Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen KURZBERICHTE
Forschungsgemeinschaft bewilligt erstmals
Kernspin-Tomographen
Zum ersten Mal hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Bonn, für Forschungsprojekte an deutschen Hochschulen zwei Kernspin-Tomographen (NMR-To- mographen) bewilligt. Mit diesem neu entwickelten Gerät, dessen Hauptbestandteil ein großer zylin- derförmiger Elektromagnet ist, können Schnittbilder des mensch- lichen Körpers ohne gesundheits- belastende Strahlen hergestellt werden.
Die inneren Organe werden an- hand von Signalen erkannt, die vom molekularen Aufbau und von der chemischen Umgebung der Wasserstoffatome ausgehen. Da- mit eröffnen sich der klinischen Forschung neue Möglichkeiten der Diagnostik, nachdem bereits in den vergangenen Jahren durch die Weiterentwicklung von Ultra- schallmethoden und der Röntgen- Computer-Tomographie erhebli- che Fortschritte bei der Erzeu- gung von Schnittbildern des menschlichen Körpers erzielt wor- den sind.
Die Kernspin-Tomographie geht auf die seit Ende der vierziger Jah- re in der Chemie als Analyse-Ver- fahren erprobte Kernspin-Reso- nanz zurück.
Derzeit kostet ein Kernspin-Tomo- graph rund 4 Millionen DM. Eines der beiden von der DFG bewillig- ten Geräte soll den beiden Kölner Professoren Dr. Gerd Friedmann, Direktor der Radiologischen Uni- versitätsklinik, und Dr. Heinrich Kutzim, Direktor des Instituts für klinische und experimentelle Nu- klearmedizin, für Forschungsvor- haben zur Verfügung gestellt wer- den, die gemeinsam mit acht wei- teren Arbeitsgruppen aus der Uni- versität Köln durchgeführt werden sollen.
Im Mittelpunkt der Projekte stehen dabei die. Diagnostik und Therapie
von Hirntumoren und zerebralen Durchblutungsstörungen sowie eine Funktionsanalyse des Her- zens. Das zweite DFG-Gerät dient
Forschungsarbeiten von Prof. Dr.
Walter Frommhold, Direktor des Medizinischen Strahleninstituts der Universität Tübingen, und Dr.
Karsten Voigt, Leiter der Abteilung für Neuroradiologie der Tübinger Universität. In sieben Arbeitsgrup- pen wollen Wissenschaftler der Universität Tübingen erforschen, welche diagnostischen Fortschrit- te mit Kernspin-Tomographen er- zielt werden können.
Die Auswahl der Standorte für die beiden Geräte wurde durch eine DFG-Prüfungsgruppe unter 21 Be- werbern getroffen. Ziel der Förde- rung durch die Forschungsge- meinschaft ist — laut einer Selbst- darstellung der Deutschen For- schungsgemeinschaft — die „not- wendige wissenschaftliche Absi- cherung der diagnostischen Mög- lichkeiten unter anderem durch Vergleich mit anderen Methoden, wie zum Beispiel Röntgen-Com- puter-Tomographie, Angiogra- phie, Ultraschall und Nuklearme- dizin (Emissions-Tomographie)".
Dabei werden auch die bereits vor- handenen Erfahrungen der Che- mie mit der Kernspin-Spektrosko- pie genutzt. WZ
Rheumatische Erkrankungen:
Ein immenser Kostenfaktor
Die rheumatischen Erkrankungen verursachen infolge ambulanter und stationärer Behandlung, krankheitsbedingter Arbeitsunfä- higkeit, Produktionsausfall, Lohn- fortzahlung und Frühinvalidität die höchsten volkswirtschaftli- chen Kosten unter allen Erkran- kungen. Verläßlichen Schätzun- gen zufolge gibt es in der Bundes- republik Deutschland zur Zeit mehr als zehn Millionen Rheuma- kranke, davon drei Millionen, die einer ständigen Behandlung oder Überwachung bedürfen — von de- nen etwa eine Million an einem
entzündlichen Rheuma leiden und weitere 200 000 an Gicht. Nach Angaben der Deutschen Rheuma-
Liga (Bundesverband) e. V., See- feld bei München, belastet die Be- handlung des rheumatischen For- menkreises die Etats der Sozial- versicherungsträger in Höhe von
rund sieben Milliarden DM jähr- lich.
Direkte und indirekte Kosten
Im einzelnen entfällt auf die Be- handlung in der niedergelassenen Praxis ein Kostenanteil von etwa 4,2 Milliarden DM. Weitere rund 2,2 Milliarden DM entfallen auf sta- tionäre Behandlungskosten. Nach Schätzungen der Betriebskran- kenkassen rechnet man pro Jahr mit etwa 700 000 Tagen Kranken- hausaufenthalt von Patienten zwi- schen 15 und 65 Jahren, die an einer rheumatischen Krankheit leiden.
Rund 13 Prozent der Arbeitsunfä- higkeitsfälle und knapp 20 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage wür- den durch „Rheuma" verursacht.
Im Bereich der Lohnfortzahlung kommt unter Hinzurechnung der Kosten von Beihilfen im öffentli- chen Dienst, der Sozialhilfe und des öffentlichen Gesundheitsdien- stes ein weiterer erheblicher Ko- stenanteil hinzu, die für die Be- handlung von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises aufgewandt werden.
Einen beachtlichen Faktor im Ge- samt der Rheuma-Behandlungs- kosten stellen überdies die medizi- nischen und beruflichen Rehabili- tationsmaßnahmen der Renten- versicherungsträger dar. Für die medizinische Rehabilitation der Rheumakranken rechnen die Ren- tenversicherungsträger mit 1,15 bis 1,5 Milliarden DM jährlich (dies wären rund 35 bis 40 Prozent der Gesamtausgaben in diesem Be- reich).
Wie die Präsidentin der Deutschen Rheumaliga (12 Landesverbände 100 Heft 20 vom 20. Mai 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A
Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen KURZBERICHTE
mit insgesamt 30 116 Mitgliedern), Frau Prof. Dr. med. Hanna Neu- meister, CDU-Bundestagsabge- ordnete, Hildesheim, vor der Pres- se in Bonn sagte, will sich der im Herbst 1982 ins Leben gerufene Förderkreis speziell dafür einset- zen, Selbsthilfegruppen „vor Ort"
zu aktivieren und auf die unter- schiedlichsten Arbeitsgemein- schaften und Therapiemöglichkei- ten hinzuweisen.
Die Deutsche RRheumaliga hat
„aus aktuellem Anlaß" sechs For- derungen angemeldet:
1. Verstärkung und Entbürokrati- sierung der Erforschung von Ent- stehungsbedingungen rheumabe- zogener Grundlagenforschung in Verbindung mit der angewandten Forschung, z. B. über die Rolle von Viren sowie über immunologi- sche Vorgänge bei der chroni- schen Polyarthritis, vor allem auch im Hinblick auf medikamentöse Wege der Frühbehandlung.
2. Förderung epidemiologischer Erhebungen über die rheumati- schen Erkrankungen, erleichtert durch die Sicherung einer Stan- dardqualität der Diagnostik durch Anwendung von wissenschaftlich fundierten Standardkriterien.
3. Arbeitsmedizinische Konse- quenzen aus der auffallenden Dis- krepanz zwischen der Zahl von Ar- beitern einerseits und Angestell- ten andererseits sowie zwischen Frauen und Männern bei der Früh- berentung infolge Krankheiten des Stütz- und Bewegungsappa- rates.
4. Stärkere Beachtung der Prä- vention und von Maßnahmen zur Früherkennung.
5. Schaffung von Möglichkeiten wohnortnaher, kontinuierlicher Behandlung.
6. Stärkung des Selbsthilfegedan- kens bei gleichzeitiger Koordinie- rung der Selbsthilfe mit der Ärzte-
schaft. EB
Kostenersparnis im Krankenhaus — aber wie ist das zu erreichen?
Voraussetzungen: Moderne Organisationsstrukturen und Abbau der Eigenwirtschaftlich- keitshemmnisse
Die Kostendynamik vor allem im stationären Sektor des Gesund- heitswesens sei sowohl im poli- tisch bedingten Finanzierungs- und Planungssystem als auch auf einer Reihe gravierender Organi- sationshemmnisse und -mängel in der nach gemeinwirtschaftlichen Prinzipien ausgerichteten Dienst- leistungswirtschaft „Kranken- hausbetrieb" begründet. Diese These will Prof. Dr. rer. pol. Sieg- fried Eichhorn, Geschäftsführen- des Vorstandsmitglied des Deut- schen Krankenhausinstituts (DKI), Düsseldorf, an den Beginn der wieder aufgeflammten Kranken- haus-Finanzierungsdiskussion ge- stellt wissen.
Der Düsseldorfer „Gesundheits- ökonom", der soeben in die 14köpfige Sachverständigenkom- mission für Fragen der Finanzie- rung der Krankenhäuser berufen wurde, empfiehlt den Gesund- heitspolitikern, nicht nur von tat- sächlich bestehenden Kosten- ersparnispotentialen zu reden, Ar- beitsteilung, Zentralisierung, mehr Information, Kooperation und Koordination zu empfehlen, son- dern vielmehr auch die Vorausset- zungen dafür zu schaffen, um die
„Implementieru ngshemmn isse"
neuer, moderner Organisations- formen im Krankenhausbereich abzubauen. Um die Finanzgeba- rung zu verbessern und adäquate Betriebsorganisationsformen zu entwickeln, müsse dem Kranken- hausträger mehr unternehmeri- sche Selbständigkeit eingeräumt werden, um sich flexibel den sich ständig ändernden Verhältnissen und dem besonders sensiblen per- sonalintensiven Bereich anzupas- sen. Die Betriebsführung müsse aus dem Stadium der bloßen Ka-
meralistik und Verwaltung (in der sich manche Krankenhausträger wohl fühlen) herausgeführt und mit den Kategorien des modernen Managements und der Betriebs- wirtschaft vertraut gemacht wer- den.
Sämtliche Mitglieder der Kranken- hausleitung müßten systematisch auf die Pluralität der Betriebsziele und das weitgefächerte Spektrum der Leistungserstellung vorberei- tet werden. Dies betreffe sowohl den ärztlichen als auch den pfle- gerischen Dienst. Verstärkt werde das überkommene Denkschema vor allem dadurch, daß sich viel- fach humanitäre und karitative Vorstellungen und Aufträge mit den gegebenen ökonomischen Begrenzungen polarisieren.
Versäulte Strukturen
Nach Eichhorns Meinung steht vielfach das Selbstverständnis des Krankenhausträgers ökonomi- schen Strategien entgegen; zu- mindest verkennt es streckenwei- se die richtige Anwendung und zielgerechte Dosierung.
Der Wissenschaftler bemängelt, daß das Führungsverhalten und die Leitungsorganisation im Kran- kenhaus nicht den Anforderungen eines interdisziplinär und hoch- gradig arbeitsteilig organisierten Prozesses der Leistungserstellung entspricht. Erschwerend falle ins Gewicht, daß der klinisch selb- ständig tätige berufsgruppenbe- zogene „Arztdienst" wenig in die Gesamtorganisation des Kranken- hauses integriert sei. Der ärztliche, der pflegerische und der verwal- tungstechnische Bereich seien zu- dem zu sehr versäult und fühlen sich nur durch separate Berufs- gruppen vertreten, so daß sich die Angehörigen nicht so sehr mit der Institution „Krankenhaus" auch ideell und im Hinblick auf die öko- nomischen Begrenzungen identi- fizierten.
Eine weitere Hauptstörquelle sei in dem jeglichen betriebswirt- Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 20 vom 20. Mai 1983 103