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Archiv "Ernährung, Prostaglandine und Koronarinfarkt" (30.03.1984)

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ARTERIOSKLEROSE-SERIE

Ernährung,

Prostaglandine und Koronarinfarkt

Olaf Adam

Aus der Medizinischen Poliklinik

(Direktor: Professor Dr. med. Nepomuk Zöllner) der Ludwig-Maximilians-Universität München

Das Entstehen einer Atherosklerose kann durch die Ernährung entscheidend beeinflußt werden. Die wirksamsten Faktoren sind die Quantität der zugeführten Nahrungsmenge und die Qualität des Nahrungsfettes. Im Nahrungsfett enthaltene, mehrfach unge- sättigte Fettsäuren wirken auf die Prostaglandinbildung und hier- durch auf viele Stoffwechselvorgänge ein. Aus mehrfach ungesät- tigten Fettsäuren werden außerdem Thromboxan und Prostacy- clin gebildet. Nach einer Endothelläsion in Arterien sind Throm- boxan und Prostacyclin für das Ausmaß der Thrombozyten- aggregation und damit für die Thrombusbildung entscheidend.

Zur Prävention wird heute allgemein eine Reduktion der Fettzu- fuhr empfohlen. Dabei muß auf eine ausreichende Zufuhr mehr- fach ungesättigter Fettsäuren geachtet werden, da diese essen- tiellen Fettsäuren die Thrombozytenaggregation, die Thrombus- bildung und damit die Entstehung der Atherosklerose hemmen.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Zahlreiche klinische und epide- miologische Studien haben Zu- sammenhänge zwischen dem Nahrungsfett, den Plasmalipiden und der Manifestation der Athe- rosklerose gezeigt. Die zuneh- mende Zahl degenerativer Gefäß- erkrankungen, deren häufigste Folge der Koronarinfarkte ist, hat medizinische Gremien veranlaßt, Empfehlungen über die Art und Menge des Fettverzehrs zu geben (4). Die Energiezufuhr soll das er- forderliche Maß nicht übersteigen und der Fettanteil etwa 30 Prozent der Nahrungsenergie betragen.

Die im Nahrungsfett enthaltenen, mehrfach ungesättigten Fettsäu- ren, von denen im folgenden ge- sprochen wird, senken ab einer Menge von 10 Energieprozent die Plasmakonzentration von Chole-

sterin, Phosphatiden und Trigly- ceriden. Bisher wurde in der Diät- therapie vor allem die Senkung des Serumcholesterins durch Zu- fuhr von mehrfach ungesättigten Fettsäuren beachtet, da mit stei- gender Cholesterinkonzentration im Plasma die Häufigkeit korona- rer Herzerkrankungen zunimmt.

Eine kürzlich veröffentlichte Lite- raturübersicht zeigt, daß bei Per- sonen mit höherem Linolsäurege- halt des Fettgewebes die korona- re Herzerkrankung seltener ist.

Während der letzten 15 Jahre nimmt der Linolsäureanteil im Fettgewebe der Amerikaner, im Gegensatz zu dem der britischen Bevölkerung, stetig zu. Die Zahl der tödlichen Herzinfarkte hat in den Jahren 1968 bis 1976 in den USA um 21 Prozent abgenommen, während sie in England gleich-

geblieben ist (5). Auch Untersu- chungen an 40jährigen Männern in Edinburgh und Stockholm wei- sen in dieselbe Richtung. Das Kol- lektiv in Edinburgh hatte eine dreimal höhere Letalität durch Ko- ronarinfarkte und eine erhöhte Thrombosebereitschaft bei niedri- geren Linolsäureanteilen in den Cholesterinestern des Plasmas und im Fettgewebe. Beide Kollek- tive zeigten keinen meßbaren Un- terschied der Cholesterinwerte des Serums, der LDL und HDL.

Diese Befunde weisen darauf hin, daß eine erhöhte Linolsäurezu- fuhr der Entstehung von degene- rativen Gefäßerkrankungen ent- gegenwirken kann. Die Linolsäure in der Nahrung scheint somit, au- ßer der cholesterinsenkenden Wir- kung, weitere hemmende Effekte auf die Atherogenese zu haben.

Linolsäure kann im Organismus zu biologisch hochaktiven Meta- boliten, den Prostaglandinen, dem Prostacyclin, Thromboxan, den Leukotrienen und Hydroxy- fettsäuren aufgebaut werden. In den Blutplättchen gebildetes Thromboxan fördert die Plätt- chenaggregation. In der Gefäß- wand gebildetes Prostacyclin be- grenzt bei einer Endothelläsion das Ausmaß der Thromboxanbil- dung und damit die Plättchenag- gregation. Thrombozyten und de- ren Aggregationsneigung schei- nen für die Entstehung einer athe- rosklerotischen Gefäßverände- rung von besonderer Bedeutung.

Dies belegen laborchemische und epidemiologische Untersuchun- gen. Bei Grönlandeskimos ist der Herzinfarkt außerordentlich sel- ten, und man findet kaum degene- rative Gefäßveränderungen. Grön- landeskimos haben allerdings ei- ne verminderte Thrombozytenag- gregation und eine verlängerte Blutungszeit (2), was auf die Be- sonderheit ihrer Ernährung zu- rückzuführen ist. In Dänemark le- bende Eskimos unterscheiden sich bezüglich der Atherosklero- sehäufigkeit und der Thrombozy- tenaggregation nicht von Dänen.

Wenn jedoch Europäer eine „Es- kimokost" zu sich nehmen, kön- Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 13 vom 30. März 1984 (63) 997

(2)

nen innerhalb kurzer Zeit eine Verminderung der Thrombozyten- aggregation und Thromboxanbil- dung durch Kollagenstimulation in vitro nachgewiesen werden (7).

Patienten mit degenerativen Ge- fäßerkrankungen haben niedrige- re Plasma-Prostacyclin-Konzen- trationen als Gesunde. Wenn im Endothel weniger Prostacyclin ge- bildet wird, überwiegt das aggre- gationssteigernde Thromboxan.

Eine gesteigerte Plättchenaggre- gation konnte im Blut von Patien- ten mit obliterierender Angiopa- thie nachgewiesen werden. Von einigen Untersuchern wurde die obliterierende Angiopathie des- halb auch als Prostacyclin-Mangel- krankheit bezeichnet. Therapie- versuche mit intraarteriellen Infu- sionen von Prostacycl in brachten Patienten mit obliterierender An- giopathie und ischämischen Ge- websnekrosen eine Besserung.

Durch Zufuhr essentieller Phos- pholipide- mit Linolsäure als wirk- samem Anteil- konnte im Tierver- such die Entwicklung einer Athe- rosklerose verhindert werden (1 ).

Die Thromboxansynthese in den Thrombozyten wird durch Chole- sterin stimuliert. Eine Senkung des Plasmacholesterins kann sowohl durch Verminderung der Zufuhr langkettiger Fettsäuren als auch durch gesteigerte Zufuhr mehr- fach ungesättigter Fettsäuren er- reicht werden. Die Prostacyclinbil- dung des Gefäßendothels wird durch LDL gehemmt und durch HOL gesteigert. Durch risikover- mindernde Maßnahmen (Ge- wichtsreduktion, körperliche Akti- vität, Nikotinabstinenz) wird das HOL-Cholesterin erhöht und hier- durch der Atherogenese vorge- beugt. Ernährung und Lebenswei- se haben so Einfluß auf Entstehung bzw. Fortschreiten der Atheroskle- rose.

g je 100 Gramm eßbarer Anteil

Entstehung der Atherosklerose Eine Endothelläsion kann der Be- ginn atherosklerotischer Gefäß- veränderungen sein. Hierfür wer- den unter anderem Tabakstoffe, Endotoxine, ionisierende Strah- len, immunologische Reaktionen,

Nah ru ngsm ittel

Linol- säuretyp .,. Fleisch

Rind 0,2-0,3

Schwein, Huhn 2-3

.,. Pflanzliche Produkte

Kartoffel Spur

Mehl Spur

Weizenkeime 4

Sojamehl 11

.,. Milch, Milchprodukte 0,01 .,. Fette, Oie

Butter 2-4

Margarine 9-50

Sonnenblumenöl 4<Hl0

Leinöl 1Q-15

Lebertran 2

.,. Meeresfische Spur

.,. Süßwasserfische Spur

Li nolsäu remangei-Symptome

Ratte Mensch

EFS! +

Wachstum! +

Hautveränderungen +

Anämie +

Thrombozytopenie +

Thrombo-Aggregation! +

Fettleber +

Wundheilung! +

lnfektej +

Membranstrukturen! +

Prostaglandinsynthese! +

Nephropathie ?

Sterilität ?

998 (64) Heft 13 vom 30. März 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

Linolen- säuretyp

Spur Spur

- - 1 2 Spur

1 2-4

1 55 23 1-2

<1

Tabelle 1 (links): Gehalt einiger Nah- rungsmittel an Fettsäuren vom Linolsäu- retyp (18 :2, n-6) und Lino- lensäuretyp (18:3, n-3) Tabelle 2 (links unten):

Das Fehlen es- sentieller Fett- säuren (EFS) in der Nah- rung bewirkt bei Tier und Mensch nach- gewiesene Symptome Viren, lokale Ischämien oder Hy- pertonie verantwortlich gemacht.

Bei der familiären Hypercholeste- rinämie kommt es zur Ablösung von Endothelzellen und zur Frei- legung von subendothelialem Bindegewebe. Freigelegtes Kolla- gen stimuliert die Thrombozyten- aggregation und setzt aus den Thrombozyten Thromboxan so- wie einen Faktor frei, der glatte Muskelzellen in der Gefäßwand proliferieren läßt.

Thromboxan wirkt vasokonstrikto- risch und stimuliert maximal die Thrombozytenaggregation. Die durch Thromboxan neu initiierte Plättchenaggregation, die Vaso- 'konstriktion und die nachfolgen- de Proliferation der glatten Mus- kelfasernsindinitiale Erscheinun- gen degenerativer Gefäßerkran- kungen. Diesen wirkt die durch Thromboxan stimulierte Prosta- cyclinsynthese des Gefäßendo- thels entgegen. Prostacyclin ver- hindert die Plättchenaggregation durch Membranstabilisierung, er- weitert die Blutgefäße und senkt den Blutdruck.

(3)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

ln den Gefäßen wird ein genau ab- gestimmtes Verhältnis von Prosta- cyclin und Thromboxan vermutet.

Dies verhindert die Plättchenag- gregation an intakten Gefäßwän- den und limitiert die Thrombusbil- dung. Wird die Prostacyclinbil- dung durch Zerstörung des Endo- thels unterbunden, dann werden die Thromboxanbildung und die Plättchenaggregation ausgelöst, bis die Prostacyclinsynthese be- nachbarter Gefäßabschnitte die weitere Plättchenaggregation ver- hindert (2).

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren in der menschlichen Nahrung

Linolsäure (18:2, n-6) und Linolen- säure (18:3, n-3) sind die beiden wichtigsten, mehrfach ungesättig- ten Fettsäuren in unserer Nah- rung. Aus ihnen aufgebaute län-

~H

Linolensäure (18:3,n-3)

~

~H

Linolsäure (18 :2,n--6)

~

~OH

Linolensäure (18 :3,n--6)

~

gerkettige Fettsäuren werden nur in geringem Umfang zugeführt.

Linolsäure (18:2, n-6) kommt in vielen gebräuchlichen Lebensmit- teln vor und ist in einigen Pflan- zenölen besonders reichlich ent- halten. Dagegen finden sich nen- nenswerte Mengen von Fettsäu- ren des Li nolensäu retyps (18 :3, n-3) nur im Leinöl und in Meeresfi- schen (Tabelle 1). Im Linolsäure- mangel bildet der tierische Orga- nismus mehrfach ungesättigte Fettsäuren aus Ölsäure (18:1, n-9), welche das Fehlen essentieller Fettsäuren in der Nahrung anzei- gen. Nur im Linolsäuremangel (18 :2, n-6) beobachtet man bei Tier und Mensch Mangelerschei- nungen (Tabelle 2), die beim Feh- len der Linolensäure (18:3, n-3) nicht nachgewiesen sind. Linol- säure ist somit wahrscheinlich die einzige, wirklich "essentielle", mehrfach ungesättigte Fettsäure in unserer Nahrung.

Prostaglandine und Koronarinfarkt

Prostaglandinbildun.g aus Nahrungsfettsäuren

Aus verschiedenen, mehrfach un- gesättigten Fettsäuren können Prostaglandine gebildet werden (Darstellung 1 ). Soweit bisher be- kannt, ist der Linolsäurestoff- wechsel im menschlichen Orga- nismus besonders geregelt und unterscheidet sich vom Stoff- wechsel der gesättigten und ein- fach ungesättigten Fettsäuren. Mit Einschränkung gilt dies auch für andere mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Geschlechtsabhäng i- ge Unterschiede im Linolsäure- stoffwechsel wurden für die Bil- dung von höher ungesättigten Fettsäuren aus Linolsäure, für die Freisatzung von Arachidonsäure aus den Phospholipiden, für die Aktivität der Prostaglandinsynthe- se, für die Thromboxan- und Pro- stacyclinbildung, und die Aktivität von Prostaglandinen festgestellt.

HOOC~ 3

~OOH ~ ~OOH

H OH OH OH O OH

Prostaglandine Prostacycline Thromboxane

~OOH ~OOH _ __ E, F, o,

Dihomo-a-Linolensäure Dihomo-y-Linolensäure (20:3,n-3) (20:3,n-6)

~ ~

~COOH

~ Eicosatetraensäure

(20:4,n-3)

~OOH~--+

Ara eh idonsäu re

~

~COOH Eicosapentaensäure (20:5,N-3)

(20:4,n-6)

..

Darstellun~ 1: Prostaglandine, Prostacycline und Thromboxane können aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren entstehen, die aus Lmolsaure (18:2, n~6) oder Linolensäure (18:3, n-3) gebildet werden. Die Synthese bizyklischer Verbindungen (Prostacyclin, Thromboxan) 1st aus Dlhomo-y-Linolensäure nicht möglich, da für den zweiten Ringschluß eine Doppelbindung am fünften Koh-

lenstoffatom erforderlich ist C>

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 13 vom 30. März 1984 (67) 1001

(4)

Diese Unterschiede könnten zum häufigeren Auftreten der Athero- sklerose bei Männern im Ver- gleich zu Frauen vor der Meno- pause beitragen.

ln isolierten Systemen, wie zum Beispiel in vitro oder in perfun- dierten Organen, ist die Prosta- glandinbildung von der vorhande- nen Menge an Vorläufersubstan- zen abhängig. ln vivo sind mehr als 20 prostaglandinartige Sub- stanzen bekannt, mit sehr unter- schiedlichen Plasmakonzentratio- nen und biologischen Funktionen.

Sie können nicht gespeichert wer- den, und der Organismus ist des- halb auf eine bedarfsgerechte Synthese angewiesen. Prosta- glandine und Thromboxan wer- den binnen 1 bis 5 Minuten, Pro- stacyclin in etwa 20 Minuten zu unwirksamen Metaboliten abge- baut und meist über die Niere aus- geschieden. Die Messuhg eines bestimmten Prostaglandins oder eines Abbauproduktes sagt, we- gen der Vielzahl der Substanzen, wenig über den Prostaglandinum- satz aus. ln neuester Zeit sind Me- thoden entwickelt worden, die es erlauben, die wichtigsten Urinme- taboliten des Prostaglandinstoff- wechsels in ein gemeinsames Derivat zu überführen. Hierdurch ist eine Abschätzung der körper- eigenen Prostaglandinbildung möglich (9).

Untersuchungen an Tieren und am Menschen haben gezeigt, daß eine vermehrte Linolsäurezufuhr eine erhöhte Prostaglandinbil- dung bewirkt. Die Thromboxan- konzentration im Blut dagegen nimmt durch eine höhere Linol- säurezufuhr im Tierversuch ab. Auch die in vitro bestimmbare Plättchenaggregation wird sowohl beim Tier als auch beim Men- schen durch die Linolsäurezufuhr vermindert.

Die Prostacyclinbildung bei unter- schiedlicher Linolsäurezufuhr ist beim Menschen noch nicht unter- sucht. Tierversuche zeigen bei hoher Linolsäurezufuhr einen An- stieg der Prostacyclinsynthese.

Linolsäuremetaboliten Säuremetaboliten

(18:2, n-6) (18:3, n-3)

Gebildet in

PG-E2 F2a 02 J2 TXA2 PG-E3 F3a 03 J3 TXA3

Gastrointesti naltrakt + + + - - (+)

Urogenitaltrakt + + + + ? ? ?

Lunge + + + + - - ?

Gehirn + + + + + - - ?

Milz + + + +

Gefäße + + + (+)

Thrombozyten + + + -

Tabelle 3: Einige bisher untersuchte Gewebe, in denen die Bildung und Wirkung vor Prostaglandinen aus den Metaboliten der Linolsäure (18:2, n-6) oder Linolensäure (18:3, n-3) nachgewiesen worden ist

Wirkungen der Linolsäurezufuhr

~ Linolsäure (18:2, n-6)

ist die Ausgangssubstanz für die Arachidonsäurebildung und damit für Prostaglandine, Prostacyclin und Thromboxan mit zwei Dop- pelbindungen in den Seitenketten (Darstellung 1 ). Ob in vivo nen- nenswerte Mengen von Prosta- glandinen mit einer Doppelbin- dung in den Seitenketten (PG-E1 etc.) entstehen, ist noch nicht aus- reichend bewiesen. Prostaglandi- ne und verwandte Substanzen aus Linolsäure, hierzu gehören auch Hydroxyfettsäuren und die neu- entdeckten Leukotriene, haben biologisch die größte Bedeutung.

Prostaglandine aus Arachidonsäu- re (20:4, n-6), werden in fast allen Zellen gebildet. Wahrscheinlich haben nur diese Prostaglandine eine physiologische Bedeutung (Tabelle 3). Berichte in der Litera- tur über eine Zunahme der Kreati- ninausscheidung nach Linolsäu- rezufuhr zeigen deren Einfluß auf die Nierenfunktion. ln Formeldiät- versuchen mit Gesunden konnten wir diese Wirkung bestätigen und mit einer höheren Prostaglandin- bildung korrelieren. Verglichen

mit einer linolsäurefreien Formel- diät nahmen unter 50 Gramm Li- nolsäure pro Tag die Kreatinin- ausscheidung auf 117 Prozent und die Kreatininclearance auf 121 Prozent zu (8).

Wir haben auch den Einfluß einer erhöhten Linolsäurezufuhr auf die Natriumausscheidung untersucht und fanden bei gesunden Ver- suchspersonen eine Zunahme der Prostaglandinbildung und der Natriumausscheidung (8).

Über den antihypertensiven Ein- fluß einer erhöhten Linolsäurezu- fuhr auf den kochsalzinduzierten Bluthochdruck bei Ratten wurde wiederholt berichtet. Man fand diese Wirkung auch bei gesunden Versuchspersonen und bei Pa- tienten mit Hypertonie (3).

in einer Bevölkerungsgruppe konnte gezeigt werderi, daß Per- sonen mit erhöhtem Blutdruck weniger Linolsäuregehalt im Fett- gewebe haben (6). Es wird ange- nommen, daß die Blutdrucksen- kung durch eine periphere Vase- dilatation bedingt ist, welche von einer höheren Prostaglandin-E2- (und Prostacyclin-)Bildung be- wirkt wird.

1002 (68) Heft 13 vom 30. März 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

(5)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Prostaglandine und Koronarinfarkt

Nährstoffe Eskimos1) Deutsche2)

Kohlenhydrate*) (Energie%) 37 50

Eiweiß (Energie%) 26 12

Fett (Energie%) 37 38

essentielle Fettsäuren (%) 4,8 10,8

(18:2 + 20:4, n-6)

gesättigte Fettsäuren (%) 34 40

mehrfach ungesättigte Fettsäuren (%) 10 14

PIS-Quotient 0,29 0,35

*) einschließlich Alkohol

1) nach Dyberberg et al., Am. J. Clin. Nutr. 28 (1976) 958-966

2) Ernährungsbericht"1980 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung

Tabelle 4: Durchschnittlicher Nährstoffgehalt der Kost von Eskimos und von Deut- schen

Wirkungen der Linolensäurezufuhr

~ Linolensäurezufuhr (18:3, n-3) Die Stoffwechselwirkungen der Linolensäure (18:3, n-3) beim Menschen sind bisher noch nicht ausreichend erforscht. Linolen- säure unterscheidet sich von Li- nolsäure durch eine zusätzliche Doppelbindung in n-3-Stellung. Als Folgeprodukte entstehen aus Linolensäure Prostaglandine mit 3 Doppelbindungen (Darstellung 1 ).

Obwohl die Prostaglandin-bilden- den Enzyme eine höhere Affinität zur Linolensäure haben, wird Li- nolensäure langsamer umgesetzt als Linolsäure. Beide Fettsäuren werden durch dieselben Enzyme verstoffwechselt Durch Linolen- säurezufuhr kann die Prostaglan- dinbildung aus Linolsäure und da- mit die Bildung von biologisch wirksamen Prostaglandinen be- hindert werden (Darstellung 1).

Dies konnte in Tierversuchen nachgewiesen werden, und erste Untersuchungen am Menschen weisen auch in diese Richtung (2).

Die Prostaglandine aus Eicosa- pentaensäure (20:5, n-3), einem Stoffwechselprodukt aus Linolen- säure 18:3 n-3) (Tabelle 3), sind

bisher wenig untersucht worden. Sie haben andere, quantitativ auch geringere Wirkungen als die aus Arachidonsäure gebildeten Prostaglandine. Das Thromboxan A3 hat keine Wirkung auf die Plätt- chenaggregation, während Pro- stacyclin 13 eine geringe aggrega- tionshemmende Wirkung haben soll. Ob in vivo soviel Prostacyclin

13 entsteht, daß physiologisch wirksame Konzentrationen er- reicht werden, wird derzeit be- zweifelt.

ln der Literatur ist bisher nur bei Gränlandeskimos ein hoher Kon- sum von Fettsäuren beschrieben worden, welche sich von Linolen- säure ableiten. Grönländer ernäh- ren sich hauptsächlich von Seefi- schen und haben somit eine ei- weiß- und fettreiche Kost. Ihre Ei- weißzufuhr beträgt das Doppelte des bundesdeutschen Durch- schnitts, während die Kohlenhy- dratzufuhr deutlich niedriger ist (Tabelle 4). Trotz der höheren Fettzufuhr haben Grönländer niedrigere Cholesterin- und Tri- glyceridkonzentration im Plasma, und auch die ß-Lipoproteine sind niedriger als bei Europäern. Die gesamte Zufuhr mehrfach unge- sättigter Fettsäuren ist bei Grön- ländern niedriger als bei Deut- 1004 (70) Heft 13 vom 30. März 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

sehen, dies gilt besonders für die Linolsäure.

Dagegen ist die Zufuhr mehrfach ungesättigter Fettsäuren, welche sich von der Linolensäure (18:3, n-3) ableiten, erheblich höher. Be- sonders reichlich findet sich Eico- sapentaensäure (20:5, n-3) in der Kost von Grönländern. Eicosapen- taensäure hemmt in vitro und auch in vivo die Thrombozytenag- gregation (2). Man nimmt deshalb an, daß Eicosapentaensäure vor allem für die verlängerte Blu- tungszeit und für die verminder- te Thrombozytenaggregation bei Grönländern verantwortlich ist.

Schlußfolgerung

Inwieweit präventive Maßnahmen das Auftreten der Atherosklerose vermindern können, ist derzeit Gegenstand intensiver For- schung. Untersuchungen an Zell- kulturen und Tieren sowie Kurz- zeitversuche am Menschen erfor- schen nur Teilaspekte der Athero- genese, da die Atherosklerose - nach unserem bisherigen Wissen - eine multifaktorielle chronische Erkrankung ist.

Prostaglandine, Prostacyclin und Thromboxan haben, vor allem bei der Entwicklung der primären atherosklerotischen Läsion, eine wichtige, vielleicht sogar ent- scheidende Bedeutung. Da beim Menschen die Bildung von Pro- staglandinen und wahrscheinlich auch von Thromboxan und Pro- stacyclin durch die Zufuhr mehr- fach ungesättigter Fettsäuren ver- ändert wird, kommt diesen essen- tiellen Bestandteilen in unserer Nahrung eine besondere Bedeu- tung zu. Prostaglandine haben als Wirkstoffe und Mediatoren im Zellstoffwechsel eine Vielzahl von Funktionen, deren Beeinflußbar- keit durch die nahrungsabhängi- ge Linolsäurezufuhr von vielen Ar- beitsgruppen untersucht wird.

Ob und in welchem Umfang diese Funktionen durch die Zufuhr von Linolensäure verändert werden,

(6)

ist bisher ungeklärt. Im Gegensatz zur Linolsäure können die Folgen der Zufuhr von Linolensäure nicht ausreichend beurteilt werden.

Anschrift des Verfassers:

Privatdozent Dr. med. Olaf Adam Medizinische Poliklinik

der Universität München Pettenkoferstraße 8 a 8000 München 2

Literatur

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KONGRESS-BERICHT

Um das Wesentliche gleich vor- wegzunehmen: Die Untersuchun- gen über menschliche Tumormar- ker befinden sich zur Zeit in einer Art von Zwischenstadium:

Der Euphemismus über tumoras- soziierte Antigene und (als Wirt- reaktion) Antikörper ist mit CEA (carcinoembryonales Antigen), Al- pha-1-Fetoprotein, Beta-HCG und anderen vorläufig erschöpft.

Nach allen Seiten breiten sich die Forschungen und Erkenntnisse aus. Geschlossene abgeklärte Sy- steme oder klinikreife Testbatte- rien mit definierten falsch-negati- ven oder falsch-positiven Resulta- ten sind aber — nach dem Wiener Symposium — über die eingangs erwähnten Standardmethoden hinaus noch nicht erreicht.

Nach einer von Frau Wahren (Stockholm) entwickelten Syste- matik lassen sich die Tumormar- ker wie folgt einteilen:

(1) Fetale Antigene (2) Immunglobuline (3) Enzyme

(4) Hormone (5) möglicherweise

tumorspezifische Antigene.

Eine andere Einteilung unter- scheidet:

(1) Tumorantigene

(2) zu normalen Geweben (beson- ders Plazenta und Leukozy- ten!) gehörende Antigene (3) mit besonderer Proliferation

verbundene Proteine (4) Abbauprodukte (z. B. von

Blutgruppen-Antigenen).

Schon diese Einteilung zeigt den derzeitigen Mangel an Spezifität und die häufige Verschiebung von qualitativen auf quantitative Un- terschiede.

Andererseits brachte das Sympo- sium, sozusagen als Nebenpro- dukt, eine Reihe von neuen Er-

kenntnissen über das Wesen der Malignisierung. Nach Eva Klein (Stockhlom) sind bisher 18 poten- tielle Onkogene in menschlicher DNS bekannt geworden. DNS-Vi- ren enthalten zum Teil eigenstän- dige (Pro-)Onkogene. Retroviren (reverse transscriptase oncogenic virus) können an den gefährdeten Genomteilen — zum Teil mit Hilfe der Translokation — die „strate- gisch wichtigen" Genome verän- dern. Dabei brauchen keine Anti- körper induziert zu werden. Re- troviren unterliegen daher in ge- ringerem Ausmaß der Immun-Sur- veillance als onkogene DNS-Vi- ren. Das Retrovirus hat Multiplika- toreigenschaften zwischen 30- und 100 mal sowie Enhancer(Ver- stärker)-Fähigkeiten.

So können nach einer Infektion der B-Lymphozyten mit dem Ep- stein-Barr-Virus bei seronegativen sowie bei seropositiven Trägern Tumoren entstehen (Alternativen:

Klinisch gesund — Mononukleo- se). Die Lokalisation und damit das weitere Schicksal sind vor al- lem auf den Chromosomen 8 und 14 zu suchen.

Nieburgs (New York) hob die zyto- logisch-zytochemischen Verände- rungen hervor, die die malignen Zellen (fakultativ) kennzeichnen:

Vermehrt (arretierte) Mitosen, über die Kunstprodukte hinausge- hende pathologische Anaphasen durch Chromosomen-Adhärenz,

Was leisten Tumormarker in der Diagnostik

und der Verlaufskontrolle?

Bericht von der 2. Internationalen Konferenz über menschliche Tumormarker in Wien

vom 20. bis zum 22. Februar 1984

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 13 vom 30. März 1984 (75) 1005

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