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Archiv "Neue Kräfte im Weltärztebund (Teil 2)" (29.10.1981)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen THEMEN DER ZEIT

Neue Kräfte im Weltärztebund

• Textfortsetzung von Seite 2065

chenden Erklärung überhaupt le- gitimiert sei. Der Ethikausschuß hielt in Lissabon eine Blitzsitzung

— und das Ergebnis wurde dann von der Generalversammlung ein- stimmig akzeptiert: Eine Ent- schließung billigt und übernimmt ausdrücklich die oben zitierte Er- klärung des Generalsekretärs, sie stellt fest, daß die Teilnahme an einer Exekution für Ärzte un- ethisch ist — mit der Ausnahme der Ausstellung der Todesbescheini- gung —, und sie stellt dem Ethik- ausschuß die Aufgabe, sich mit der Frage weiterhin aktiv zu betä- tigen.

Bei dieser Gelegenheit erinnerten sich die Teilnehmer der Versamm- lung übrigens lebhaft an die Rede, die der portugiesische Staatsprä- sident General Eanes bei der Eröffnung der Generalversamm- lung gehalten hatte: Eanes hatte darauf hingewiesen, daß Portugal bereits 1822 gesetzlich die Folter beseitigt hat, daß die Könige seit 1846 grundsätzlich zum Tode Ver- urteilte begnadigten, und daß Por- tugal wohl als erstes Land der Welt die Todesstrafe auch gesetz- lich abgeschafft hat: im Jahre 1867!

In diesen Zusammenhang gehört im übrigen auch eine weitere Ent- schließung, die einstimmig ange- nommen wurde und mit der der Weltärztebund die Mitgliesverbän- de auffordert, in jedem Land ein Gremium zu bilden, das von sol- chen Ärzten um Hilfe angerufen werden kann, die in persönliche oder berufliche Schwierigkeiten deswegen geraten, weil sie sich an die Grundsätze der Deklaration von Tokio halten (sie betrifft das ärztliche Verhalten gegenüber Folter, unmenschlicher Behand- lung, aber auch gegenüber Hun- gerstreikenden).

Aufklärung über Atom-Gefahren Verschiedene Anträge aus Mit- gliedsverbänden befaßten sich mit der Atomrüstung, und angenom- men wurde — wiederum einstim- mig — ein Antrag, der wörtlich ei- nem Beschluß der Mitgliedsver- sammlung der American Medical Association entspricht, vermindert allerdings um einen für den inner- amerikanischen Gebrauch be- stimmten Absatz. Die Entschlie- ßung verlangt, daß die Ärzte und ihre Organisationen das, was sie in ihrer beruflichen und wissen- schaftlichen Erfahrung über die Gefahren eines thermonuklearen Krieges wissen, der Öffentlichkeit und den Politikern eindringlich mitteilen, damit vor allem auch diejenigen, die politische Ent- scheidungen treffen, darüber Be- scheid wissen. Diese politischen Entscheidungen allerdings sind nicht Aufgabe der Ärzte in ihrer beruflichen Sphäre (ebensowenig wie es ärztliche Aufgabe ist, die politische Entscheidung über Bei- behaltung oder Abschaffung der Todesstrafe zu fällen). Die Ent- schließung über die Gefahren des Atomkrieges lautet:

„Weil Ärzte wie alle Menschen in der Welt den Krieg fürchten, und weil Ärzte besonders besorgt sind über die medizinischen Konse- quenzen eines thermonuklearen Krieges, und weil die ärztlichen Organisationen Programme ent- wickeln müssen, die die Zivilbevöl- kerung über die medizinischen Konsequenzen eines Atomkrieges unterrichten, fordert die 34. Gene- ralversammlung des Weltärzte- bundes die nationalen Ärztever- bände auf, sich der Notwendigkeit bewußt zu sein, daß Ärzte und Be- völkerung die medizinischen Kon- sequenzen eines Atomkrieges kennen müssen."

Dieser Text erscheint ein wenig verschwommen, gequält und vol- ler Wiederholungen. Das erklärt

sich aus der angelsächsischen Methode, einem Beschluß— wie es nur der letzte Satzteil eigentlich ist —, eine Reihe von Erwägungen (hier mit „weil" eingeleitet) voran- zustellen. Im Kern heißt dieser Be- schluß: Die Ärzte sollen, was ihr Wissen betrifft, dafür sorgen, daß jedermann weiß, worum es geht.

Wider den „Brain Drain"

Aus der American Medical Asso- ciation kam eine weitere, weniger politische Beschließung über die Wanderschaft von Ärzten: Zwar, so sagt sie zu Anfang, haben Ärzte wie jeder andere Bürger das Recht, Wohnort und Staatsbürger- schaft aus beruflichen, sozialen oder politischen Gründen zu wechseln. Andererseits: Das Aus- maß ungedeckter medizinischer Bedürfnisse ist auf dieser Welt höchst unterschiedlich, und jeder Staat hat die Aufgabe, die medizi- nischen Bedürfnisse seiner Bevöl- kerung soweit wie möglich zu er- füllen. Daher müssen manche Staaten große Lasten auf sich neh- men, um Ärzte auszubilden — wenn die aber auswandern, erhö- he sich die Belastung noch. Dies sind die Erwägungen zu der fol- genden Empfehlung: Wande- rungsbewegungen von Ärzten sollten vornehmlich in dem Sinne gefördert werden, daß damit unge- deckte Bedürfnisse befriedigt wer- den — und zwar durch Ärzte, die für solche Aufgaben besonders

motiviert sind.

2102 Heft 44 vom 29. Oktober 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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„Wer hat nicht sein Kreuz zu tragen?" fragte Dr. De Klerk, Präsident des südafrikanischen Ärzteverbandes (rechts am Mikrofon).

Die Delegierten aus Nigeria verließen nach Aufnahme der Südafrikaner protestierend den Saal (links) Fotos: Bohnert-Neusch

Eine Entschließung also zugun- sten der Entwicklungsländer — so scheint es auf den ersten Blick.

Tatsächlich aber zielt sie auch auf einige der hochentwickelten Län- der, diejenigen nämlich, die einen heftigen Sog auf Ärzte, die aus Entwicklungsländern stammen und häufig sogar dort ausgebildet sind, ausüben: auf die USA zum Beispiel, Ziel vieler junger Ärzte mit einer heimatlichen Ausbildung von den Philippinen, aus Indone- sien oder Korea; auf Großbritan- nien, das indische Ärzte anzieht, und die Ärzte der Bundesrepublik Deutschland können diese Emp- fehlung sicher auch unterstützen.

Ein zeitweiliger Aufenthalt in ei- nem anderen Land zur Aus- oder Weiterbildung ist mit dem Begriff

„Wanderung" (migration) nicht gemeint, stellte der amerikanische Antragsteller auf die Frage eines indischen Delegierten klar — wo- durch die Bedeutung des Pro- blems schlagartig deutlich wurde.

Immerhin: Nationale Gesetzge- bungen von hochentwickelten

Staaten, die den Zustrom auslän- discher Ärzte scharf beschränken und wie sie beispielsweise die USA anwenden, sind somit vom Weltärztebund sanktioniert.

Scharfe Verurteilung der Sowjetunion

Politisch brisant war schließlich eine Entschließung über den Miß- brauch der Psychiatrie in der So- wjetunion, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt.

Daß auch sie einstimmig ange- nommen wurde, erhöht noch ihr Gewicht. Sie stammte von der Bri- tish Medical Association, und der Delegierte Dr. I. H. Marks brachte sie mit einer Rede ein, in der er zahlreiche Beweise dafür vorlegte, auf welche Weise politische Dissi- denten in der Sowjetunion psych- iatrisch „behandelt" werden, und in der er im einzelnen das Schick- sal aller Mitglieder des Komitees schilderte, das sich in der Sowjet- union dieser Fragen angenommen hat: Sie sind alle im Gefängnis, im

Arbeitslager oder in der Verban- nung. Dr. Marks sagte:

„In Manila hat dieser Weltärzte- bund den Gebrauch der Psychia- trie als Mittel zur Überwachung politischer Dissidenten verurteilt.

Es ist traurig und beschämend, daß wir dieses Thema nach drei Jahren wieder behandeln müssen.

Der Antrag der ,British Medical As- sociation' besteht aus zwei Teilen, deren zweiter den Mißbrauch der Psychiatrie zu politischen Zwek- ken in besonderer Hinsicht auf die Sowjetunion verurteilt.

Warum die Sowjetunion heraus- stellen, wenn offensichtlich ähnli- che Behauptungen zu verschiede- nen Zeiten gegen andere Länder erhoben worden sind? Weil diese Behauptungen sich in der Tat nicht gleichen: Es gibt anderswo keine harten Beweise dafür, daß Psychiater mit der Geheimpolizei zusammenarbeiten und tatsäch- lich gesunde Menschen als Kran- ke behandeln. I>

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Generalversammlung des Weltärztebundes

Auf der anderen Seite gibt es über- wältigende Beweise dafür, daß in der Sowjetunion der Mißbrauch der Psychiatrie und unethi- sches Verhalten der Psychiater ei- nen Teil der Staatsmaschinerie bil- den.

Dies bringt mich zum ersten Teil unseres Antrages, der die Unter- drückung der ‚Arbeitsgemein- schaft zur Untersuchung der An- wendung der Psychiatrie zu politi- schen Zwecken' beklagt, deren Tätigkeit zur Verurteilung der So- wjetunion durch den Weltpsych- iaterbund 1977 in Honolulu beige- tragen hat.

Was ist diese Arbeitsgemeinschaft oder, besser gesagt, was war sie, denn Sie werden jetzt hören, daß sie — jedenfalls zum jetzigen Zeit- punkt — unterdrückt worden ist.

Sie wurde im Januar 1977 gebil- det, um dem Mißbrauch der Psychiatrie in der UdSSR entge- genzutreten durch die öffentliche Dokumentation von Fällen, durch eigene, unabhängige Untersu- chungen von Festgehaltenen und durch den Sowjetgesetzen konfor- me Kompagnen. Die Hauptgrün- dungsmitglieder waren: Wjatches- lav Bakhmin, Computer-Program- mierer; Alexander Podrabinek, As- sistenzarzt; Felix Serebrov, Metall- arbeiter. Es schlossen sich ihnen zwei Psychiater als Berater an, Alexander Voloshenovich und Anatol Koryagin. Rechtlichen Rat erhielten sie von Frau Sophia Kal- listratova, und die ganze Gruppe wurde von verschiedenen anderen Menschen unterstützt, unter ihnen General Peter Grigorenko.

Was ist mit ihnen geschehen?

Im Mai 1978 wurde Podrabinek wegen Verleumdung der Sowjet-

union in seiner Monographie ,Strafende Medizin' angeklagt und zu fünf Jahren Verbannung verur- teilt. Seine Stelle wurde sofort von Dr. Leonard Ternovsky einge- nommen.

Bakhmin erhielt drei Jahre Zwangsarbeit.

Serebrov wurde 1977 zu einem Jahr Gefängnis und im Juli 1981 zu neun Jahren Gefängnis und Verbannung verurteilt.

Dr. Voloshanovich wurde gezwun- gen zu emigrieren und lebt heute in London.

Dr. Ternovsky wurde zu drei Jah- ren Arbeitslager verurteilt.

Fräulein Irina Grivnina, auch Com- puter-Programmiererin, die Bakh- mins Stelle übernommen hatte, er- hielt fünf Jahre Verbannung.

Originalveröffentlichung im Westen — Der Fall Nikitin Dr. Koryagin, der Psychiater in Charkow war, wurde am 19. Fe- bruar 1981 verhaftet und verbüßt nun eine 12jährige Haftstrafe. Es erschien jedoch ein Aufsatz mit dem Titel ,Patienten wider Willen' im Lancet vom 11. April 1981, den er schon vorher geschrieben hat- te. Darin analysiert er die Bedin- gungen, unter denen in der UdSSR gesunde Menschen als geistig krank erklärt und verurteilt werden, so zu existieren. Er be- schreibt, wie er einige Menschen untersucht hat, die mehrfach Zwangsbehandlungen in psychia- trischen Kliniken durchgemacht hatten. Er fand bei ihnen keinerlei Anzeichen von psychischer Krank- heit oder psychopathischer Per- sönlichkeit, und auch ihre bisheri- gen Lebensläufe zeigten keinerlei Anzeichen geistiger Schwäche.

Viele dieser offensichtlich norma- len Menschen erhielten neurolep- tische Medikamente, oft als Strafe.

Er stellt auch heraus, daß es unlo- gisch und unverständlich sei, daß Menschen, die in psychiatrische Kliniken eingewiesen waren und die als definitiv geisteskrank ein- gestuft worden sind, trotzdem von der Sowjetunion für fähig betrach- tet werden, Militärdienst zu lei- sten. Er zitiert vier solcher Fälle.

Einer von diesen soll dazu dienen, zu zeigen, was Hunderten von Menschen geschehen ist. Alexej Nikitin, Bergmann und aktiver

Kommunist, versuchte, die Ar- beitsbedingungen und Sicher- heitsmaßnahmen in den Bergwer- ken des Don-Beckens zu verbes- sern, und schrieb — zusammen mit 130 seiner Arbeitskollegen — einen offiziellen Beschwerdebrief. Er wurde aus der Partei ausgestoßen und verlor seinen Arbeitsplatz.

1972 wurde er wegen Verleum- dung des Systems angeklagt, in die psychiatrische Spezialklinik von Dnjepropetrowsk eingewie- sen, ohne offiziell untersucht wor- den zu sein, und als Psychopath diagnostiziert. Praktisch ohne ir- gendwelche Medikamente bekom- men zu haben, wurde er im März 1975 in das normale psychiatri- sche Krankenhaus in Donetzk überwiesen, wo er wiederum keine Behandlung erfuhr und im März 1976 entlassen wurde. Als er an die norwegische Botschaft heran- trat, um sich über eine Emigration zu informieren, wurde er erneut verhaftet und wiederum in die psychiatrische Spezialklinik ein- gewiesen. Im Mai 1980 wurde er entlassen.

Dr. Koryagin untersuchte ihn im September und fand in ihm eine attraktive, selbstdisziplinierte Per- sönlichkeit mit einem flexiblen und intelligenten Geist. Er schloß:

,Nikitin leidet an keiner psychi- schen Krankheit oder geistigen Störung, und es gibt keine Anzei- chen dafür, daß er je daran gelit- ten hätte. Man muß seine Einwei- sung in eine psychiatrische Spe- zialklinik in den Jahren 1972 und 1977 als völlig ungerechtfertigt be- trachten.'

Ein weiterer Beweis: Dr. Gerard Low-Beer, ein russisch sprechen- der britischer Psychiater, besuch- te einige Mitglieder der Arbeitsge- meinschaft im April 1978. Er unter- suchte persönlich neun Leute, die glaubten, daß sie nicht wegen gei- stiger Krankheit, sondern ihrer po- litischen Meinung wegen in psych- iatrischen Kliniken festgehalten würden. Acht von ihnen waren schon vorher einmal zwangsweise eingewiesen worden. Dr. Low- 2104 Heft 44 vom 29. Oktober 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Beer berichtete: ,Meiner Meinung nach zeigte keiner dieser Fälle ir- gendwelche Anzeichen für geisti- ge Krankheiten. Keiner von ihnen vertrat Ansichten, die für Gewalt eintraten. Keine ihrer Ansichten konnte in irgendeiner Weise als wunderlich, abwegig oder weit entfernt von den Ansichten eines großen Teils der Menschheit ange- sehen werden.'

Und doch sind diese Menschen, und noch viele andere gleich ih- nen, von den Dres. Morozov, Snezhnevsky und anderen einfluß- reichen Figuren der sowjetischen Psychiatrie als gefährliche Psy- chopathen ausgewiesen worden.

Snezhnevsky ist der Herausgeber der wichtigsten psychiatrischen Zeitschrift in der Sowjetunion. Mo- rozov ist sowohl Präsident des Psychiaterverbandes als auch Di- rektor des Serbsky-lnstitutes für Gerichtspsychiatrie, wo viele der falschen Diagnosen entstehen.

1969 unterschrieb er die falsche Diagnose über General Grigoren- ko, der kürzlich von einer Gruppe westlicher Psychiater und Psycho- logen untersucht worden ist und der als völlig normal bezeichnet werden muß, ohne irgendwelche Anzeichen jetziger oder früherer Geisteskrankheit.

Es überrascht daher nicht, daß der sowjetische Psychiaterverband bisher jede Zusammenarbeit mit dem Weltpsychiaterbund abge- lehnt hat. Diese Ablehnung zeigt ganz klar, daß es etwas zu verber- gen gibt.

Mit der Verhaftung Koryagins här- te die Arbeitsgemeinschaft prak- tisch auf zu existieren, obwohl ich zu wissen glaube, daß ihre Arbeit so weit wie möglich von engagier- ten Menschen weitergeführt wer- den wird. ln den vier Jahren ihrer Existenz veröffentlichte die Ar- beitsgemeinschaft Dokumente über mehrere hundert Fälle, hauptsächlich in Form von 24 sehr detaillierten Informationsbulletins und etwa 55 psychiatrischen Be- richten von Dr. Voloshanovich und Dr. Koryagin.

Erst im Mai dieses Jahres hat eine andere Organisation, die ;Interna- tional Association on the Political Use of Psychiatry' dreißig Patien- ten genannt- darunter auch Niki- tin -, bei denen sie praktisch si- cher war, daß sie sich ohne medi- zinische Indikation in psychiatri- schen Abteilungen befänden.

Als Ärzte wissen wir durchaus, daß es einige Patienten gibt, die unter Zwang in psychiatrischen Abtei- lungen festgehalten werden müs- sen, weil sie so krank sind, daß sie für sich und für andere eine Ge- fahr darstellen. Aber mit ,andere' meinen wir andere Menschen, mit denen sie in Kontakt sind und die dadurch in physische Gefahr gera- ten. ln der Sowjetunion gibt es da- gegen jedoch spezielle psychiatri- sche Krankenhäuser für diejeni- gen, die ,eine bestimmte Gefahr für die Gesellschaft' darstellen, und das beinhaltet praktisch (wenn auch nicht offen) die- jenigen, die von der Polizei für politisch gefährlich erachtet wer- den.

Warum benutzen die sowjetischen Autoritäten die psychiatrische In- ternierung als Kontrollmittel für diejenigen, die politisch prote- stieren?

Internierung verhindert die Publi- zität, die mit einem normalen Strafverfahren zusammenhängt, und unterdrücktunakzeptable Ide- en, indem deren Vertreter für gei- steskrank erklärt werden. Außer- dem ist die Einweisung in eine Kli- nik, im Gegensatz zu einem Ge- richtsurteil, zeitlich unbegrenzt.

Und sie hat auch noch den Vorteil, die sogenannten Patienten da- durch zu bestrafen, daß sie in eine bedrückende Umgebung unter echt psychisch kranke Rechtsbre- cher kommen. Und zuletzt sind auch viele Opfer- nicht Patienten - einer Zwangsbehandlung durch Drogen unterzogen worden, die dazu führen soll, sie in einen der- artig heruntergekommenen physi- schen und psychischen Zustand zu bringen, daß sie ihre Ansichten ,widerrufen'.

Obwohl der Weltpsychiaterver- band den Einsatz der Psychiatrie für politische Zwecke in der So- wjetunion verurteilt hat, glauben wir in der British Medical Associa- tion, daß dieses Thema zu wichtig ist, als daß es nur einem Teilbe- reich der Medizin überlassen wer- den sollte. Unserer Ansicht nach sollte der ganze Berufsstand, wie er hier durch die Versammlung des Weltärztebundes vertreten ist, dieser Verurteilung beipflichten.

Dann wird die Ungeheuerlichkeit ihres Vergehens sowohl den so- wjetischen Autoritäten als auch den Ärzten vor Augen geführt, die, willentlich oder nicht, die Aus- übung des medizinischen Berufes in das schlechteste Licht rücken.

Ich fordere Sie auf, unserem An- trag einstimmig zuzustimmen."

Die Entschließung lautet:

..,. "Die 34. Generalversammlung des Weltärztebundes drückt ihre Bestürzung darüber aus, daß die ,Arbeitsgemeinschaft zur Untersu- chung der Anwendung der Psych- iatrie für politische Zwecke' in der Sowjetunion unterdrückt worden ist, und verurteilt den Einsatz der Psychiatrie zu politischen Zwek- ken unter besonderer Bezugnah- me auf die Sowjetunion."

Südafrikas Ärzte wieder vertreten Vertreten waren in Lissabon von den insgesamt 45 Mitgliedsver- bänden 24 durch 94 Delegierte bzw. Delegierten-Stimmen. Die American Medical Association, die Bundesärztekammer und die japa- nische Ärztekammer haben nach der Satzung, wenn sie zusammen stimmen, eine reichliche, aller- dings in diesem Falle knapp unter zwei Dritteln liegende Mehrheit von 60 Stimmen. Wären alle Mit- gliedsverbände anwesend (ein- schließlich derer, die mit ihren Beiträgen im Rückstand sind), so käme man auf 111 Delegierte. Bei der nächsten Generalversamm- lung kann es anders aussehen:

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Generalversammlung des Weltärztebundes

sechs Ärzteverbände sind in Lissa- bon neu aufgenommen worden.

Das ging glatt bei vieren: denjeni- gen aus Tunesien, aus Syrien, aus Togo und aus Neuseeland.

Eine lange Debatte mit schließli- cher Mehrheitsentscheidung und Protestdemonstration der Unterle- genen gab es hingegen bei der Wiederaufnahme der Ärztevereini- gung von Südafrika, die 1976 aus- getreten war, nachdem sie 1975 in Tokio keine Einreisevisa bekom- men und die Generalversammlung trotz einer entgegenstehenden Satzungsbestimmung doch statt- gefunden hatte. Der südafrikani- sche Antrag hatte den Vorstand zwei Jahre lang beschäftigt, und eigentlich war nichts Neues mehr dazu zu sagen. Die Delegierten der beiden anwesenden schwarzafri- kanischen Ärzteverbände aus Ni- geria und Ghana opponierten wie- der: Nichts habe sich in Südafrika geändert, der Ärzteverband sei von der Regierung abhängig und nicht repräsentativ für alle südafri- kanischen Ärzte, er diskriminiere schwarze Ärzte und habe einige skandalöse Vorfälle stillschwei- gend gebilligt.

Gegen die Stimmen der Nigerianer erhielt der Präsident der Medical Association of South Africa, Dr. De Klerk, das Wort: Er wisse gar nicht, wie viele schwarze oder far- bige Mitglieder sein Verband ha- be, denn die Hautfarbe sei in den Mitgliedsunterlagen nicht ver- zeichnet; er nehme aber an, daß 75 bis 90 Prozent der farbigen und schwarzen Ärzte dem Verband an- gehörten (freiwillige Mitglied- schaft!) und die Repräsentativität damit gewährleistet sei. Im Ver- band würden farbige Ärzte nicht diskriminiert, und der Verband setze sich erfolgreich für verbes- serte Ausbildungsbedingungen für schwarze Ärzte ein. Ein süd- amerikanischer Delegierter hatte den Vorwurf erhoben, schwarzen Ärzten aus seinem Land sei die Einreise zum Welturologenkon- greß in Johannesburg verweigert worden — dies sei nicht wahr, sag- te Dr. De Klerk — „oder meine Re-

gierung hat mich belogen!" Was die skandalösen Vorfälle, so den Fall des Studenten Biko, angehe, sagte Dr. De Klerk: „Es ist wahr, daß es beschämende Dinge gege- ben hat, das gebe ich ganz offen zu. Das ist das Kreuz, das wir tra- gen müssen — aber ich frage alle hier, wer nicht sein Kreuz zu tra- gen hätte!"

Gemeinsamer Kampf gegen Diskriminierung und Intoleranz

Der Präsident der spanischen Ärzteorganisation, Dr. Pörez de Bosque, suchte daraufhin einen Ausweg: Er schlug Rückverwei- sung an den Vorstand vor sowie die Entsendung einer Untersu- chungskommission aus unabhän- gigen und hoch angesehenen Per- sönlichkeiten, die bis zur nächsten Generalversammlung berichten sollte, ob die South African Medi- cal Association die Aufnahmekri- terien des Weltärztebundes erfül- le. Auf bohrende Fragen versicher- ten die schwarzafrikanischen De- legierten, daß sie sich dem Votum einer solchen Kommission beugen würden — aber der Vorschlag fand keine Mehrheit, obwohl Schatz- meister Prof. Sewering, vom Vor- sitzenden befragt, erklärte, daß das Geld für eine solche Kommis- sion aufgetrieben werden könnte, notfalls durch eine Vorziehung ei- ner ohnehin demnächst erforderli- chen Beitragserhöhung. Dr. Sam- mons, American Medical Associa- tion, forderte, es müsse nunmehr entschieden werden. Die Amerika- ner wüßten: Intoleranz kennt keine Grenzen, und sie hätten selbst ausreichend Erfahrung, wie schwer es sei, ein Rassenproblem zu lösen. Der Weltärztebund kön- ne den südafrikanischen Ärzten, wenn sie Mitglied seien, helfen, in ihrem Land wirksam gegen Intole- ranz und Diskriminierung zu kämpfen: „Es ist wie in einer Fami- lie — wir sollen Menschen herein- holen, nicht hinauswerfen!" Das Abstimmungsergebnis war mit 72 zu 10 bei 8 Enthaltungen ein- deutig.

Weniger eindeutig war, was da- nach geschah: Die Delegierten aus Nigeria und aus Ghana mar- schierten aus dem Saal, auch das Vorstandsmitglied für Afrika, Dr.

Adekunle aus Nigeria. „Das war kein Austritt, sondern nur ein Pro- test", sagte der ghanesische Dele- gierte Dr. Bohenee dem Berichter- statter nachher in der Mittagspau- se, „wir müssen über die Situation erst einmal beraten." In der Gene- ralversammlung blieben die Sitze der Nigerianer und Ghanesen von da ab leer. Aber sie reisten nicht ab, nahmen an den gesellschaftli- chen Veranstaltungen teil, und in der anschließenden Vorstandssit- zung erschien Dr. Adekunle, als sei nichts gewesen. In der Diskus- sion hatte er noch gedroht: „Aus dem Weltärztebund wird ein Bund der weißen Ärzte", aber er hatte auch auf die seiner Ansicht nach gegebene Gefahr hingewiesen, daß die sich hoffnungsvoll anbah- nende Zusammenarbeit zwischen Weltärztebund und Weltgesund- heitsorganisation durch die Auf- nahme Südafrikas in den Weltärz- tebund Schaden nehmen könne — auf die Hilfe des Weltärztebun- des aber gegenüber manchen Be- strebungen der Weltgesundheits- organisation sind gerade die schwarzafrikanischen Ärzte ange- wiesen.

Umstritten war schließlich auch die Aufnahme des Ärzteverbandes der Transkei in den Weltärzte- bund. Die Transkei ist ein „Home- land", von Südafrika in eine von niemandem in der Welt bisher an- erkannte Unabhängigkeit entlas- sen. Deshalb sei, so erklärten eini- ge Delegierte, dieses Land weder als Staat noch als Nation anzuse- hen. Andererseits — so die Befür- worter — haben die Ärzte der Transkei gar keine Möglichkeit, dem Weltärztebund anzugehören, als durch eine ganz normale Mit- gliedschaft. Denn der südafrikani- schen oder einer anderen Ärzteor- ganisation, die im Weltärztebund vertreten ist, können sie nicht bei- treten. Und ob Staat oder nicht:

Die satzungsgemäßen Forderun- gen des Weltärztebundes sind an- 2106 Heft 44 vom 29. Oktober 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Kassenarztsitze

Pfalz

Von der Kassenärztlichen Vereinigung Pfalz werden folgende Kassenarztsitze zur vordringlichen Besetzung ausge- schrieben:

Dannenfels, Donnersbergkreis, ein All- gemein-/Praktischer Arzt. Einzugsgebiet ca. 2400 Einwohner. Der am Ort tätige Allgemeinarzt wird zum 31. Dezember 1981 auf seine kassenärztliche Tätigkeit verzichten. Eine Wiederbesetzung ist aufgrund der Bedarfsplanung erforder- lich.

Landstuhl, Landkreis Kaiserslautern, ein Hautarzt. Einzugsgebiet ca. 45 000 Einwohner. Die Niederlassung ist auf- grund der Bedarfsplanung erforderlich.

Göllheim, Donnersbergkreis, ein Allge- mein-/Praktischer Arzt. Einzugsgebiet ca. 6000 bis 7000 Einwohner. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten ist ein wei- terer Arzt erforderlich. Bei der Beschaf- fung von Wohn- und Praxisräumen ist die Verbandsgemeinde-Verwaltung be- hilflich.

Stadt Germersheim, Landkreis Ger- mersheim, ein Augenarzt. Einzugsge- biet ca. 50 000 Einwohner. Derzeit prakti- ziert in diesem Bereich ein Augenarzt.

Ein weiterer Augenarzt ist aufgrund der Bedarfsplanung erforderlich.

Stadt Germersheim, Landkreis Ger- mersheim, ein Hautarzt. Einzugsgebiet ca. 50 000 Einwohner. In diesem Bereich ist noch kein Hautarzt tätig, jedoch auf- grund der Bedarfsplanung erforderlich.

Stadt Pirmasens, ein Augenarzt. Ein- zugsgebiet ca. 110 000 Einwohner. Der- zeit sind in Pirmasens vier Augenärzte tätig, ein weiterer Augenarzt ist aufgrund der Bedarfsplanung erforderlich.

Stadt Pirmasens, ein Hautarzt. Einzugs- gebiet ca. 110 000 Einwohner. Derzeit praktizieren in Pirmasens zwei Hautärz- te, ein weiterer Hautarzt ist aufgrund der Bedarfsplanung erforderlich.

Rockenhausen, Donnersbergkreis, ein Kinderarzt. Einzugsgebiet ca. 25 000 Einwohner. Die Stelle ist aufgrund der Bedarfsplanung zu besetzen. Bei der Be- schaffung von Wohn- und Praxisräumen ist die Verbandsgemeinde-Verwaltung behilflich.

Kusel, Landkreis Kusel, ein Arzt für Neurologie und Psychiatrie. Einzugsge- biet ca. 80 000 Einwohner. Die Stelle ist aufgrund der Bedarfsplanung zu beset- zen. Ein Arzt dieses Fachgebietes ist in diesem Bereich noch nicht tätig.

Nähere Auskünfte erteilt die Kassenärzt- liche Vereinigung Pfalz, Maximilianstra- ße 22, 6730 Neustadt, Telefon 0 63 21/

75 85.

Südwürttemberg

Von der Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttemberg wird der folgende Kas- senarztsitz als vordringlich zu besetzen ausgeschrieben:

Ehingen an der Donau, Augenheilkun- de. In Ehingen an der Donau (22 000 Ein- wohner) mit einem Einzugsgebiet von mehr als 50 000 Personen ist zur Entla- stung des in der Stadt niedergelassenen einzigen Augenarztes eine weitere Pra- xisgründung dringend erforderlich.

Nähere Auskünfte erteilt die KV Südwürt- temberg, Wächterstraße 76, Postfach 18 29, 7400 Tübingen 1, Telefon 0 70 71/

50 21.

Bundesärztekammer

Arzneimittelrückruf

Die Arzneimittelkommission der Deut- schen Apotheker machte die Arzneimit- telkommission der deutschen Ärzte- schaft darauf aufmerksam, daß die fol- genden Fertigarzneimittel bzw. deren ge- nannte Charge vom Hersteller zurückge- zogen wurden.

Magnesiumorotat Tabletten Ch. B. 08104031

Jasivita Dragäes

Ch. B 0717, 07186, 07397 und 08608 Vagramin® Vaginal-Tabletten Isoptoe-Pilocarpin 1%

Ch. B. 81 c 05, Verfall 6/84

Der Bestand an Ärztemustern ist ent- sprechend durchzusehen, und die Fer- tigarzneimittel bzw. deren genannte Charge sind auszusondern und zu ver- nichten. AK/BÄK sonsten erfüllt. Und Hongkong ist

auch nicht Staat oder Nation, so- gar „nur" Kolonie — die Hongkong Medical Association, die die chi- nesischen Ärzte in der Kronkolo- nie vertritt, ist aber Mitglied. 1983 findet die Generalversammlung in New Delhi statt (falls kein Visapro- blem auftritt). Man wird sehen, wer dort anreist oder nicht anreist.

Dollars, Mark

und Schweizer Franken

Eine kurze Diskussion der Gene- ralversammlung sei noch am Ran- de erwähnt, weil sie in recht amü- santer Weise die Probleme einer internationalen Organisation be- leuchtet: Normalerweise ist die Vorlage des Haushaltsplans durch den Schatzmeister Professor Se- wering eine Regularie, die keine Diskussion auslöst. Diesmal aber kam die Frage auf: Wieso werden der Haushaltsplan und die Haus- haltsrechnung in US-Dollars auf- gestellt, wo die Beiträge doch in Schweizer Franken bezahlt wer- den (und ein nicht geringer Teil des Geldes in DM bei der Deut- schen Apotheker- und Ärztebank verwaltet wird, des Schatzmeister- wohnsitzes wegen)? Prof. Sewe- ring antwortete geduldig: Der Weltärztebund ist ein in New York eingetragener Verein, und das dortige Vereinsgesetz verlangt die Vorlage der Rechnungen und Plä- ne in Dollars. Warum zahlen wir unsere Beiträge dann nicht gleich in Dollars? Zum einen weil der Weltärztebund in der Schweiz ge- gründet wurde, also aus Tradition.

Aber: „Der Schweizer Franken macht nicht so hektische Kurs- sprünge wie der Dollar, so können die Mitgliedsverbände besser kal- kulieren", sagte Prof. Sewering.

Im laufenden Jahr hat der Dollar es ihm leicht gemacht: Sein Kurs- wechsel hat einen Überschuß pro- duziert. Das kann sich auch wie- der ändern: Die Währungstabellen des Dollars, des Schweizer Fran- ken und der Deutschen Mark sind des Schatzmeisters wichtigstes Handwerkszeug. Walter Burkart

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