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Archiv "PKV-Basistarif: Zwang statt Freiheit" (16.02.2007)

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A394 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 7⏐⏐16. Februar 2007

P O L I T I K

D

ie Regierung Merkel will – entge- gen ihrem Leitsatz „Mehr Frei- heit wagen“ – die Einführung des soge- nannten Basistarifs zum 1. Januar 2009 durchsetzen. Dabei handelt es sich um einen „Zwangstarif“: Die PKV wird ge- zwungen, einen nach Art, Höhe und Um- fang am Niveau der GKV orientierten Ein- heitstarif anzubieten. Die Ärzte werden gezwungen, Privatpatienten, wenn sie in den Basistarif wechseln, zu abgesenkten Gebührensätzen zu behandeln.

Ab Juli 2007 wird die Behandlungs- pflicht der Ärzte für Standardtarifversi- cherte greifen; dann wird der Stan-

dardtarif für den Kreis der bislang Nicht- krankenversicherten geöffnet. Die in der Koalitionsvereinbarung vom 11. Novem- ber 2005 bekämpfte Verpflichtung der Ärzte, bestimmte Personen – Stan- dardtarifversicherte oder auch Beihilfe- berechtigte – zu abgesenkten Ge- bührensätzen zu behandeln, wird damit realisiert. Zur Durchsetzung dieser Be- handlungspflicht wird der Sicherstel- lungsauftrag der Kassenärztlichen Ver- einigungen genutzt – trotz verfassungs- rechtlicher Bedenken.

Der Basistarif, der vordergründig ei- nen bezahlbaren Krankenversicherungs- schutz für bisher Nichtkrankenversicher- te gewährleisten soll, ist ein Vehikel zur Zerstörung der PKV. Zugleich werden der Ärzteschaft massive Eingriffe in die Berufsfreiheit und erhebliche Einkom- menseinbußen zugemutet. Der an- spruchsberechtigte Personenkreis im Basistarif umfasst nämlich nicht nur den Kreis der Nichtversicherten, sondern ist für alle Privatversicherten, einschließlich der Beihilfeberechtigten, geöffnet. Dabei erfolgt die Öffnung des „Zwangstarifs“

in Stufen: Ab Juli 2007 haben Nichtver- sicherte, die der Sphäre der PKV zuzu- ordnen sind, die Möglichkeit, den Stan- dardtarif zu wählen; von Januar 2009 an

können bisher Privatversicherte inner- halb eines Zeitraums von sechs Mona- ten in den Basistarif wechseln. Ab Juni 2009 ist der Wechsel in den Basistarif nur noch innerhalb des eigenen Versi- cherungsunternehmens und ab dem 55.

Lebensjahr möglich. Damit können auch Versicherte den Basistarif wählen, die nicht schutzbedürftig sind. Dennoch soll dem Arzt zugemutet werden, diese Pati- enten zu reduzierten Vergütungssätzen behandeln und damit zugleich seine be- rufliche Autonomie in einem bisher pri- vatrechtlich geregelten Bereich aufge- ben zu müssen.

Bemerkenswert ist, dass der Basis- tarif mit Zusatzversicherungen auf das bisherige Niveau einer Vollversicherung aufgestockt werden kann. Die Politik scheut weder ordnungspolitische Sys- tembrüche noch Eingriffe in die Berufs- ausübungsfreiheit der Ärzte oder in Ei- gentumsrechte der Privatversicherten, um ihre ideologischen Ziele zu errei- chen. Die politische Begründung für die Regelung des Basistarifs, der zahlen- mäßig kleinen Gruppe von Nichtkran- kenversicherten einen bezahlbaren Krankenversicherungsschutz zu ermög- lichen, ist vorgeschoben; dies hätte auch durch Öffnung des Standardtarifs für diese Personen erreicht werden können.

Die Ärzteschaft, die den Standardtarif bisheriger Prägung akzeptiert und be- achtet hat, hätte gegen die Einbeziehung von sozial sicherungsbedürftigen Nicht- versicherten in den Standardtarif keine Bedenken geltend gemacht.

Die politischen Ziele, die mit dem Ba- sistarif verfolgt werden, gehen aber weit über das soziale Anliegen, Versiche- rungsschutz für Bedürftige zu garantie- ren, hinaus. Die Länder wollen ihre Bei- hilfelasten senken. Der Basistarif wird aller Voraussicht nach zum Maßstab für die Beihilfeerstattung. Damit können

sich die Länder massiv von Beihilfekos- ten entlasten – auf dem Rücken der Ärzte. Der Basistarif soll aber auch die Gleichschaltung der Versicherungssys- teme befördern. Da der Tarif ein Sam- melbecken für Versicherte mit hohen Ri- siken ist, diese erhöhte Risiken sich aber nicht in den Prämien niederschlagen dürfen, wird eine Subventionierung er- forderlich. Der dazu vorgesehene unter- nehmensübergreifende Risikostruktur- ausgleich muss durch die finanzielle Quersubventionierung aus den Normal- tarifen ergänzt werden; diese werden sich dadurch erheblich verteuern und für viele Vollversicherten unbezahlbar, so- dass die „Flucht“ aus den Normaltarifen in den Basistarif gebahnt wird.

Vordergründig bleibt das PKV-Ge- schäftsmodell als Vollkostenversiche- rung erhalten. Das Gesetz beinhaltet jedoch eindeutige und möglicherweise irreversible Weichenstellungen, die die PKV-Vollversicherung zerstören. Die Auswirkungen auf die Ärzteschaft, die auf Einkünfte aus Privatbehandlung exis- tenziell angewiesen ist, sind gravie- rend; je mehr Privatversicherte in den Basistarif wechseln, umso einschnei- dender die Honorareinbußen. Der Druck auf die Vergütungsbedingungen in den PKV-Normaltarifen wird dadurch noch erhöht, dass der Basistarif dem Sicher- stellungsauftrag der KVen und damit dem SGB V unterworfen wird. Dieser Re- gelungskontext wird die Angleichung der GOÄ an den EBM fördern und Ärzte in einem bisher privatrechtlichen Behand- lungsverhältnis den SGB-V-Rahmenbe- dingungen, wie etwa dem Sachleis- tungsprinzip und Wirtschaftlichkeits- prüfungen, unterwerfen.

Die ordnungspolitische Doppelbödig- keit zeigt sich bei der Rolle, die den KVen zugewiesen wird: Einerseits wird durch die Erweiterung des Vertragswett- bewerbs der Kassen der originäre Si- cherstellungsauftrag ausgehöhlt, ande- rerseits eben dieser Sicherstellungsauf- trag instrumentalisiert, um die beschnit- tene Vergütung im Basistarif als Erfül- lungsgehilfe einer verfehlten Politik

durchzusetzen. I

KOMMENTAR

Dipl.-Kfm. Renate Hess, Bundesärztekammer

PKV-BASISTARIF

Zwang statt Freiheit

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