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Archiv "UN-Behindertenrechtskonvention: Eine Lebenswelt für alle" (09.04.2010)

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A 640 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 14

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9. April 2010

UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION

Eine Lebenswelt für alle

„Inklusion“ statt lediglich „Integration“ sieht im Kern das seit März 2009 geltende Übereinkommen

der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vor.

E

s kommt Bewegung in die deutsche Behindertenpolitik.

Den Anstoß lieferte die UN-Behin- dertenrechtskonvention, die seit ge- nau einem Jahr gilt und Behinde- rung als normalen Bestandteil des menschlichen Lebens und als Be- reicherung der Vielfalt der Gesell- schaft verstanden wissen will. Mitt- lerweile wird um die richtige Um- setzung der Konvention regelrecht gestritten. Partei ergriff am 25.

März auch Horst Köhler, der Vater einer blinden Tochter ist. Zum ers- ten Mal besuchte ein Bundespräsi- dent den Jahresempfang des Beauf- tragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen.

Köhler stellte sich dabei klar hin- ter das Anliegen des seit Anfang des Jahres amtierenden Behindertenbe- auftragten Hubert Hüppe (CDU):

Einbeziehung von Behinderten in die allgemeine Lebenswelt – und zwar von Kindesbeinen an (vgl.

DÄ-Interview mit Hubert Hüppe, Heft 8/2010). Behinderte Kinder sollen künftig nicht mehr nahezu ausschließlich Sonder- oder Förder- schulen besuchen, sondern gemein- sam mit nichtbehinderten Schülern an Regelschulen unterrichtet wer- den. Solch eine „Inklusion“ schreibt auch die UN-Resolution vor. Ihre Umsetzung stößt jedoch hierzulan- de gerade bei der gemeinsamen Bil- dung auf Widerstand. Einige Wis- senschaftler, Sonderschullehrer und Eltern fürchten, behinderte Mit- schüler könnten den Lernerfolg von nichtbehinderten Kindern bremsen.

In der Tat gebe es solche Ängste, gerade bei Bildungspolitikern inner- halb der Union, räumte der Behin- dertenbeauftragte ein. Bei der Fach- tagung des Deutschen Gewerk- schaftsbunds (DGB) „Eine Arbeits- welt für alle – Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Arbeitsleben“ am 23. März in Mittendrin:

Inklusive Schulen bieten behinderten und nichtbehin -

derten Kindern die Möglichkeit,

vertraut mit - einander auf - zuwachsen.

Foto: ddp

deshalb beschnitten worden. „Wir brauchen keine Hotline, über die die Leute angerufen und gefragt wer- den, ob sie aufgehört haben zu rau- chen“, sagte Flach.

Gekürzt wurde auch bei den Ausgaben für die Aidsbekämpfung in Zusammenarbeit mit Osteuropa.

Statt den ursprünglich veranschlag- ten 1,5 Millionen Euro stehen dafür nun 1,1 Millionen zur Verfügung.

In Zeiten der offenen Grenzen und der völligen Freizügigkeit sei es nicht möglich, beispielsweise den Sextourismus zu kontrollieren, er- klärte dazu der CSU-Berichterstat- ter für den Gesundheitsetat, Alois Karl. Die bisherigen Maßnahmen in der Ukraine würden zwar fortge- setzt, aber die Mittel nicht erhöht, um die Aufklärungsarbeit auch auf das übrige Osteuropa, auf Afrika und auf Asien auszudehnen. „Er- freulich ist aber, dass wir 25 Mil- lionen Euro entsperren konnten für die Stiftung, die jenen materielle Hilfe zukommen lässt, die vor mehr als 20 Jahren mit HIV infiziert wor- den sind“, ergänzte Karl. Damals waren Tausende Bluter erkrankt, weil ihnen mit Aidserregern ver- seuchtes Blutplasma verabreicht worden war.

Mehr Haushaltsmittel wurden hingegen für die Forschung veran- schlagt. Statt 5,1 Millionen stehen nun 7,1 Millionen Euro zur Verfü- gung. „Zusammen mit dem For- schungs- und dem Wirtschaftsmi- nisterium wollen wir dafür sorgen, unseren Nachholbedarf, zum Bei- spiel bei der Versorgungsforschung, zu beheben“, sagte der CDU-Ge- sundheitsexperte Dr. med. Rolf Ko- schorrek in der Haushaltsdebatte.

Deshalb seien in den Etats der drei Ministerien die entsprechenden Mittel erhöht worden.

Auch für das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stehen mit 55,4 Millionen Euro nun fünf Millionen Euro mehr zur Verfügung als zunächst geplant.

„Das BfArM wird in personeller Hinsicht deutlich gestärkt“, erklärte Alois Karl. Mit dem zusätzlichen Personal könnten jetzt in kürzerer Zeit mehr Arzneimittel getestet

werden. ■

Falk Osterloh

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9. April 2010 A 641 Weg zu einer inklusiven Arbeitswelt.

„Um die UN-Behindertenrechtskon- vention umzusetzen, müssen künftig mehr Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben teilhaben können“, forderte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „Die Konven- tion verlangt gleiche Chancen für Menschen mit und ohne Behinde- rung auf gute, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen.“ Dabei kom- me es darauf an, von vornherein den Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung gleich- berechtigt zu ermöglichen. „Zudem wollen wir, dass für Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern die Beschäftigungsquote der Menschen mit Behinderung wieder von fünf auf sechs Prozent angehoben wird“, sagte Buntenbach.

Erster Arbeitsmarkt statt nur Werkstätten für Behinderte

Dass solche Quoten nicht utopisch sind, verdeutlichten Angestellte von zwei deutschen Großunternehmen.

„Wir haben 13,8 Prozent Schwerbe- hinderte in unserem Betrieb“, be- richtete Helmfried Hauch von der Berliner Stadtreinigung (5 300 Be- schäftigte). Zudem hätten etwa 30 Prozent der Belegschaft gesund- heitliche Probleme, die durch das Angebot von speziellen Projekten aufgefangen würden. So sei in die- sem Jahr das „Deckel-Projekt“ ge- startet, bei dem in ganz Berlin die für Kinder gefahrenträchtigen De- ckel der großen Mülltonnen ausge- tauscht werden. Eingesetzt würden für diese Aufgabe diejenigen Mit - arbeiter, die anderer, körperlich schwerer Tätigkeit (momentan) nicht gewachsen seien.

Ein weiteres positives Beispiel ist das Unternehmen Bosch/Hil - desheim, das im Zuge der Wirt- schaftskrise im vergangenen Jahr 1 000 von 2 500 Arbeitsplätzen in Deutschland abbauen musste. „Mit Hilfe unserer betrieblichen Integra- tionsvereinbarung und des betrieb- lichen Eingliederungs- und Ge- sundheitsmanagements ist es uns gelungen, vielen Arbeitnehmern mit Behinderungen den Verbleib im Unternehmen zu sichern“, berichte- te Gisela Kowalczyk, Schwerbehin- dertenvertreterin bei Bosch.

Um die Beschäftigungschancen zu erhöhen, fordert der DGB von der Bundesregierung ein konkretes, mehrstufiges Maßnahmenbündel.

Dies müsste bereits bei den Kindern und Jugendlichen mit Behinderung ansetzen und „lebenslange Sonder- wege an den Rändern der Gesell- schaft“ vermeiden. Auch sollte der Übergang nach der Förderschule in eine Werkstatt für behinderte Men- schen nicht automatisch erfolgen.

Die Beschäftigungsquote und Aus- gleichsabgabe müssten dem DGB zufolge so gestaltet werden, dass von ihnen ein hoher Anreiz ausge- he, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Ferner dürfe den im- mer wieder laut werdenden Rufen nach einem Abbau der bestehenden Schutzrechte von Menschen mit Behinderung keinesfalls nachgege- ben werden. Notwendig sei ein be- sonderer Kündigungsschutz, der Anspruch auf Zusatzurlaub und der Schutz vor Mehrarbeit, fordert der DGB. Auch berufliche Rehabilitati- on dürfe ferner nicht länger davon abhängig sein, welcher Leistungs- träger zuständig ist.

Konkrete Aktionspläne sollen Wandel bringen

Die UN-Behindertenrechtskonventi- on umfassend in Deutschland mit Leben zu erfüllen, ist nun Aufgabe der Länder und der Bundesregie- rung. Sie will in den nächsten Mona- ten gemeinsam mit dem Bundesbe- hindertenbeauftragten und den Ver- bänden einen konkreten Aktionsplan erstellen. „Wir haben erste positive Signale von der Bundesregierung er- halten und hoffen, noch in diesem Jahr zu Ergebnissen zu kommen“, erklärte Adolf Bauer, Vorsitzender des Sprecherrats des Aktionsbünd- nisses der Behindertenverbände.

Es kommt tatsächlich Bewegung in die deutsche Behindertenpolitik.

Das beweist auch das SPD-regierte Rheinland-Pfalz. Als erstes Bun- desland stellte es einen Aktionsplan zur Umsetzung der Behinderten- rechtskonvention auf Landesebene vor. Er enthält für zehn Handlungs- felder Visionen und Ziele und be- nennt detailliert Maßnahmen zu de-

ren Erreichen. ■

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Berlin bekräftigte er, dass es nicht

darum gehe, einen „Schul-Einheits- brei“ zu schaffen, sondern darum, zunächst zu schauen, welche Fähig- keiten behinderte Kinder hätten.

„Auch nichtbehinderte Kinder profi- tieren von den inklusiven Schulen.

Sie können dort den Umgang mit Behinderten lernen“, erklärte Hüppe.

„Wir müssen weg vom defizitori- entierten Denken und hin zu einer an Menschenrechten orientierten Politik“, betonte auch Dr. Valentin Aichele vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Der Aufbau eines inklusiven Bildungssystems und der Zugang zu einer Regelschule für behinderte Kinder gehöre eben- so dazu wie die Möglichkeit, sich selbstständig einen Arbeitsplatz zu wählen.

Elke Hannack vom Verdi-Bun- desvorstand sieht Deutschland noch weit entfernt davon, die UN-Behin- dertenrechtskonvention zu erfüllen.

„Inklusion“ – wie in der Konvention gefordert – bedeute „Einschluss“

und gehe damit noch über den Be- griff der „Integration“ hinaus, so- wohl im Bildungsbereich als auch im Arbeitsleben. Ab sofort sei eine An- passung der gesamten Gesellschaft verlangt. „Inklusion setzt Barriere- freiheit bei der Einstellung von Men- schen mit Behinderung und der Wei- terbeschäftigung nach Unfällen oder Krankheit voraus. In einer inklusiven Arbeitswelt stehen die Gesundheit und die Bedürfnisse der Menschen im Vordergrund“, betonte sie.

Überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquote

Momentan ist eine gleichberech - tigte berufliche Teilhabe, wie sie die UN-Konvention fordert, in Deutschland jedoch noch nicht ge- währleistet. Die Arbeitslosenquote von Menschen mit schwerer Behin- derung ist seit Jahren überdurch- schnittlich hoch. Im Jahr 2008 be- trug die allgemeine Arbeitslosen- quote 8,7 Prozent, bei Menschen mit schwerer Behinderung hinge- gen 14,6 Prozent. Einmal arbeitslos geworden, ist es zudem für Men- schen mit Behinderung schwieriger, einen neuen Job zu finden.

Die Gewerkschaften drängen des- halb zu ersten Schritten auf dem

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