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Archiv "Wirtschaftlichkeit des ambulanten Operierens: Ein Nachtrag zum „Fünf-Milliarden-Ding „" (17.01.1980)

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Wirtschaftlichkeit

des ambulanten Operierens

Ein Nachtrag zum "Fünf-Milliarden-Ding"

Kurt K. Fritz

Ob Einsparungen in der von Kurt Hoehle angenommenen Höhe durch ambulantes Operieren in absehbarer Zeit zu erzielen sind, mag bezweifelt werden. Sicher aber ist es verdienst- voll, mit dem Paukenschlag vom

"Fünf-Milliarden-Ding" (Hoehle) auf Möglichkeiten der Kostenminde- rung im Gesundheitswesen hinge- wiesen zu haben, zumal diese mit den Pflegesatzerhöhungen jedes Jahr ein Stück größer werden.

Welche Beträge zur Disposition ste- hen, wenn die übliche Grenze zwi- schen stationärer und ambulanter Behandlung zugunsten des ambu- lanten Operierens oder kurzer post- operativer Liegezeiten verschoben wird. wurde schon früher verschie- dentlich für einzelne Patientengrup- pen errechnet (Horst Bourmer, Kurt K. Fritz, Kurt Hoehle, Matzker). Sol- chen Rechnungen wird entgegenge- halten, daß darin die Kosten der Nachbehandlung nicht ausreichend berücksichtigt werden. Außerdem sei ambulantes Operieren unter dem Gesichtspunkt der Einsparung nur bei einem gleichzeitigen Bettenab- bau interessant, da sonst zu den ho- hen festen Kosten für das leerste- hende Bett die ambulanten Leistun- gen hinzukämen und damit die Ge- samtausgaben steigen würden.

Um festzustellen, inwieweit diese Gegenargumente richtig sind, wur- de gemeinsam mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Heilbronn untersucht, wie teuer ambulante Operationen beziehungsweise sta- tionäre Kurzbehandlungen sind, wenn alle Kosten beim operierenden

Arzt und beim Hausarzt sowie alle Verordnungskosten berücksichtigt werden.

Edaßt wurden dabei von der Kran- kenkasse alle Leistungen für 70 am- bulant im herkömmlichen Sinn ope- rierte Fälle (20 Kinderhernien, 25 Phimosen bei Kindern und 25 gutar- tige Mammatumoren) und 66 kurzfri- stig stationär behandelte Fälle mit den gleichen Diagnosen. Der durch- schnittliche Krankenhausaufenthalt betrug dabei für die Hernien 3,56 Berechnungstage, für die Phimosen 3,07 und für die Mammatumoren 1,12 Berechnungstage.

Kostenanalyse

..,. Die Analyse der ambulanten Fälle ergibt Schwankungen sowohl bei den Gesamtkosten als auch bei den einzelnen Kostenfaktoren: So liegen bei den ambulant operierten Her- nien die Gesamtkosten zwischen 163,35 DM und 311 ,47 DM, die Ko- sten beim Hausarzt zwischen 143,10 DM und 4,77 DM, im Durchschnitt bei 20,99 DM, die Verordnungs- kosten lagen zwischen 14,83 DM und 48,18 DM, im Durchschnitt bei 27,52 DM.

..,. Bei den Phimosen schwankten die Gesamtkosten zwischen 96,65 DM und 221,99 DM. Hier war der Höchstwert durch einen Fall mit postoperativer Harnsperre bedingt.

Die Hausarztkosten stiegen dadurch von einem durchschnittlichen Wert von 11,73 DM auf 83,95 DM. Die Ver- ordnungskosten lagen zwischen

Aufsätze ·Notizen

FORUM

Gemeinsam mit der Allgemei- nen Qrtskrankenkasse (AOK) Heilbronn durchgeführte Un- tersuchungen haben ergeben, daß ambulant durchgeführte Operationen krankenhausüb- licher Fälle Einsparungen selbst dann erzielen können. wenn die Festkosten für leer- stehende Betten auf der Aus- gabenseite der Krankenhäu- ser mit berücksichtigt werden.

Um einen realistischen Über- blick über die insgesamt er- zielbaren Ersparnisse zu be- kommen, muß der Aktionsbe- reich des ambulanten Operie- rens noch durch exakte Analy- sen genauer abgegrenzt wer- den. Für ambulant operieren- de Krankenhäuser und nieder- gelassene Ärzte werden Ko- sten nachgewiesen, die eine Abdeckung dieses Aufwandes notwendig machen. Der Bei- trag ergänzt die grundsätzli- chen Ausführungen von Dr.

med. Kurt Hoehle zu diesem aktuellen Thema (DEUT- SCHES ÄRZTEBLATT Heft 29/

1979. Seite 1915 ff. und Heft 43/1979, Seite 2841 ff.).

14,83 DM und 48,18 DM, im Dur.:rl- schnitt bei 27,52 DM.

..,. Die ambulant operierten Patien- tinnen mit Mammatumoren verur- sachten Kosten zwischen 96,16 DM und 242,21 DM. Für die Behandlung beim Hausarzt mußten durchschnitt- lich 18,26 DM aufgebracht werden, für Arzneimittel 15,35 DM.

Bei den stationär operierten Fällen sind Kostenunterschiede vor allem durch die unterschiedliche Jauer des Krankenhausaufenthaltes be- dingt, der bei den Hernien und Phi- mosen zwischen einem und fünf Be- rechnungstagen lag. Die Dauer wur- de dabei von der Möglichkeit der häuslichen Versorgung und den Wünschen der Eitern mit abhängig gemacht. Patientinnen mit Mamma- tumoren wurden bis auf eine nach sechs- bis achtstündiger Unterbrin-

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 3 vom 17. Januar 1980 141

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Aufsätze • Notizen

Wirtschaftlichkeit des ambulanten Operierens

gung auf der Station noch am Ope- rationstag entlassen.

Die Durchschnittskosten für haus- ärztliche Behandlung und für ärztli- che Verordnungen weichen von de- nen der ambulanten Behandlung nicht gravierend ab. Sie betrugen bei den Hernien 14,70 DM bezie- hungsweise 11,51 DM, bei den Phi- mosen 3,75 DM und 24,26 DM und bei den Mammatumoren 9,07 DM und 5,10 DM.

Zum Vergleich wurden die Kosten einer stationären Behandlung auf der Basis des durchschnittlichen Krankenhausaufenthaltes nach der Statistik des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen, Bonn-Bad Go- desberg, (13,5 Tage für Kinderher- nien, 9,5 Tage für Phimosen und 11,55 Tage für gutartige Mamma- tumoren) und der durchschnittliche Pflegesatz in Baden-Württemberg von 155,28 DM im Jahre 1977 er- rechnet.

Die Tabelle lzeigt das Ergebnis die- ses Kostenvergleiches. Danach sind auch bei Berücksichtigung aller Zu- satzkosten ambulante Operationen für die Kassen um ein Vielfaches ko- stengünstiger als eine stationäre Be- handlung.

Aber auch wenn durch die ambulan- te Operation ein Bett leer bleibt, wird eingespart. Es ergibt sich dann für eine Kinderhernie folgende Rech-

nung: die Festkosten (75 Prozent des Pflegesatzes) betragen für das leere Bett in 13,5 Tagen 1572 DM, die Vollkosten für das belegte Bett in der gleichen Zeit 2096 DM. Die Diffe- renz macht mit 524 DM fast das Zweieinhalbfache der Kosten aus, die bei ambulanter Behandlung ent- stehen. Bei den Phimosen und Mam- matumoren beträgt diese Diffe- renz sogar mehr als das Dreifache (373 DM beziehungsweise 448 DM).

Diese Einsparung trotz leerstehen- der Betten ermöglicht es, ohne zu- sätzliche Kosten die Zeit zu über- brücken, die zwischen der Intensi- vierung des ambulanten Operierens und dem Abbau oder Umstrukturie- rung überzählig gewordener Kran- kenbetten liegen würde. Es ist selbstverständlich, daß die Höhe des Betrages, der durch diese Verschie- bung insgesamt eingespart werden kann, abhängt von der Zahl der Ein- griffe, die aus dem stationären in den ambulanten Bereich verlagert werden können. Aber gerade in die- sem entscheidenden Punkt hört beim gegenwärtigen Erkenntnis- stand die Möglichkeit auf, mit festen Daten zu rechnen.

Erfahrungen in der Kinderchirurgie Einen gut abgegrenzten und durch umfangreiche Erfahrungen gesi- cherten Katalog möglicher ambulan- ter Operationen gibt es in der Kin-

derchirurgie. Den von Hoehle ange- gebenen Stichwortkatalog wird man wohl zunächst noch da und dort mit Fragezeichen versehen müssen, zu- mindest solange man nicht weiß, welche der darin angegebenen Ein- griffe zur Zeit in nennenswerter Zahl ambulant ausgeführt werden.

An Hand der Abrechnungsunterla- gen der Kassenärztlichen Vereini- gung sollten diese wichtigen Anga- ben zu ermitteln sein, um den der- zeitigen Stand des ambulanten Ope- rierens -differenziert zu beurteilen.

Sie würden die Zusammenstellung eines realistischen Operationskata- loges ermöglichen.

Wesentlich schwieriger wird es, die Zahl derjenigen Operationen zu er- mitteln, die unter einen solchen Ka- talog fallen, aber stationär behan- delt werden.

Das Krankheitsarten-Profilblatt des Bundesverbandes der Ortskranken- kassen, das die Krankenhausfälle nach dem ICD-Schlüssel aufgliedert, reicht dafür nicht aus, weil daraus nicht hervorgeht, ob konservativ oder operativ behandelt wurde. Da- zu ist als Zusatzinformation bei allen Operationsfällen die Angabe der Operationsart nach der Leistungszif- fer der Gebührenordnung erforder- lich. Daß diese Information schon lange zur Erstellung von Bedarfsplä- nen eines gegliederten Kranken- haussystems notwendig gewesen wäre, steht außer Frage!

Mangelnde Bereitschaft, sich ambu- lant operieren zu lassen, schlechte häusliche Verhältnisse und Neben- erkrankungen reduzieren sicher letzten Endes die Zahl der tatsäch- lich ambulant durchführbaren Ein- griffe. Aber die mögliche Einspa- rung von jeweils 10 Millionen DM Krankenhauskosten und 230 Kran- kenbetten (mit Investitionskosten von rund 50 Millionen DM) durch die ambulante Operation von 5500 Kin- derhernien oder 4400 Hernien bei Erwachsenen sollte in der gegen- wärtigen Situation für Gesundheits- politiker ein ausreichender Grund sein, die aufgezeigten Probleme zu klären.

Tabelle 1: Kostenvergleich ambulanter und stationärer Operationen Kosten Gesamte Fallkosten bei Stationäre Behandlungskosten je ambu- stationärer (berechnet nach Durch- Operation lanter Kurz- schnittswerten der Verweil-

Behandlung behandlung dauer und der Pflegesätze) Hernien 211,44 DM 613,85 DM 2096,28 DM (Kinder)

Phimosen 116,44 DM 501,12 DM 1490,69 DM (Kinder)

gutartige 137,00 DM 285,16 DM 1793,48 DM Mamma-

tumoren

142 Heft 3 vom 17. Januar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Aufsätze • Notizen

Wirtschaftlichkeit des ambulanten Operierens

Die Politiker sind auch gefordert bei der Suche nach Lösungen zur Ver- besserung der wirtschaftlichen Si- tuation von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten, die bereit sind, krankenhausübliche Operatio- nen in größerem Umfang ambulant durchzuführen.

Für das Krankenhaus werden die an- fallenden Ausgaben am Beispiel der Operation eines kindlichen Leisten- bruches dargelegt, wobei nach dem Vorschlag des Marburger Bundes (MB) fünf Kostenkategorien unter- schieden werden: 1. Unterkunft und Verpflegung, 2. ärztliche Leistun- gen, 3. pflegerische Leistungen, 4.

Sachkosten, 5. Kosten der Vorhal- tung.

Das erforderliche Ärzteteam setzt sich zusammen aus einem Opera- teur (TOA I), einem Anästhesisten (TOA la), zwei Assistenten (TOA II), zwei Operationsschwestern (KR V, davon eine als „unsterile Helferin), einer Anästhesieschwester (KR V) und einer Putzfrau für die Zwischen- reinigung. Der Zeitaufwand für Vor- bereitung des Operationssaales, nachträgliche Reinigungs- und Ste- rilisationsarbeiten (2 Schwestern, 1 Putzkraft) wird bei einem Opera- tionsprogramm von fünf Stunden mit zwei Stunden angenommen und anteilig berechnet.

Eine postoperative Überwachung in einem Aufwachraum ist für durch- schnittlich mindestens vier Stunden notwendig, wobei eine Schwester (KR V) zwei Kinder betreut. Unter diesen Voraussetzungen ergibt sich folgende Berechnung:

1. Unterbringung und Verpflegung:

Arbeitszeit für Über- ziehen eines Bettes im Aufwachraum, Reinigung der Bett- wäsche und Raumrei-

nigung etwa 5,00 DM 2. Ärztliche Leistungen

nach Tarif: 74,67 DM 3. Pflegerische Leistun-

gen (nichtärztliches Operationspersonal

und Schwester im Aufwachraum) nach

Tarif: 85,67 DM 4. Sachleistungen (Nar-

kosemittel, Nahtma- terial, Abdeckfolie, sonstiges Ver- brauchsmaterial, Rei- nigung der OP-Wä- sche) errechnet nach dem eigenen Ver-

brauch: 33,50 DM

Summe: 198,84 DM

Unter den Kosten der Vorhaltung (5) sind neben den Investitionskosten eigentlich noch die Kosten eines Be- reitschaftsdienstes rund um die Uhr für eventuelle Zwischenfälle anteilig zu berücksichtigen, so daß die er- rechneten 198,84 DM den Minimal- betrag darstellen, der dem Kranken- haus ersetzt werden muß.

Dies ist möglich, indem man einer Klinik, die ambulant operiert oder operierte Patienten nur kurz statio- när behält, einen gegenüber dem Durchschnitt besseren Stellenplan und höhere Sachkosten zubil- ligt. Dies würde im Endeffekt zu ei- ner Erhöhung der Pflegesätze füh- ren.

Die Voraussetzung für eine solche Lösung ist, daß die Kassen bei Pfle- gesatzverhandlungen mit solchen Kliniken auch die Zahl und die Grö- ßenordnung erbrachter Leistungen berücksichtigen und nicht nur die Bettenausnützung (eine Regelung, die man sich auch bei der Novellie- rung des Krankenhaus-Finanzie- rungsgesetzes wünschen würde, und wie sie offenbar in der Schweiz durch die Einführung einer „Tax- punkt-Tabelle" vorbereitet wird).

Die andere Möglichkeit ist, einen an- gemessenen zusätzlichen Betrag pro ambulanten Operationsfall zu erstatten, aus dem dann die Zusatz- kosten bestritten werden.

Die Kosten in freier Praxis, wo selbstverständlich unter Bedingun- gen operiert werden muß, die mit den Sicherheitsbedingungen der kli-

nischen Operation identisch sind, fallen in den Posten 1, 3 und 4 mit 112,70 DM die gleichen Beträge an wie im Krankenhaus. Sie entspre- chen 57,9 Prozent des Arzthonorars, das sich aus den Ziffern 460, 3285 und 13 zusammensetzt, wenn mit nur einer ärztlichen Assistenz gear- beitet wird. Den drei beteiligten Ärz- ten verbleiben danach 81,43 DM. Die Investitionen sind daraus nicht zu decken.

Zusätzliche Gebührenziffer

Soll ambulantes Operieren in ver- mehrtem Umfang für niedergelasse- ne Ärzte wirtschaftlich tragbar sein, so ist ein Kostenersatz durch eine zusätzliche Gebührenziffer notwen- dig. Als Untergrenze vorstellbar ist dabei eine ähnliche Regelung wie in der Schweiz, wo für bestimmte am- bulante Operationen ein dreißigpro- zentiger Kostenersatz gewährt wird.

Der notwendige Ausgleich zwischen den Ersparnissen bei den Kassen und der Belastung der ambulant operierenden Einrichtungen min- dert zwar die tatsächlich erzielbaren Einsparungen, die im ersten Teil der Arbeit durchgeführten Berechnun- gen lassen aber für diesen Ausgleich einen ausreichenden Spielraum, auch schon vor einem eventuellen Bettenabbau.

Die Feststellung, daß eine echte Ko- stenentlastung der Kassen eintritt, noch ehe es zu einem Bettenabbau kommt, ist wichtig, weil die Zusatz- gebühr für ambulante Operationen ähnlich wie das Honorar für Vorsor- geuntersuchungen nicht in das son- stige Kassenhonorar einbezogen werden darf. Es besteht sonst die Gefahr, daß der durchschnittliche Fallwert um mehr als sechs Prozent ansteigt und es damit zu Honorarab- strichen bei allen Arztgruppen kommt, die einer Ausweitung des ambulanten Operierens bestimmt nicht förderlich wären.

Natürlich sind medizinische und psychologische Fragen bei der Ent- scheidung für oder gegen ambulan-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 3 vom 17. Januar 1980

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(4)

Ambulantes Operieren

tes Operieren vorrangig vor der Wirt- schaftlichkeit. Sie sind hier bewußt ausgeklammert worden, weil sie in der Literatur mehrfach besprochen und zuletzt bei dem Symposion des Hartmannbundes über ambulantes Operieren in Mainz am 26./27. Janu- ar 1979 diskutiert wurden. Danach scheint ein weitgehender Konsens zu bestehen, den Staatssekretär Werner Chory vom niedersächsi- schen Sozialministerium mit dem Satz „soviel ambulant wie möglich und soviel stationär wie nötig" defi- niert hat.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Kurt K. Fritz Chirurg

Chirurgische Privatklinik Dr. Fritz- Dr. Glöckner

Pestalozzistraße 19-21 7100 Heilbronn

ZITAT

Partner des Patienten

„Der Arzt ist immer Partner des Patienten, und der Pa- tient muß sicher sein, daß nicht jede Intimität, die in der Patient-Arzt-Beziehung dem Arzt bekannt wird, an für ihn gar nicht erkenntli- che Stellen weiter gemeldet wird. Dies würde das Ver- trauensverhältnis empfind- lich stören und könnte dazu führen, daß der Patient aus Angst vor derartigen Mel- dungen einen dringend not- wendigen Arztbesuch über- haupt unterläßt und damit wertvoller Zeitraum, der für die Behandlung nötig ist, nutzlos verstreicht."

Dr. med. Karsten Vilmar, Prä- sident der Bundesärztekam- mer und des Deutschen Ärz- tetages, in einem Interview mit dem Westdeutschen Rundfunk, Zweites Hörfunk- programm, am 14. Dezember 1979

FORUM

Kostenexplosion verstärkt

Wie die Vorstudien ergeben haben, wird durch die Einführung des Versi- chertenausweises in Form einer

„Scheckkarte" eher eine Kostenstei- gerung erwartet. Auch werden Miß- bräuche bei Austritt aus der Kran- kenkasse als möglich erachtet. Ein weiteres Argument wurde im Ver- gleich zum Euroscheck vorge- bracht, der nur bei entsprechender Deckung eingelöst werden kann.

Gerade letzteres ist in der Praxis nicht immer der Fall, man denke an Kredite bei einer Bank. Aus meiner Sicht liegt das Übel auch an den Krankenkassen, die den Patienten zum „Gesundheitskonsum" direkt nötigen („Wir wollen, daß Sie ge- sund bleiben" — Zitat einer Rekla- me). Wenn dann die Kassen, beson- ders die Ortskrankenkassen ihre Lei- stungsfähigkeit demonstrieren sol- len, dann versucht man es über Re- greßforderungen beim Arzt. Ver- schreibt dieser ein Mittel nicht, um solchen Forderungen zu entgehen, fällt ihm die Krankenkasse wieder- um in den Rücken, wenn sich ein Patient bei der Krankenkasse be- schwert, der Arzt verschreibe das Medikament nicht. Und das, obwohl die Krankenkassen eigentlich ver- pflichtet sind, auf ihre Mitglieder einzuwirken, daß die Leistungen nicht über Gebühr in Anspruch ge- nommen werden.

Ein weiterer Gesichtspunkt im Rah- men des Versichertenausweises wä- re zu erwägen: Ein Patient, der durch „Ausspielen" von Ärzten un- nötige Doppeluntersuchungen ver- ursacht, sollte von der Krankenkas- se „regreßpflichtig" gemacht wer- den.

Nikotin und Alkohol sollten erhöht besteuert, der Steuermehrerlös den Krankenkassen zugeführt werden.

Dasselbe gilt für Rauschgiftdelikte.

Die ertappten Rauschgifthändler sollten mit drakonischen Geldstra- fen und Freiheitsentzug „bedacht"

werden. Was die mißbräuchliche An- wendung der Versicherungsauswei- se angeht, müßte man eben auch dieselben Konsequenzen wie bei Scheckbetrug ziehen. Gerade die zuletzt aufgeführten Maßnahmen sind „unpopulär", daher werden sie wohl nicht ausgeführt werden. Die

„Kostenexplosion" wird — nicht nur infolge eines Versicherungsauswei- ses — weitergehen. Die Zeche müs- sen letztendlich aber wir zahlen, das heißt: wir Ärzte!

Dr. med. Pohle praktischer Arzt Marktstraße 4 7129 Brackenheim

Bürokratisierung der Praxis

Gegen die Versicherten-,,Scheck- karte" habe ich erhebliche Beden- ken, weil die Bürokratisierung in der Praxis noch weiter zunehmen wird.

Ein Rationalisierungseffekt wird mit Sicherheit nicht erreicht werden.

Dies wird jeder Kollege bestätigen können, der schon mit einem „Adre- ma"-System arbeitet oder—wie ich — gearbeitet hat, und es aber aus Ra- tionalisierungsgründen wieder auf- gegeben hat.

Allein die Erstellung der „Adrema"

stellt einen enormen Arbeitsauf- wand dar. Dieser wäre zu verkraften, wenn es sich um eine einmalige An-

Das Schicksal

des Versichertenausweises ist noch ungewiß

Zu dem Aufsatz von Oberamtsrat Horst Piepersberg in Heft 45/1979, Seite 2976 ff.

144 Heft 3 vom 17. Januar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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