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Archiv "Hyperkinetische Störungen: Ein bundesweiter Vergleich der Hospitalisationsraten: Mehr Krankenhausbetten" (28.09.2007)

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A2664 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 39⏐⏐28. September 2007

M E D I Z I N

Sozialpädiatrische Zentren

Die altersstandardisierten Hospitalisationsraten lagen bei hyperkinetischen Störungen mit 8,7 (West) und 25,3 (Ost) pro 100 000 der männlichen Bevölkerung sehr deutlich unter der altersbezogenen Prävalenz des Krankheitsbildes von 5 800 pro 100 000 (5,8 %). Die große Mehrheit der hyperkinetischen Störungen wird zu Recht auch in Ostdeutschland in einem ambulanten Set- ting behandelt, nur ein sehr geringer Anteil von etwa 0,2 bis 0,4 % im Jahr 2003 stationär.

Von Stang wird ein möglicher Zusammenhang zwischen den Hospitalisationsraten für hyperkineti- sche Störungen und der Dichte ambulant tätiger Kin- der- und Jugendpsychiater und Psychotherapeuten hergestellt. Verschiedene andere Einflussfaktoren sind denkbar: Interessant wäre, eine Beziehung zur Zahl kinderpsychiatrischer Betten je 100 000 Kin- der eines Bundeslandes zu untersuchen. Leider fehlt in der Untersuchung auch eine Vergleichsgruppe, die die Hospitalisationsraten anderer psychischer Stö- rungen oder körperlicher Erkrankung im Kindes- und Jugendalter in den verschiedenen Bundesländern be- schreibt.

Aus diesen Zahlen ließe sich ableiten, ob die geringe- re Dichte von Vertragsärzten und Psychotherapeuten ein anderes Einweisungsverhalten dieser Fachleute ge- nerell verursacht. Ein Mangel an fach- oder krankheits- spezifischen ADHS-Kompetenznetzwerken in ostdeut- schen Flächenländern könnte im Vergleich zu Stadtstaa- ten (Berlin, Hamburg, Bremen) und westdeutschen Flächenländern eine heimatnahe ambulante Versorgung von hyperkinetischen Störungen erschweren und eine Hospitalisation näher legen.

Nicht berücksichtigt wurden in der Analyse auch die Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ), die einen bedeuten- den Anteil an der ambulanten Behandlung von hyperki- netischen Störungen haben. In den neuen Bundesländern (ohne Berlin) sind 18 SPZ zugelassen, in den alten Bun- desländern (inklusive Berlin) 110 SPZ (Stand 3/2007).

Die Indikation zur stationären Behandlung hängt nicht nur von der Schwere der Störung per se ab, son- dern insbesondere von der Art und dem Ausmaß der Ko- morbiditäten (zum Beispiel Störung des Sozialverhal- tens, Depressionen, Ängste). Diese treten möglicher- weise in ostdeutschen Ländern häufiger auf. Zudem sind die sozialen Ressourcen infolge belastender Le- bensbedingungen wahrscheinlich geringer.

Prof. Dr. med. Harald Bode

Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Sozialpädiatrisches Zentrum, Frauensteige 10, 89075 Ulm

Mehr Krankenhausbetten

Stang (1) führt die Tatsache, dass die Diagnose „Hyper- kinetische Störung (F90)“ im Vergleich zwischen alten und neuen Bundesländern im Osten häufiger als Entlas- sungsdiagnose bei Kindern und Jugendlichen kodiert wird, unter anderem auf die niedrigere Anzahl dort am- bulant tätiger Kinder- und Jugendpsychiater zurück. Die hyperkinetische Störung wird in aller Regel ambulant behandelt. Nur in Ausnahmefällen erfolgen stationäre Aufnahmen, zumeist in kinder- und jugendpsychiatri- sche Einrichtungen. Die Untersuchung von Stang be- zieht sich auf diese stationären Fälle. Nach unserer Ein- schätzung hat Stang eine andere, naheliegende Ursache für die häufigeren Krankenhausaufnahmen übersehen:

das im Verhältnis zur Kinderzahl höhere Angebot an entsprechenden Krankenhausbetten.

Ist die von Stang gefundene höhere Hospitalisationsra- te in den neuen Bundesländern möglicherweise hierdurch bedingt? Wir haben Daten (2) des Jahres 2003 zur Betten- ausstattung der Krankenhäuser genutzt, um dieser Frage nachzugehen. Ausgehend von der Bettenzahl in den Fach- abteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psy- chotherapie und der Bevölkerung im Alter bis 19 Jahren haben wir die Anzahl der Betten pro 100 000 Personen dieser Altersgruppe errechnet. Alle neuen Bundesländer liegen hinsichtlich Bettenzahlen und Hospitalisationsra- ten wegen der Diagnose F90 bei Jungen und männlichen Jugendlichen über den Vergleichszahlen der alten Bundes- länder. Sachsen-Anhalt hält mit 62 pro 100 000 die mei- sten Betten vor, Bayern mit 15 pro 100 000 die wenigsten.

Ein Vergleich der bundeslandbezogenen Ränge hinsicht- lich Bettenzahl und männlichen Hospitalisationen wegen F90 (nach 1), zeigt eine deutliche Assoziation (Rangkorre- lation nach Spearman: r = 0,63). Wir meinen, dass es sich bei der höheren Hospitalisationsrate in den neuen Bundes- ländern um ein Beispiel einer angebotsinduzierten Nach- frage handeln könnte. Dieses Phänomen ist charakteri- stisch für Situationen, in denen „keine eindeutigen Kriteri- en für die Zuweisung . . . bestehen“ (3).

LITERATUR

1. Stang A: Hyperkinetische Störungen: Ein bundesweiter Vergleich der Hospitalisationsraten. Dtsch Arztebl 2007; 104(19): A 1306–11.

2. Statistisches Bundesamt: Grunddaten d. Krankenhäuser u. Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen Fachserie 12 Reihe 6.1 – 2003.

www-ec.destatis.de/csp/shop/sfg/bpm.html.cms.cBroker.cls.

3. Bericht des Rechnungshofes (2006): Stationäre Versorgungskapazitä- ten der Kärntner Fondskrankenanstalten. www.rechnungshof.gv.at/

fileadmin/downloads/Berichte/Kaernten/Kaernten_2006_01.pdf.

Dr. med. Elke Scharnetzky, MPH Dr. Ingo Langner

Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) Linzer Straße 10, 28359 Bremen

E-Mail: scharnet@bips.uni-bremen.de

Dr. med. Michael Scharnetzky Klinik für Kinder und Jugendliche Diakonie-Krankenhaus Rotenburg 27342 Rotenburg

zu dem Beitrag

Hyperkinetische Störungen: Ein bundesweiter Vergleich der Hospitalisationsraten

von Prof. Dr. med. Andreas Stang, in Heft 19/2007

DISKUSSION

(2)

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 39⏐⏐28. September 2007 A2665

M E D I Z I N

Schlusswort

Ich bedanke mich für die interessanten Anmerkungen zum bundesweiten Vergleich der Hospitalisationsraten bei hyperkinetischen Störungen. Scharnetzky et al. spe- kulieren, dass das in Ostdeutschland bestehende höhere Angebot von Krankenhausbetten in den Fachabteilun- gen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychothe- rapie zu einer „angebotsinduzierten Nachfrage“ geführt habe. Ihre Erklärung ist interessant – allerdings noch spekulativer als meine eigenen Erklärungen. Schar- netzky et al. nutzen 2 Annahmen für ihr Argument:

a) die Häufigkeit hyperkinetischer Störungen ist in Ost- und West-Deutschland gleich hoch. Kürzlich erschie- nene Prävalenzdaten des Kinder- und Jugendsurveys stützen diese Annahme (Schlack et al., 2007); b) die durchschnittliche Bettenauslastung in den Bundeslän- dern ist vergleichbar. Empirische Daten zur Bettenaus- lastung liefern Scharnetzky et al. nicht. Der statistische Effekt einer größeren Zahl von Krankenhausbetten auf die Hospitalisationsraten kann jedoch durch eine gerin- gere durchschnittliche Bettenauslastung konterkariert werden.

Scharnetzky et al. liefern keine empirische Evidenz, dass eine „angebotsinduzierte Nachfrage“ für hyperki- netische Störungen besteht. Wenn es sie überhaupt gibt, so ist nicht anzunehmen, dass es sie ausschließlich in den neuen Bundesländern gibt. Die angebotsinduzierte Nachfrage müsste demnach in Ostdeutschland exzessiv höher sein als in Westdeutschland, damit es artifiziell zu den sehr großen Unterschieden der Hospitalisations- raten in Ost- und Westdeutschland kommt. Würde die angebotsinduzierte Nachfrage in Ostdeutschland stär- ker sein als in Westdeutschland, so wäre es plausibel, dass in Ostdeutschland nicht nur die Hospitalisationsra- ten per se höher sind, sondern auch die medianen Lie- gedauern, damit die Bettenauslastungen optimiert wer- den. Die medianen Liegedauern für hyperkinetische Störungen sind jedoch bei der ostdeutschen männlichen Bevölkerung um 1 Tag und bei der weiblichen Bevöl- kerung um 7 Tage kürzer als bei der westdeutschen Be- völkerung.

Herr Kollege Bode verweist auf 2 wichtige ambu- lante Versorgungsaspekte: die regionale Häufigkeit von ADHS-Kompetenznetzwerken und Sozialpädiatri- schen Zentren. Neben der deutlich niedrigeren ambu- lanten Facharztdichte für das Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (pro 100 000 Personen), könnten auch fehlende weitere ambulante Versorgungsstrukturen für Kinder mit hyperkineti- schen Störungen als Erklärung für die Unterschiede der Hospitalisationsraten in Ost- und Westdeutschland infrage kommen. Zu den von Bode angesprochenen Komorbiditäten kann ich folgende Zahlen berichten:

altersstandardisierte Hospitalisationsraten für Hyperki- netische Störungen mit Störung des Sozialverhaltens (ICD-10: F90.1) betragen bei der männlichen Bevölke- rung in West- und Ostdeutschland 5,8 beziehungsweise 17,3 pro 100 000. Die Hospitalisationsraten für Hyper- kinetische Störungen mit Störung der Aktivität und Aufmerksamkeit (ICD-10: F90.0) betragen bei der männlichen Bevölkerung in West- und Ostdeutschland 2,6 beziehungsweise 7,3 pro 100 000. Die Unterschie- de der Hospitalisationsraten zwischen West- und Ost- deutschland sind für die Diagnosen F90.0 und F90.1 in vergleichbarer Größe. Interessanterweise ist die media- ne Hospitalisationsdauer für F90.1 bei der männlichen Bevölkerung in Ostdeutschland mit 38 Tagen kürzer als in Westdeutschland (42 Tage).

LITERATUR

Schlack R, Hölling H, Kurth BM, Huss M: Die Prävalenz der Aufmerksam- keitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern und Jugendli- chen in Deutschland. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesund- heitsschutz 2007; 50: 827–35.

Prof. Dr. med. Andreas Stang Sektion Klinische Epidemiologie

Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Magdeburger Straße 8, 06097 Halle (Saale)

E-Mail: andreas.stang@medizin.uni-halle.de

Interessenkonflikt

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

REFERIERT

Sekundäre Neoplasien bei Kindern

Nach erfolgreicher Behandlung der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) haben die Kinder ein stark erhöhtes Krebsrisiko. Dies ergab eine amerikanische Studie. Die Forscher hatten retrospektiv 2 169 Patienten untersucht. Die Kinder waren wegen ALL in den Jahren zwischen 1962 und 1998 im St. Jude Children`s Research Hospital in Memphis behandelt worden. Bei allen konnte eine komplette Remission erreicht werden. Die Nachbeobachtung erfolgte im Mittel 18,7 Jahre lang. Eine sekundäre Neo-

plasie trat bei 123 Patienten auf. 46 Betroffene entwickelten eine myeloide Leukämie, 3 Lymphome, 14 Basalzellkarzinome, 16 andere Karzinome, 6 Sarkome, 16 Meningeome und 22 andere Hirntumoren. Die Häufigkeit für sekundäre Neoplasien lag bei der untersuchten Gruppe bei 4,17 % nach 15 Jahren und stieg bis auf 10,85 % nach 30 Jahren an. Nach Ausschluss von Meningeomen und Basalzellkarzinomen hatten die Kinder, verglichen mit der Gesamtbevölkerung, ein 13,5-fach erhöhtes Risiko, an Krebs zu erkranken. Die Autoren raten zu einer lebenslangen Nachsorge. Lu

Nobuko H et al.: Cumulative incidence of secondary neoplasms as a first event after childhood acute lymphoblastic leukemia. JAMA 2007; 297(11): 1207–15.

Referenzen

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