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Archiv "Gendiagnostik: Gesetzgebung hinkt hinterher" (27.10.2000)

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asant – so lässt sich das Tempo beschreiben, mit dem sich die Gendiagnostik entwickelt. Welt- weit gibt es etwa 1 000 Tests für ge- netische Krankheiten, 300 davon wer- den bereits routinemäßig in Labors an- gewendet. Rund 25 Tests sollen nach Angaben der Bundesärztekammer auf dem freien Markt beziehungsweise im Internet erhältlich sein. Für den Ge- setzgeber, aber auch für Ärzte sowie Verbraucher- und Datenschützer ist es nicht leicht, dem vorgelegten Tempo zu folgen.

Experten warnen vor der Gefahr der kommerziellen Nutzung dieser Tests durch Kranken- und Lebensversiche- rungen sowie vor der Diskriminierung von Menschen mit Gendefekten.

Rechtliche und ethische Regelungen fehlen weitgehend.

Dass dies nicht so bleiben kann, dar- über waren sich die Sachverständigen und Mitglieder der Enquete-Kommissi- on des Deutschen Bundestages „Recht und Ethik in der modernen Medizin“

einig. Sie diskutierten Mitte Oktober in Berlin im Rahmen einer Anhö- rung über die Folgen der genetischen Diagnostik. Der niederländische Ex- perte vom Health

Research Coun- cil Den Haag, Dr.

Aart Hendriks, wies darauf hin, dass die Samm- lung genetischer Daten die Men- schenrechte be- drohen könne.

Von der derzeiti- gen Entwicklung seien besonders das Recht auf Privatsphäre und das Recht auf Nichtdiskriminie- rung betroffen.

Genetische Da-

ten zu sammeln und zu nutzen dürfe nur gestattet sein, wenn geeignete Sicher- heitsmaßnahmen gegen Missbrauch eingehalten würden. Zudem müssten die Betroffenen das Recht haben, die Daten zu vernichten.

Versicherungen wittern bereits ein Geschäft

Die Gendiagnostik eröffnet den Kran- ken- und Lebensversicherungen wirt- schaftliche Vorteile. Ihre Anwendung ermöglicht eine risikoadäquate Prä- mienkalkulation. Noch verlangen pri- vate Versicherungsunternehmen in Deutschland keine Gentests. Dies be- stätigte der Gesamtverband der Deut- schen Versicherungswirtschaft bei der Anhörung in Berlin: „Momentan und in absehbarer Zukunft werden die Versi- cherungsunternehmen weder Gentests als Mittel der Risikodifferenzierung verlangen noch ausdrücklich nach durchgeführten Gentests fragen.“ Der Verband weist aber gleichzeitig auf die vorvertragliche Anzeigepflicht hin.

Nach dieser erwarten die Unternehmen

„die Offenlegung gesundheitsrelevan- ter Informatio- nen, ohne dass nach deren Her- kunft unterschie- den wird“. Ein Versicherter, der das Ergebnis sei- nes Gentestes kennt, muss die- ses auch der Ver- sicherung mittei- len. Dass sich je- mand aus Angst vor Problemen mit der Versiche- rung und höhe- ren Beitragssät- zen von Gentests abhalten lässt,

hält der Verband der Deutschen Versi- cherungswirtschaft für ausgeschlossen.

Auf der anderen Seite können Versi- cherte leicht unter Druck geraten, Tests vornehmen zu lassen – auch wenn sie das eigentlich nicht wollen. Behinder- tenverbände fordern daher ein „Recht auf Nichtwissen“. Dies gelte ebenfalls für genetisch verwandte Familienmit- glieder. Sie können ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung von dem Ergeb- nis eines prädiktiven Tests betroffen sein.

Dass sich in der Bevölkerung der Anspruch auf genetische Normalität verbreiten könnte und damit die Akzeptanz von genetisch bedingten Krankheiten sinke, befürchtet Dr. Dirk Lanzerath vom Deutschen Referenz- zentrum für Ethik in den Biowissen- schaften in Bonn. Genetische Krank- heiten könnten in Zukunft als vermeid- bar gelten. Er forderte, genetische Tests an die ärztliche Indikation zu binden.

Dies sei besonders bei Genchips zu ge- währleisten, da diese möglicherweise sehr viele Schlüsse gleichzeitig über die individuelle genetische Ausstattung zu- ließen. „Mit der Erhebung genetischer Daten wächst die Möglichkeit, diese Daten zu anderen als den vereinbarten Zwecken zu nutzen und damit gegen die Pflicht zur Vertraulichkeit und zum Schaden des untersuchten Individuums zu handeln“, sagte Lanzerath. Er for- dert deshalb einen restriktiven Daten- schutz sowie spezielle Prüf- und Zulas- sungsverfahren für Gentests ähnlich wie für Arzneimittel.

Ein wesentliches Manko der frei er- hältlichen genetischen Tests ist, dass ei- ne qualifizierte Beratung völlig fehlt.

Dies wird sowohl von der Bundes- ärztekammer als auch von der Deut- schen Gesellschaft für Humangenetik betont. Derzeit gebe es bundesweit et- wa 160 Fachärzte für Humangenetik, 400 weitere würden auf diesem Gebiet jedoch benötigt. Dr. med. Eva A. Richter P O L I T I K

A

A2818 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 43½½½½27. Oktober 2000

Gendiagnostik

Gesetzgebung hinkt hinterher

Bundestags-Enquete-Kommission diskutiert über Risiken.

Vorreiter

Großbritannien

Was für Deutschland derzeit au- ßer Frage gestellt wird, ist in Großbritannien bereits Realität.

Dort können die Krankenver- sicherungen ab sofort Gentests von ihren Antragstellern verlan- gen. Die britische Regierung ge- stattete den Krankenversiche- rungen dies vor wenigen Tagen.

Die Erlaubnis gilt bisher nur für die Chorea Huntington, wird aber möglicherweise bald auf Alzheimer und das Mamma-Kar- zinom ausgedehnt.

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