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Archiv "Ist eine Elimination der Varizellen durch eine allgemeine Impfung möglich? Komplikationen bedenken" (11.10.2002)

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nicht entdeckter akuter (Begleit-) Pankreatitiden so niedrig wie möglich zu halten.

Wenngleich viele Erkrankungen zur Erhöhung von Lipase und alpha-Amy- lase führen, scheint erst ein mehr als dreifach erhöhter Wert bei Patienten mit einem akutem Abdomen eine sinn- volle Grenzlinie zwischen relevanter und nicht relevanter Hyperenzymämie im Sinne einer akuten (Begleit-) Pan- kreatitis zu sein.

Asymptomatische

Erhöhung von Lipase oder alpha-Amylase

Warum besteht bei vielen Personen ei- ne asymptomatische Erhöhung von Li- pase oder alpha-Amylase? Die Refe- renzbereiche („Normalbereiche“) von Lipase und alpha-Amylase umfassen die Messwerte bei 95 Prozent der ge- sunden Bevölkerung. Wird unselektiv die alpha-Amylase bestimmt, wird schon daher bei jeder vierzigsten Per- son mit gesundem Pankreas ein „patho- logisch“ erhöhter Wert gemessen, bei Anforderung von beiden Enzymen so- gar bei fast jeder zwanzigsten Person.

Dieses einfach erklärbare Phänomen führt aufgrund der gängigen unselek- tierten Lipase- oder alpha-Amylasebe- stimmung häufig zu einem inadäquaten und zum Teil invasiven diagnostischen Aufwand. Systematische Untersuchun- gen von Patienten mit asymptomati- scher Lipasämie/Amylasämie haben gezeigt, dass bei Personen ohne akute abdominale Beschwerden bis zu 18fach erhöhte Werte gemessen werden kön- nen, ohne dass eine Erkrankung vor- liegt (8). Diese Enzymerhöhung kann einmalig, wiederholt oder dauerhaft über viele Jahre hinweg bestehen. Da es bei einigen dieser Patienten eine fami- liäre Häufung gibt, könnten genetische Ursachen eine Rolle spielen (9). Über die genauen Mechanismen der Trans- lokation der Pankreasenzyme ins Blut bei der asymptomatischen Lipasämie/

Amylasämie ist bisher nur wenig be- kannt (20).

Bei Patienten ohne klinischen Ver- dacht auf akute Pankreatitis sollten Li- pase und alpha-Amylase nicht bestimmt werden.

Fazit

Die zitierten systematischen Untersu- chungen zur Wertigkeit von Lipase und alpha-Amylase ergeben für den klini- schen Alltag folgende Empfehlung:

>Die Bestimmungen von Lipase oder alpha-Amylase sind keine Scree- ninguntersuchungen auf das Vorliegen einer Pankreaserkrankung.

>Bei klinischem Verdacht auf akute Pankreatitis (akute Abdominal- und/

oder Thoraxbeschwerden) sollte eine Lipasebestimmung erfolgen.

>Auf die Bestimmung der alpha- Amylase zur Diagnostik von Pankreas- erkrankungen kann verzichtet werden, wenn die Möglichkeit der Lipasebe- stimmung besteht.

>Kontrolluntersuchungen der Lipa- se bei gesicherter Diagnose „akute Pankreatitis“ sind nicht sinnvoll, da de- ren laborchemischer Verlauf keine Be- ziehung zum klinischen Verlauf hat.

Eine am klinischen Bild des Patien- ten orientierte Einschränkung der Indi- kationen zur Bestimmung von Lipase und alpha-Amylase könnte nicht nur zu einer unmittelbaren Einsparung von Laborkosten, sondern auch zu einer Vermeidung unnötiger Diagnostik bei der Abklärung asymptomatischer Er- höhungen der Pankreasenzyme führen.

Manuskript eingereicht: 16. 5. 2002, revidierte Fassung angenommen: 24. 6. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2717–2719 [Heft 41]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Niels Teich

Medizinische Klinik und Poliklinik II Universitätsklinikum Leipzig A.ö.R.

Philipp-Rosenthal-Straße 27 04103 Leipzig

E-Mail: teichn@medizin.uni-leipzig.de M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4111. Oktober 2002 AA2719

Komplikationen bedenken

Der Artikel ist ein typisches Beispiel dafür, wie blind mit Impfungen umge- gangen wird. Die Möglichkeit, dass die Impfung selbst Komplikationen (und da- mit auch zusätzliche Folgekosten) verur- sachen könnte, wird überhaupt nicht er- wähnt, so als wäre das absolut undenk- bar. Das entspricht exakt dem Bild, das impfkritische Ärzte und Eltern immer wieder vorfinden:Was nicht sein darf, das kann auch nicht sein. Folglich werden konsequent alle negativen Erscheinun- gen, auch wenn der zeitliche und inhaltli- che Zusammenhang mit der Impfung noch so deutlich ist, erst einmal als zufäl- liges Zusammentreffen hingestellt, ein ursächlicher Zusammenhang bestritten, solange dieser nicht eindeutig nachge- wiesen ist. Eigentlich sollte die Beweis- last umgekehrt sein. Es müsste in jedem Einzelfall bewiesen werden, dass der ein- deutige zeitliche Zusammenhang kein kausaler sein kann, denn es sollte in der Medizin immer noch der alte Satz „pri- mum nil nocere“ gelten, insbesondere, wenn es sich um prophylaktische, nicht therapeutische Maßnahmen handelt!

Karl Weiß

Hermannstraße 55, 32756 Detmold

zu dem Beitrag

Ist eine Elimination der Varizellen durch eine allgemeine Impfung möglich?

Epidemiologische und

gesundheitsökonomische Daten als Basis für eine zukünftige Varizellenimpfstrategie in Deutschland

von

Prof. Dr. med. Peter Wutzler Prof. Dr. rer. nat. Albrecht Neiß Dipl.-Phil. Kurt Banz

Dr. rer. nat. Annedore Tischer in Heft 15/2002

DISKUSSION

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Realitätsfern

Der Artikel macht auf uns als nieder- gelassene Kinderärzte, die seit Jahren die allgemeinen Impfempfehlungen der STIKO Tag für Tag umsetzen, den Eindruck, dass manche epidemiologi- schen Experten recht weit von der kli- nischen Realität entfernt sind. Schon bei der Masern-Mumps-Röteln-Imp- fung mit wesentlich zwingenderer In- dikation im Vergleich zur Varizellen- impfung war es außerordentlich schwer, eine effektive Durchimpfungs- rate zu erreichen. Eine von den Auto- ren avisierte Durchimpfungsrate der Varizellenimpfung von 85 Prozent als Voraussetzung einer günstigen Kosten- Nutzen-Rechnung halten wir für voll- kommen unrealistisch, und zwar aus mehreren Gründen:

Wir schätzen die Varizellen, bis auf sehr seltene Einzelfälle, als eine für Kinder gut überwindbare Krankheit ein.

Die von den Autoren aufgeführten Komplikationen sind nach unseren Erfahrungen ausreichend behandel- bar (bakterielle Superinfektionen), re- versibel (Enzephalitis) oder nur zufäl- lig gleichzeitig auftretend (in dem Ar- tikel wurden Bronchitis und Otitis – für uns nicht nachvollziehbar – als

„Komplikation“ angesehen).

Selbst wenn wir uns für eine gene- relle Varizellenimpfung einsetzen würden, wäre die elterliche Akzeptanz sicher sehr gering, da die meisten El- tern heutzutage an den zwingenden Gründen für eine Impfung interessiert sind. Das Kostenargument ist hier si- cherlich nicht sehr überzeugend.

Nach der äußerst fragwürdigen Impfwerbekampagne für den neuen Pneumokokkenimpfstoff „Prevenar“, die durch ähnlich konzipierte Artikel von Epidemiologen unterstützt wurde, drängt sich auch bei diesem Artikel zur Varizellenimpfung der Verdacht auf, dass in letzter Zeit das wirtschaft- liche Interesse an der Einführung neu- er genereller Impfempfehlungen die kritische Betrachtung von Impfindika- tionen in den Schatten stellt.

Die mögliche Voreingenommenheit der Autoren wird besonders deutlich bei der im Fazit betonten Komplikati- onsrate von 16 Prozent, die kaum ein

Pädiater nachvollziehen wird. Der sehr eindrucksvolle Artikel über das Pharma-Sponsoring (Finzen A: Phar- ma-Sponsoring: Wir dankbaren Ärzte.

Dtsch Arztebl 2002; 99 A 766–769 [Heft 12]) scheint in letzter Zeit auch für die Impfpharmaindustrie und die ihr nahestehenden Epidemiologen zu gelten. Bei allem Respekt vor der bis- her sehr erfolgreichen Impfstrategie sollten diejenigen, die über weitere ge- nerelle Impfempfehlungen entschei- den, wissen, dass wir niedergelassenen

„Impfärzte“ alle Veröffentlichungen zu neuen Impfstoffen sehr kritisch be- trachten und uns nur auf Impfstrategi- en einlassen, die wir aus unserer klini- schen Praxiserfahrung nachvollziehen können.

Peter Springmann

Dr. med. Hendrik Crasemann Dr. med. Martina Hansen-Crasemann Friedrich-Ebert-Straße 104

28201 Bremen

Viele offene Fragen

Der Beitrag lässt viele Fragen offen;

wesentliche Aussagen und Schlussfol- gerungen sind nicht ausreichend be- legt und für den Leser nicht transpa- rent, weil auf (noch) nicht veröffent- lichte Untersuchungen verwiesen wird (Literaturstellen 3 und 13). Wichtige der Literatur entnommene Angaben werden überhaupt nicht belegt: Wor- auf beruht die Annahme (Tabelle 2), dass 22 Todesfälle durch Varizellen jährlich in Deutschland zu erwarten sind? Diese Zahl kann nicht der eige- nen Studie entstammen, die nur 1 334 Fälle erfasst hat.

Es gibt weitere Unklarheiten bei Tabelle 2: Dort wird eine Komplikati- onsrate von 5,35 Prozent zugrunde ge- legt. Ist sie von Tabelle 1 übernom- men? Dort beträgt sie allerdings 5,6 Prozent. Woher stammen die in Tabel- le 2 auf den Fall genau angegebenen Hospitalisierungszahlen? Warum wer- den die Daten dazu nicht dargestellt?

Jedenfalls handelt es sich bei den nur geschätzt angebbaren Bezugszahlen (Varizellenfälle) um eine irritierende Pseudogenauigkeit. Die Angabe

„schwere Verläufe“ (16,3 Prozent!) ist unqualifiziert und kann zu der Aussa-

ge „Varizellen sind keine harmlose Er- krankung“ nichts beitragen. In Tabelle 1 fällt auf, dass qualifizierte Komplika- tionen mit 4,8 Prozent bei Kindern häufiger vorkamen als bei über 12 Jah- re alten Patienten mit 3,8 Prozent. Bei den Letztgenannten werden noch 2,4 Prozent nicht qualifizierte Komplika- tionen genannt, das sind fast 40 Pro- zent aller in dieser Altersgruppe er- fassten Komplikationen. In den an- gekündigten Originalveröffentlichun- gen darf man hierzu wie zu den

„schweren Verläufen“ differenziertere Darstellungen erwarten.

Auch bei der Kosten-Nutzen-Rech- nung bleiben natürlich viele Fragen offen, deren Beantwortung erst nach Veröffentlichung der Literaturstelle 3 möglich sein wird. Bis dahin kann diese Rechnung nicht nachvollzogen und der ihr zukommende Wert nicht beurteilt werden. Ich frage mich, was die Autoren zu der voreiligen Veröf- fentlichung veranlasst hat, die auch nach Erscheinen der „submitted“-Pu- blikationen und gründlicher Überar- beitung immer noch frühzeitig genug gekommen wäre, nachdem der für das angestrebte Ziel erforderliche Kombi- nationsimpfstoff nach Aussage der Autoren ohnehin noch Jahre auf sich warten lassen wird.

Prof. Dr. med. Theodor Luthardt Scheuergasse 4

79271 Sankt Peter

Schöne neue Welt

Am besten wäre es für unsere Kinder, wenn sie gar keine Infekte mehr be- kämen! Keinen Durchfall, keine Grip- pe, keinen Streptokokkeninfekt und auch die grippalen Infekte lassen sich doch ausrotten. Alles wird per Injek- tionsnadel in die Kinder hineinge- propft. Am besten jedoch per geneti- scher Manipulation von vornherein ausgeschaltet.

Bei schweren Krankheiten mit überwiegend tödlichem Verlauf sind die Impfungen ein Segen. Aber bei den Windpocken? In den allgemein- medizinischen und pädiatrischen Pra- xen im Qualitätszirkel Akupunktur und Naturheilverfahren der Kassen- M E D I Z I N

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A2720 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4111. Oktober 2002

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ärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe tauchen bei Windpocken keine ern- sten Komplikationen auf. Wenn wir an der Basis keine ernsten Komplika- tionen über Jahre sehen, wo sind sie dann? Wo sind die 16 Prozent ernster Verläufe und 6 Prozent Komplikatio- nen, wie von Herrn Wutzler angege- ben? Es mag sie ja geben, die Risiko- kinder und diese mag man ja auch impfen.

Wir halten die Auseinandersetzung der Körperabwehr mit akuten Krank- heiten für medizinisch sehr sinnvoll und unterstützenswert. Studien aus den letzten Jahren zeigen, dass Kinder ohne entsprechende Episoden von Fieber eher chronisch krank werden.

Onkologen postulieren, dass hochfie- berhafte Infekte eine starke antikarzi- nogene Wirkung bei Erwachsenen ha- ben. Dies dürfte auch für Kinder gel- ten.

Zuletzt haben uns die Statistiken im Text doch etwas stutzig gemacht: Wo- her stammen die Daten über die Hos- pitalisation von 5 739 Kindern pro Jahr alleine wegen der Varizellen?

Sind die 22 Todesfälle pro Jahr alleine auf Varizelleninfektionen zurückzu- führen.

Wir könnten uns viel eher vorstel- len, dass Hochrisikopatienten, die keinerlei Infektabwehrmöglichkeiten haben, auch an einer banalen Varizel- lenerkrankung sterben könnten; wie aber auch an anderen harmlosen Virus- erkrankungen.

Und wo sind die Komplikationsra- ten dieser Impfung? Viele Fragen und keine Antwort in dem Beitrag.

Wenn man, wie wir, die Komplikati- onsstatistik bezweifelt, ist diese Imp- fung mit Sicherheit auch nicht kosten- neutral und in dem Artikel vermissen wir auch die Nennung der Kosten pro Impfung beziehungsweise die Kosten für das gesamte Durchimpfungspro- gramm.

Von unseren Praxen ein klares Nein an die STIKO, was die Unterstützung bei der Impfkampagne gegen die Vari- zellen angeht!

Karl-Heinz Schroeder Renate Schmidt-Krause Katrin Wellmann Schroeder Brunnenstraße 12

32805 Horn-Bad Meinberg

Schlusswort

Wir begrüßen die kritische Diskussion zu unserem Artikel. Was die fehlende Transparenz der Studien und ihrer Er- gebnisse anbelangt, verweisen wir auf eine Reihe medizinischer, epidemiolo- gischer und gesundheitsökonomischer Fachtagungen, auf denen die Varizel- lenimpfstrategien präsentiert und mit Pädiatern, Infektiologen, Epidemiolo- gen sowie Vertretern der STIKO dis- kutiert wurden (1, 2). Von den Mitglie- dern der European Working Group on Varicella, einer Organisation, die sich mit der Situation der Varizellen in Eu- ropa befasst, wurden die Studien als beispielgebend für Europa anerkannt.

Gegenwärtig werden solche Untersu- chungen in Spanien und anderen eu- ropäischen Ländern durchgeführt. Wir hielten es daher für angebracht, die deutsche Ärzteschaft mit dieser Pro- blematik parallel zu dem Erscheinen der ersten unserer drei ausführlichen Publikationen in internationalen Zeit- schriften vertraut zu machen. Es war im Rahmen unseres Artikels nicht be- absichtigt und auch wegen des Um- fangs nicht möglich, alle Ergebnisse der drei Einzelstudien detailliert dar- zustellen. Auf wesentliche Fragen, die sich daraus ergeben haben, möchten wir kurz eingehen. Die Daten zu den potenziellen Auswirkungen der Vari- zellenimpfung in der Tabelle 2 resul- tieren aus Modellrechnungen. Die Grundlage dafür liefert die im Artikel zitierte Seroprävalenzstudie auf Basis von 4 602 Seren aus Deutschland so- wie die Studie zur Epidemiologie der Varizellen in Deutschland, die auf ei- ner repräsentativen Stichprobe von 1 334 Varizellenfällen des Jahres 1999 beruht und der die Komplikations- und Hospitalisierungsraten entnom- men wurden (1). Da bei dieser Größe der Stichprobe keine Todesfälle zu er- warten waren, wurden für die Modell- rechnungen Todesfallraten bei Vari- zellen aus den USA als beste verfüg- bare Evidenz verwendet (3). Die mit dem Modell errechnete Größenord- nung von jährlich 22 Todesfällen in Deutschland lässt sich im Vergleich zu epidemiologischen Daten aus den USA mit circa 100 Todesfällen vor Einführung der Impfung (3) und 25

Todesfällen in England und Wales (4) gut nachvollziehen.

Es wurde ferner bemerkt, dass die Modellberechnungen eine geringere Komplikationsrate ergaben als die zu- grunde liegende epidemiologische Untersuchung. Dies lässt sich in Mo- dellrechnungen zum Beispiel auf- grund von Rundungsungenauigkeiten niemals gänzlich verhindern, genauso wie jede Statistik mit einer gewissen Ungenauigkeit belastet ist.

In einer der Zuschriften wurde ver- mutet, dass ohne die Berücksichtigung der Komplikationen, deren Häufigkeit von diesen Kollegen angezweifelt wird, die Impfung nicht kosteneutral wäre. Diese Annahme ist nicht kor- rekt, da die Komplikationen nicht der wesentliche Kostentreiber bei Varizel- len sind. Viel wichtiger sind die Kosten, die dadurch entstehen, dass Erkrankte selbst nicht arbeiten können oder El- tern zur Betreuung ihrer erkrankten Kinder der Arbeit fern bleiben müs- sen. In letzterem Fall übernehmen die Krankenkassen die Lohnfortzahlung.

Die Häufigkeit und Dauer dieser Fälle wurden in der epidemiologischen Un- tersuchung erhoben (1). Es ist auch nicht korrekt, dass mögliche Kompli- kationen durch die Impfung keine Berücksichtigung fanden. In die Mo- dellberechnungen sind auf der Basis langjähriger Erfahrungen mit Varizel- lenimpfstoffen, wie beispielsweise in Referenz 5 dargestellt, diese Kompli- kationen und auch ihre ökonomischen Konsequenzen durchaus eingegangen.

In den Zuschriften drückt sich die verbreitete Wahrnehmung der Varizel- len als eine harmlose Krankheit aus, mit der sich die Kinder auseinander- setzen sollten, und die bis auf wenige Einzelfälle gut zu überwinden sei. Die Frage, „wo denn die Komplikationen seien“ ist teilweise verständlich, denn für jede Komplikation, die einem Arzt in der Praxis begegnet, sieht er knapp 18 komplikationsfreie Verläufe. Folg- lich kann die Schwere der Erkrankung leicht fehlinterpretiert werden. Die unserem Artikel zugrunde liegenden epidemiologischen Untersuchungen zeigen, welche Krankheitslast die Va- rizellen in Deutschland insgesamt ver- ursachen. Wenn die 282 behandelnden Ärzte bei zufällig ausgewählten Fällen M E D I Z I N

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in etwa jedem sechsten Fall von einem schweren Verlauf sprechen, bedeutet dies bei circa 760 000 Fällen im Jahr 1999 mehr als 125 000 Erkrankte, die durch Varizellen erheblich beeinträch- tigt wurden. Hinzu kommen mehr als 40 000 Komplikationen, die in der überwiegenden Mehrzahl bei Kindern und nicht, wie häufig behauptet, bei Jugendlichen und Erwachsenen auf- treten. Dass in Deutschland auch Kin- der an Varizellen sterben, beweist die Todesursachenstatistik des Statisti- schen Bundesamtes, nach der knapp 40 Prozent der Varizellentodesfälle auf die 1- bis unter 5-Jährigen und wei- tere knapp 7 Prozent auf die 5- bis un- ter 10-Jährigen entfallen. In den USA traten 79 Prozent der Varizellentodes- fälle im Kindesalter bei ansonsten ge- sunden Kindern und nicht etwa bei den Kindern aus Risikogruppen auf (3). Für jedes Kind besteht also die Gefahr schwer zu erkranken oder gar zu versterben. Deshalb sollten alle, nicht nur Risikokinder, durch eine Impfung geschützt werden. Eine gene-

relle Varizellenimpfung würde auch Risikokinder, die selbst nicht geimpft werden können, am besten schützen.

Die Erfahrungen in den USA haben auch gezeigt, dass in relativ kurzer Zeit hohe Impfraten zu erreichen sind, durch die es schon in einem kurzen Zeitraum zu einem drastischen Rück- gang der Erkrankung in allen Alters- gruppen, insbesondere auch in den Al- tersgruppen, die nicht geimpft wur- den, gekommen ist (6).

Literatur

1. Wagenpfeil S, Neiss A, Bisanz H, Wutzler P, Vollmar J, Goertz A: Epidemiology of varicella infection to assess the burden of disease in Germany. Clinical Microbiology and Infection 8 (Suppl. 1); 2002: 43.

2. Banz K, Neiss A, Goertz A, Klose T, Wutzler P: Routine varicella vaccination of children is effective and cost- beneficial in Germany. In: Verein zur Förderung der Technologiebewertung im Gesundheitswesen e.V.

(eds.). The challenge of collaboration: 18th annual meeting of the International Society of Technology Assessment in Health Care – ISTAHC 2002; abstracts.

München, Jena: Urban und Fischer 2002: 28.

3. Meyer PA, Seward JF, Jumaan AO: Varicella Mortality:

Trends before Licensure in the United States, 1970–1994. J Infect Dis 182; 2000: 383–390.

4. Rawson H, Crampin A, Noah N: Deaths from chickenpox in England and Wales 1995–7: analysis of routine mortality data. BMJ 2001; 323: 1091–

1093.

5. Arbeter AM, Starr SE, Plotkin SA: Varicella vaccine studies in healthy children and adults. Pediatrics 1996; 78: 748–756.

6. Seward JF, Watson BM, Peterson CL, Mascola L et al.:

Varicella disease after introduction of varicella vacci- ne in the United States, 1995–2000. JAMA 2002;

287: 606–611.

Prof. Dr. med. Peter Wutzler Institut für Antivirale Chemotherapie Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena Winzerlaer Straße 10

07745 Jena

Prof. Dr. rer. nat. Albrecht Neiß

Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie Klinikum rechts der Isar der TU München

Ismaninger Straße 22 81675 München Dipl.-Phil. Kurt Banz Outcomes International Malzgasse 9 4052 Basel/Schweiz

Dr. rer. nat. Annedore Tischer Robert-Koch-Institut

Nordufer 20 1353 Berlin M E D I Z I N

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Bei 362 Seniorinnen aus Altenhei- men der Ulmer Region wurde die Knochendichte sonographisch abge- schätzt und die Kognitionsleistung wur- de mit einem standardisierten Kurz- test erfasst. Die Seniorinnen wurden anhand dieser Testergebnisse in etwa drei gleich große Gruppen aufgeteilt.

Die Einstufung erfolgte nach mäßi- ger, mittlerer und guter Kognitionslei- stung.

Das Fünftel der Frauen, die eine ho- he Knochendichte aufwies (> 40 dB/

MHz), hatte mehr als dreimal so häu- fig eine gute Kognitionsleistung im Vergleich zu dem Fünftel der Frauen, bei denen eine schlechte Knochen-

dichte (~ 20 dB/MHz) nachgewiesen worden war: 52 Prozent zu 15 Prozent.

Umgekehrt kam bei schlechter Knochendichte eine mäßige Kognition doppelt so oft vor wie bei guter Kno- chendichte: 41 Prozent zu 20 Prozent.

Dieser signifikante Bezug zeigte sich für alle Altersgruppen, auch bei den über 85-Jährigen, die mehr als ein Drittel des Gesamtkollektives aus- machten. Dort hatten jene mit hoher Knochendichte sogar viermal häufiger gute kognitive Leistungen als jene mit schlechter Knochendichte (47 Prozent zu 11 Prozent).

Darüber hinaus wurden bei einem Eintritt der Menopause bis zum 45. Le-

bensjahr doppelt so oft wie bei einer Menopause nach dem 50. Lebensjahr (37 Prozent zu 16 Prozent) mäßige ko- gnitive Leistungen verzeichnet.

Der Autor folgert, dass ein langes Östrogen-Defizit postmenopausal nicht nur für das Knochensystem ungünstig ist, sondern auch zur Gehirnleistungs- minderung bis zum Alzheimerrisiko

führen kann. wne

Wenderlein JM, Hengstler S: Knochendichte mit Bezug zur kognitiven Leistung im Alter. Ztsch Geburtshilfe und Frauenheilkunde 2002; 62: 30–36.

Prof. Dr. med. Matthias Wenderlein, Universitätsfrau- enklinik und Poliklinik, Prittwitzstraße 43, 89075 Ulm

Kognitionsleistung

im Alter anhand von Knochendichte bei Frauen prognostizierbar?

Referiert

Referenzen

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