann ein ausreichend großflächiges (mindestens 10 x 10 cm), fakultativ im Zentrum eingeschnittenes und et- wa im Durchmesser eines Zentime- ters ausgeschnittenes Kunststoffnetz eingefügt. Mit einigen Klips wird das Netz nun an der Ventralseite der Bruchregion (oberhalb der Musculus

ZUR FORTBILDUNG

transversus-Arkade) und an das Liga- mentum Cooperi fixiert. Im Falle ei- nes eingeschnittenen Netzes wird die- ses meist von dorsal her unter dem Sa- menstrang durchgeführt, so daß die- ser in das zentrale Loch des Netzes plaziert werden kann. Mit Metallklips wird die nunmehr ventral gelegene Inzision des Netzes vor dem Samen- strang verschlossen, so daß die Bruch- lücke durch das Netz abgedeckt ist, der Samenstrang selbst aber durch dieses hindurchtritt. Eine laterale Fixation dorsal des Ligamentum ileo- pubicum (an Psoas- und Iliakusmus- kulatur) ist in jedem Falle unnötig und sollte unterbleiben, da hierbei Ir- ritationen vor allem des Nervus cuta- neus femoris lateralis und des Nervus genitofemoralis auftreten können, die zu lang anhaltenden Parästhesien führen (52, 99). Eine Verletzung des Nervus femoralis sollte bei diesem Vorgehen ausgeschlossen sein. Als Hauptkomplikationen sind die Ver- letzungen der Harnblase, Hämatome und die Alteration der genannten Nerven anzugeben (44, 53, 58, 89).

Gerade letzterer Zwischenfall ist für den Betroffenen störend und hinder- lich und durchaus ein möglicher An- laß, die Korrektheit des durchgeführ- ten Eingriffs aus Patientensicht in Zweifel zu ziehen.

Arztrechtliche Aspekte Die Erfahrung mit derartigen Auseinandersetzungen läßt besonde- re Gefahrenpunkte erkennen. Sie lie- gen vor allem im Bereich der präope- rativen Aufklärung, der ungenügen- den Schulung und Übung des Opera- teurs („Lernkurve") und der gerade bei diesen Eingriffen häufigen, psy- chologisch verständlichen, für den Betroffenen aber deletären Verzöge- rung der Indikation zum raschen Kor- rektureingriff, wenn ein solcher erfor- derlich ist.

Die präoperative Aufklärung des Patienten muß in ihrer schriftlichen Dokumentation erkennen lassen, daß die Entscheidung des Betroffenen für den laparoskopischen Eingriff nach genügender Würdigung des Für und Wider im Vergleich zur konventionel- len Operation erfolgt ist. Auf die spe- zifischen Risiken muß expressis ver-

bis eingegangen werden. Die Kompe- tenz der behandelnden Institution sollte für den Kranken erkennbar werden und gegebenenfalls einen Verweis an die wesentlich erfahrenere Klinik einschließen, um dem Vorwurf eines Übernahmeverschuldens zu entgehen.

Der beschuldigte Operateur muß bei rechtlichen Auseinandersetzun- gen in der Lage sein, die eigene Pro- fessionalität (Facharzt-Standard) zu beweisen (siehe entsprechende Richt- linien des Berufsverbandes und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie.

Diese Empfehlungen und Leitlinien wurden nunmehr durch die gemeinsa- men Rahmenbedingungen der Bun- desärztekammer zur Qualitätssiche- rung endoskopischer Eingriffe kom- plettiert [12a]. Hinweis auf eigenes Krankengut und Komplikationsra- ster, bei weniger erfahrenen Opera- teuren Nachweis entsprechend kom- petenter Assistenz und ähnliches).

Die Einhaltung des Standards nach Technik und Vorhaltung muß er- kennbar sein. Bei einer so raschen technischen Entwicklung muß sich die Beurteilung des Standards daran orientieren, was zum Zeitpunkt des aktuellen Vorganges allgemein üblich und möglich war.

Pioniertätigkeit sollte Ärzten und Institutionen vorbehalten blei- ben, die in der Lage sind, mit wissen- schaftlichen Methoden auf der Basis gründlicher experimenteller Vorbe- reitung und exakter Dokumentation neue Wege zu beschreiten. Es ist eine gefährliche Entwicklung, wenn auf überwiegend intuitiver Grundlage auch an hierzu nicht qualifizierten In- stitutionen und ohne die entsprechen- de Vor- und Nachbereitung vom Stan- dard abgewichen wird, weil die Rechtsprechung des BGH bezüglich der „verkehrserforderlichen Sorg- falt" (unter anderem Qualitätsmaß- stab, fachärztlicher Leistungsstan- dard,. technische Ausrüstung) seit Jahren klar umrissen und in sich gefe- stigt ist (49, 106).

Diese Grundzüge der höchst- richterlichen Rechtsprechung sind auch bei der Frage nach der Indikati- on zum operativen Vorgehen zu berücksichtigen, weil gerade auf dem Gebiet der minimal invasiven Chirur- gie die Gefahr der „Ausuferung” der A-274 (44) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 5, 3. Februar 1995

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MEDIZIN

Indikationspalette gegeben ist. Dar- auf hat M. Trede bei Eröffnung des diesjährigen Chirurgenkongresses be- sonders hingewiesen (102). Infolge dieser Indikationsausweitung steigen die Gesamtkosten und die Gesamt- mortalität wird nicht zurückgehen wie beispielsweise bei der laparoskopi- schen Cholezystektomie (100).

Zwecks Abwendung arztrechtli- cher Komplikationen wegen nicht zu rechtfertigender Operationsindikati- on wurden als Ergebnis einer Konsen- suskonferenz von Chirurgen und In- ternisten auf der dem Chirurgenkon- greß nachfolgenden 100. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin Richtlinien zur Behandlung von Patienten mit Gallensteinen vor- gestellt. Diese Richtlinien werden si- cher sehr schnell Eingang in die Rechtsprechung finden.

Angesichts der explosiven Ent- wicklung der minimal invasiven Ope- rationsmethoden bedürfen auch die Weiterbildungsordnungen aller ope- rativen Fächer einer Anpassung und nicht nur die der allgemeinen Chirur- gie. Der Operateur, und nicht nur der auf dem Gebiet der Allgemeinchirur- gie tätige, muß nach wie vor die her- kömmlichen operativen Methoden beherrschen, um gegebenenfalls die mit laparoskopischer Technik nicht beherrschbaren Komplikationen mit einer nachfolgenden Laparotomie er- folgreich anzugehen, worauf bereits hingewiesen wurde.

Wenn aber heute schon etwa 80 Prozent der in einem Krankenhaus der Regelversorgung anfallenden ab- dominellen Eingriffe endoskopisch durchgeführt werden können und die Patienten nach entsprechender Aufklärung diese Operationstechnik auch beanspruchen werden, dann stellt sich die Frage, wie im Rah- men der chirurgischen Weiterbildung genügend Erfahrung mit der Laparo- tomie gesammelt werden kann. Hier sei daran erinnert, daß nach einer ver- sicherungsrechtlich relevanten Ent- scheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1992 ein im fünften Jahr der chirurgischen Weiterbildung be- findlicher Arzt mit 150 selbständig ausgeführten Blinddarmoperationen nicht die Voraussetzung erfüllt, um ei- nem Berufsanfänger zu assistieren.

Welche Konsequenzen dies vor allem

ZUR FORTBILDUNG / FÜR SIE REFERIERT

für kleinere Krankenhäuser hat, be- darf keiner Erläuterung. Vielleicht sorgt der Einzug der virtuellen Rea- lität in die Medizin mit den faszinie- renden Zukunftsperspektiven für neue „Trainingsmöglichkeiten" in der Weiterbildung (31, 95), so wie sie im Rahmen der Ausbildung mittels

„Computer-Sektion" (unter anderem Anatomie) bereits im Ansatz erkenn- bar sind, Eventuell wird eines Tages ein Roboter als Operationsassistent eingesetzt, wie jetzt erstmals in Que- bec, Kanada, bei einer laparoskopi- schen Cholezystektomie (28).

Möge die Beachtung der arzt- rechtlichen Hinweise dazu beitragen, daß die segensreichen operativen Fortschritte nicht durch Außeracht- lassung der „rechtlichen Spielregeln"

in Mißkredit geraten und die Weiter- entwicklung der apparativen Medizin nicht erneut mit dem negativ gemein- ten Schlagwort von der „Apparate- medizin" angeprangert wird.

Für die Zahlen der Projektgeschäftsstelle Qualitätssicherung und der Gutachterkom- mission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein bedanken wir uns bei den Herren Dr. H. G. Huber und U.

Smentowski.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1995; 92: A-270-276 [Heft 5]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med. Dr. dent.

Heinz Pichlmaier Dr. med. Samir Said

Klinik und Poliklinik für Chirurgie der Universität zu Köln

Josef-Stelzmann-Straße 9 50924 Köln

Em. Prof. Dr. med.

Hans-Joachim Wagner Ehem. Direktor des

Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes Gebäude 42

66421 Homburg/Saar

Allergien durch Nahrungsmittel sind selten

Intoleranzen bei Nahrungsmit- teln waren schon den alten Griechen bekannt, echte allergische Phä- nomene sind jedoch auch im Zeital- ter von IgE-Antikörpern schwierig zu beweisen, da keine einfachen spe- zifischen In-vitro- oder In-vivo-Te- ste zur Verfügung stehen.

Die Autoren führten eine Um- frageaktion bei zwei Populationen von je 7 500 Haushalten durch. Etwa 20 Prozent der angesprochenen Pro- banden klagten über Nahrungsinto- leranzen. 93 Probanden nahmen an einer Doppelblind-Plazebo-kontrol- lierten Provokations-Studie teil, da- von zeigten 19,4 Prozent eine positi- ve Reaktion auf ein von acht gete- steten Nahrungsbestandteilen wie Kuhmilch, Hühnerei, Weizen, Soja, Zitrusfrüchte (Orangen), Fisch, Nüsse und Schokolade.

Die Prävalenz einer echten Nahrungsmittelallergie wurde mit 1,4 bis 1,8 Prozent ermittelt.

Frauen klagten häufiger über eine Nahrungsmittelintoleranz und zeigten auch eine höhere Rate posi- tiver Provokations-Tests. Offen- sichtlich besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen vom Patienten empfundenen Nahrungsmittel- intoleranzen und beim Expositions- versuch nachweisbaren allergischen Phänomenen.

Die Autoren verweisen auf eine frühere Studie bezüglich Nahrungs- mittel-Konservierungsstoffen, wo 7,4 Prozent der Population über In- toleranzen klagten, aber nur bei 0,01 bis 0,23 Prozent dies in einem Expo- sitionsversuch verifiziert werden konnte.

Young E, M D Stoneham, A Petruckevitch et al.: A population study of food intole- rance. Lancet 1994; 343: 1127-1130 Amersham Hospital, Department of Der- matology Amersham, Bucks MP7 OJD, United Kingdom

A-276 (46) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 5, 3. Februar 1995

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