Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
KONGRESS
-BERICHT
Aussagewert und Grenzen neuer Diagnostikverfahren
Bericht über Tagesordnungspunkt IV des IV. Interdisziplinären Forums
„Fortschritt und Fortbildung in der Medizin" der Bundesärztekammer vom 23. bis zum 26. Januar 1980 in Köln*)
Paul Gerhardt
Mit Fragen der Ganzkörper- Computertomographie und der Sonographie befaßte sich Tagesordnungspunkt IV des IV. Interdisziplinären Forums der Bundesärztekammer. Bei- de Komplexe wurden unter den Gesichtspunkten ,Was ist neu' beziehungsweise ,Was ist für die Praxis brauchbar' be- handelt. In drei Referaten und einer Reihe von Diskussions- beiträgen wurden die Indika- tionen und die Grenzen der Aussagefähigkeit beider Ver- fahren herausgearbeitet.
Das Thema IV des IV. Interdisziplinä- ren Forums betraf den Aussagewert und die Grenzen neuerer Diagno- stikverfahren wie der Ganzkörper- Computertomographie und Sono- graphie.
Referenten und Themen
T. Hausamen, Dortmund, berichtete über „Fortschritte in der Ultraschall- Diagnostik der Leber, des Pankreas, des Magen-Darm-Traktes und der Nieren".
G. Friedmann, Köln, sprach über
„Computertomographie — Fort- schritte in der Diagnostik bei Leber-, Pankreas- und Nierenerkrankun- gen".
A. Breit, Passau, referierte über
„Aussagewert und Grenzen neuerer Diagnostikverfahren für die Becken- organe".
Sonographie
Die Vorzüge der Ultraschall-Diagno- stik liegen im Fehlen jeglicher Be- einträchtigung des Patienten, in der damit verbundenen beliebig häufi- gen Kontrollmöglichkeit und in den relativ geringen Kosten für die Un- tersuchung.
Indikationen für die Sonographie sind pathologische Befunde des Ab- domens: Erkrankungen des Pan-
kreas, der Leber- und Gallenwege, der Nieren und der großen Gefäße.
Zysten und Tumoren (auch Metasta- sen) können bis zu einem Durch- messer von 1 bis 2 Zentimeter nach- gewiesen werden.
Die Indikation zur Sonographie wird in etwa 50 Prozent der Fälle durch den Verdacht auf eine Pankreas- erkrankung bestimmt. Das normale Pankreas ist in 60 bis 80 Prozent der Untersuchungen, die Gallenblase in über 90 Prozent darstellbar.
Gallenblasensteine können unab- hängig vom Kalksalzgehalt bis zu ei- ner Größe von 0,5 Zentimeter abge- bildet werden. Die Treffsicherheit bei umschriebenen Leberverände- rungen wird mit 60 bis 90 Prozent angegeben, wobei die Möglichkeit zur Differenzierung zwischen intra- und extrahepatischer Cholostase von besonderem Wert ist.
Neben den unschätzbaren Vorteilen der Sonographie sind folgende Nachteile zu erwähnen:
25 bis 30 Prozent der Untersuchun- gen sind wegen der Überlagerung durch Darmgas und Knochen nicht zu verwerten, intraabdominale Fett- ablagerungen beeinträchtigen durch starke Reflexion des Ultra- schalls die Beurteilung, und die Qualität der Untersuchung hängt in hohem Maße von der Erfahrung des Untersuchers ab.
Computertomographie
Im Referat über die Computertomo- graphie der abdominellen Organe wies Friedmann auf die notwendige Kenntnis klinischer Angaben für die Beurteilung hin.
Die Kontrastmittelgabe verbessert die Aussage der Computertomo- gramme. Herdförmige Lebererkran- kungen mit einem Durchmesser von 1,5 bis 3 Zentimeter sind gut erkenn- bar. Etwa 85 bis 90 Prozent aller umschriebenen Leberprozesse sind nachweisbar. Bei diffusen Leberer- krankungen wird der Prozentsatz mit einer hohen Schwankung von 30 bis 90 Prozent angegeben.
Die Pankreasdiagnostik bedarf der Anwendung von Hilfsmitteln, wie vor allem von oral verabfolgtem Kon- trastmittel, um den Pankreaskopf vom Duodenum gut abgrenzen zu können. Für die Pankreaskarzinom- Diagnostik hat die Computertomo- graphie nicht die erhoffte Verbesse- rung bezüglich der Diagnostik klei- ner Tumoren gebracht.
*) Der Wortbericht des IV. Interdisziplinären Forums, dessen Themenkreis die rheumati- schen Erkrankungen, die Antikoagulantien- behandlung, das Problem der Präkanzero- sen, die Karzinome der Frau, die Chirurgie der endokrinen Organe, das Problem Schocklunge, Fragen der Arbeitsmedizin und das war zweifellos eines der Hauptthe- men — Fragen des Katastrophenschutzes umfaßte, wird voraussichtlich Ende Mai Im Deutschen Ärzte-Verlag erscheinen.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 19 vom 8. Mai 1980
1247Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
AUSSPRACHE
Ein Übersichtsaufsatz über eine Substanzgruppe wie die Glucocorti- coide, die multidisziplinäre Verbrei- tung gefunden hat, ist notwendig
J n d ohne Einschränkung in der vor- liegenden Form zu begrüßen. Aus den verschiedenen Teilbereichen der Medizin dürften Stimmen laut werden, die auf unterschiedliche Auffassungen in bestimmten Indika- tionsbereichen hinweisen.
Wir möchten, den Einsatz von Glu- cocorticoiden im neurologischen Bereich betreffend (Tabelle 1, Spal- te 1: „Hirnödem"), eine Anmerkung machen. Auch wir benutzen Dexa- methason wegen guter Liquorgän- gigkeit bei der Therapie des Hirn- ödems, jedoch auch beim Ödem des Rückenmarks. Die Dosierung, die im Bereich der neurologischen Inten- sivmedizin und in weiten Bereichen der neurochirurgischen Intensivme- dizin benutzt wird, ist jedoch viel höher als die angegebene Dosie- rung von 8 mg Dexamethason initial und späterhin 4 mg in sechsstündli- chen Abständen. Bei ausgeprägtem Hirnödem, sei es bei Hirnmetasta- sen, im Anschluß an Kontusionen, nach traumatischen oder vaskulären intrazerebralen Blutungen (unter Umständen noch kombiniert mit Einklemmungserscheinungen) ge- ben wir initial 40 bis 80 mg Dexame- thason, anschließend bis zu 12 mal 8 mg/die. In Abhängigkeit von der Kli- nik wird die Dosierung dann relativ schnell ausgeschlichen. Als unter- stützende Maßnahme wird neben hochdosierter Furosemidgabe und kontrollierter Hyperventilation als Ultima ratio noch eine Osmodiurese angeschlossen, hierbei ist zu beach- ten, daß wegen des ausgeprägten Reboundeffekts unmittelbar im An- schluß an die Gabe des Osmodiure- tikums schnell wirkende Diuretika gegeben werden sollten. Diese Do-
sierungsgrößen haben wir in Anleh- nung an ähnliche Vorschläge im Be- reich der neurochirurgischen Inten- sivmedizin auch für unsere nicht- traumatisierten Patienten mit gutem Erfolg übernommen. Die Apoplexie betreffend — hiermit ist wohl die lo- kale zerebrale lschämie im Gegen- satz zur intrazerebralen, zum Bei- spiel hypertonen Massenblutung, gemeint — geben wir nicht routine- mäßig Glucocorticoide. Wenn aller- dings computertomographisch eine perifokale Hirnschwellung gefunden wird, behandeln wir zusätzlich mit Glucocorticoiden. In diesen Fällen decken sich die Dosen, mit Ausnah- me einer höheren Initialdosis (16 mg), mit den von den Autoren ange- gebenen Übersichtswerten. Der Schwerpunkt der Therapie liegt je- doch in der Gabe von niedermoleku- laren Dextranen, wobei die verbes- serte Mikrozirkulation noch zusätz- lich durch die hyperonkotische an- tiödematöse Wirkung verstärkt wird.
Auch hier kommen Diuretika zum Einsatz. Darüber hinaus ist zu er- wähnen, daß auch bei vaskulären oder traumatischen Syndromen des Rückenmarks die antiödematöse Wirkung der Glucocorticoide ausge- nutzt wird, allerdings wird die Dosie- rung individuell bislang nicht so hoch wie beim Hirnödem gewählt.
Literatur
Gobiet, W.: Intensivtherapie nach Schädelhirn- trauma, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York (1977) 67 — Haferkamp, G.; Regli, F.:
Neuere pathophysiologische Aspekte zur Be- handlung des Hirnödems, Schweizer Rund- schau Medizin (Praxis) 67 (1978) 92-100
Dr. med. Diplom-Psychologe Werner Hacke
Clemens Gutknecht Abteilung Neurologie Klinikum der RWTH Aachen Goethestraße 27/28
5100 Aachen Neue Diagnostikverfahren
Für die Diagnostik der Nierenerkran- kungen bedeutet die Computerto- mographie eine wesentliche Be- reicherung, die durch die Kontrast- mittelinjektion noch gesteigert wird.
Auf die Urographie ist jedoch nicht zu verzichten.
Auch Nebennieren-Tumoren mit ei- nem Durchmesser von 1 bis 2 Zenti- meter sind nachweisbar, so daß auf das Pneumoretroperitoneum ver- zichtet werden kann.
Im Referat über die Computertomo- graphie der Beckenorgane wurde von Breit darauf hingewiesen, daß für die Auswertung der Befunde ge- naue anatomische Kenntnisse not- wendig sind.
Von großer Bedeutung ist die Mög- lichkeit der exakten Kontrolluntersu- chung nach der Strahlentherapie und operativen Behandlung.
In der Diagnostik der Beckenorgane hat die Computertomographie eine wesentlich größere Aussage als die Sonographie. Insbesondere ist die Stadieneinteilung maligner Erkran- kungen wesentlich erleichtert.
Zusammenfassung
Von den Diskussionsteilnehmern wurde im einzelnen auf den Gewinn der Sonographie und Computerto- mographie hingewiesen, wobei auch die Fortschritte in der Diagno- stik des Schädels und Gehirns her- vorgehoben wurden.
Professor Dr. med.
Paul Gerhardt
Ärztlicher Direktor der
Röntgendiagnostischen Abteilung des Klinikums der
Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 110 6900 Heidelberg 1
Pharmakodynamische Therapie mit Glucocorticoiden
Ergänzende Bemerkungen zu dem Beitrag von
Professor Dr. med. Rudolf Gross und Dr. med. Volker Schulz in Heft 2, Jahrgang
77(1980), Seite 61 ff.
1248 Heft 19 vom 8. Mai 1980