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Archiv "Xenon statt Lachgas?" (25.08.1997)

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D

ie heute weltweit in großem Umfang verwendeten Inhala- tionsanästhetika Distickstoff- oxid (Lachgas, N2O) sowie verschiedene halogenierte Alkane oder Alkyläther (FCKW) stellen nicht nur ein Umweltproblem dar, sondern werden immer wieder mit akuten Komplikationen während und nach einer Narkose und mit Gesund- heitsrisiken für das medizinische Per- sonal in Zusammenhang gebracht.

In der Universitätsklinik Ulm werden jährlich rund 18 500 Narko- sen, davon etwa 80 Prozent Vollnar- kosen durchgeführt. Dabei werden schätzungsweise 60 000 Liter ('2 500 mol) volatile FCKW an die Atmo- sphäre abgegeben. Die Freisetzung von Lachgas, das im Gemisch mit Sauerstoff bei allen Inhalationsnarko- sen als Trägergas benutzt wird und selbst zur anästhetischen Wirkung beiträgt, beträgt rund 4,4 Millionen Liter ('180 000 mol) pro Jahr. Nach Angaben des Statistischen Bundes- amtes wurden im Jahre 1993 in den al- ten Bundesländern rund 5,8 Millio- nen Vollnarkosen in Kliniken durch- geführt. Hinzu kommt eine unbe- kannte Anzahl außerhalb der Klini- ken, zum Beispiel in den Praxen der niedergelassenen Kollegen.

Umweltschäden als Folge einer unkontrollierten Freisetzung von In- halationsanästhetika in die Atmo- sphäre sind zum einen durch die Zer- störung der Ozonschicht, zum ande- ren durch den Treibhauseffekt der Stoffe zu erwarten.

Unerwünschte Wirkungen beim Patienten werden durch die Inhala- tionsnarkotika selbst oder ihre Meta- boliten verursacht. Besonders in den letzten Jahren ist auf die erhebliche Arbeitsplatzbelastung des medizini-

schen Personals im OP-Bereich hin- gewiesen worden: Sie resultiert aus Undichtigkeiten der Beatmungsgerä- te und der Diffusion der FCKW durch die verwendeten Schlauchleitungen sowie durch die Abatmung nach Be- endigung der Narkose.

Die derzeit angestrebten Maß- nahmen zur Verbesserung dieser Si- tuation können durch drei Postulate, wie sie auch für den Einsatz von Tier- versuchen in der toxikologischen For- schung erhoben wurden, charakteri- siert werden: Reduction – Refine- ment – Replacement.

1Eine Verringerung des Anästhetikaverbrauchs wird durch sogenannte Niedrigflußnarkosen er- reicht: Durch apparative Technik wird die Frischgaszufuhr (statt 4 bis 6 Liter/min nur 0,5 bis 1 Liter/min) und damit der Narkosegasverbrauch ver- ringert;

1Rückgewinnung: die Exspirati- onsluft wird nicht einfach in die Atmo- sphäre geleitet, sondern die konden- sierbaren Anteile werden durch phy- sikochemische Prozesse abgetrennt, können gereinigt und unter Umstän- den sogar wieder verwendet werden;

1ein Ersatz der Inhalations- anästhetika ist derzeit in begrenztem

Umfang durch Anwendung der soge- nannten totalen intravenösen Anäs- thesie (TIVA) möglich, die aus- schließlich Injektionsanästhetika ver- wendet. Allerdings bedeutet dies eine Verlagerung der Umweltgefährdung von der Luft ins Wasser, da die ver- wendeten Wirkstoffe, zum Beispiel Phenolderivate, das Abwasser bela- sten. Für Lachgas bietet sich daher besser ein Ersatz durch das natürlich vorkommende Edelgas Xenon an.

Lachgas als

Inhalationsanästhetikum

Distickstoffoxid wird industriell aus Ammoniumnitrat hergestellt, in der Biosphäre entsteht es außerdem durch Verfeuerung fossiler Brennstof- fe, durch mikrobielle Nitratreduktion (aus Dünger) im Boden und bei der Nylonproduktion (10). Es wurde 1844 in die Anästhesie eingeführt und wird bei Vollnarkosen im Gemisch mit Sau- erstoff (N2O : O2= 70 Prozent/30 Pro- zent) als Trägergas für Inhalationsnar- kotika verwendet. Wichtige Eigen- schaften sind in der Tabelleaufgelistet.

Die minimale alveoläre Konzentration (MAC)* beträgt 105 Prozent (v/v), so daß mit Lachgas/Sauerstoffgemischen, die mindestens 20 Prozent O2enthal- ten, allein keine ausreichende Narko- setiefe zu erzielen ist. Die Löslichkeit im Blut ist gering (Blut/Gas-Koeffizi- ent 0,47), so daß ein rasches An- und Abfluten erfolgt. Die Inhalation von Distickstoffoxid führt zu einem Ein- spareffekt für andere Inhalations- anästhetika, zum Beispiel sinkt bei der Inhalation von 70 Prozent N2O die MAC von Halothan (0,75 Prozent auf 0,29 Prozent), von Enfluran (1,68 Pro- zent auf 0,6 Prozent) und von Isofluran

A-2202

M E D I Z I N

(46) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 34–35, 25. August 1997 AKTUELL

Xenon statt Lachgas?

Michael Georgieff

1

·· Harald Mückter

2

·· Gebhard Fröba

1

Stefan Bäder

1

·· Bernhard Liebl

2

·· Thomas Marx

1

In vieler Hinsicht stellt das Edelgas Xe- non ein nahezu ideales Anästhetikum dar. Es ist nicht brennbar, nicht toxisch, nicht teratogen und wird offenbar nicht metabolisiert. Es flutet rasch an und ab, so daß die Narkose gut steuerbar ist. Xe- non wirkt etwa 1,5mal stärker anästhe- tisch als Distickstoffoxid (Lachgas). Eine generelle Umstellung von Lachgas auf Xenon würde zudem die Arbeitsplatz- belastung für das medizinische Perso- nal verringern und dem Umweltschutz dienen, doch die finanziellen und tech- nischen Probleme sind beträchtlich.

1Universitätsklinik für Anästhesiologie (Ge- schäftsführender Direktor: Prof. Dr. med. Mich- ael Georgieff) der Universität Ulm

2Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie (Leiter: Prof. Dr. med. W. Forth), Ludwig-Maximilians-Universität München

* MAC ist diejenige alveoläre Konzentrati- on eines volatilen Anästhetikums, bei der 50 Prozent eines Patientenkollektivs auf ei- nen Schmerzreiz (zum Beispiel Hautinzisi- on) nicht mehr reagiert. Sie gilt als Maß für die anästhetische Wirksamkeit.

(2)

(1,15 Prozent auf 0,5 Prozent) (15).

Die Biotransformation von Distick- stoffoxid im Verlauf einer Narkose ist offenbar sehr gering, aber wegen der unten erwähnten Nebenwirkungen eben nicht vernachlässigbar.

Etwa zehn Prozent der Patienten klagen nach einer Narkose mit Di- stickstoffoxid über Übelkeit und Er-

brechen. Durch das rasche An- und Abfluten besteht die Gefahr einer Diffusionshypoxie, bei der der al- veoläre Sauerstoffpartialdruck kri- tisch absinkt. Der im Vergleich zum Stickstoff etwa 34fach höhere Blut/Gas-Verteilungskoeffizient führt bei Hohlräumen (in Mittelohr, Lun- gen, Cysten, Darmschlingen) zu einer rascheren Füllung mit Distickstoff- oxid, als Stickstoff den Hohlraum verlassen kann. Beim Vorliegen eines Pneumothorax kann es auf diese Weise zu einem Spannungspneumo- thorax kommen – unter Umständen mit tödlichem Ausgang –, wenn nicht

ausreichend drainiert wird. Distick- stoffoxid war im Tierversuch (Ratte) fetotoxisch (12). Mit zunehmender Dauer der Anwendung bewirkt es ei- ne Zerstörung von Cobalamin durch Oxidation des Kobaltions; dabei wird das Enzym Methioninsynthetase (Cobalamin-abhängig) irreversibel gehemmt (8, 9). Im Tierversuch (Rat-

te) führten Methioninsynthetasehem- mung und Vitamin-B12-Mangel zu Störungen des Folsäurestoffwechsels und der DNA-Synthese (verminderte Thymidinbildung) (7). Auch über eine reversible Hemmung der Cytochrom- C-Oxidase wurde berichtet (6). Kli- nisch wurden bei fortdauernder Ar- beitsplatzbelastung Störungen der Blutbildung (Leukopenien, Megalo- blastenanämien) und Neuropathien beobachtet (17, 19). Die Schwanger- schaftsrate von exponierten Zahnarzt- helferinnen war in einer Untersu- chung um 50 Prozent gegenüber der Kontrollpopulation vermindert (3).

Die vorliegenden Befunde haben zur Festlegung eines TWA(time weighted average)-Grenzwerts von 25 ppm durch das NIOSH (National Institute for Occupational Safety and Health, USA) geführt, in Deutschland gilt ein MAK-Wert von 100 ppm (ml/m3).

Die Umweltschädlichkeit von Di- stickstoffoxid ergibt sich aus dem Treibhauseffekt des Gases und seiner indirekten Ozondepletion. Es ist nach Kohlendioxid und Methan das wich- tigste Treibhausgas; sein Anteil am Treibhauseffekt wird derzeit mit zirka vier bis sechs Prozent bei stark stei- gender Tendenz angegeben (10). Die Zunahme von Distickstoffoxid in der Atmosphäre wird auf 100 bis 150 Gmol pro Jahr weltweit geschätzt, von denen rund 32 Prozent anthropogener Natur sind (20). Distickstoffoxid steigt aus der Troposphäre unverändert in die Stratosphäre auf. Dort wird es photolytisch zu Stickstoff und NO-Ra- dikalen zersetzt, die ihrerseits Ozon zerstören. Während die N2O-Konzen- tration um 1900 noch bei 285 ppb lag, betrug sie 1990 bereits etwa 310 ppb, und für das Jahr 2100 wird mit 484 ppb gerechnet (10). Die Freisetzung von Distickstoffoxid im medizinischen Be- reich trägt dazu derzeit weniger als ein Prozent bei (16, 18). Problematisch ist die lange Verweilzeit in der Strato- sphäre, die mit zirka 150 Jahren deut- lich länger als die der medizinisch rele- vanten FCKW (< drei Jahre) ist. Für einen Zeitraum von 100 Jahren kann bei einer konstanten Zunahme der Konzentration in der Troposphäre von 0,25 bis 0,50 Prozent pro Jahr eine zusätzliche Ozondepletion von 1,7 Prozent (zum Vergleich: alle FCKW zirka sechs Prozent) hochgerechnet werden.

Xenon als

Inhalationsanästhetikum

Xenon ist das schwerste der stabi- len Edelgase und kommt natürlicher- weise in der Tropospähre mit einem Gehalt von zirka 0,0000087 Prozent vor. Es wird industriell nach dem Lin- de-Verfahren durch Luftverflüssigung und anschließende fraktionierte De- stillation gewonnen. Die Weltprodukti- on wird größtenteils zur Herstellung von Lampen verwendet, große Men-

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Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 34–35, 25. August 1997 (47) AKTUELL

Tabelle

Ausgewählte Eigenschaften von Xenon und Distickstoffoxid

Distickstoffoxid Xenon

Formel N2O Xe

CAS-RegNummer 10024-97-2 7440-63-3

Formelgewicht 44,02 131,29

Dichte (Gas, 0°C, 1 013mbar) 2,0 mg/m3 5,89 mg/ml

kritischer Druck 72,7 bar 56,5 bar

kritische Temperatur 36,4 °C 16,6 °C

kritische Dichte 0,452 kg/L 1,1 kg/L

Schmelzpunkt (1 013mbar) -90,0 °C -111,9 °C

Siedepunkt (1 013mbar) -88,5 °C -108,2 °C

Löslichkeit in Wasser (20°C) 0,59 L/kg 1,08 L/kg

Blut/Gas-Koeffizient 0,47 0,14

Öl/Gas-Koeffizient 1,4 1,9

MAC (Mensch) 105 % 71 %

CAS-RegNummer: substanzspezifische Registriernummer des chemical abstracts service, Columbus, Ohio

MAC: minimale alveoläre Konzentration, bei der 50 Prozent der Exponierten nicht mehr auf einen Schmerzreiz reagieren

(3)

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(48) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 34–35, 25. August 1997 gen werden auch in der Kernforschung

eingesetzt. In der Computertomogra- phie wird Xenon schon seit vielen Jah- ren zur Modulation von Kontrastunter- schieden in Hohlräumen (Lunge) ver- wendet. Neben den neun natürlich vor- kommenden Xe-Isotopen gibt es noch einige radioaktive, von denen 133-Xe mit einer Halbwertszeit von zirka fünf Tagen in der Nuklearmedizin zur Mes- sung der Organdurchblutung benutzt wird. Xenon ist nicht explosiv und un- terhält im Gegensatz zu Distickstoffo- xid die Verbrennung nicht.

Bereits seit den 40er Jahren ist be- kannt, daß von den stabilen Edelgasen nur Xenon geeignet ist, um unter nor- mobaren Verhältnissen im Gemisch mit Sauerstoff eine ausreichende Analgesie zu erzeugen (13). Über die Anwendung beim Menschen wurde erstmals 1951 berichtet (4). Für die MAC beim Menschen wird ein Wert von 71 Prozent angegeben. Zur Ver- meidung einer Hypoxie wird Xenon mit Sauerstoff im Verhältnis 70 : 30 ge- mischt und unter Normaldruck inha- liert. Über wichtige physikochemische Eigenschaften von Xenon im Ver- gleich zu N2O unterrichtet die Tabelle.

Der niedrige Blut/Gas-Koeffizient von 0,14 sorgt für ein rasches An- und Ab- fluten des Gases, so daß die Narkose sehr gut steuerbar ist (Grafik). Etwa eine Minute nach Beendigung einer Xe-Inhalation (N2O: '8 min) ist der Patient wieder ansprechbar und nach zwei Minuten voll orientiert (N2O: 12 bis 15 Minuten). Die stärkere Wirk- samkeit von Xenon im Vergleich zu N2O macht sich bemerkbar durch eine drastische Einsparung halogenierter Inhalationsanästhetika, die normaler- weise der Inspirationsluft zur Erhal- tung der Narkosetiefe beigemischt werden. Zu erwarten ist, daß damit die Häufigkeit von Anästhetika-beding- ten Komplikationen abnimmt. Auch der Analgetikabedarf des Patienten liegt im Vergleich zur Narkose mit N2O intra- und postoperativ deutlich niedriger. Welche Rolle diese medizi- nischen Vorteile des Xenons bei einer sorgfältigen Kosten-/Nutzen-Analyse spielen, ist derzeit noch nicht sicher ab- schätzbar.

Xenon wird nicht selten als „idea- les Narkosegas“ apostrophiert, ob- wohl die Kenntnisse seiner pharmako- logischen Eigenschaften nicht sehr

umfangreich sind. Von Patienten wird die Narkose mit Xenon überwiegend als angenehm empfunden, insbesonde- re fehlen unangenehme Traumerleb- nisse. Wichtige Kreislaufparameter

werden durch Xenon nicht negativ be- einflußt. Im Gegensatz zu N2O wird während der Narkose kein Anstieg von Plasma-Adrenalin und -Cortisol beobachtet (2). Xenon ist offenbar nicht toxisch, wirkt nicht teratogen und wird nicht metabolisiert. Etwa 600 ml Xenon werden während der Ein- waschphase vom Körper aufgenom- men (14). Innerhalb von vier Stunden nach Beendigung einer Xe-Narkose werden mindestens 40 Prozent des auf- genommenen Gases wieder abgeat- met, nach 24 Stunden ist in der Expira- tionsluft kein Xenon mehr nachweis- bar. Im Tierversuch (Hund) wurde ei- ne relative Anreicherung von Xenon in verschiedenen Organen (Nebennie- ren, Gehirn, Nieren, Leber, Milz, Mus- kulatur, Fettgewebe) gemessen (6).

Das Risiko einer Diffusionshypo- xie, wie sie für Distickstoffoxid be- schrieben wurde, besteht prinzipiell auch bei Xenon. Allerdings läßt die höhere Lipidlöslichkeit im Vergleich

zu N2O eine geringere Ausgasungs- tendenz in Hohlräume erwarten. Im Tierversuch (Hund) wurden eine leichte Atemdepression sowie eine moderate Zunahme des Atemwegs- widerstands (infolge der im Vergleich zum Distickstoffoxid höheren Dichte und Viskosität des Xenons) beobach- tet (21), während eine Studie mit Pati- enten keine signifikante Änderung der pulmonalen Parameter ergab (11).

Probleme beim Ersatz von Lachgas durch Xenon

Das größte Problem, das derzeit einem generellen Ersatz von Distick- stoffoxid durch Xenon entgegensteht, ist der vergleichsweise hohe Preis. Für AKTUELL

1 2 3 4 5

160 140 120 100 80 60 40 20 0

Blutdruck [mmHg] bzw. Herzfrequenz [min-1] endexsp. Xenon[Vol-%]

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0 15 30 45 60 75 90 105 120 135 150 165 180 195 210

Zeit [min]

1 Narkosebeginn (i v -Einleitung) 2 Beginn der Xe-Inhalation 3 Op-Beginn (Hautschnitt) linke Ordinate

rechte Ordinate Grafik

Verlauf einer Xenon-Mononarkose (O2: Xe = 30 Prozent : 70 Prozent) mit Larynxmaske und Spontanatmung (pCO240-45 mmHg) bei einer ASA1-Patientin (Mamma-Operation mit Dissektion der axillären Lymphknoten).

Im zeitlichen Verlauf dargestellt sind Blutdruckamplitude und Herzfrequenz (l, linke Ordinate) sowie die Xe- non-Konzentration in der Exspirationsluft (33, rechte Ordinate). « Narkosebeginn (i.-v.-Einleitung);

¬Beginn der Xe-Inhalation; ­Operationsbeginn (Hautschnitt); ®Ende der Operation und der Xe-Inhalati- on; ¯Extubation (Patient ansprechbar und orientiert)

Blutdruck [mmHg] bzw. Herzfrequenz [min-1] endexsp. Xenon [Vol-%]

Zeit [min]

(4)

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Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 34–35, 25. August 1997 (49) gasförmiges Distickstoffoxid müssen

derzeit etwa 0,02 DM, für Xenon-Gas knapp 10 DM pro Liter aufgewendet werden. Die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von Xenon kann jedoch durch effiziente Rückgewinnung ent- scheidend verbessert werden. Ein sol- ches Projekt befindet sich derzeit in der Universitätsklinik für Anästhe- siologie der Universität Ulm in der Evaluierungsphase und wird seit 1993 durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt gefördert (Deutsche Bundes- stiftung Umwelt, Postfach 1705, 49007 Osnabrück, Projekt „Rückgewinnung gasförmiger Anästhetika während Vollnarkosen“, AZ 02166). Voraus- setzung für eine ökonomische Rück- gewinnung ist die breite Anwendung moderner Anästhesietechnik mit niedrigem Frischgasbedarf wie „low flow“ (1 Liter/Minute) oder „minimal flow“ (0,5 Liter/Minute). Heute exi- stieren bereits Geräte, die im ge- schlossenen Verfahren (sogenannte

„closed circuit“-Anästhesie) arbei- ten, bei dem nur der verbrauchte Sau- erstoff ersetzt wird. Eine Rückgewin- nungseffizienz über 90 Prozent, bezo- gen auf das eingesetzte Xenon, ist be- reits heute praktikabel (1). Eine In- stallation entsprechender Technik er- fordert außer der Investition vor Ort eine komplette Reorganisation der Logistik für die Wiederverwendung des Gases.

Bei der Umstellung auf Xenon müssen schließlich die Beatmungs- geräte auf das neue Gas eingestellt werden. Im Gegensatz zu den ge- bräuchlichen Inhalationsanästhetika,

deren Konzentration durch Infrarot- monitore leicht überwacht werden kann, erfordert die Messung des Xe- nongehaltes in der Inhalationsluft ei- ne kostspielige Technik (Massenspek- trometer, piezoelektrische Sorptions- analytik oder gaschromatographische Differentialthermodetektion), wenn man nicht auf die indirekte Differenz- messung zurückgreifen will.

Ausblick

Aus ökologischer und arbeitsme- dizinischer Sicht ist langfristig ein vollständiger Verzicht auf Distick- stoffoxid anzustreben, zumal mit Xe- non eine umweltneutrale und arbeits- medizinisch bislang unbedenkliche Alternative zur Verfügung steht. Hier zunächst auf die Rückgewinnung von Distickstoffoxid zu setzen, erscheint kurzsichtig, da die vorliegenden Er- gebnisse zeigen, daß die Xenon-Nar- kose auch medizinische Vorteile ge- genüber Distickstoffoxid bietet. Eine komplette Umstellung von Distick- stoffoxid auf Xenon in der Anästhesie würde allerdings den jährlichen Xe- non-Bedarf drastisch steigern.

Ein schrittweiser Ersatz von Di- stickstoffoxid durch Xenon könnte den Beitrag zur Ozondepletion und zum Treibhauseffekt aus medizini- schen Quellen deutlich verringern, da nicht nur die N2O-Immission ab- nimmt, sondern infolge der stärkeren Wirksamkeit der Verbrauch der ande- ren (halogenierten) Inhalationsnar- kotika zurückgeht. Allerdings existie-

ren hierzu bislang noch keine kontrol- lierten Studien.

Parallel zur Evaluierung von Xenon bei kritischen Narkosen (Schwangere, Patienten der Gruppe drei bis vier der ASA(American So- ciety of Anesthesiologists)-Klassifika- tion) ist eine Verbesserung der Kennt- nisse der Pharmakodynamik und -ki- netik des Xenons zu fordern. Eine nennenswerte Elimination des Gases über extrapulmonale Austrittspforten würde den Aufwand für eine maxima- le Rückgewinnung erheblich kompli- zieren. Auch wenn derzeit unter nor- mobaren Verhältnissen noch kein konkreter Anhaltspunkt für Xenon- spezifische, unerwünschte Wirkungen beim Menschen vorliegt, kann daraus nicht unbedingt die Unbedenklichkeit seiner Anwendung gefolgert werden.

Der Mechanismus, der die anästheti- sche Wirkung beim Menschen hervor- ruft, ist ähnlich wie bei den anderen Inhalationsanästhetika auch beim Xe- non nach wie vor Gegenstand wissen- schaftlicher Kontroversen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1997; 94: A-2202–2205 [Heft 34-35]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Michael Georgieff Universitätsklinik für Anästhesiologie der Universität Ulm

Steinhövelstraße 9 · 89075 Ulm AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT

Das Risiko, daß eine Pyelo- nephritis Narben im Nierenparen- chym als Folgen hinterläßt, die letzt- endlich Ursache von arterieller Hy- pertension und Nierenversagen sein können, wurde bisher bei Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren am höchsten eingeschätzt, mit steigen- dem Alter würden die Nieren weniger geschädigt.

Einer Schweizer Studie mit 201 Kindern zufolge ist dies jedoch nicht

der Fall, denn in der akuten Phase der Pyelonephritis ließen sich mit einer Szintigraphie bei 55 Prozent der Säug- linge unter einem Jahr, bei 79 Prozent der Kinder zwischen einem und fünf Jahren und bei 69 Prozent der Kinder über fünf Jahren renale Läsionen nachweisen.

In einer Folgeuntersuchung nach mindestens drei Monaten zeigten sich in diesen drei Gruppen bei 40 Pro- zent, 86 Prozent und 64 Prozent Nar-

ben im Parenchym. Aus diesem Grund, folgern die Autoren, profitie- ren Kinder jeden Alters von einer ef- fektiven Behandlung der Pyelo- nephritis, einschließlich der Präventi- on weiterer Infektionen durch dia- gnostische Aufklärung und Therapie eventueller Fehlbildungen des Uroge- nitaltrakts oder von vesikouretralem

Reflux. silk

Benador D, Benador N, Slosman D et al.:

Are younger children at highest risk of renal sequelae after pyelonephritis? Lan- cet 1997; 349: 17–19.

Dr. Daivy Benador, Abteilung für Kin- derheilkunde, Kantonales Universitäts- krankenhaus, 1211 Genf 14, Schweiz.

Ist das Risiko für Nierenparenchymschäden

nach Pyelonephritis wirklich altersabhängig?

Referenzen

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September mit mehr als 1.500 Startern lohnt sich aber auch dann, wenn man nicht als Teilnehmer sondern lieber als Zu- schauer dabei sein