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Archiv "Zukunft und Hoffnung für Alzheimer-Patienten?" (04.08.1997)

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Academic year: 2022

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U

nter dem Motto „. . . to give you a future and hope“ (Jere- miah 29;11) fand vom 8. bis 11. Oktober 1996 in Jerusa- lem die 12. Internationale Konferenz

„Alzheimer’s Disease International“

statt. Ziel der Veranstaltung war es, verschiedene Aspekte der Alzhei- merschen Erkrankung von der Epi- demiologie und Pathologie bis zu Therapieansätzen vorzustellen und einen breiten Informationsaustausch zwischen Wissenschaftlern, Klinikern und in der Pflege von Alzheimer-Pa- tienten Tätigen zu ermöglichen. Die senile Demenz vom Alzheimer-Typ (SDAT) ist klinisch durch zunehmen- de Merkfähigkeits- und Orientie- rungsstörungen sowie Verhaltensän- derungen wie Unruhe, Apathie und Hypersexualität gekennzeichnet und führt im weiteren Verlauf zur De- menz und zum Verlust der Selbstän- digkeit des Patienten. Morphologisch zeichnet sich die Erkrankung durch eine generalisierte Hirnatrophie mit Nervenzellverlust, senilen Plaques und Neurofibrillenveränderungen aus, die sich vor allem in Kortex und Hippocampus finden. Durch die zu- nehmende Lebenserwartung in west- lichen Industrieländern ist die An- zahl von Alzheimer-Patienten dra- stisch angestiegen: die mittlere Prävalenz in Europa beträgt fünf Pro- zent für über 65jährige; für den Be- reich der alten Bundesländer wird von 400 000 Patienten mit 80 000 jährlichen Neuerkrankungen ausge- gangen, wobei bis zum Jahr 2030 ein Anstieg um weitere 50 Prozent er- wartet wird. Aufgrund der notwendi- gen intensiven Betreuung und teil- weise langen Krankheitsdauer ist die SDAT somit von großer soziopoliti- scher wie volkswirtschaftlicher Be- deutung.

Epidemiologie und Genetik

A. D. Korcyn(Tel Aviv) gab zu Beginn eine Übersicht über die Risi- kofaktoren der SDAT. Neben der ge-

netischen Komponente bei einem Teil der Patienten spielen dabei Schädel-Hirn-Traumen, kardiovas- kuläre Erkrankungen, Alkoholabu- sus und die Hypothyreose eine Rolle, die wegen ihrer potentiellen Beein- flußbarkeit von klinischer Bedeu- tung sind.

Als protektive Faktoren, die durch epidemiologische Untersu- chungen von A. H. Bowirrat (Tel Aviv) und X. Shifu (Shanghai) ge- stützt wurden, gelten bislang Rau- chen und Schulausbildung. Die Wichtigkeit vaskulärer Risikofakto- ren wurde von T. Erkinjuntti(Helsin- ki) unterstrichen, die nicht nur für sich Ursache einer Demenz sein kön- nen, sondern auch den klinischen Verlauf bei SDAT-Patienten negativ beeinflussen können.

D. M. Michaelson (Tel Aviv) stellte in seiner Übersicht die fünf Schlüsselmoleküle vor, die eine wich- tige Rolle für die Initiierung oder die Schwere des Verlaufs der SDAT spielen. Zu diesen gehören die Pro- teine b-Amyloid (bAP), tau, Apoli- poprotein E (ApoE) sowie die Präse- niline 1 und 2.

Die in der Vergangenheit nicht zuletzt wegen der familiären Häufig- keit und der Ähnlichkeit zu den bei Morbus Down gefundenen morpho- logischen und klinischen Verände- rungen vermutete genetische Grund- lage bei SDAT ist mittlerweile be- stätigt, so daß laut I. Levy-Lahad(Je- rusalem) die positive Familienanam- nese einen Hauptrisikofaktor für diese Erkrankung darstellt: die drei bekannten zur „early-onset“-Varian- te (Beginn vor dem 60. Lebensjahr) der SDAT führenden Mutationen liegen dabei auf den Genen für das Amyloid-Precursor-Protein (APP, Chromosom 21) sowie Präsenilin-1 (Chromosom 14) und Präsenilin-2 (Chromosom 1); ein erhöhtes Er- krankungsrisiko ist zudem mit dem Allel e4 des ApoE-Gens (Chromo- som 19) verbunden. Die zuvor pro- pagierte Assoziation von ApoE und Polymorphismen des a-1-Antichy-

motrypsin-Gens als weiterem mögli- chen Risikofaktor konnte von B.

Nacmias (Florenz) nicht bestätigt werden.

Pathophysiologie und Therapie

G. K. Wilcock (Bristol) betonte, daß Therapieansätze entweder einen Ausgleich des Neurotransmitter-, das heißt Acetylcholinmangels (ACh), oder die Prävention beziehungsweise Verzögerung des Neuronenunter- gangs zum Ziel haben müssen, sei es durch Verhinderung der durch Amy- loid- und Neurofibrillenablagerung provozierten Schäden oder durch Neurotrophine mit protektiver Wir- kung an ACh-produzierenden Neuro- nen. Potentielle Probleme lägen da- bei in der zerebralen Applikation und eventuellen Nebenwirkungen. D. M.

Michaelson(Tel Aviv) fand in seinen Untersuchungen mit ApoE-defizien- ten („knockout“) Mäusen, daß diese Gedächtnismängel aufwiesen, die mit niedriger ACh-Konzentration und abnorm phosphoryliertem tau in Kor- tex und Hippocampus einhergingen.

Nach gedeckten Schädel-Hirn-Trau- men zeigten sie stärkere neurolo- gische und kognitive Ausfälle als die Kontrollen, so daß ApoE einen neuroprotektiven Effekt zu haben scheint. Zur Untersuchung der bAP- Ablagerungen im Gehirn wurde von R. Pluta (Warschau) ein Tiermodell vorgestellt, bei dem nach Schädigung der Blut-Hirn-Schranke durch zere- brale Ischämie i.-v.-Injektionen von löslichem bAP durchgeführt wurden, die zu diffusen Plaques, Neuronen- verlust und reaktiver Gliose führten.

An einem weiteren Tiermodell für SDAT zeigten D. Bokonjic und N.

Popovic(Belgrad), daß die nach Läsi- on des Nucleus basalis magnocellula- ris in Ratten auftretenden Verhal- tensänderungen durch den ACh- Esterasehemmer Physostigmin anta- gonisiert wurden, während frühzeiti- ge Allotransplantation von fetalem A-2072

M E D I Z I N

(40) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 31–32, 4. August 1997 KONGRESSBERICHT

Zukunft und Hoffnung für

Alzheimer-Patienten?

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Kortex für eine Verbesserung der ko- gnitiven Funktionen sorgte.

E. M. Landau (New York) be- richtete über den indirekten Nach- weis eines spezifischen bAP-Rezep- tors im Rattenhirn. Injektion von Rattenhirn-RNA in Xenopus-Oo- zyten und deren anschließende Expo- sition gegen bAP führten dabei zur Aktivierung des Phosphatidyl-Inosi- tol second messenger pathways mit erhöhter Ca2+-Konzentration und Stimulierung der Proteinkinase C.

Da beide Substanzen zu einer Hem- mung der amyloidbildenden APP- Proteolyse führen, scheint bAP ein negatives Feedback auf seine eigene Synthese auszuüben, so daß die Sti- mulierung des bAP-Rezeptors einen potentiellen Therapieansatz bieten könnte. Unter der Vorstellung, daß die Plaque-Bildung durch Übergang löslicher a-Helix- in unlösliche b-Faltblattstruktur zustandekommt, setzten B. Solomon et al.(Tel Aviv) monoklonale Antikörper in vitro ge- gen das N-terminale Fragment des bAP ein und konnten dessen Aggre- gation zu Plaques nicht nur verhin- dern, sondern sogar durch Auflösung von präformiertem Amyloid rück- gängig machen. I. Gozes (Tel Aviv) zeigte, daß die Retardierung junger ApoE-knockout-Mäuse durch in- tranasale Applikation eines VIP- Analogons verhindert werden konn- te. Die neuroprotektive Wirkung werde dabei über eine Sekretion von Wachstumsfaktoren durch Gliazellen vermittelt, unter anderem durch den vor kurzem isolierten activity-depen- dend neurotrophic factor (ADNF), der Ähnlichkeiten zum hsp60 auf- weist und in femtomolarer Konzen- tration wirkt.

Unter der Vorstellung, daß die durch Amyloidablagerungen indu- zierte Mikrogliaaktivierung und lo- kale inflammatorische Reaktionen eine wichtige Rolle in der Pathogene- se der SDAT spielen, setzten O. Be- nesova et al.(Prag) das Antiphlogisti- kum Flobufen an Ratten ein und er- zielten eine signifikante Verbesse- rung von Verhalten und Gedächtnis.

Ähnliche Resultate erhielt A. Fisher (Ness-Ziona) mit dem Muscarin- Agonisten AF102B, der ein selekti- ves Stimulans für M1-Rezeptoren im Rattenkortex darstellt. In Zell- und

Slice-Kulturen des ZNS wirkten M1- Agonisten neuroprotektiv durch Un- terdrückung der bAP-Synthese, er- höhte Sekretion von APP, Prävention der Bildung von sogenannten paired helical filaments durch reduzierte tau-Phosphorylierung sowie Apopto- se-Inhibition; diese Effekte wurden durch die Wachstumsfaktoren NGF und bFGF verstärkt.

N. Bodick(Indianapolis) berich- tete über klinische Erfahrungen mit

Xanomelin, einem Muscarin-Agoni- sten mit hoher Aktivität an den Re- zeptorsubtypen M1 und M4. Es zeig- te sich eine signifikante Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten, des Ver- haltens sowie der alltäglichen Akti- vitäten. Als Wirkmechanismus wird ein reduzierter Bedarf der Nerven- zelle an freiem Cholin zur ACh-Syn- these angenommen, der seinerseits eine Reduktion des bei SDAT-Pati- enten zur Cholin-Bereitstellung ge- steigerten Membranabbaus zur Folge hat. Unter der Vorstellung, daß eine exzitotoxische Schädigung durch Glutamat-Hyperaktivität für die De- generation bei SDAT verantwortlich ist, führte S. Tekin(Istanbul) eine kli- nische Studie mit Lamotrigin durch, einem präsynaptischen Glutamat-In- hibitor, der bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkin-

son und amyotropher Lateralsklero- se zerebroprotektiv wirksam ist. In einer Dosierung von 150 bis 300 mg/die kam es zu einer positiven Wir- kung bei kognitiven Verlusten, nicht jedoch bei Verhaltensänderungen. L.

Fornazzari (Santiago de Chile) be- richtete über eine lateinamerikaweite Studie mit Nimodipin, einem übli- cherweise bei zerebralen Vasospas- men nach Subarachnoidalblutung eingesetzten Kalzium-Antagonisten.

In einer Dosierung von 30 mg/die über zwölf Wochen zeigten sich posi- tive neurophysiologische Effekte bei SDAT und Multiinfarkt-Demenz, die mit mehreren Standardtests evaluiert wurden. Vorläufige Ergebnisse einer weiteren Großstudie wurden vonR.

Anand (New Hanover) vorgestellt, der ein präklinisches Profil des ACh- Esterasehemmers Exelon gab, der momentan bei 3 300 Patienten in elf Ländern eingesetzt wird. Das Medi- kament zeigt Hirnselektivität mit ei- ner Präferenz für Kortex und Hippo- campus und resultiert in einer Ver- besserung globaler Funktionen und kognitiver Fähigkeiten sowie der All- tagsverrichtungen. Da es eine Halb- wertzeit von zehn Stunden hat und nicht hepatisch metabolisiert wird, ist das Risiko von Nebenwirkungen und Interaktionen mit anderen Medika- menten gering.

Abschließend wies M. Davidson (Ramat Gan) darauf hin, daß trotz der Menge hinweisender bildgeben- der, laborchemischer oder psycholo- gischer Untersuchungsverfahren noch keine spezifischen und sensiti- ven biologischen Marker zum Scree- ning asymptomatischer Individuen auf SDAT existieren. Zukünftige Strategien im Umgang mit SDAT müssen daher laut Z. Khachaturian (New York) in der Zentralisierung von Forschungseinrichtungen und Ressourcen liegen mit dem Ziel, die Erkrankung und den Beginn der Pfle- gebedürftigkeit hinauszuzögern, die Anzahl der Patienten zu verringern und somit die Kosten der Langzeit- versorgung zu senken.

Dr. med. Christian H. Rickert Institut für Neuropathologie Westfälische Wilhelms-Universität Domagkstraße 19

48149 Münster

A-2073

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Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 31–32, 4. August 1997 (41) KONGRESSBERICHT

Diskussionsbeiträge

Zuschriften zu Beiträgen im medi- zinisch-wissenschaftlichen Teil – ausgenommen Editorials, Kon- greßberichte und Zeitschriftenre- ferate – können grundsätzlich in der Rubrik „Diskussion“ zusam- men mit einem dem Autor zuste- henden Schlußwort veröffentlicht werden, wenn sie innerhalb vier Wochen nach Erscheinen der be- treffenden Publikation bei der Me- dizinisch-Wissenschaftlichen Re- daktion eingehen und bei einem Umfang von höchstens zwei Schreibmaschinenseiten (30 Zeilen mit je 60 Anschlägen) wissen- schaftlich begründete Ergänzun- gen oder Entgegnungen enthalten.

Für Leserbriefe zu anderen Beiträ- gen gelten keine besonderen Rege- lungen (siehe regelmäßige Hinwei-

se). DÄ/MWR

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