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Archiv "Macht und Ohnmacht der Medizin im Umgang mit dem alten Menschen" (07.11.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Macht und Ohnmacht der Medizin im Umgang

mit dem alten Menschen

J

esus von Nazareth habe die Voll- macht der Heilung in geradezu exemplarischer Weise besessen.

Dennoch habe er sie nie zur Eta- blierung einer Machtposition ausge- nutzt, betonte Prof. Dr. Dr. h. c.

Schweizer, Zürich, auf der 20. Ta- gung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner mit dem The- ma „Macht und Ohnmacht der Me- dizin im Umgang mit dem alten Menschen" in Mauloff/Taunus. Alle Wunder Jesu hätten Zeichencharak- ter, wiesen von ihm weg, auf Gott hin. Es seien Zeichen eines neuen Reiches, des Reiches Gottes auf Er- den, in welchem die Liebe regiert, ei- ne Liebe, die den Menschen in eine ungewöhnliche Freiheit entlasse.

Durch diese Liebe Gottes geschehe etwas viel Umfassenderes als körper- liche Genesung. Auch habe Jesus immer die Partnerschaft des Kran- ken, seinen Willen zur Heilung oder seine Ablehnung ernst genommen und oft vor oder nach einer Heilung mit ihm über das gesprochen, was darin für ihn geschah. Am Kreuz sei Jesus als der freiwillig vollkommen Ohnmächtige aus Liebe zu uns Men- schen gestorben. „Nicht Jesu Macht, sondern seine Ohnmacht offenbart die eigentliche Vollmacht Jesu".

Unter dem Titel „Macht und Ohnmacht der Lebensverlängerung in der Akutmedizin alter Menschen"

ging Hochschuldozent Dr. Werner Seeger, Gießen, insbesondere auf den Aspekt der Intensivmedizin ein.

Gerade bei alten Menschen soll- te das technisch Machbare eine

„Kann"-, aber keine „Soll"-Bestim- mung darstellen. Der Hintergrund des gesamten Krankheitsgeschehens und die persönliche Grundeinstel- lung des alten Menschen gegenüber lebensverlängernden Maßnahmen sollten Berücksichtigung finden, das biologische Alter sollte ein wichtige- res Kriterium sein als das kalendar- ische Alter. Die Aussicht auf ein menschenwürdiges Leben nach Überbrückung der akuten Krank- heitsphase sollte vor Beginn und Es- kalation intensivmedizinischer Maß- nahmen überprüft werden. Gleich- wertig neben der Aufgabe, das Le- ben zu verlängern, sollte bei der akutmedizinischen Betreuung alter Menschen die Verpflichtung stehen,

Leiden zu lindern und gegebenen- falls im Sterben zu helfen. Helfen nicht durch aktive Euthanasie, son- dern durch ärztlichen und mit- menschlichen Beistand, welcher auch weitgefaßte Maßnahmen der Schmerzbekämpfung einschließt.

Gerade durch die Betreuungsdichte, die auf einer Intensivstation möglich sei, könne diese unbenommen ihrer technischen Ausrichtung zu einem Raum besonderer Geborgenheit werden, in dem in der Begegnung von Arzt, Pflegepersonal und Patient Umfassenderes geschehen solle als nur „Organmedizin".

Menschliche Zuwendung Die gesellschaftlichen und indi- viduellen Auswirkungen der gestie- genen Lebenserwartung wurden von Prof. Dr. Mondorf, Frankfurt, unter dem Thema „Ohnmacht gegenüber Alterskrankheiten" aufgegriffen. Er warnte davor, daß die Entwicklung zur „Fitneß" auch des alten Men- schen in einen „Gesundheits-Kult"

umschlage, in dem Krankheit nur noch ein unverdientes Mißgeschick darstelle und Altern bis zur masken- haften Entstellung „kosmetisch" kor- rigiert werde. Überzeugende phar- makologische Ansätze stünden für alte Menschen mit Hirnleistungsstö- rungen — bislang — nicht zur Verfü- gung, und durch den weitgehenden Zerfall der Großfamilien sei ein Va- kuum in der Betreuung dieser Men- schen entstanden. Alte, hinfällige Pa- tienten bräuchten mitmenschliche Zuwendung, körperliche Nähe und.

Aufgaben, die ihrem Lebensalter ent- sprechen. Es werde eine große und insbesondere auch eine christliche Aufgabe der nächsten Jahre sein, die- se größer werdende Gruppe alter Menschen nicht auf der Schattenseite des gesellschaftlichen Lebens der Vereinsamung anheimfallen zu las-

sen. „Die Blumen sollten wir zu Leb- zeiten schenken und nicht erst am Grab überreichen", so Prof. Mondorf.

Unter der Überschrift „Ärztliche Betreuung alter Menschen unter der Sicht eines Hausarztes" ging Dr. G.

Riehl, Wilnsdorf, auf die besonderen Aspekte der Versorgung erkrankter und hinfälliger alter Menschen im häuslichen Bereich ein. Unter dem Leitmotiv ,Heilen manchmal — Lin- dern oft — Trösten immer' hob er physikalische Ansätze, den Versuch rehabilitierender Maßnahmen und eine Diagnostik mit Augenmaß her- vor. Pflege im häuslichen Bereich verlange mittragende Unterstützung durch den Hausarzt, nicht nur für den zu pflegenden alten Menschen, sondern auch für die Familienmit- glieder. Geduld, Treue in der menschlichen Begleitung und Auf- merksamkeit gegenüber kleinen Fortschritten zählten zu den wesent- lichen Charakteristika ärztlicher Tä- tigkeit in diesem Bereich. Der Um- gang mit der Macht alten Menschen gegenüber sollte vor allem von der Demut bestimmt sein.,

„Sinnvolles Altern" war das Thema des Referates von Dr. Pop- kes, Hamburg. Wichtig sei, womit die Jahre des Alters gestaltet werden. In dieser Hinsicht habe sinnvolles Al- tern auch damit zu tun, wie intensiv und sinnvoll das Leben gewesen ist.

Das Alter sei — wie der Tod — die Frucht des gelebten Lebens. Nach- denklichkeit und Reflexion des zu- rückliegenden Lebens nähmen zu, die Auseinandersetzung mit dem ei- genen Tod werde konkreter. Für Popkes ist Alter „eine von Gott ge- schenkte Zeit", in der er neu lernt, die Tage mit Freude zu füllen.

Anschrift des Verfassers

Dr. med. Werner Seeger Zentrum für Innere Medizin Klinikstraße 36

W-6300 Gießen

Dt. Arztebl. 88, Heft 45, 7. November 1991 (39) A-3831

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