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Archiv "AIDS: Erfahrungen in den USA" (21.01.1988)

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D. Q Erfahrungen

NA. in den USA

Ergebnisse einer Studienreise

P. Erwin Odenbach

AIDS ist in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht nur früher als in Europa aufgetreten, erkannt und diskutiert worden, sondern zu einem Problem geworden, das weit über medizinisch-ärztliches Interesse hinaus die Allgemeinheit betrifft, mit Sorgen erfüllt und vor große Aufgaben stellt. Auch wenn in Europa und in der Bun- desrepublik Deutschland im besonderen Prävention und For- schung zur Bekämpfung dieser bisher tödlichen Krankheit öf- fentlich gefördert werden, ist es doch wichtig, über die rein me- dizinisch-wissenschaftlichen Probleme hinaus darüber zu infor- mieren, wie man gegenwärtig in den USA der Erkrankung, ihrer weiteren Ausbreitung und ihren Folgen zu begegnen versucht.

AI

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KTUELLE MEDIZIN

I

n der Bundesrepublik befaßten sich gegen Ende des vergange- nen Jahres mehrere Gremien mit zum Teil unterschiedlicher Aufgabenstellung mit AIDS (Rei- henfolge nach Dauer des Beste- hens):

1. der Nationale AIDS-Beirat beim Bundesministerium für Jugend, Fa- milie, Frauen und Gesundheit 2. der Arbeitskreis AIDS des Wis- senschaftlichen Beirats der Bundes- ärztekammer

3. die AIDS-Enquete Kommission des Deutschen Bundestages

4. die Arbeitsgruppe AIDS der Deutschen Krankenhaus-Gesell- schaft

Die beiden letztgenannten ha- ben Empfehlungen für die Ärzte- schaft und die Krankenhäuser erar- beitet, die unmittelbar vor der Ver- öffentlichung stehen. Vertreter der AIDS-Enquete-Kommission des Bundestages, der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft, der Bundesärz- tekammer, der Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Ge- sundheit sowie Arbeit und Soziales, ferner von Länderministerien (Nie- dersachsen und Bayern) und des Deutschen Ärzteblattes sowie Ärz- tinnen und Ärzte, die an besonders mit AIDS befaßten klinischen Ein- richtungen tätig sind, unternahmen vom 6. bis zum 19. Dezember 1987

eine Studienreise in die Vereinigten Staaten: „AIDS: The Disease and its Management — The Actual State in the USA". Initiative, Planung und organisatorische Verantwortung auf deutscher Seite hatte die Abtei- lung Fortbildung und Wissenschaft der Bundesärztekammer

Aus fünf Jahren Entwicklung lernen

Die Studienreise wollte den zeit- lichen Vorlauf der Entwicklung von AIDS in den Vereinigten Staaten von etwa fünf Jahren nutzen, um

— aus den amerikanischen Erfahrun- gen lernend — entsprechende Mängel bei uns möglichst zu vermeiden oder aber bestimmte Probleme recht- zeitig voraussehen und geeignete Maßnahmen treffen zu können. Die Reise sollte darüber hinaus den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit zu intensiven Kon- takten und Meinungsaustausch un- tereinander bieten und so dazu bei- tragen, zu viele gegenläufige öffentliche Äußerungen und damit vermeidbare Unsicherheiten in der Allgemeinheit zu verhindern und zu einer sachlichen, dem Ernst der La- ge und dem Schicksal der Betroffe- nen angemessenen Information bei- zutragen.

Nach

Nach längeren Vorbereitungen reiste eine Gruppe von Mit- gliedern der AIDS-Enquäe- Kommission des Deutschen Bundestages, von Angehöri- gen verschiedener Ministerien, Vertretern der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Bundesärztekammer, von Kli- nikern, Virologen und Journa- listen für eine Woche nach Ka- lifornien, um sich mit den ak- tuellen Problemen von AIDS, wie sie derzeit in den USA be- stehen, vertraut zu machen.

Von deutscher Seite wurde die Reise von der Bundesärzte- kammer (Leiter der Abteilung Wissenschaft und Fortbildung, Dr. P. Erwin Odenbach), von amerikanischer Seite vom An- nenberg Center for Health Sciences im Eisenhower Medi- cal Center (Vice President Dr.

Th. F. Zimmermann, Assi- stant of Vice President Dr. Ph.

Kokemuller, Director of Con- ference Services, Miss G. Cou- ry, B. A.) in Rancho Mirage bei Palm Springs mustergültig vorbereitet. Als Vorteil oder als Nachteil mag man ansehen, daß das Basiswissen der deut- schen Teilnehmer recht inho- mogen war. Besonders wichtig waren in Ergänzung der prak- tischen Erkenntnisse die direk- ten Kontakte und der lebhafte Meinungsaustausch mit Ärzten und Patienten im Annenberg Center sowie im San Francisco General Hospital. Das Annen- berg Center hatte zudem aus anderen amerikanischen Zen- tren führende Vertreter zu Vorträgen und zu Diskussio- nen mit den Reiseteilnehmern eingeladen. DÄ

Die vom ehemaligen amerikani- schen Botschafter in Großbritan- nien, Walter H. Annenberg, ins Le- ben gerufene „Annenberg Founda- tion" hat in Rancho Mirage bei Palm Springs im Rahmen des Kom- plex „Eisenhower Memorial Hospi- tal" das „Annenberg Center for Health Sciences" geschaffen, das 85, Heft 3, 21. Januar 1988 (27) A-75 Dt. Ärztebl.

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wir schon vor drei Jahren als heraus- ragendes Vorbild ärztlicher Fortbil- dungsmöglichkeiten kennengelernt hatten. Die großzügige Förderung durch das Annenberg Center aber auch durch die American Medical Association und das Bundesministe- rium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit hat die jetzige Stu- dienreise ermöglicht; das Programm konnte aufgrund unserer Vorstellun- gen vom Annenberg Center mit ei- ner großen Zahl kompetenter Refe- rentinnen und Referenten hervorra- gend organisiert und ausgezeichnet realisiert werden.

Am Ende des dichtgedrängten Programms hatte der Autor als In- itiant der Reise in San Francisco am 12. Dezember einige Eindrücke als Schlußfolgerungen zusammenge- faßt, die jedoch weder als vollstän- dig noch als offiziell angesehen wer- den sollten. Auffallend sind:

• Der große Unterschied zwi- schen den einzelnen amerikanischen Bundesstaaten, was die große Zahl von Gesetzentwürfen und aktuellen Verfahrensweisen angeht.

• Der große Unterschied der Methoden, mit denen man AIDS zu begegnen sucht, sogar im selben Staat, wie dies in Kalifornien bei- spielsweise einerseits in Los Angeles und andererseits in San Francisco gesehen wurde.

• Der sehr hohe Anteil der Homosexuellen an der Bevölkerung in San Francisco (20 bis 25 Prozent), Palm Springs und seinen Nachbar- orten.

• Der Unterschied im Versi- cherungsschutz zwischen der wei- ßen, zumeist der Mittelklasse ange- hörenden homosexuellen Bevölke- rung und den Drogenabhängigen, Farbigen sowie der hispanischen Be- völkerung und damit

• ein Mangel an sozialer Si- cherheit (Krankenversicherung).

• Der Unterschied in der Krankenhausverweildauer (sowohl zur Bundesrepublik als auch zu ein- zelnen amerikanischen Städten) bei AIDS-Patienten, insgesamt die Ten- denz zur ambulanten Behandlung und Verkürzung der Krankenhaus- behandlung, sogar in der terminalen Periode. Diese Tendenz ist nicht nur Folge der Kosten, sondern beruht

auch auf humanitären Gründen, das Leben so lange wie möglich zu Hau- se zu erlauben.

• Die wichtige Hilfe durch Freiwillige, um die ambulante Be- handlung bis zum Lebensende zu ge- währleisten.

• Die wichtige Rolle der Pri- vatinitiative in der Hilfe und im Auf- bringen von finanziellen Mitteln.

• Die bestehenden personellen Möglichkeiten, die ambulante Ver- sorgung auch auf dem rein ärztlichen und pflegerischen Gebiet zu leisten.

• Die Schwierigkeiten für sol- che Gruppen, die nicht durch Versi- cherung in der ambulanten Behand- lung geschützt sind.

• Die Zusammenarbeit der Homosexuellen-Gemeinschaft mit den verschiedenen Einrichtungen der Gesundheitsversorgung und al- len denen, die auf diesem Gebiet tä- tig sind, unabhängig von den großen Unterschieden in den verschiedenen Städten.

• Die Ergebnisse von Informa- tion und Aufklärung, die bei be- trächtlichen Teilen der Homosexuel- len die Lebensweise geändert ha- ben.

• Gleichzeitig aber der Mangel an Spendenbereitschaft für das AIDS-Hilfe-Programm in Palm Springs und den benachbarten Or- ten, obwohl dort der zweitgrößte Anteil an Homosexuellen in den Vereinigten Staaten bei einer gutsi- tuierten, sogar reichen Bevölkerung lebt, die sehr viel für andere Aufga- ben öffentlichen Interesses spendet.

• Auf dem medizinischen Ge- biet: Der Rückgang des Kaposi-Sar- koms , der hohe Anteil von Patien- ten, die an AIDS-related Complex erkrankt sind.

Schlußfolgerungen für die Bundesrepublik

Zurückgekehrt in die Bundesre- publik, kann der Autor nur empfeh- len, die ambulante ärztliche und pflegerische Versorgung auch mani- fest an AIDS erkrankter Patienten zu fördern und nach amerikani- schem Vorbild schon jetzt im Hin- blick auf die zu erwartende Zunah- me der Zahl entsprechender Kran-

ker — nicht nur um Krankenhausam- bulanzen und Krankenhausärzte zu entlasten — Patienten so lange wie ir- gend möglich die Chance zu bieten, in dem ihnen vertrauten Milieu zu leben.

Dazu ist breite Zusammenarbeit notwendig, zu der Kontakte mit ent- sprechenden Selbsthilfegruppen her- beigeführt und die pflegerischen Voraussetzungen für solche häus- liche Betreuung gewährleistet wer- den müssen. Auch wenn in der Bun- desrepublik der einzelne Patient nicht die finanziellen Probleme zu bewältigen haben wird wie in den Vereinigten Staaten, wird sich unse- re Gesellschaft über das Wachsen der Kosten für die AIDS-Behand- lung klar werden müssen, aber auch über die Möglichkeiten freiwilliger Hilfe, privater Förderung und der Zusammenarbeit.

Prävention durch stabile Part- nerschaft und Vermeidung von Pro- miskuität sind ebenso zu raten wie die Empfehlungen zu Kondomen.

Die Zahlen der Centers for Dis- ease Control (Atlanta) sind nicht nur wissenschaftlich, sondern allge- mein alarmierend: bis zum 15. Okto- ber 1987 waren in den USA 46 100 AIDS-Fälle bekannt geworden, da- von sind 26 200 verstorben; HIV-po- sitiv waren 1,0 bis 1,5 Millionen. Für 1991 rechnen CDC mit 270 000 AIDS-Patienten und 178 000 AIDS- Verstorbenen.

Die Ergebnisse dieser Reise sollten Grundlage zur Auslösung verstärkter Zusammenarbeit zwi- schen den verschiedenen verant- wortlichen und betroffenen Einrich- tungen sein, so des Bundesparla- ments, der Bundesregierung, der Länderregierungen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft (mit den betroffenen Berufsgruppen) und der Ärzteschaft sowie der Presse. Wenn das erreicht werden könnte, wäre das über die ärztliche Fortbildung hinaus ein Erfolg dieser USA-Stu- dienreise.

Dr. med. P. Erwin Odenbach Leiter der Abteilung

Wissenschaft und Fortbildung der Bundesärztekammer Herbert-Lewin-Straße 1 5000 Köln 41 (Lindenthal) A-76 (28) Dt. Ärztebl. 85, Heft 3, 21. Januar 1988

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