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Archiv "Mercy Ships: Christliche Hoffnung und medizinische Hilfe" (15.12.2006)

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A3394 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 50⏐⏐15. Dezember 2006

T H E M E N D E R Z E I T

nig wäre es van Bömmel auch gewe- sen, wie ursprünglich geplant, sich ausschließlich auf einen Tätigkeits- bereich zu konzentrieren. Schon wäh- rend seiner Zeit als Assistenzarzt an der Klinik und Poliklinik für Anästhe- siologie und operative Intensivmedi- zin an der Universität Münster ge- wann er erste intensivmedizinische Einblicke. Das war der Grund, warum er einem späteren Wechsel in die in- terdisziplinäre Intensivmedizin der BGU Murnau aufgeschlossen ge- genüberstand. Gemeinsam mit seiner Frau zog der Arzt 1993 vom westfäli- schen Münster ins bayerische Murnau am Staffelsee. Kurz darauf fragte ihn sein neuer Vorgesetzter, ob er die ärztliche Leitung der Intensivtrans- porthubschrauberstation übernehmen wolle. Die Voraussetzung für eine sol- che Tätigkeit – den Fachkundenach- weis Rettungsdienst und langjährige intensivmedizinische Erfahrung – be- saß van Bömmel. Ohne lange darüber nachzudenken, nahm der Facharzt die Herausforderung an, was sich für ihn bis heute bewährt hat, wie er betont.

Heute ist das gesamte Hub- schrauberteam van Bömmel zufolge gut eingespielt. 16 ärztliche Kolle- gen teilen die Rettungseinsätze un- ter sich auf, zweimal monatlich ist er selbst an der Reihe. An anderen Tagen gehört es zu seinem Aufga- benbereich als leitender Hubschrau- berarzt, Dienstpläne für die Kolle- gen zu schreiben, Fortbildungen zu organisieren und die medizinische Ausstattung des Hubschraubers zu überprüfen. Um aber nicht „der ar- rogante Flegel vom Himmel“ zu sein, wie van Bömmel es mit einem Lächeln ausdrückt, ist er zusätzlich zu seiner Hubschrauberarzttätigkeit vier- bis fünfmal pro Quartal für den bodengebundenen Notdienst aktiv.

Als wäre das alles nicht bereits ge- nug Abwechslung, ist van Bömmel nebenbei noch für den Inter- netauftritt der Klinik zuständig, leitet die Arbeitsgruppe „Klinische Infor- mationssysteme“ und ist ärztlicher Vertreter der Qualitätssicherungs- kommission der Klinik. „Meine Kern- arbeitszeit findet aber auf der Inten- sivstation statt.“ Wo sonst. I Martina Merten

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s ist ein Erlebnis, in diesem OP zu arbeiten: Den ganzen Tag über wiegt er sich sanft auf und nie- der, der Blick schweift aus den Bullaugen auf die Hafenanlagen.

Auf dem Dock sitzen Patienten, die sich zur postoperativen Untersu- chung eingefunden haben. Dahinter Wasser, weitere Stege, gewaltige Containerkräne, Überseeschiffe mit den ausladenden Tentakeln ihrer bordeigenen Kräne.

Der OP lag von November 2005 bis Juni 2006 in Monrovia, der Hauptstadt Liberias, vor Anker. Der westafrikanische Staat hat sich durch einen 14 Jahre dauernden Bürger- krieg vom weitentwickelten Vor- bild zum Schlusslicht der Region heruntergewirtschaftet. Vor drei Jah- ren endete der Krieg, eine UN- Schutztruppe sichert die Ruhe in dem aufgewühlten Land, dessen Be- völkerung stigmatisiert und dessen Sitten verroht sind.

Die „M/V Anastasis“ ist das Flagg- schiff der internationalen christlichen Hilfsorganisation Mercy Ships. Sie verfügt über drei OP-Säle, in denen

vorwiegend Plastische Chirurgen und Augenärzte operieren. In der Kopf- Hals-Chirurgie werden häufig beni- gne Tumoren versorgt, vom großen Lipom oder Hämangiom bis zum ki- loschweren Tumor der Gesichtskno- chen. Auch Lippen-Gaumen-Spal- ten oder erworbene Defekte durch Noma, Wasserkrebs, werden beho- ben. In der Ophthalmologie werden vorwiegend Katarakte, aber auch be- nigne Tumoren operiert. Ein weiterer Schwerpunkt sind postpartale vesi- covaginale Fisteln, die in Afrika häu- fig auftreten.

Daneben gibt es ein Programm zur Gesundheitserziehung. Mercy Ships errichtet Sanitäranlagen, hilft beim Bau von Waisenhäusern, stärkt Kirchengemeinden oder lehrt Land- bau auf biblischer Basis. Die „Anas- tasis“ geht jeweils für einige Mona- te in einem Land Westafrikas vor Anker, sie bringt ihre Ausrüstung mit und ist weitgehend autark bei ih- rer Hilfe am Rand des Elends. Das Außergewöhnliche aber ist der Geist an Bord. Es herrscht eine besondere Atmosphäre unter den fast 400 eh- MERCY SHIPS

Christliche Hoffnung und medizinische Hilfe

Unter dem Motto „Bringing Hope and Healing“

betreibt die christliche Organisation Mercy Ships ein schwimmendes Krankenhaus für Westafrika.

„Anastasis – Auferstehung“:

Das ehemalige italienische Kreuzfahrtschiff dient seit 1978 als schwimmendes

Krankenhaus. Fotos:Markus Holtel

Weitere Informationen unter www.adac.de/luftrettung

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A3396 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 50⏐⏐15. Dezember 2006

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renamtlichen Helfern aus aller Welt.

Niemand wird bezahlt, jeder trägt die Kosten für Flug und Verpflegung selbst. Viele Crew-Mitglieder sind seit Jahren dabei und finanzieren sich über einen Unterstützerkreis in ihrer Heimatgemeinde. Andere, vor allem Mitglieder der medizinischen Crew, kommen nur für einige Wo- chen im Jahr. Der Umgangston ist persönlich.

„Bringing Hope and Healing“ ist das Motto von Mercy Ships, und die christliche Hoffnung steht nicht zu- fällig an erster Stelle. Spiritualität und Glauben sind ein normaler Bestand- teil der täglichen Arbeit. Das beginnt bei den morgendlichen Andachten, die unterhaltsam und wohltuend sind.

Ein morgendliches Gebet im OP so- wie ein Gebet mit jedem und für je- den Patienten sind selbstverständlich.

Mercy Ships praktiziert ein boden- ständiges, undogmatisches und fröh- liches Christentum. Heiter und gelas- sen ist die Grundstimmung bei der Arbeit. Es gibt hier niemanden, der nur widerwillig mitarbeitet, um fi- nanziell über die Runden zu kom- men. Im Gegenteil: Man muss es sich quasi leisten können, helfen zu dür- fen. Die Langzeitmitarbeiter verlas- sen dafür Heimat und vertrautes Um- feld, sie geben Job und Karriere auf, um ohne gesichertes Einkommen 40 Stunden in der Woche zu arbeiten. Sie wohnen in einem Jugendherbergsam- biente. Viele leben mit ihrer ganzen Familie in zwei kleinen Kabinen. Wer sich darauf einlässt, regt sich nicht mehr über Kleinigkeiten auf.

„It’s good to have you here.“ –

„Gut, dass du da bist.“ Mit diesen Worten werden alle Neuankömmlin- ge in der Gemeinschaft begrüßt. In den Meetings der Crew werden sie mit Namen, Funktion und Herkunft vorgestellt, und man bedankt sich mit einem Applaus für die Bereitschaft, auf der „Anastasis“ Dienst zu leisten.

„Anastasis“, der griechische Na- me des Schiffes, bedeutet „Auferste- hung“. Er steht dafür, dass das außer Dienst gestellte italienische Kreuz- fahrtschiff 1978 als schwimmendes Krankenhaus wieder auf Fahrt ging.

Aber der Name steht auch dafür, dass es nun neue Lebensperspektiven schafft für ausgegrenzte afrikanische Patienten – Patienten, die durch ihren Tumor, durch ihre Lippen-Gaumen-

Spalte entstellt sind, die mit ihrer Urinfistel ständig Gestank und Nässe verbreiten und an den Rand der Ge- sellschaft gedrängt sind.

Das OP-Spektrum ist abhängig von den Operateuren, die gerade zur Verfügung stehen. Kopf-Hals-Chir- urgie wird weitgehend von Lang- zeitmitarbeitern betrieben, Augen- operationen und Fistelchirurgie nach dem Einsatzplan der wochenwei- se eingesetzten Ärzte. Eine mobile Zahnklinik führt täglich einige Dutzend Zahnbehandlungen durch, muss sich aber oft auf die Extraktion von Zähnen beschränken. Die Aus- rüstung ist für afrikanische Verhält- nisse üppig. Die Geräte sind zwar nicht ganz neu, aber auch nicht hoff- nungslos veraltet. Mit Medikamenten und Verbrauchsmaterial muss zwar sparsam umgegangen werden, aber es herrscht kein dramatischer Man- gel. Die Anästhesisten können auf Tuben in allen Formen und Varianten für die Kopf-Hals-Chirurgie zurück- greifen, auch auf Larynxmasken aller Größen. Die Filter am Gerät werden nach jedem Patienten gewechselt.

Labor, Röntgen, sogar ein CT stehen an Bord zur Verfügung.

„Changing lives“ hat Mercy Ships sich auf die Fahne geschrieben – Le- ben verändern, das Leben der Patien- ten, die an Bord Operationen erhal- ten, zu denen sie sonst niemals Zu- gang hätten. Bei einem Abschieds- gottesdienst auf der Station spüren wir die Veränderung: Die Patientin- nen feiern nach der Fisteloperation ihr neues Leben, in ausgelassener Stimmung, mit Gesang und Tanz, ge- kleidet in Festgewänder. Aber Mercy Ships verändert auch das Leben der Mitarbeiter, die einige Wochen oder viele Jahre lang christliche Hoff- nung nach Afrika bringen.

Eine Patientin kämpft mit postope- rativen Komplikationen, macht einen septischen Verlauf durch und muss mehrfach revidiert werden – und die ganze Crew hofft und betet für sie.

Am Verhalten jedes einzelnen Mitar- beiters, an der freundlichen Arbeitsat- mosphäre, an der Wertschätzung für den Nächsten zeigt sich, dass die Anastasis eine Mission hat. Eine Mis- sion, die über eine medizinische Dienstleistung hinausgeht. I Dr. med. Markus Holtel

MERCY SHIPS

Mercy Ships ist eine internationale christliche Hilfsorganisation mit Sitz in Texas/USA. Sie betreibt zurzeit zwei Krankenhausschiffe, die „Anas- tasis“ in Westafrika und die „Ca- ribbean Mercy“ in Mittelamerika.

2007 müssen diese ihren Betrieb einstellen und werden durch die größere „Africa Mercy“ abgelöst, die über sechs OP-Säle verfügen wird. Informationen: www.mercy ships.org; Mercy Ships Deutsch- land, Am Riederloh 6, 87600 Kauf- beuren, Telefon: 0 83 41/9 82 17;

Markus Holtel, E-Mail: dr.markus@

centermail.info.

„Changing Lives – Leben verändern“:

Patienten erhalten an Bord Operationen, zu denen sie sonst keinen Zugang hätten.

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