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Archiv "Rückgang der postmenopausalen Hormonverordnungen und der Brustkrebsinzidenz" (18.04.2008)

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ie Inzidenz des Mammakarzinoms ist in den USA rückläufig, erklärten Ravdin und Kol- legen auf dem San Antonio Breast Cancer Sympo- sium in den USA im Dezember 2006 (1). Dies führ- te zu einer weltweiten Diskussion über die Inzidenz des Mammakarzinoms. Die Brustkrebsinzidenz stieg von 1980 bis 1998 um 40 % an (2), seit 1999 fällt sie ab – besonders deutlich zwischen 2002 und 2003. Diese Beobachtungen haben zu einer Debat- te geführt, ob der Inzidenzabfall ein Artefakt ist oder, falls nicht, welche Ursachen dem zugrunde liegen. Während Siegmund-Schulze et al. (3) kürz- lich in dieser Zeitschrift den Brustkrebsinzidenzab- fall aus eher klinischer Perspektive dikutierten, ist es Ziel dieser Arbeit, die aktuelle Diskussion aus epidemiologischer Sicht zusammenzufassen.

Rückgang der Verordnung

postmenopausal verabreichter Hormone Inzidenztrends und postmenopausale

Hormonverordnung in den USA

Clarke et al. publizierten 2006 Daten einer nordkali- fornischen Versichertenstichprobe (4). Sie beobachte- ten zwischen 2001 und 2003 einen Rückgang der Ver- ordnung postmenopausaler Hormone (HRT) um 68 % bei Kombinationspräparaten aus Östrogen und Gesta- genen (ÖG-HRT) und um 36 % bei Östrogen-Mono- präparaten (Ö-HRT) bei Frauen im Alter von 50 bis 74 Jahren. Im selben Zeitraum sank die Brustkrebsinzi- denz um 11 % (Grafik 1).

Aufgrund des engen zeitlichen Zusammentreffens des drastischen Rückgangs der HRT-Verordnungen und der Brustkrebsinzidenz spekulierten die Autoren, dass der Inzidenzrückgang kausal mit dem Rückgang der HRT-Verordnungen im Zusammenhang steht (4).

Wenig später werteten Ravdin et al. die Krebsregister- daten des US-amerikanischen SEER-Programms aus (1). Das SEER-Programm (Surveillance, Epidemiolo- gy, and End Results) ist ein Zusammenschluss US- amerikanischer Krebsregister. Für die Detailanalysen hinsichtlich des Hormonrezeptorstatus (Östrogenre- zeptor: ER+, ER; Progesteronrezeptor: PR+, PR) un- tersuchten sie die Diagnosejahre 2000 bis 2004. Die Brustkrebsinzidenz fiel von 2001 bis 2004 um 11,8 % ÜBERSICHTSARBEIT

Rückgang der postmenopausalen Hormonverordnungen

und der Brustkrebsinzidenz

Ein epidemiologischer Diskurs Andreas Stang

ZUSAMMENFASSUNG

Einleitung: Zwischen 2002 und 2003 ist in den USA bei Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren die Inzidenz von inva- sivem Brustkrebs beträchtlich gesunken. Dieser Abfall ging mit einem deutlichen Rückgang der Östrogen-Gestagen- Verordnungen einher.

Methoden: Selektive Literaturrecherche in PubMed mit den Schlüsselwörtern „hormone replacement therapy“, „inci- dence“ und „breast cancer“ von 01/2003 bis 12/2007.

Ergebnisse: Die zeitliche Korrelation des Rückgangs der Verordnung von Östrogen-Gestagen-Kombinationen (ÖG- HRT) und der Brustkrebsinzidenz suggeriert eine Kausa- lität. Bisher vorgebrachte alternative Erklärungen zu dem plötzlichen Inzidenzabfall können widerlegt oder als wenig plausibel eingestuft werden.

Diskussion: Detaillierte Inzidenztrendanalysen in den nächsten Jahren sowie ein Monitoring der Einnahmehäu- figkeit von ÖG-HRTs nicht nur in den USA können weitere Aufschlüsse liefern. Sollten ÖG-HRTs die Kanzerogenese begünstigen, bleibt offen, in welchem Ausmaß dieser Ef- fekt auftritt. Wenn der Hormonentzug lediglich zu einer Verlangsamung des Tumorwachstums führt, müsste die In- zidenz von Brustkrebs bei Frauen im Alter von 50 Jahren und mehr in wenigen Jahren auch bei weiter anhaltenden niedrigen Einnahmehäufigkeiten von ÖG-HRTs wieder an- steigen. Bleibt die Brustkrebsinzidenz hingegen dauerhaft niedriger, könnte das dafür sprechen, dass ÖG-HRTs durch ihre die Kanzerogenese begünstigende Wirkung die Wahr- scheinlichkeit erhöhen, dass die Tumoren entdeckt wer- den, die ohne ÖG-HRT weder klinisch auffällig noch im Screening aufgedeckt worden wären.

Dtsch Arztebl 2008; 105(16): 303–9 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0303 Schlüsselwörter: Mammakarzinom, Hormontherapie, Epide- miologie, Krebsregister, Mammografie

Sektion Klinische Epidemiologie, Institut für Medizinische Epidemiologie, Bio- metrie und Informatik, Medizinische Fakultät, Martin-Luther-Universität, Halle- Wittenberg: Prof. Dr. med. Stang, MPH

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im Alter von 50 bis 69 Jahren und um 11,1 % im Alter von 70 Jahren und mehr. Im Alter zwischen 50 und 69 Jahren sank die Inzidenz um 14,7 % bei ER+-Mam- makarzinomen. Für ER-Mammakarzinome kam es kaum zu erkennbarer Änderung. Quartalsweise Inzi- denzanalysen im Alter von 50 Jahren und mehr er- gaben, dass der Rückgang der Inzidenz Mitte 2002 begann und Mitte 2003 aufhörte. Bei ER-Mamma- karzinomen bestand keine Trendänderung. Der Inzi- denzabfall bei den 50- bis 69-jährigen Frauen betrug bei lokalisierten Mammakarzinomen 11,3 % und bei fortgeschritteneren 13,6 %.

Der Inzidenzrückgang geht mit einem enormen Rückgang der Verschreibung von HRT in den USA einher. Die beiden am häufigsten verordneten HRTs in den USA, Premarin (konjugiertes Östrogen) und Prempro (konjugiertes Östrogen plus Medroxyproges- teronacetat), wurden insbesondere in den Jahren 2002 und 2003 seltener verschrieben (Grafik 2). Der Ver- ordnungsrückgang von HRTs wird von Ravdin et al.

auf die Publikation der Women’s Health Initiative (WHI) im Sommer 2002 zurückgeführt (1). Ergebnis- se dieser Studie zeigten, dass das Risiko für Brust- krebs unter Gabe von konjugierten Östrogenen und Medroxyprogesteronacetat bei postmenopausalen Frauen um 24 % ansteigt (5).

Jemal et al. führten Analysen der Brustkrebsinzi- denz des SEER-Programms unter Berücksichtigung der Tumorgröße, des Stadiums, des Hormonrezeptor-

status sowie des Alters durch (2). Zwischen 1999 und 2003 fiel ab dem Alter von 45 Jahren in jeder 5-Jah- resgruppe die Brustkrebsinzidenz ab, wobei das Aus- maß des Abfalls und der zeitliche Beginn zwischen den Altersgruppen variierte.

Der Abfall zwischen 1999 und 2003 wurde nur bei kleinen Tumoren ( 2 cm) sowie bei lokalisierten be- ziehungsweise regional metastasierten Mammakarzi- nomen beobachtet. Die Inzidenz von In-situ-Karzino- men zeigte zwischen 1999 und 2003 ein Plateau, wo- hingegen sie von 1981 bis 1999 pro Jahr um 6,6 % an- stieg. Die Inzidenz von ER+- und PR+-Karzinomen stieg von 1990 bis 2000. Zwischen 2002 und 2003 kam es bei diesen Karzinomen jeweils zu einem enor- men Abfall von 9,1 % (2).

Datenanalysen einer Versichertenstichprobe des Bundesstaats Oregon zeigten zwischen 2001 und 2006 einen jährlichen Abfall der ER+-Mammakarzi- nominzidenz um 2,7 %. Die Inzidenz von ER- Mammakarzinomen fiel hingegen in den Jahren 1999 bis 2006 um jährlich 9,8 % (6). Die Centers for Dis- ease Control (CDC) werteten in einer nahezu bevölke- rungsweiten Analyse der Brustkrebsinzidenz Daten von 36 Krebsregistern sowie fünf SEER-Krebsregis- tern aus. Die Gesamtheit dieser Register deckte 86 % der US-Bevölkerung ab (7). Die Inzidenz von invasi- ven Mammakarzinomen fiel stetig von 1999 bis 2003.

Den stärksten Abfall von 6,1 % gab es zwischen 2002 und 2003. Die Inzidenz von In-situ-Karzinomen stieg von 1999 bis 2002 und fiel von 2002 bis 2003 um 2,7 % wieder ab. Lokalisierte Mammakarzinome zeigten den stärksten Inzidenzabfall mit 6,9 %, ge- folgt von regional (4,7 %) und fernmetastasierten Karzinomen (1,8 %) (7).

In einer kürzlich erschienenen Arbeit analysierten Keegan et al. den Inzidenztrend von Mammakarzino- men sowie die HRT-Verordnungspraxis in der Region von San Francisco der Jahre 1988 bis 2004 anhand von Krebsregisterdaten. Diese Region fiel in der Vergan- genheit durch ihre sehr hohen Mammakarzinom-Inzi- denzraten auf. Es zeigten sich sehr ähnliche Ergebnis- se wie bei den SEER-Auswertungen (8). Weitere De- tails zu den Ergebnissen der US-amerikanischen Inzi- denztrendanalysen sind in der Tabelle 1 dargestellt.

Inzidenztrends und postmenopausale Hormonverordnungen in anderen Ländern

In Kanada sank die Inzidenz zwischen 1999 und 2003 jährlich um 1,8 %. Der stärkste Abfall trat bei Frauen ab 75 Jahren mit 2,6 % auf (9). Die zeitliche Korrela- tion mit der Verordnungspraxis von HRT wurde nicht untersucht. Die Brustkrebsinzidenzen in Norwegen und Schweden blieben trotz eines deutlichen Abfalls der HRT-Verordnungsraten praktisch unverändert. Bei Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren zeigte sich in Norwegen ein mit den USA vergleichbarer Rückgang der HRT-Verordnungen (10) (Grafik 3). Ravdin et al.

entgegnen, dass die wesentlichen Formen der in Nor- wegen eingesetzten HRTs vor allem auf Östradiol und nicht auf konjugierten Östrogenen wie in den USA be- Prävalenz der Einnahme von HRT (Östrogen-Monotherapie und Kombinationstherapien) und

die Inzidenz invasiver Mammakarzinome in der Versichertenstichprobe des Kaiser Permanen- te Program der Nordkalifornischen Region (KPNC) von 1994 bis 2004; aus: Clarke CA, Glaser SL, Uratsu CS, Selby JV, Kushi LH, Herrinton LJ: Recent declines in hormone therapy utilization and breast cancer incidence: clinical and population-based evidence. J Clin Oncol 2006; 24:

e49, mit freundlicher Genehmigung: American Society of Clinical Oncology GRAFIK 1

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ruhten und dass der Effekt der HRTs auf die Brust- krebsinzidenz vom verwendeten Präparat abhängig sein könnte (11). Auch in Deutschland ist die am häu- figsten verordnete HRT-Kombination das Östradiol mit Norethisteron. Konjugierte Östrogene mit Me- droxyprogesteronacetat werden deutlich seltener ver- ordnet (siehe Arzneiverordnungsreport) (12).

Datenanalysen des Schleswig-Holsteinischen Krebs- registers zeigen ähnlich wie in den USA einen deutli- chen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Abfall der Brustkrebsinzidenz und dem Rückgang der Verord- nungshäufigkeit von ÖG-HRT. Von 2002 bis 2005 sank bei Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren und 70 und mehr Jahren die Brustkrebsinzidenz um 8,8 % bezie- hungsweise 8,1 %. In dieser Zeit war die Verordnungs- häufigkeit von ÖG-HRT in allen Altersgruppen mit – 8,0 % deutlich rückläufig (13, 14).

Pro-Argumente

Die WHO hat kürzlich erklärt, dass es hinreichende Evidenz gibt, dass Kombinationspräparate aus Östro- genen und Gestagen (ÖG-HRT) in der (Post-)-Me- nopause für die menschliche weibliche Brust karzino- gen sind (15). Verschiedene Beobachtungen scheinen dafür zu sprechen, dass ÖG-HRT einen die Kanzero- genese begünstigenden Effekt auf Brustkrebszellen haben (16). Das bedeutet, dass unter der Einnahme von ÖG-HRT subklinische Mammakarzinome in kür- zerer Zeit auffällig werden, als wenn keine ÖG-HRT eingenommen werden. Es ist denkbar, dass subklini- sche Mammakarzinome ohne HRT-Einfluss niemals klinisch auffällig würden. Hierfür sprechen die fol- genden Argumente:

der rasche Abfall der Brustkrebsinzidenz bereits innerhalb des ersten Jahres nach Absetzen der ÖG-HRT-Verordnung, der in der Million Women Study festgestellt wurde (17).

die Analysen regionaler Brustkrebsinzidenzen und Einnahmehäufigkeiten von HRT in Kalifor- nien. Die Berechnung der Brustkrebsinzidenz von Frauen weißer Hautfarbe im Alter von 45 bis 74 Jahren und der Prävalenz der HRT-Einnahme zeigten, dass pro 1 % Abnahme der HRT-Einnah- meprävalenz die Brustkrebsinzidenz um 3,1 pro 100 000 Frauen abnimmt (18).

der Vergleich der aufgetretenen Mammakarzino- me in der Verum- und Placebogruppe in der WHI- Studie. Der Brustkrebs war unter ÖG-HRT-Gabe im Durchschnitt größer, häufiger nodal positiv und häufiger bereits regional oder fernmetasta- siert (5).

Kontra-Argumente

Bluming wendet ein, dass bei einem die Kanzeroge- nese begünstigenden Effekt von HRT insbesondere Mammakarzinome in einem frühen Krankheitsstadi- um seltener auftreten sollten, wenn weniger HRTs verordnet werden (19). Ravdin et al. beobachteten al- lerdings einen Rückgang der Inzidenz fortgeschritte- ner Mammakarzinome in gleicher Größenordnung

(1). Bluming postuliert außerdem, dass der beobach- tete Rückgang der Brustkrebsinzidenz mit zunehmen- dem Alter geringer sein müsste, weil im höheren Alter weniger häufig HRTs verordnet würden (19). Ravdin et al. hingegen beobachteten einen vergleichbaren Abfall der Inzidenz auch bei Frauen im Alter von 70 und mehr Jahren. Dem letztgenannten Argument wi- dersprechen die Analysen des Centers for Disease Control, aus denen hervorgeht, dass die Brustkrebsin- zidenz in den USA im höheren Alter und bei fortge- schrittenerem Stadium weniger zurückging als bei jüngeren Frauen und bei Karzinomen im lokalisierten Stadium (7).

Quartalsweise Brustkrebsinzidenz (pro 100 000) bei Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren un- terteilt nach Östrogenrezeptor-Status und jährlicher US-weiter Verordnungshäufigkeit post- menopausaler Hormone (Prempro und Premarin); aus: Ravdin PM, Cronin KA, Howlader N et al.: The decrease in breast-cancer incidence in 2003 in the United States. N Engl J Med 2007;

356: 1670–4, mit freundlicher Genehmigung: Massachusetts Medical Society GRAFIK 2

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k.A.: 95-%-Konfidenzintervall und p-Wert nicht berichtet; wenn p-Werte, jedoch keine Konfidenzintervalle berichtet wurden, wurde der p-Wert genommen;

relative Änderungen: negative Vorzeichen: Abfall, positives Vorzeichen: Zunahme; *1im Zeitraum 1975 bis 2003 wurden insgesamt 394 891 invasive und 59 837 In-situ-Karzinome registriert.;

*2Unterschiedliche Zeiträume konstanter Trends ergaben sich aus den verwendeten Bruchpunkt-Regressionen; *3im Zeitraum 1980 bis 2006 wurden 7 386 invasive Mammakarzinome registriert;

*4im Zeitraum 1999 bis 2003 wurden insgesamt 1 043 480 invasive und In-situ-Karzinome registriert TABELLE

Aktuelle Veränderungen der Brustkrebsinzidenz (invasive Karzinome) in den USA

Kollektiv Alter Weitere Unterteilung Diagnosejahre Relative Änderung Fallzahlen 95-%-Konfidenz-

(Jahre) (Prozent) intervall

Kaiser Permanente 50–74 Gesamtinzidenz 2001–2003 –11 k.A. k.A.

Program, Nordkalifornien (3)

SEER-Programm, < 50 Gesamtinzidenz 2001–2004 +1,3 k.A. –3,1; +5,8

9 Regionen (1)

50–69 Gesamtinzidenz 2001–2004 –11,8 –14,5; –9,2

70+ Gesamtinzidenz 2001–2004 –11,1 –14,2; –7,9

50–69 ER+-Karzinome 2001–2004 –14,7 –17,4; –11,6

50–69 ER-Karzinome 2001–2004 –1,7 –8,0; +4,6

50–69 lokalisierte Karzinome 2001–2004 –11,3 –14,6; –8,0

50–69 fortgeschrittene Karzinome 2001–2004 –13,6 –17,9; –9,2

SEER-Programm, 40 Tumorgröße 2 cm 1999–2003 –4,1 394 891*1 –7,8; –0,2

9 Regionen (2)

40 lokalisierte Karzinome 1999–2003 –3,1 –5,0; –1,2

40 ER+-Karzinome 2002–2003 –9,1 k.A.

40 ER-Karzinome 2002–2003 –4,8 k.A.

40 PR+-Karzinome 2002–2003 –9,1 k.A.

40 PR-Karzinome 2002–2003 –6,9 k.A.

65–69 ER+-Karzinome 2002–2003 –20 k.A.

65–69 ER-Karzinome 2002–2003 +2 k.A.

65–69 PR+-Karzinome 2002–2003 –20 k.A.

65–69 PR-Karzinome 2002–2003 –9 k.A.

Kaiser Permanente alle Gesamtinzidenz 2001–2006 –4,3 7 386*3 –7,2; –1,1

Program Oregon (5) *2

45–59 Gesamtinzidenz 2000–2006 –4,9 –9,7; +0,1

60+ Gesamtinzidenz 2001–2006 –4,1 –7,9 –0,03

alle ER+-Karzinome 2001–2006 –2,7 –6,4; +1,1

alle ER-Karzinome 1999–2006 –9,8 –12,8; –6,6

68% der US- alle Gesamtinzidenz 2002–2003 –6,1 1 043 480*4 p < 0,05

Bevölkerung (6)

alle lokalisiert 2002–2003 –6,9 p < 0,05

alle regional metastasiert 2002–2003 –4,7 p < 0,05

alle fernmetastasiert 2002–2003 –1,8 k.A.

0–39 Gesamtinzidenz 2002–2003 +0,8 k.A.

40–49 Gesamtinzidenz 2002–2003 –0,3 k.A.

50–59 Gesamtinzidenz 2002–2003 –7,4 p < 0,05

60–69 Gesamtinzidenz 2002–2003 –9,1 p < 0,05

70–79 Gesamtinzidenz 2002–2003 –7,9 p < 0,05

80+ Gesamtinzidenz 2002–2003 –7,6 p < 0,05

alle In-situ-Karzinome 2002–2003 –2,7 p < 0,05

alle Weiße (kaukasisch) 2002–2003 –6,4 k.A.

alle Schwarze 2002–2003 –2,7 k.A.

alle Hispanics 2002–2003 –5,8 k.A.

alle asiatisch/pazifische Insulaner 2002–2003 –6,1 k.A.

Region alle Gesamtinzidenz 1988–2004 –2,2 k.A. –2,6; –1,8

San Francisco (7)

alle Gesamtinzidenz 1988–2004 +0,1 –0,6; 0,8

40–69 Gesamtinzidenz 1988–1999 +1,6 0,8; 2,4

40–69 Gesamtinzidenz 1999–2004 –4,3 –6,8; –1,7

70 Gesamtinzidenz 1988–2002 +0,5 0,0; 1,0

70 Gesamtinzidenz 2002–2004 –9,2 –18,4; 1,0

(5)

Rückgang der Teilnahme am Mammografiescreening

Daten US-amerikanischer Erhebungen von 2000 bis 2005 zeigen, dass der Anteil der über 40-jährigen Frauen, die angeben, in den vorangehenden 2 Jahren eine Mammografie bekommen zu haben, von 76,4 % auf 74,6 % abgenommen hat (7, 20, 21).

Pro-Argumente

Schon vor dem plötzlichen, enormen Rückgang der Verordnung von HRTs sank in den USA die Brust- krebsinzidenz (1). Es ist bekannt, dass Frauen, die re- gelmäßig mammografiert werden, eine zwei- bis drei- fach höhere Detektionsrate von Brustkrebs aufweisen als Frauen, die nicht regelmäßig mammografiert wer- den (22). Offensichtlich hat der Anteil der Frauen, die sich regelmäßig mammografieren lassen, einen Ein- fluss auf die Brustkrebsinzidenz.

Bei einem Rückgang der Mammografieraten wäre es plausibel, dass insbesondere die Rate der In-situ- und invasiven Mammakarzinome niedrigen Stadiums beziehungsweise der ER+-Karzinome zurückgehen würde, weil diese Tumoren verstärkt durch Screening aufgedeckt werden. Die CDC-Analysen zeigen, dass die Inzidenz der In-situ-Karzinome von 1999 bis 2002 stetig anstieg und danach wieder abfiel. Die Rate lo- kalisierter Mammakarzinome hat sich laut der Analy- se des Centers for Disease Control am stärksten redu- ziert (7), wohingegen die Analysen der SEER-Daten einen vergleichbaren Abfall der Inzidenz aller drei Stadien zeigten (1).

Kontra-Argumente

Jemal und Koautoren hingegen stellten anhand der SEER-Daten keinen Rückgang der Inzidenz von In-si- tu-Karzinomen fest. Der insgesamt nur sehr geringe Rückgang der Mammografieraten in den USA hat demnach auf die In-situ-Karzinome, die typischerwei- se im Rahmen von Screeninguntersuchungen aufge- deckt werden, keinen Einfluss gehabt (2). Ein Abfall der Inzidenz der ER+-Mammakarzinome um 14,7 % bei Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren zwischen 2002 und 2003 wäre durch den allmählichen und sehr geringen Abfall der Mammografieraten mit allenfalls 3 % in den Jahren 2000 bis 2005 nicht ausreichend er- klärbar (1).

Aufschlussreich ist die Studie von Kerlikowkse et al. (22). Frauen, die an dieser Studie teilgenommen hatten, wurden nachweislich regelmäßig mammogra- fiert. Kerlikowkse und Koautoren untersuchten den In- zidenztrend des Mammakarzinoms von vier US-ame- rikanischen Mammografiescreening-Programmen der Jahre 1997 bis 2004 basierend auf 3 238 Mammakarzi- nomfällen.

Sie beobachteten wie Ravdin et al., dass im Alter von 50 bis 69 Jahren zwischen 2002 und 2003 ein In- zidenzabfall von ER+-Karzinomen von 13 % auftrat.

Der enorme Inzidenzabfall ist demnach auch ohne ei- nen Rückgang der Teilnahme am Mammografiescree- ning beobachtbar (22).

Inzidenzabfall durch Abschluss des Prävalenzscreenings

Die Einführung eines effizienten Screeningverfahrens führt in der ersten Screeningrunde zu einem Anstieg der Inzidenz von Tumoren, weil das Screeningverfah- ren Tumoren entdeckt, die bis dahin klinisch inappa- rent waren. Diesen Effekt nennt man Prävalenzscree- ning. Die Implementation eines bevölkerungsweiten Screenings dauert in der Regel Jahre. Wenn ein Groß- teil der Bevölkerung die erste Screeningrunde durch- laufen hat, sinkt die Inzidenz der Tumoren wieder.

Grafik 3 illustriert den Effekt bei der Einführung des Mammografiescreenings auf die Brustkrebsinzidenz in Norwegen (10).

Pro-Argumente

Die Brustkrebsinzidenz in Connecticut ist mit der Ein- führung des Mammografiescreenings in den Folge- jahren deutlich stärker angestiegen. Insbesondere die Inzidenz der In-situ-Karzinome stieg zwischen den Zeiträumen 1973 bis 1977 und 1998 bis 2002 um 1 024 % (von 3,7 auf 14,6 pro 100 000) an. Im glei- chen Zeitraum kam es zu einem Inzidenzanstieg um 86 % für lokalisierte, um 15 % für regional metasta- sierte und um 20 % für fernmetastasierte Karzinome (23). Anderson et al. räumen ein, dass der Inzidenz- trend auf einer Vermengung von Geburtskohortenef- fekten und Screeningeffekten beruht. Dennoch glau- ben sie, dass der stadienspezifische Trend und der stärkere Inzidenzanstieg seit Einführung des Scree-

Verordnung postmenopausaler Hormone und Brustkrebsinzidenz bei Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren in 4 Regionen Norwegens, die 40 % der Bevölkerung einschließen. Das Mam- mografiescreening wurde 1996 bis 1997 eingeführt; aus: Zahl PH, Maehlen J: Letter to the editor. N Engl J Med 2007; 357: 509–10, mit freundlicher Genehmigung: Massachusetts Me- dical Society

GRAFIK 3

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nings dafür sprechen, dass das Mammografiescree- ning dauerhaft zu höheren Brustkrebsinzidenzraten als vor der Einführung des Screenings führt (23).

Jemal et al. folgern, dass der Beginn des Inzidenz- abfalls in den USA im Jahre 1999 Ausdruck eines Periodeneffekts aufgrund eines erreichten Plateaus des Mammografiescreenings ist (2). Hierfür spricht, dass der Inzidenzabfall in nahezu allen Altersgruppen und insbesondere für kleine Tumoren ( 2 cm) beob- achtet wurde. Der Anteil von Frauen im Alter von mindestens 40 Jahren, die in den vorhergehenden 2 Jahren eine Mammografie hatten, stieg in den USA von 1987 bis 1999 um 29 % an, und ist seitdem mit et- wa 70 % relativ konstant (2, 6).

Kontra-Argumente

Die von Jemal et al. präsentierte Erklärung für den Rückgang der Brustkrebsinzidenz im Jahre 1999 mit Erreichen eines Plateaus der Mammografieraten macht einen allmählichen Rückgang der Brustkrebs- inzidenz seit 1999 zunächst plausibel. Der Rückgang könnte für das Ende der Prävalenzrunde des Scree- nings sprechen. Es erscheint aber nicht schlüssig, dass der Abschluss der Prävalenzscreeningrunde zwischen 2002 und 2003 einen so dramatischen Rückgang der Inzidenz bei Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren be- wirkt, wie er in den USA beobachtet wurde (2).

Methodische Ursache des Inzidenzrückgangs Abnahme der Vollzähligkeit der Krebsregistrierung

Ein plötzlicher Rückgang der Registriervollzähligkeit könnte einen plötzlichen Rückgang der Inzidenz er- klären. Hiergegen sprechen das Fehlen jedweder Indi- zien sowie die Besonderheiten des Rückgangs. Der plötzliche Rückgang der Vollzähligkeit müsste spezi- ell Patientinnen im Alter von 50 und mehr Jahren und insbesondere jene mit ER+-Karzinomen betreffen.

Änderungen der Klassifikation von Mammatumoren über die Zeit

Für die ICD-10- und ICD-O-Klassifikationen gibt es in den Diagnosejahren 1999 bis 2004 keine relevanten Änderungen, die den Inzidenzabfall erklären könnten.

Bei der Stadieneinteilung hat es eine geringe Ände- rung im SEER-Programm gegeben, die lediglich ei- nen Einfluss auf die stadienspezifischen Inzidenz- trends haben kann.

Fazit und Ausblick

Zusammenfassend zeigt sich in den USA epidemiolo- gisch eine enge zeitliche Korrelation zwischen dem Rückgang der Verschreibung von HRT und der Inzi- denz speziell von ER+-Mammakarzinomen im Alter von mindestens 50 Jahren. Bei zeitlich korrelierenden Ereignissen kann logisch nicht auf einen kausalen Zu- sammenhang geschlossen werden (24). Die enge zeit- liche Korrelation zwischen dem Inzidenzabfall und dem Rückgang der Einnahme von ÖG-HRT suggeriert eine Kausalität. Die bisher vorgebrachten alternativen Erklärungen des plötzlichen Inzidenzabfalls können

entweder widerlegt werden oder sind wenig plausibel.

Inzidenztrendanalysen der nächsten Diagnosejahre sowie ein Monitoring der Einnahmehäufigkeit von ÖG-HRTs können weitere Aufschlüsse liefern. Sollten ÖG-HRTs die Kanzerogenese fördern, bleibt offen, in welchem Ausmaß dieser Effekt auftritt. Bewirkt der Entzug von HRT lediglich ein langsameres Tumor- wachstum oder bewirkt er, dass ein Teil der subklini- schen Tumoren niemals klinisch auffällig wird? Wenn der Entzug lediglich eine Verlangsamung des Tumor- wachstums bewirken würde, wäre zu erwarten, dass die Brustkrebsinzidenz bei Frauen im Alter von 50 Jahren und mehr in wenigen Jahren auch bei weiter anhaltenden niedrigen Einnahmehäufigkeiten von ÖG-HRTs wieder ansteigt. Bleibt die Inzidenz hinge- gen dauerhaft niedriger, könnte das dafür sprechen, dass ÖG-HRTs durch ihre die Kanzerogenese begüns- tigende Wirkung die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Tumoren entdeckt werden, die ohne ÖG-HRT weder klinisch auffällig geworden noch im Mammo- grafiescreening aufgedeckt worden wären.

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 11. 9. 2007, revidierte Fassung angenommen: 10. 12. 2007

LITERATUR

1. Ravdin PM, Cronin KA, Howlader N et al.: The decrease in breast- cancer incidence in 2003 in the United States. N Engl J Med 2007; 356: 1670–4.

2. Jemal A, Ward E, Thun MJ: Recent trends in breast cancer inci- dence rates by age and tumor characteristics among U.S. wo- men. Breast Cancer Res 2007; 9: R28.

3. Siegmund-Schulze N, Zylka-Menhorn V, Leinmüller R, Meyer R:

Hormontherapie und Brustkrebs. Ein Blick auf die Datenlage.

Dtsch Arztebl 2008; 105(6): A 260–6.

4. Clarke CA, Glaser SL, Uratsu CS, Selby JV, Kushi LH, Herrinton LJ:

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Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Andreas Stang, MPH Sektion Klinische Epidemiologie Institut für Medizinische Epidemiologie Biometrie und Informatik

Medizinische Fakultät

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Magdeburger Straße 8, 06097 Halle E-Mail: andreas.stang@medizin.uni-halle.de

SUMMARY D

Deecclliinnee iinn HHoorrmmoonnee RReeppllaacceemmeenntt PPrreessccrriippttiioonn aanndd FFaallll iinn BBrreeaasstt CCaanncceerr IInncciiddeennccee –– aann EEppiiddeemmiioollooggiicc DDiissccuussssiioonn Introduction: Between 2002 and 2003 the incidence of invasive breast cancer among women aged 50 to 69 years declined consider- ably in the U.S. This decline was accompanied by a substantial fall in prescription rates of estrogen-progestin (EG-HRT). Methods: Selective literature search in PubMed from 01/2003 to 12/2007 using the key words „hormone replacement therapy“, „incidence“, and „breast can- cer“. Results: The parallel decline in EG-HRT and breast cancer sug- gests a causal link. Alternative explanations for the decline of the in- cidence can either be refuted or revealed as implausible. Discussion:

Detailed incidence trend analyses in the coming years and a close monitoring of EG-HRT prescription rates in and beyond the U.S. pro- mise important insights. If EG-HRTs are carcinogenic, the extent of this effect remains unclear. If cessation of EG-HRT therapy only de- lays the appearance of detectable breast cancer, a long term increase in incidence would be expected in women of age 50 and older, even with low prescription rates. However, if cessation of EG-HRT also stops tumor growth, the anticipated incidence will be permanently lo- wer in the future.

Dtsch Arztebl 2008; 105(16): 303–9 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0303 Key words: breast cancer, hormone replacement therapy, epidemiolo- gy, cancer registry, mammography

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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zu dem Beitrag

Der ungewollte Gewichtsverlust des alten Menschen

von Prof. Dr. med. Christian Löser, Dr. med. Heiko Lübbers, Dr. med. Reiner Mahlke, Prof. Dr. med. Paul Georg Lankisch in Heft 49/2007

DISKUSSION

Rheumatische Erkrankungen

Mit großem Interesse habe ich unmittelbar nach Ein- gang der heutigen Ausgabe des Deutschen Ärzteblat- tes den sehr detailliert geschriebenen Beitrag von Herrn Kollegen Löser et al. gelesen. Hinsichtlich der angesprochenen Thematik des ungewollten Gewichts- verlustes beim älteren Menschen muss aus internis- tisch-rheumatologischer Sicht unbedingt noch ange- merkt werden, dass chronisch-entzündliche rheumati- sche Erkrankungen neben den im Beitrag aufgeführ- ten Grunderkrankungen ebenfalls sehr häufig eine Ursache von ungewolltem Gewichtsverlust darstellen und dass bei der angesprochenen Problematik unbe-

dingt nach diesen gesucht werden und adäquat thera- piert werden muss.

Allen voran ist hier die Gruppe der Groß-Mittelge- fäßvaskulitiden, insbesondere der Riesenzellarteriitis/

Polymyalgia rheumatica-Gruppe zu nennen. Bei letzte- rer sind der Gewichtsverlust und das Alter > 65 Jahre so- gar Bestandteil der Klassifikationskriterien und sie stel- len mit einer Inzidenz von circa 20 : 100 000 Einwohnern

> 50 Jahre und einer Prävalenz von circa 200 : 100 000 nicht nur in einer rheumatologischen Universitäts- be- ziehungsweise Akutklinik ein häufig unerkanntes inter- nistisches Problem des älteren Menschen dar.

DOI: 10.3238/arztebl.2008.0309

Prof. Dr. med. Ulf Müller-Ladner

Lehrstuhl für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie der Justus-Liebig Universität Gießen

Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie, Osteologie, Physikalische Medizin

Kerckhoff-Klinik 61231 Bad Nauheim

E-Mail: u.mueller-ladner@kerckhoff-klinik.de

(8)

Ernährung bei weit fortgeschrittenen Erkrankungen

Die Autoren weisen in den letzen Abschnitten ihres CME-Artikels darauf hin, dass „die Ernährung über ei- ne PEG-Sonde keine terminale oder gar symbolische Maßnahme bei Patienten mit schlechter Prognose oder unheilbaren Erkrankungen im Endstadium darstellt“.

Diesen wichtigen Punkt möchten wir unterstreichen.

Die emotional stark besetzte Maßnahme der Einlei- tung oder Fortführung einer künstlichen Ernährung wird täglich in unzähligen Behandlungssituationen von Patienten und Angehörigen gefordert. Insbesondere die häufig geäußerte Bitte der Angehörigen, den Patienten

„nicht verhungern zu lassen“ bedarf differenzierter Be- trachtung.

Unstrittig ist, dass bei sekundärer Kachexie (zum Beispiel tumorbedingter mechanischer oder neurologi- scher Behinderung des Schluckakts) eine künstliche enterale Ernährung via PEG sinnvoll sein kann. Hunger- gefühl tritt jedoch bei der viel häufigeren primären Tu- morkachexie nicht auf und es fehlt ein positiver Einfluss künstlicher Ernährung auf Lebenszeit und -qualität.

Häufig verstärkt diese Maßnahme nur belastende Sym- ptome durch die verursachten Flüssigkeitsverschiebun- gen (Aszites, Pleuraerguss, Hirnödem etc.).

Ähnliches gilt für fortgeschrittene nicht onkologi- sche Erkrankungen (1). Die künstliche Ernährung ist in diesem Kontext demnach keine ärztliche Pflicht (2).

Mit diesem Leserbrief möchten wir dem letzten wich- tigen Absatz der CME-Fortbildung von Löser et al. noch mehr Gewicht verleihen. Damit erhoffen wir uns, die weit verbreitete Unsicherheit bei der Entscheidungsfin- dung für oder gegen die Einleitung oder Fortführung ei- ner künstlichen Ernährung im Verlauf von fortgeschrit- tenen Erkrankungen verringern und therapeutische Au- tomatismen verhindern zu können.

DOI: 10.3238/arztebl.2008.0310a

LITERATUR

1. Mitchell SL: A 93-year-old man with advanced dementia and eating problems. JAMA 2007; 298: 2527–36.

2. Bundesärztekammer: Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztli- chen Sterbebegleitung. Dtsch Arztebl 2004; 101 (19): A 1298–9.

Dr. med. Jan Gaertner Dr. med. Christoph Ostgathe Prof. Dr. med. Raymond Voltz Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin Klinikum der Universität zu Köln Kerpener Straße 42 50924 Köln

Schlusswort

Die große positive Resonanz auf unseren CME-Artikel belegt die praktische Bedeutung des Themas Malnutri- tion im Alter. Die vielen Leserbriefe verdeutlichen ins- besondere auch die Notwendigkeit einer offenen und kritischen Diskussion über den Stellenwert der künstli- chen Ernährung (PEG-Sonde) in diesem Kontext. Wie die Kollegen Gaertner, Ostgathe und Voltz zu Recht be- tonen, ist die PEG-Sonde keine terminale oder gar sym-

bolische Maßnahme bei Patienten im Endstadium einer infausten Erkrankung sondern bedarf neben einer medi- zinischen Indikation, die eine Verbesserung der Lebens- qualität zum erreichbaren Ziel haben muss, auch einer ethischen Rechtfertigung. Gerade wegen der häufig sehr emotionalen Diskussion sollte die Frage über die Mög- lichkeiten und Grenzen einer supportiven künstlichen Ernährung über eine PEG-Sonde sehr frühzeitig bei ab- sehbarem Krankheitsverlauf thematisiert und ausführ- lich auf den jeweiligen Patienten bezogen mit den Be- teiligten besprochen werden. Hier sind allein individu- elle ärztliche Aufklärung und ausführliche Kommunika- tion, die den Patientenwunsch, die Realisierbarkeit von Zielsetzungen, individuelle Emotionen und Möglich- keiten wie Grenzen ärztlichen Handelns thematisieren, zielführend.

Auch für den ergänzenden Kommentar von Herrn Kollegen Ulf Müller-Ladner sind wir dankbar, da er noch mal zum Ausdruck bringt, dass eine Vielzahl von chronischen Erkrankungsprozessen oft auch schon sehr frühzeitig zu einem schleichenden, aber kontinuierli- chen Gewichtsverlust führen kann, der ärztlicherseits rechtzeitig erkannt und mit den dargestellten etablierten Maßnahmen effektiv behandelt werden muss. Chro- nisch entzündliche rheumatische Erkrankungen und die komplexe Vielfalt der autoimmunologischen Erkran- kungen sind in diesem Zusammenhang relevante Dia- gnosen. Zwei Aspekte sind aus ärztlicher Sicht wichtig:

Zum Einen muss bei allen chronisch Kranken regel- mäßig die Ernährungssituation überprüft und nach ei- nem ungewollten Gewichtsverlust gefragt werden; zum Anderen muss bei unklarem Gewichtsverlust differenzi- aldiagnostisch die komplexe Palette der verschiedenen chronischen Erkrankungen inklusive der rheumatolo- gisch-immunologischen Grunderkrankungen individu- ell als mögliche Ursache erwogen werden.

DOI: 10.3238/arztebl.2008.0310b

Prof. Dr. med. Christian Löser Medizinische Klinik

Rotes Kreuz Krankenhaus Kassel gGmbH Hansteinstraße 29

34121 Kassel

E-Mail: chr.loeser@rkh-kassel.de

Interessenkonflikt

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committe of Medical Editors besteht.

Referenzen

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