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Archiv "Zwanzig Jahre Pneumologie Mainz" (22.09.1995)

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Zwanzig Jahre

Pneumologie Mainz

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ie jährliche, inzwischen tra- ditionelle „Pneumologische Fortbildung Mainz" im Uni- versitätsklinikum Mainz unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. R. Ferlinz (in Verbindung mit dem Berufsver- band der Pneumologen Rheinland- Pfalz e. V.) wurde am 6. Mai 1995 zum 19. Mal ausgerichtet. Die Tagung stand aufgrund des in diesem Jahr zu begehenden 20jährigen Jubiläums des selbständigen Lehrstuhls für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumolo- gie an der Universitätsklinik Mainz unter dem Motto „20 Jahre Pneumo- logie Mainz". Kollegen und Kollegin- nen, die sich im Laufe der Zeit habili- tiert haben oder die Grundlagen für ihre Habilitation in anderen Ländern als Humboldt- oder DAAD-Stipen- diaten geschaffen haben, waren einge- laden, über ein Thema ihrer Wahl zu referieren. So entstand ein Programm, das das breite Spektrum der aktuellen Pneumologie widerspiegelte.

Tuberkulose

W Schmidt, Mainz, eröffnete die Tagung mit seinem Referat „Was ist medizinischer Fortschritt? Kritische Anmerkungen zu Diagnostik und Therapie bei Tuberkulose und Bron- chialkarzinomen". Die Tuberkulose war früher in Deutschland und ist weltweit gesehen auch noch heute die meistgefürchtetste Infektionskrank- heit. In Deutschland ist die Inzidenz jedoch auf heute 17,5/100 000 im Ver- gleich zu 200/100 000 im Jahr 1950 zurückgegangen. Auch schon vor der Ära der antituberkulösen Chemothe- rapie, die 1943 ihren Anfang nahm, war ein Rückgang der Tuberkulose zu verzeichnen. Das therapeutische Vor- gehen wurde lange Zeit, auch noch zu Beginn der Ära der Chemotherapie, ganz von der Kollapstherapie (Pneu- molyse, Thorakoplastik) beherrscht.

Als entscheidender Schritt in der Chemotherapie ist dann die Ent- deckung des Rifampicin 1966 und der

Übergang von der sequentiellen Mo- no- zur Kombinationstherapie zu werten. Es wurde die Frage gestellt, inwiefern die Einführung neuer dia- gnostischer Verfahren, wie beispiels- weise der Polymerasekettenreaktion (PCR) vor dem Hintergrund der ho- hen Empfindlichkeit des Verfahrens, das den Nachweis auch nur eines ein- zigen Bakteriums im Untersuchungs- material ermöglicht, wirklich einen Fortschritt im Sinne einer klinischen Relevanz und therapeutischen Kon- sequenz darstellt; dies wird letztlich erst die Zukunft zeigen können.

Bei der Diagnostik des Bronchi- alkarzinoms ist eine entscheidende Erkenntnis die Differenzierung zwi- schen kleinzelligen und nicht kleinzel- ligen Karzinomen. Die Chemothera- pie des kleinzelligen Bronchialkarzi- noms und die damit verbundene Le- bensverlängerung, meist unter völli- ger Symptomfreiheit, ist eindeutig als Fortschritt zu werten. Auch die Ver- besserung der Diagnostik und damit der Stadieneinteilung der Bronchial- karzinome, die zu höheren Heilungs- raten in bestimmten Tumorstadien führt, stellt unzweifelhaft einen großen Gewinn dar.

Resümierend kommt Schmidt zu dem Schluß, daß Fortschritt, nämlich die Bedeutung einer Entdeckung oder Maßnahme, selten der zu erken- nen vermag, der in der Zeit der Ent- deckung lebt, und daß sich sicher auch ein Teil unserer „Wahrheiten" als Irr- tum erweisen wird.

Respiratorische Insuffizienz

V Schulz, Heidelberg-Rohrbach, referierte über die „Respiratorische Insuffizienz — Therapiekonzepte im zeitlichen Wandel". Während man Ende der 60er Jahre noch die Auffas- sung vertrat, daß bei chronisch respi- ratorischer Insuffizienz lediglich eine intermittierende Sauerstoffinsufflati- on zu empfehlen sei, ist heute eine

Sauerstofflangzeittherapie über min- destens 16 Stunden des Tages eta- bliert. Der Ausgleich der arteriellen Hypoxie, die Verbesserung der organ- bezogenen Sauerstoffversorgung, der Abfall des pulmonalarteriellen Druckes und die kardiale Funktions- verbesserung sind mit verlängerter Überlebenszeit bei verbesserter Le- bensqualität und geringerer Hospita- lisierungsfrequenz verbunden. Die häusliche Sauerstoffversorgung ist mit Sauerstoffkonzentratoren und in den letzten Jahren auch mit Flüssig- sauerstoffsystemen möglich.

Der zweite Teil seines Referates galt dem Konzept der intermittieren- den Beatmung, das seit etwa Mitte der 80er Jahre entwickelt wird. Das Kon- zept beruht auf der Erkenntnis elek- tro- und muskelphysiologischer Un- tersuchungen, daß bei Versagen der Atempumpe bei chronisch respirato- rischer Insuffizienz im wesentlichen von einer Ermüdung des Stellgliedes Atemmuskulatur mit den Folgen Hy- poventilation und Hyperkapnie aus- zugehen ist. Es konnte gezeigt wer- den, daß die Entlastung der ermüde- ten Atemmuskulatur durch intermit- tierende nächtliche Beatmung mit ei- ner Erholung der Atemmuskulatur verbunden ist und die Atemarbeit dann im beatmungsfreien Intervall wieder getragen werden kann. Die Fortsetzung des Wechsels von Erho- lung und Belastung führt auch langfristig zur Normoventilation.

Hauptsächliche Indikationsbereiche liegen bei den sehr seltenen primären, das heißt zentralen Hypoventilations- syndromen und den häufigeren sekun- dären Hypoventilationssyndromen, wie zum Beispiel bei muskuloskeletta- len Erkrankungen. Die Verwendung von Nasen- und Gesichtsmasken als nichtinvasivem Beatmungsweg zwi- schen Respirator und Lunge und die damit verbundene Umgehung der Komplikationen von Intubation/Tra- cheostoma (bronchopulmonale Infek- tionen, Blutung, Verlegung der Kanüle etc.) haben zu einem zuneh- A-2488 (58) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 38, 22. September 1995

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MEDIZIN

menden Einsatz der Heimbeatmung geführt. Bei den Patienten mit chroni- scher Bronchitis und chronischer Hy- perkapnie sind die Ergebnisse der in- termittierenden Beatmung nicht ein- heitlich. Studien, aus denen sich eine allgemeine Empfehlung zur Heimbe- atmung auch bei diesen Patienten ab- leiten ließe, stehen aus.

Miliartuberkulose

Frau C. Castillo-Höfer, Temuco (Chile), berichtete über „Aktuelle Probleme der Miliartuberkulose".

Nach Ausführungen über die Patho- genese der Miliartuberkulose wird betont, daß sehr unterschiedliche kli- nische Verläufe, von akut bis chro- nisch, meist jedoch subakut, zu ver- zeichnen sind. Von besonderer Be- deutung ist, daß die Patienten bei schleichendem Krankheitsverlauf mit Fieber und Gewichtsverlust im Durchschnitt erst nach vier bis acht Wochen den Arzt aufsuchen. In etwa 20 bis 30 Prozent der Fälle sind meningitische Zeichen und Hirnner- venlähmungen anzutreffen. Das Röntgenbild der Lungen zeigt in 80 bis 90 Prozent die typische miliare Zeichnung. Schwierigkeiten bereitet häufig die bakteriologische Diagnose- sicherung, da im Sputum nur in 33 Prozent der Fälle ein Keimnachweis gelingt. Eine bronchoskopische Ab- klärung mit bronchoalveolärer Lava- ge und transbronchialer Lungenbiop- sie ist unerläßlich. Die Diagnosesi- cherung gelingt hiermit in 86 Prozent der Fälle. Einen hohen diagnosti- schen Wert haben auch Leber- und Knochenmarkbiopsien. Besondere diagnostische Probleme ergeben sich bei AIDS. Die Tuberkulinreaktion ist in 70 Prozent negativ (Anergie). Häu- fig finden sich inkomplette Granulo- me ohne Verkäsung. Die Diagnose kann in diesen Fällen nur bakteriolo- gisch und unter Einsatz aller diagno- stischer Möglichkeiten (Sputumun- tersuchung, bronchoalveoläre Lava- ge, transbronchiale Biopsie, Urin-, Stuhl-, Liquorkultur, Lymphknoten-, Leber-, Knochenmarkbiopsie) ge- stellt werden. Die Therapie der Mili- artuberkulose entspricht der Stan- dard-Kombinationstherapie der Tu- berkulose nach dem 6-Monatsregime.

KONGRESSBERICHT

Bronchoskopie

J. Strausz, Budapest (Ungarn), stellte mit seinem Referat „Therapeu- tische Bronchoskopie: Laser-, Brachytherapie und Stent-Implanta- tion" aktuelle bronchologische Ver- fahren vor, deren Anwendung der Wiedereröffnung oder der Vorbeu- gung bei drohendem Verschluß der zentralen Atemwege bei in der Mehr- zahl durch Malignome bedingten Ste- nosierungen dient. Zahlreiche Stent- Varianten werden zur Schienung ins- besondere durch Kompression ver- engter Atemwege eingesetzt, unter Umständen auch nach Durchführung einer endobronchialen Laserbehand- lung, mit der das Bronchiallumen bei exophytischem endobronchialem Tu- morwachstum zuvor rekanalisiert wurde. In bestimmten Fällen können weitere Verbesserungen auch mittels endobronchialer Kleinraumbestrah- lung, entweder als alleinige Methode oder auch in Kombination mit Laser- und Stent-Therapie erzielt werden.

Idiopathische Lungenfibrose

J. Homolka, Prag (Tschechische Republik), wies einführend darauf hin, daß von Buhl bereits im Jahre 1872 über eine desquamative Pneu- monie berichtet hat. Die neuen pa- thogenetischen Erkenntnisse beru- hen auf Untersuchungen der bron- choalveolären Lavage und transbron- chialer Lungenbiopsien. Ein bisher unbekanntes Agens führt zu einer Schädigung von Pneumozyten oder Endothelien und ruft eine entzündli- che Immunantwort mit Aktivierung von Alveolarmakrophagen, Neutro- philen, Lymphozyten und Fibrobla- sten hervor. Als eine Schlüsselzelle in der Pathogenese der idiopathi- schen pulmonalen Fibrose (IPF) wird der Alveolarmakrophage angesehen.

Diese Zellen können verschiedene Antigene phagozytieren und sie als Superantigene den T-Zellen präsen- tieren. Alveolarmakrophagen spielen weiterhin eine wichtige Rolle in der lokalen Immunregulation. Von ihnen freigesetzte Sauerstoffradikale und Zytokine führen unter anderem zur Aktivierung von Fibroblasten. Diese

sind aber nicht nur Zielzelle, sondern beeinflussen über die Freisetzung von IL-8 die Migration von Neutrophilen in das Interstitium. Sie enthalten wei- terhin eine erhöhte Menge von mRNA für die sogenannten Progres- sionsfaktoren IGF I und TGF13, die für den Übergang des Fibroblasten von der GO- in die G1-Phase unerläß- lich sind.

Weitere Zellen, die in der Patho- genese der IPF eine wichtige Rolle spielen, sind die neutrophilen und eo- sinophilen Granulozyten. Sie führen über eine Freisetzung von Sauerstoff- radikalen und Proteasen zur Schädi- gung des Lungenparenchyms. Lym- phozyten unterhalten die Chronizität der Entzündung über die Freisetzung von IFN-gamma, das wiederum Al- veolarmakrophagen aktiviert. Unter- suchungen zu den Mechanismen der Genexpression, Gentranskription und Translation der verschiedenen Zytoki- ne werden in der Zukunft zu einem besseren Verständnis der Pathogenese der IPF beitragen.

Thoraxsonographie

Nach Th. Hürter, Geilenkirchen, ist die Sonographie des Thorax heute ein fester Bestandteil der pneumolo- gischen und eine wesentliche Ergän- zung der konventionellen radiologi- schen Diagnostik. Rippendestruktio- nen und thoraxwandständige Raum- forderungen sind ebenso darstellbar wie Pleuraergüsse, die zudem sono- graphisch quantifizierbar sind. Über- gänge in Kammerung und Verschwar- tung sind gut erkennbar. Punktionen und Drainagebehandlung werden durch die sonographische Kontrolle sicherer. Die transthorakale Doppler- sonographie des Herzens erlaubt Rückschlüsse auf die Druckverhält- nisse im kleinen Kreislauf sowie die Beurteilung des Cor pulmonale. Der transoesophageale Zugang erlaubt, ergänzend zur Computertomogra- phie und Magnetresonanztomogra- phie, die Größenbeurteilung media- stinaler Tumoren und Lymphknoten sowie Aufschlüsse über die Infiltrati- on großer Gefäße und/oder des Her- zens. Die endobronchiale Sonogra- phie ist technisch realisiert. Sie er- möglicht eine zuverlässigere Lokali-

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sationsdiagnostik pulmonaler Befun- de, besonders im Hinblick auf die Trefferquote bei Entnahme trans- bronchialer Biopsien. Der generellen Verbreitung stehen jedoch erhebliche Kosten entgegen. Insgesamt kommt Hürter zu dem Schluß, daß die thora- kale Sonographie eine eigenständige und für die Pneumologie unverzicht- bare Ergänzung anderer bildgeben- der Verfahren darstellt.

Asthma bronchiale

Wie H. Steppling, Münster, ein- leitend herausstellte, handelt es sich beim Asthma bronchiale um eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege. Die Entzündung ist durch Infiltration der Bronchial- schleimhaut mit Mastzellen, eosino- philen und neutrophilen Granulo- zyten sowie Monozyten und Makro- phagen gekennzeichnet. Durch die Freisetzung einer Vielzahl von Ent- zündungsmediatoren (beispielsweise Leukotriene, Prostaglandine, PAF) und chemotaktischen Faktoren, vor- nehmlich Leukotrien B4, wird nicht nur die Entzündung unterhalten, son- dern auch eine weitere Anhäufung von Entzündungszellen herbeige- führt. Klinisch äußert sich die chroni- sche Entzündung, die mit einer De- struktion des respiratorischen Epithels einhergeht, in einer erhöh- ten Reaktionsbereitschaft der Atem- wege, der sogenannten bronchialen Hyperreaktivität. Diese Merkmale finden sich bereits bei leichten Asth- maformen. Deshalb ist, der Kenntnis der Entzündung folgend, auch bereits im Frühstadium der Erkrankung eine konsequente antünflammatorische Therapie angezeigt. Bei exogen aller- gischen Asthmaformen ist zudem die Allergenkarenz anzustreben.

Aktuelle nationale und interna- tionale Therapiekonzepte zur Be- handlung des Asthma bronchiale empfehlen inhalativ verabreichte Glukokortikoide als Arzneimittel der ersten Wahl. Sie wirken antientzünd- lich, antiallergisch sowie antiöde- matös im Bereich der Atemwege.

Durch Hemmung der Phospholipase A2 wird die Bildung proinflammato- risch wirkender Metabolite (Leu- kotriene, Prostaglandine, PAF) gene-

rell gehemmt. Bei korrekter Dosie- rung und Einhaltung der Inhalations- vorschriften für topische Steroide (In- halationshilfe) sind unerwünschte Wirkungen (gelegentliche orale Can- didiasis, Heiserkeit) selten. Die weit verbreiteten P-Sympathomimetika wirken im Vergleich zu den topischen Glukokortikoiden in erster Linie di- rekt bronchospasmolytisch, das heißt symptomatisch. Die dritte Generati- on der ß2-Sympathomimetika, deren Vertreter Salmeterol und Formoterol in Deutschland bislang noch nicht zu- gelassen sind, haben neben dem Vor- teil der langen Wirkdauer von etwa zwölf Stunden den Nachteil, daß die maximale Wirkung erst nach etwa ei- ner Stunde zu verzeichnen ist. Die so- genannten mastzellprotektiven Sub- stanzen (DNCG, Nedocromil) sind bezüglich ihrer antiinflammatori- schen Effekte, insbesondere beim Er- wachsenen, weniger wirksam als die topischen Glukokortikoide. Das glei- che gilt für Theophyllin, das jedoch ei- ne ausgeprägte, direkt bronchospas- molytische Wirkung zeigt.

Die Deutsche Atemwegsliga hat einen Stufenplan zur Asthmatherapie erstellt, der sich nach dem Schwere- grad der Erkrankung richtet. Bei al- len Schweregraden stehen die inhala- tiven Glukokortikoide an erster Stel- le. Je nach Schweregrad wird die zu- sätzliche Anwendung eines inhalati- ven 132-Symphathomimetikums bei Bedarf, gegebenenfalls auch in Kom- bination mit einem inhalativen An- ticholinergikum empfohlen. Ist unter dieser Therapie kein befriedigender Erfolg zu verzeichnen, ist eine weitere Eskalation der Therapie unter Einbe- ziehung der lang wirksamen inhalati- ven P-Sympathomimetika und/oder oralen retardierten Theophyllins und/oder oraler retardierter ß2-Sym- pathomimetika und/oder eines oralen Glukokortikoids angezeigt.

Neben der medikamentösen Therapie stellt die Patientenschulung mit den Inhalten richtige Inhalations- technik, Verständnis für Dauer- oder Bedarfsmedikation, Erkennen von Exazerbationen und deren Auslö- sern, Führen von Peak-Flow-Proto- kollen sowie das Erlernen von Selbst- hilfemaßnahmen einen wichtigen Beitrag in der modernen Asthmathe- rapie dar.

Abschließend wies Steppling auf häufige Fehler in der Asthmathera- pie wie Verordnung unzweckmäßi- ger Kombinationspräparate, unbe- rechtigte Vorurteile gegenüber inha- lativen Glukokortikoiden, unnötiger Einsatz von Antibiotika sowie die Verordnung kontraindizierter Sub- stanzklassen, insbesondere von ß- Blockern, hin.

Sarkoidose-Forschung

J. Müller-Quernheim, Borstel, ging zunächst auf die Rolle der al- veolären T-Zellen ein, die bei einer Sarkoidose vermehrt vorkommen und eine Verschiebung zugunsten der CD4-positiven Subpopulation aufweisen. Als Ausdruck der Akti- vierung der T-Zellen sezernieren sie IL-2, wobei dies trotz der systemi- schen Natur der Sarkoidose nur auf T-Zellen aus den befallenen Orga- nen und nicht auf T-Zellen aus dem peripheren Blut zutrifft.

Die Kinetik der IL-2 Freisetzung und die Expression des IL-2-Rezep- tors bei Sarkoidose unterscheidet sich nicht von Kinetiken, die nach Ak- tivierung von normalen T-Zellen be- obachtet werden. Dies legt die Ver- mutung nahe, daß die alveolären T-Zellen nicht die Träger des patho- genetischen Prinzips der Sarkoidose sind, sondern im Rahmen der Immun- pathogenese unter Nutzung physiolo- gischer Mechanismen stimuliert wer- den. Membranfragmente von al- veolären Makrophagen von Sarko- idose-Patienten exprimieren ein Epi- top, das T-Lymphozyten dieser Pati- enten aktiviert. Es wird vermutet, daß diese Zellen von einem bisher unidentifizierten sarkoidosespezifi- schen Agens aktiviert werden.

Insgesamt scheint bei der Sarko- idose eine T-Zell-vermittelte Immun- antwort vorzuliegen, die gegen ein oder mehrere Antigene gerichtet ist, die bei der akuten Sarkoidose elimi- niert werden können und bei der chronischen Form persistieren. Die Zahl der Alveolarmakrophagen ist bei der Sarkoidose ebenfalls erhöht.

Dies weist darauf hin, daß Monozyten aus dem peripheren Blut einwandern, die auf chemotaktische Faktoren rea- gieren, die von alveolären T-Zellen A-2490 (60) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 38, 22. September 1995

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MEDIZIN

sezerniert werden. Auch ihre Aktivie- rung ist wie bei den T-Lymphozyten im Sinne einer Kompartimentalisie- rung auf die alveolären Zellen be- schränkt. Auch die Alveolarrnakro- phagen scheinen von dem unbekann- ten, die Sarkoidose auslösenden Agens unter Nutzung physiologischer Mechanismen aktiviert zu werden.

Die Untersuchungen mit akti- vierten alveolären Immunzellen ha- ben gezeigt, daß eine Reihe proin- flammatorischer Zytokine, die geeig- net sind, eine Entzündungsreaktion hervorzurufen und zu unterhalten, von diesen Zellen freigesetzt werden.

Auch die Induktion und Unterhal- tung von Granulomen ist von der An- wesenheit von IL-1 und TNF-alpha abhängig. Im Vergleich zu aktivieren- den Zytokinen sind die deaktivieren- den Zytokine nur sehr spärlich unter- sucht. IL-10 und transformierender Wachstumsfaktor-ß (TGFß) sind zur Zeit die wichtigsten, die Immunreak- tion dämpfenden Zytokine. TGFß gehört zu einer Überfamilie von ubi- quitären, regulativen Proteinen, die in die Regulation des Zellwachstums, der Zelldifferenzierung und der Pro- duktion von extrazellulärer Matrix eingebunden sind.

Eine Reihe von Daten unterstüt- zen die Hypothese einer immunmodu- latorischen Rolle von TGFß. IL-10 ist ein potenter Inhibitor sowohl der Mo- nozyten/Makrophagen- als auch der T-Zell-Aktivierung. So inhibiert es unter anderem die Zytokinfreisetzung und die Proliferation der T-Zellen.

Während IL-10 bisher nicht in Kul- turüberständen von alveolären Im- munzellen identifiziert werden konn- te, wurde TGFß in Kulturüberständen von Zellen solcher Patienten gefun- den, deren Erkrankung zum Zeit- punkt der Untersuchung entzündlich hoch aktiv war und sich im weiteren Verlauf im Rahmen einer Spontanre- mission zurückbildete. Weiterhin konnte eine hoch signifikante, negati- ve Korrelation zwischen der IL-2- Freisetzung und der TGFß-Freiset- zung der alveolären Entzündungszel- len gefunden werden. Dies zeigt, daß mit TGFß ein Mechanismus vorliegt, der die häufig beobachtete Spontanre- mission der Sarkoidose reguliert.

Zusammenfassend wird weiter- hin ein unbekanntes exo- oder endo-

KONGRESSBERICHT

genes Agens postuliert, das residente Alveolarmakrophagen und alveoläre T-Zellen unter Nutzung physiologi- scher Mechanismen aktiviert, die dann proinflammatorische Mediato- ren sezernieren. Die Präsenz der Me- diatoren bahnt einerseits die Aktivie- rung benachbarter, noch ruhender Zellen und lockt andererseits weitere mononukleare Zellen in die Lunge, was zur Ausbildung einer Alveolitis führt. Die Mediatoren der Alveolitis sind eine notwendige Voraussetzung zur Granulombildung und scheinen den weiteren Krankheitsverlauf zu determinieren.

Die einzelnen Schritte dieser Im- munpathogenese lassen sich heute mit klinischen Parametern erfassen.

Die Granulomlast kann durch den Serumspiegel des ACE, die Aktivie- rung der T-Zellen durch den Serum- IL-2-Rezeptor und die Aktivität der Alveolarmakrophagen und Mono- zyten durch den Serumspiegel des Neopterins beobachtet werden. Die Alveolitis läßt sich durch die Zusam- mensetzung ihrer zellulären Kompo- nenten in der bronchoalveolären La- vage beurteilen.

Zellbiologie

des Bronchialkarzinoms

J. Lorenz, Lüdenscheid, sprach abschließend zum Thema „Zellbiolo- gie des Bronchialkarzinoms als Grundlage neuer Therapieansätze".

Das Bronchialkarzinom ist der am häufigsten zum Tode führende bösar- tige Tumor in der westlichen Welt.

Die nicht kleinzelligen Bronchialkar- zinome sind durchweg resistent gegenüber Zytostatika und energie- reichen Strahlen. Das kleinzellige Bronchialkarzinom, das 25 Prozent aller Fälle ausmacht, ist zwar primär chemo- und radiosensibel, exprimiert aber nach mehrmaliger Chemothera- pie eine Zytostatikakreuzresistenz und verliert an Strahlensensibilität.

Startpunkt der malignen Entartung von Bronchialepithelzellen sind gen- toxische Schäden durch exogene Kar- zinogene. In etwa 85 Prozent der Fäl- le kann das inhalative Zigarettenrau- chen als Ursache identifiziert werden.

Bei der Entwicklung zum voll- ständig malignen Tumor findet sich

eine komplexe Interaktion zwischen exogenen wie auch endogenen Fakto- ren. Beim chemisch induzierten Haut- krebs der Maus können beispielswei- se klar voneinander abgrenzbare Pha- sen unterschieden werden: Initiation (Karzinogenexposition bis hin zum DNA-Schaden), Promotion (Exposi- tion gegenüber per se nicht DNA- schädigenden Substanzen, die bei der malignen Zelltransformation helfend eingreifen) und Progression (stufen- weise Malignisierung transformierter Zellen). Karzinogene (beispielsweise im Zigarettenrauch) sind Mutagene und müssen, um DNA zu schädigen, metabolisch aktiviert werden. Die DNA-Schädigungen konnten mole- kular definiert werden. So bindet Benzpyren-7,8-dio19,10-epoxid irre- versibel und selektiv an DNA. Die Folge sind Fehler in der Ablesung des genetischen Kodes.

Für die Kanzerogenese ist die In- aktivierung tumorsupprimierender Genprodukte oder die deregulieren- de, durch genetische Schädigung ent- standene Aktivierung von Proteinen, die in Wachstum und Differenzierung eingreifen, entscheidend. Zytogene- tisch weisen alle SCLC-Zellinien eine interstitielle Deletion im kurzen Arm von Chromosom 3 auf, die sich mit unterschiedlicher Lokalisation im Be- reich der Banden 14 bis 23 findet. Die- ser Chromosomendefekt besteht auch in etwa der Hälfte nicht kleinzel- liger Tumorzellinien. Hier wird ein defektes Tumorsuppressor-Gen mit großer Relevanz für die Genese des Bronchialkarzinoms vermutet.

Untersuchungen zur Wachstums- stimulation maligner Zellen konnten am Beispiel des „gastrin releasing peptid", eines Wachstumsfaktors für das kleinzellige Bronchialkarzinom, belegen, daß die Zellen in der Lage sind, ihren eigenen Wachstumsfaktor zu produzieren. Da in letzter Zeit Re- zeptoren für zahlreiche Wachstums- faktoren in serumfreien Tumorzellini- en nachgewiesen werden konnten, ist anzunehmen, daß eine einzelne Tu- morzelle über eine ganze Reihe von autokrinen und parakrinen Wachs- tumsstimuli verfügt. Bei der Analyse der Mechanismen viraler Onkogene wurde erkannt, daß ihre Proteinpro- dukte wichtige Funktionen in Wachs- tum und Differenzierung erfüllen.

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Unabhängig von sozialem Hinter- grund, Ausbildung oder Vorsorgeun- tersuchungen scheint es bei schwange- ren Jugendlichen ein erhöhtes Risko für Frühgeburten, Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht und Babys mit Wachs- tumsretardierung zu geben. Bei der Un- tersuchung von Schwangerschaftsver- läufen bei 134 088 weißen Frauen im Zeitraum von 1970 bis 1990 im amerika- nischen Bundesstaat Utah traten diese Probleme bei Schwangeren zwischen 13 und 17 Jahren signifikant häufiger auf als bei Frauen, die im Alter von 20 bis 24 Jahren Kinder bekamen. Die Risiken blieben bei schwangeren Teenagern auch erhöht, wenn diese verheiratet wa- ren, eine altersentsprechende Ausbil- dung hatten, nicht rauchten und regel- mäßig an Schwangerschaftsvorsorgeun- terschungen teilnahmen. Da viele Mädchen, die sehr früh schwanger wer- den, eher arm und alleinstehend sind, keine gute Ausbildung haben und selte- ner zu Vorsorgeuntersuchungen gehen, war bisher strittig, ob Schwanger- schaftskomplikationen ungünstigen

Bei 25 bis 30 Prozent aller Patien- ten, die über intermittierende Thorax- schmerzen klagen, finden sich bei der Koronarangiographie keine signifikan- ten Stenosen. Dann wird meist von ei- ner Prinzmetal-Angina, einem Syn- drom X oder einem hypersensitiven Ösophagus gesprochen.

Die Autoren führten bei 30 Pati- enten mit normalem und bei 15 Patien- ten mit pathologischem Koronarangio- gramm über 24 Stunden simultan eine Manometrie, eine pH-Metrie und eine EKG-Registrierung durch.

Symptomatische und asymptoma- tische ST-Streckenänderungen waren bei Patienten mit normalem Angio- gramm weniger häufig nachweisbar als bei Patienten mit pathologischem Koronarbefund. In 6,7 Prozent fiel eine Ösophagusdysfunktion mit ST- Streckensenkungen zusammen, wenn ein normales Koronarangiogramm vor- lag, und in 40 Prozent bei pathologi- schem Befund. Die Autoren kommen

Umweltbedingungen oder dem Alter der Mütter zuzuschreiben sind. Obwohl die sozialen Faktoren eine große Rolle spielen, gibt es zusätzliche Risiken, die durch die biologische Unreife der Mädchen bedingt sein könnten: Bei ju- gendlichen Schwangeren könnten we- gen der Unreife von Uterus und Zervix vermehrt Infektionen und dadurch ver- ursachte Frühgeburten auftreten. Wer- den Mädchen schwanger, bevor ihr ei- genes Wachstum abgeschlossen ist, könnte auch dies ein Grund für Nähr- stoffmängel bei ihren Föten sein. Daher ist es besonders wichtig, bei schwange- ren Teenagern auf eine ausreichende Gewichtszunahme zu achten, da sie mehr Proteine und Mineralstoffe für ih- re eigene körperliche Entwicklung brauchen als ältere Frauen. silk

Fraser A M; Brocken JE and Ward RH:

Association of young maternal Age with adverse reproductive outcomes. N Engl J Med 1995; 332: 1113-1117

Dr. Ward, Department of Human Genetics, 2100 Eccles Institute of Human Genetics, University of Utah, Salt Lake City, UT 84112, USA

zu dem Schluß, daß schmerzkorrelierte Motilitätsstörungen oder Refluxepiso- den bei Patienten mit normalem und pathologischem Koronarangiogramm in gleicher Häufigkeit zu beobachten sind und daß eine ambulante Moti- litätsmessung oder pH-Registrierung eine Differentialdiagnose zwischen kardialen und nichtkardialen Thorax- schmerzen zuläßt. Bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit zeigt die si- multane EKG-Registrierung eine sig- nifikante Korrelation zwischen ST- Streckensenkung und gastroösopha- gealen Refluxepisoden oder Motilitäts- störungen auf.

Lux G, van Els J, The GS, Bozkurt T, Orth KH, Behrenbeck D: Ambulatory oeso- phageal pressure, pH and ECG recording in patients with normal and pathological coronary angiography and intennittent chest pain. Neurogastroenterol Mot 1995;

7:23-30.

Abteilung für Gastroenterologie und Kar- diologie, Städtisches Krankenhaus, Goten- straße 1, 42653 Solingen

Voraussetzung für die Tumorin- duktion ist die Aktivierung sogenann- ter Protoonkogene zu Onkogenen durch Punktmutation (zum Beispiel in der ras-Genfamilie), Translokation (von c-myc beim Burkitt-Lymphom) oder Amplifikation (von c-myc bei SCLC). Die Verbindung zwischen Onkogenen und malignem Wachs- tum ergibt sich aus der Tatsache, daß zahlreiche Onkogene für Wachstums- faktoren oder Wachstumsfaktorre- zeptoren kodieren. Einige Produkte sind in der Zellmembran lokalisiert und repräsentieren Wachstumsfak- torrezeptoren, andere befinden sich auf der zytoplasmatischen Membran- seite, im Zytoplasma, an Mitochon- drien oder im Zellkern. Diese Prote- ine entsprechen einem System zur Übermittlung und Weitergabe von Wachstumsimpulsen, die letztlich in der Zellproliferation münden. Das Wachstumssignal wird durch Kern- proteine empfangen, die die Trans- kription von Genen regulieren.

Aus den zell- und molekularbio- logischen Forschungsergebnissen er- geben sich mehrere Anwendungen für die praktische Onkologie der Bron- chialkarzinome. Molekulare Mali- gnitätsmarker ermöglichen eine besse- re Beschreibung und damit Vergleich- barkeit von Tumoren in klinischen Stu- dien. Der Nachweis auto- oder para- kriner Wachstumsschleifen legt nahe, die Wachstumsstimulation von Tumor- zellen mit verschiedenen Methoden und auf unterschiedlichen Ebenen spezifisch zu unterbrechen. Aussichts- reich erscheint auch die Blockade in- trazellulärer Signaltransduktionsme- chanismen, in die verschiedene Wachs- tumsfaktoreinflüsse münden.

Besondere Hoffnungen verbin- den sich mit dem Versuch, frühe mo- lekulare Marker zu identifizieren, die bereits im Stadium der Präneoplasie entartete Zellen erkennen helfen und auf diese Weise eine frühe Interventi- on ermöglichen.

Anschrift der Verfasser:

Dr. med. Jens Schlegel

Univ.-Prof. Dr. med. Rudolf Ferlinz III. Medizinische Klinik

Schwerpunkt Pneumologie Universitätsklinik Mainz Langenbeckstraße 1 55131 Mainz

Schwangerschaftskomplikationen bei jugendlichen Müttern

Nichtkardialer Thoraxschmerz - was tun?

A-2492 (64) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 38, 22. September 1995

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