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Archiv "Sekundärprävention nach Herzinfarkt – Es gibt noch viel zu tun für Patienten und Ärzte" (16.12.2011)

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854 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 50

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16. Dezember 2011

M E D I Z I N

EDITORIAL

Sekundärprävention nach

Herzinfarkt – Es gibt noch viel zu tun für Patienten und Ärzte

Karl Werdan

Editorial zum Beitrag „Verord-

nungsprävalenz medikamentöser Sekundärprävention

und Therapie - persistenz nach Myokardinfarkt:

Eine Routinedaten - analyse der Versorgungsrealität“

von Sandra Mangiapane und

Reinhard Busse auf den folgenden Seiten

lende Leitliniencompliance ist aber kein ausschließli- ches Problem der kardiovaskulären Medizin (5, 6), son- dern mehr ein generelles (7, 8).

Bei Infarktpatienten scheint ein Jahr nach dem Er- eignis so etwas wie eine magische Grenze zu sein. Of- fenbar hat dann die Angst des Patienten vor einem Reinfarkt so stark abgenommen, dass sich wieder Sorg- losigkeit breit macht. Und vielleicht erlahmen ja auch wir Ärzte in unserem Bemühen, den Patienten bei der Stange zu halten. Dieses Erlahmen schont einerseits das Praxis-Budget. Der eine oder andere Kollege wird sich andererseits aber auch fragen, ob die sekundärprä- ventiven Medikamente ihre morbiditäts- und letalitäts- senkende Wirkung tatsächlich länger als ein bis drei Jahre nach Myokardinfarkt entfalten können, denn die evidenzbasierte Studienlage dazu ist mehr als dürftig.

Im Fall der Betablocker muss man sich darüberhi- naus noch fragen, ob die vor 20 bis 30 Jahren in der Vor-ACE-Hemmer-, Vor-Statin-, Vor-Thrombolyse- und Vor-PCI-Ära (PCI, perkutane koronare Interventi- on) durchgeführten Studien heutzutage überhaupt noch so günstige Ergebnisse bringen könnten, dass sie einen mehrjährigen Einsatz nach Myokardinfarkt noch recht- fertigen. Zu dieser Frage können auch die Leitlinien (9) keine überzeugende Antwort geben.

Abrechnungsdaten einer Krankenkasse – ein Instrument der Versorgungsforschung

Beim Lesen der Arbeit von Mangiapane und Busse taucht eine weitere Frage auf: Liefern Routineanalysen wie die Abrechnungsdaten einer Krankenkasse verläss- liche Daten für eine seriöse Versorgungsforschung? Ich meine, die Ergebnisse der vorliegenden Studie geben durchaus verlässlich die Verordnungsrealität bei der un- tersuchten Patientengruppe wieder. Auf mögliche Limi- tationen weisen die Autoren selbst hin. Aber wir dürfen von Studien dieser Art auch nicht zu viel erwarten. Zu wissen, ob ein Patient ein Medikament einnimmt, ist ja nur die halbe Information. Eigentlich müssten wir er- fahren, ob er tatsächlich die empfohlene Maximaldosis erhalten hat, die zur Erzielung der günstigen Studienef- fekte, wie zum Beispiel einer Letalitätssenkung, erfor- derlich ist. Auf Betablocker bezogen wäre es allerdings noch besser, die resultierende Ruheherzfrequenz unter der Medikation zu kennen, die als Prognosefaktor mitt-

G

ute und schlechte Nachrichten können wir in dem Artikel von Mangiapane und Busse zur

„Verordnungsprävalenz medikamentöser Sekundärprä- vention und Therapie persistenz nach Myokardinfarkt“

lesen (1). Die gute Nachricht ist: Die leitliniengerechte Kombinationstherapie zur Sekundärprävention der ko- ronaren Herzkrankheit (2) – Betablocker plus Statin plus ACE-Hemmer plus Clopidogrel – wird initial im- merhin bei jedem dritten Patienten mit akutem Myo- kardinfarkt eingesetzt, und für die Einzelsubstanzen liegen die Zahlen zwischen 61 und 82 %. Mit diesem Vorgehen wären die Voraussetzungen für eine erfolg- reich angewandte Sekundärprävention gegeben, die entscheidend zur Halbierung der Sterblichkeit infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den letzten zwan- zig Jahren beigetragen und nicht wenige Koronarinter- ventionen überflüssig gemacht hat (3). Am eindrucks- vollsten hat dies die COURAGE Studie (4) gezeigt. So weit, so gut.

Und die schlechte Nachricht? Die schlechte Nach- richt lautet: Das Engagement von Patienten (und mögli- cherweise Ärzten) ist anscheinend nicht von Dauer, denn ein, zwei und fünf Jahre nach Myokardinfarkt sind die Zahlen zur Compliance drastisch gesunken.

Nach fünf Jahren nehmen nur noch 10 % der Patienten Acetylsalicylsäure (ASS), 17 % ein Statin, 31 % einen ACE-Hemmer (ACE, „angiotensin converting enzy- me“) und 36 % einen Betablocker. Wie wenige tatsäch- lich noch die gesamte Kombination einnehmen, wird aus der Arbeit nicht ersichtlich.

Aus der Traum von einer wirksamen und nachhalti- gen Sekundärprävention im praktischen Alltag der Me- dizin. Eine positive Ausnahme gibt es jedoch: Die Per- sistenz für Clopidogrel nach perkutaner Koronarinter- vention mit Implantation eines medikamentenbeschich- teten Koronarstents ist mit 90 % nach sechs Monaten fast so hoch, wie wir es uns für unsere Patienten wün- schen.

Fehlende Leitliniencompliance – ein generelles Problem

Dieses Phänomen der nicht anhaltenden Compliance der Patienten im Hinblick auf die Medikamentenein- nahme im Bereich der kardiovaskulären Prävention und Rehabilitation ist bekanntermaßen nicht neu. Feh-

Klinik u. Poliklinik für Innere Medizin III Universitätsklinikum Halle (Saale) Martin-Luther-

Universität Halle-Wittenberg:

Prof. Dr. med. Werdan

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lerweile sehr gut bei Patienten mit koronarer Herz- krankheit und (KHK) und Herzinsuffizienzpatienten belegt ist (10, 11). Von der Nationalen Versorgungsleit- linie „Chronische KHK“ (9) wird unter Betablocker- medikation eine Senkung der Ruheherzfrequenz auf Werte von 55 bis 60 Schlägen/min gefordert, dieser Wert wird wohl in der aktualisierten Leitlinie auf einen Wert von 70 Schlägen/min angehoben werden. Erst un- ter Ausschöpfung von Daten wie diesen wäre die Infor- mation zur Prozessqualität der medikamentösen Sekun- därprävention nach Herzinfarkt vollständig.

Ergebnisqualität – ein entscheidender Faktor in der Behandlungskette

Strukturqualität und Prozessqualität sind wichtige Glie- der in einer standardisierten Behandlungskette, ent- scheidend ist jedoch die Ergebnisqualität. Und hier sto- ßen wir an die Grenzen dieser Form der Versorgungs- forschung. Der Artikel von Mangiapane und Busse ent- hält zwar die Aussage, dass die Reinfarkt-Rate während des Follow-up 4 % betrug, das ist aber dann auch schon alles. Dennoch ließe sich auch die Ergebnisqualität der medikamentösen Langzeit-Sekundärprävention nach Myokardinfarkt dokumentieren. Allerdings dürften hierzu komplexe Forschungsansätze – bestehend aus einer Kombination von randomisierten klinischen Stu- dien im klassischen Sinne, Registerdaten, Non-Inter- ventionsstudien, Cluster-randomisierten Studien und Untersuchungen wie der vorliegenden – erforderlich sein (12).

Der Artikel von Mangiapane und Busse ist ein schö- nes Beispiel dafür, welche validen und wichtigen Infor- mationen man mit einfachen Mitteln der Versorgungs- forschung erzielen kann. Die Ergebnisse dieser Studie haben mich zwar hinsichtlich der geringen Langzeit- Therapietreue der medikamenösen Sekundärprävention nach Myokardinfarkt enttäuscht, aber eigentlich nicht wirklich überrascht. Einfache Lösungsvorschläge wer- den dieses Problem auch in nächster Zeit nicht beheben (12). Ein langjähriger, von Vertrauen geprägter Arzt- Patienten-Kontakt erscheint mir derzeit noch am meis- ten Erfolg zu versprechen.

Interessenkonflikt

Der Autor erhielt Vortragshonorare von den Firmen Abbott, Biogen, Biotest, Brahms, Boston Scientific, Datascope, Maquet, Novartis, Roche und Servier.

Er wurde honoriert für Aktivitäten im Advisory Board von den Firmen Abbott, Baxter, Biotest, Datascope und Servier. Darüberhinaus nahm er teil an klinischen Studien, die finanziell unterstützt wurden durch die Firmen Arrows, Datascope, MSD, Novartis und Servier. Ferner bekam er Forschungsunter - stützung von den Firmen Biotest, Bayer, Datascope, Novartis, Roche und Servier.

LITERATUR

1. Mangiapane S, Busse R: Prescription prevalence and continuing medication use for secondary prevention after myocardial infarc tion:

the reality of care revealed by claims data analysis. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(50): 856–62. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0856 2. Ruß M, Cremer J, Krian A, Meinertz T, Werdan K, Zerkowski H-R:

Different treatment options in chronic Coronary Artery Disease.

Dtsch Arztebl Int 2009; 106(15): 253–61.

3. Velazquez EJ, Lee KL, Deja MA, et al: Coronary-artery bypass surgery in patients with left ventricular dysfunction. N Engl J Med 2011; 364: 1607–16.

4. Boden WE, O’Rourke RA, Teo KK, et al.: Optimal medical therapy with or without PCI for stable coronary disease. N Engl J Med 2007; 356: 1503–16.

5. Karbach U, Schubert I, Hagemeister J, Ernstmann N, Pfaff H, Höpp H-W: Physician’s knowledge and compliance with guidelines: An exploratory study in cardiovascular diseases. Dtsch Arztebl Int 2011;

108(5): 61–9. Correspondance: 2011; 108(28–29): 490–3.

6. Kopp IB: Cardiovascular Guidelines in German healthcare: lost in translation? Dtsch Arztebl Int 2010; 108(5): 59–60.

7. Maier C, Nestler N, Richter H, et al.: The Quality of Pain manage- ment in German Hospitals. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(36):

607–14.

8. Sendtner E, Renkawitz T, Kramny P, Wenzl M, Grifka J: Fractured neck of femur—internal fixation versus arthroplasty. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(23): 401–7.

9. BÄK, KBV, AWMF (eds.): Nationale Versorgungs Leitlinie Chronische KHK. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag 2007/2008; www.versorgungs leitlinien.de/themen/khk/pdf/nvl_khk_lang.pdf

10. Cucherat M: Quantitative relationship between resting heart rate reduction and magnitude of clinical benefits in post-myocardial in- farction: a meta-regression of randomized clinical trials. European Heart Journal 2007; 28: 3012–9.

11. Fox K, Ford I, Steg G, Tendera M, Robertson M, Ferrari R, on behalf of the BEAUTIFUL Investigators: Heart rate as a prognostic risk factor in patients with coronary heart disease and left ventricular systolic dysfunction (BEAUTIFUL): a subgroup analysis of a random - is ed controlled trial. Lancet 2008; 372: 817–21.

12. Bueno H, Armstrong PW, Buxton MJ, et al.: The future of clinical trials in secondary prevention after acute coronary syndromes.

European Heart Journal 2011; 32: 1583–9.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Karl Werdan

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III Universitätsklinikum Halle (Saale) Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Straße 40

06120 Halle

karl.werdan@medizin.uni-halle.de

Secondary Prevention Following Myocardial Infarction—There is Still More to be Done

Zitierweise

Karl Werdan: Secondary prevention following myocardial infarction—

there is still more to be done. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(50): 854–5.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0854

@

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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