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Kinematische Analyse von 3D-rekonstruierten Bewegungen der Lendenwirbelsäule und des Beckens beim Beagle in Schritt und Trab

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Academic year: 2022

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Tierärztliche Hochschule Hannover

Kinematische Analyse von 3D-rekonstruierten Bewegungen der Lendenwirbelsäule und des Beckens

beim Beagle in Schritt und Trab

INAUGURAL - DISSERTATION

zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von Katja Wachs

Jena

Hannover 2015

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Wissenschaftliche Betreuung: 1. Univ. Prof. Dr. I. Nolte

Klinik für Kleintiere Tierärztliche Hochschule Hannover

Bünteweg 9, 30559 Hannover

2. Dr. N. Schilling

Institut für Spezielle Zoologie und

Evolutionsbiologie mit Phyletischem Museum Friedrich-Schiller-Universität Jena

Erbertstraße 1, 07743 Jena

3. Univ. Prof. Dr. M. S. Fischer Institut für Spezielle Zoologie und

Evolutionsbiologie mit Phyletischem Museum Friedrich-Schiller-Universität Jena

Erbertstraße 1, 07743 Jena

1. Gutachter: Univ. Prof. Dr. I. Nolte

Dr. N. Schilling

2. Gutachter: Univ. Prof. Dr. H. Seifert

Tag der mündlichen Prüfung: 09.02.2015

Diese Arbeit wurde im Rahmen des Kompetenzzentrums für Interdisziplinäre Prävention (KIP) der Friedrich-Schiller-Universität Jena gefördert.

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„Der Gelehrte studiert die Natur nicht, weil das etwas Nützliches ist.

Er studiert sie, weil er daran Freude hat, und er hat Freude daran, weil sie so schön ist. Wenn die Natur nicht so schön wäre, so wäre es nicht der Mühe wert, sie kennen zu lernen, und das Leben wäre nicht wert, gelebt zu werden."

Jules Henri Poincaré (1854 - 1912)

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!

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Ausgewählte Ergebnisse dieser Dissertation wurden auf folgenden Fachtagungen präsentiert:

2011 17. Erfurter Tage – Poster, populärwissenschaftlicher Kurzbeitrag

Kinematische Analyse der Wirbelsäulenbewegung bei Hunden während der Lokomotion

2012 18. Erfurter Tage – Poster, populärwissenschaftlicher Kurzbeitrag

Wirbelsäulenbewegungen des Hundes während der Lokomotion – eine kinematische Analyse

7th International Conference on Canine and Equine Locomotion – Vortrag Intervertebral motion in dogs during locomotion – a kinematic analysis

2013 19. Erfurter Tage – Poster, populärwissenschaftlicher Kurzbeitrag

Intervertebralbewegungen der Lendenwirbelsäule des trabenden Hundes

10th International Congress of Vertebrate Morphology – Vortrag Intervertebral and pelvic motions in dogs during locomotion

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INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung und Stand der Forschung ... 9

1.1 Einleitung ... 9

1.2 Definition von 3D-Bewegungen ... 18

1.3 Funktionelle Anatomie der Lendenwirbelsäule und des Beckens ... 12

1.3.1 Gelenkige Verbindungen der Wirbelsäule (Art. columnae vertebralis) ... 13

1.3.2 Becken (Pelvis) und Iliosakralgenk (Art. sacroiliaca) ... 14

1.4 Gangarten ... 16

1.5 Stand der Forschung – Literaturübersicht ... 20

1.5.1 Bewegungsmanipulationen an Tierkörpern ... 20

1.5.2 Implantation von Messmodulen ... 21

1.5.3 Instrumentierte Ganganalyse ... 23

1.5.4 Röntgenkinematographie ... 25

1.5.5 XROMM/Scientific Rotoscoping ... 26

1.5.6 EMG Daten der epaxialen Rückenmuskulatur ... 27

1.6 Erwartungen und Ziele der eigenen Studie ... 28

2 Untersuchungsgut, Material und Methoden ... 31

2.1 Hunde ... 31

2.2 X-ray Reconstruction of Moving Morphology - XROMM ... 32

2.2.1 Digitale biplanare Hochgeschwindigkeits-Röntgenvideographie ... 33

2.2.2 Bearbeitung und Kalibrierung der Röntgenvideos ... 35

2.2.3 Standardlicht-Hochgeschwindigkeitsvideographie ... 36

2.2.4 Gangarten und Duty-Faktoren ... 37

2.2.5 Rekonstruktion von 3D-Knochenmodellen ... 38

2.2.6 Szene 1 – Erstellen einer beweglichen 3D-Knochenmarionette ... 38

2.2.7 Szene 2 – 3D-Bewegungsanimation und Scientific Rotoscoping ... 41

2.2.8 Bewegungsmessung – anatomisches Koordinatensystem ... 43

2.3 Datenanalyse ... 45

2.3.1 Datenanalyse und Statistik ... 45

2.3.2 Fehlerberechnung ... 46

3 Ergebnisse ... 48

3.1 3D-Bewegungen des Beckens ... 48

3.1.1 Axiale Rotationsbewegungen des Beckens (x ± SD Hund #1, #2, #3) ... 48

3.1.2 Laterale Rotationsbewegungen des Beckens (x ± SD Hund #1, #2, #3) ... 49

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3.1.3 Sagittale Rotationsbewegungen des Beckens (x ± SD Hund #1, #2, #3) ... 50

3.2 3D-Bewegungen zwischen den Lendenwirbeln ... 51

3.2.1 Axiale Rotationsbewegungen der VRZ S1/L7 – L2/L1 (x ± SD Hund #1, #2, #3) ... 51

3.2.2 Laterale Rotationsbewegungen der VRZ S1/L7 – L2/L1 (x ± SD Hund #1, #2, #3) ... 52

3.2.3 Sagittale Rotationsbewegungen der VRZ S1/L7 – L2/L1 (x ± SD Hund #1, #2, #3) .. 53

3.3 3D-Bewegung der Lendenwirbelsäule – additive Zwischenwirbelbewegungen ... 54

4 Diskussion ... 69

4.1 Techniken und Limitierungen ... 69

4.2 3D-Bewegungen von Becken und Lendenwirbelsäule ... 71

4.3 Ein generelles Bewegungsmuster quadrupeder Säugetiere ... 79

4.4 Tiermedizinische Relevanz und Aussichten ... 80

5 Zusammenfassung ... 82

6 Summary ... 84

7 Anhang ... 86

8 Tabellenverzeichnis ... 98

9 Abbildungsverzeichnis ... 99

10 Literaturverzeichnis ... 100

11 Danksagung ... 110

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Abkürzungsverzeichnis 3D dreidimensional Abb. Abbildung

Art. Articulatio (lat.) = Gelenk

AKS Anatomisches Koordinatensystem B/s Bilder pro Sekunde

DSH Deutscher Schäferhund EMG Elektromyographie

FCI Fédération Cynologique Internationale ggrd. geringgradig

GKS Globales Koordinatensystem

kV Kilovolt

l/l latero-lateraler Strahlengang

L Vertebrae lumbales = Lendenwirbel LWS Lumbalwirbelsäule = Lendenwirbelsäule mA Milliampere

ms Millisekunden

N.A.V. Nomina Anatomica Veterinaria O-EMG Oberflächen-Elektromyographie P Pelvis (lat.) = Becken

Proc. Processus (lat.) = Fortsatz

ROM range of motion (engl.) = Bewegungsumfang S Os Sakrum (lat.) = Kreuzbein

SD Standardabweichung

SR Scientific Rotoscoping (engl.) Tab. Tabelle

TOO time of occurence (engl.) = Zeitpunkt des Auftretens v/d ventro-dorsaler Strahlengang

VJ virtual joint (engl.) = virtuelles Gelenk

VRZ virtuelles Rotationszentrum = gibt den Bewegungsdrehpunkt wieder

! arithmetisches Mittel

XROMM X-ray Reconstruction of Moving Morphology (engl.)

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Einleitung und Stand der Forschung

1 Einleitung und Stand der Forschung 1.1 Einleitung

Betrachtet man die Rückenbewegungen eines Hundes (Canis lupus familiaris, Linnaeus 1758), während er sich fortbewegt, so können die seitlichen Biegungen der Wirbelsäule, die während der langsamen Gangart Schritt auftreten, mit dem bloßen Auge erkannt werden. Die während der schnelleren Gangart Galopp auftretenden Beuge- und Streckbewegungen des Rückens können jedoch, obwohl diese wesentlich stärker ausfallen, selbst mit einem geschulten Blick nicht erfasst werden. Edward Muybridge schaffte es 1887 (MUYBRIDGE 1957), diese schnellen Bewegungen eines galoppierenden Pferdes mit in Reihe aufgenommenen Fotografien festzuhalten. Er legte damit einen der Grundsteine der Bewegungsanalyse.

Im Fokus der Bewegungsforschung stehen seit vielen Jahren, sowohl im Bereich der Tiermedizin als auch in der Biologie, die Funktionen der muskulären und skelettalen Strukturen, welche an der Fortbewegung von Säugetieren beteiligt sind. Der biologisch orientierte Forschungsbereich ist dabei an einem grundlegenden Verständnis dieser Strukturen und ihrer Funktionen vor allem während physiologischer Bewegungsabläufe interessiert. Im Unterschied dazu sind tiermedizinische Forschungen eher an klinischen Fragen orientiert und ihr überwiegendes Interesse gilt einem besseren Verständnis und Erkennen von pathologischen Bewegungsmustern. Dabei sind sich beide Disziplinen einig, dass die Grundlage für ein besseres Verständnis dieser Bewegungsabläufe die Untersuchung physiologischer Bewegungsmuster bildet. In beiden Disziplinen wurden daher in zahlreichen Studien die Bewegungen (Kinematik) und die sie hervorrufenden Kräfte (Kinetik) der Vorder- und Hintergliedmaßen als auch die Aktivitätsmuster einzelner Muskeln der Gliedmaßen während der Fortbewegung (Lokomotion) untersucht.

Im Bereich der tiermedizinischen Bewegungsforschung sind Pferd und Hund die am häufigsten untersuchten Säugetiere. Beide Spezies sind mit ihrem Bewegungsapparat an eine cursoriale, d. h. an eine ausdauernde, über weite Strecken reichende und bevorzugt in höheren Geschwindigkeiten durchgeführte Fortbewegung angepasst.

Besonders in den letzten Jahren hat sich in der Bewegungsanalyse, welche in der heutigen Zeit hoch-frequente Kamerasysteme und computergestützte Analysetechniken

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Einleitung und Stand der Forschung

nutzt, das Motion Capturing als diagnostisches Verfahren zur Beurteilung kinematischer Bewegungsparameter eines Patienten, z. B. in der Lahmheitsdiagnostik von Pferden und Hunden etabliert. Zur Erfassung kinematischer Parameter der Gliedmaßenbewegungen wurden Untersuchungen an gesunden und erkrankten Tieren durchgeführt [Pferd z. B.:

(AUDIGIE et al. 1999; WENNERSTRAND 2008; VAN WEEREN et al. 2010); Hund für die Vorder- und Hinterextremitäten – ohne Bewegungsstörung z. B.: (DECAMP et al.

1993; GILLETTE u. ZEBAS 1999; FEENEY et al. 2006; GILLETTE u. ANGLE 2008;

HOLLER et al. 2010; FISCHER u. LILJE 2011; HEADRICK et al. 2014), – mit Bewegungsstörung z. B.: (DECAMP et al. 1996; DECAMP 1997; POY et al. 2000;

BOCKSTAHLER et al. 2007a; ABDELHADI 2012)].

Hunde stellen auf Grund ihrer hohen Variabilität in Körpergröße und Gestalt innerhalb ein und derselben Art eine Ausnahme unter den quadrupeden Säugtieren dar. Der Beagle ist innerhalb der verschiedenen Hunderassen ein Vertreter der mittelgroßen Laufhunde (FCI). Vergleicht man die Körperproportionen des Beagles (das Verhältnis von Gliedmaßenlänge zu Rumpflänge) und insbesondere die Gliedmaßenproportionen (prozentualen Anteile der Gliedmaßensegmente, die zur Gesamtlänge der Gliedmaßen beitragen) mit den in einem Buch veröffentlichten Studienergebnissen zu Gliedmaßenproportionen von 32 Hunderassen (FISCHER u. LILJE 2011, S. 80 - 84), dann eignet sich der Beagle für Vergleiche mit Hunden anderer Größen und Gewichtsklassen. Die prozentualen Anteile der Gliedmaßensegmente von Schulterblatt, Oberarm, Unterarm, Vordermittelfuß und Oberschenkel, Unterschenkel und Mittelfuß des Beagle (Tab. 17, im Anhang) entsprechen annähernd den Werten der Gliedmaßenproportionen von anderen Rassen wie dem Appenzeller Sennenhund, dem PON (Polski Owczarek Nizinny), dem Tibet Terrier und dem Zwergschnauzer (FISCHER u. LILJE 2011, S. 82, 83, 142, 182, 192, 200).

Da die Fortbewegung eines Säugetieres aus einem komplexen Zusammenspiel der Bewegungen von Gliedmaßen und Rumpf besteht, ist es überraschend, dass bisher lediglich in zwei Studien die Bewegungen im Bereich der Lendenwirbelsäule an gesunden Hunden während der Fortbewegung in den Gangarten Schritt und Trab kinematisch untersucht wurden (GRADNER et al. 2007; LAYER 2012). Diese Studien konnten mittels Motion Capturing von aufgeklebten Hautmarkern auf Höhe einzelner

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Einleitung und Stand der Forschung

Dornfortsätze (Procc. spinosi) jedoch nur Ergebnisse für die seitlichen (lateralen Bewegungen) und Beuge- und Streckbewegungen (sagittalen Bewegungen) einzelner Wirbel erzielen. Detaillierte Daten zu den dreidimensionalen (3D) Bewegungen der Wirbelbogengelenke (Facettengelenke) der Lendenwirbelsäule, die insbesondere während der Lokomotion auftreten, fehlen bislang.

Generell sind die Bewegungen des Rumpfes und Beckens von Säugetieren, im Speziellen die Kinematik und Muskelaktivität dieser Strukturen während der Fortbewegung gering untersucht. Einzelne Studien, welche an kleinen Säugetieren während schneller, asymmetrischer Gangarten durchgeführt wurden, konnten jedoch zeigen, dass die additiven Wirbelbewegungen der Lendenwirbelsäule mit über 50 % zu der Länge eines Schrittes beitragen (FISCHER u. LEHMANN 1998; SCHILLING u.

FISCHER 1999; FISCHER et al. 2002).

Die vorliegende Arbeit ist daher eine Pionierarbeit, da sie sich den 3D-Bewegungen der Lendenwirbel, des lumbosakralen Übergangsbereiches und des Beckens während symmetrischer Gangarten beim Hund in einer integrativen Betrachtung von Bein- und Rückenbewegung widmet.

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Einleitung und Stand der Forschung

1.2 Funktionelle Anatomie der Lendenwirbelsäule und des Beckens

In dieser Arbeit verwendete anatomische Bezeichnungen folgen der Nomenklatur der Nomina Anatomica Veterinaria (N.A.V. 5th Edition, 2012).

Der knöcherne Anteil der Lendenwirbelsäule des Hundes wird in der Regel von sieben Lendenwirbeln (L1 bis L7) gebildet. Der 7. Lendenwirbel artikuliert mit dem Os sakrum (L7/S1) und bildet als Lumbosakralgelenk (Art. lumbosacralis) den lumbosakralen Übergangsbereich, die Verbindung zwischen Lendenwirbelsäule und Becken (Abb. 1).

Abbildung 1: Anatomische Übersicht der knöchernen Lendenwirbelsäule, Kreuzbein und Becken des Hundes

Ansicht von lateral (A) und dorsal (B); L = Lendenwirbel; S = Sakralwirbel

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Einleitung und Stand der Forschung

1.2.1 Gelenkige Verbindungen der Wirbelsäule (Art. columnae vertebralis)

Die gelenkige Verbindung (Art. processuum articularium) zweier benachbarter Wirbel ermöglicht als „echtes Gelenk“ (Diarthrose) Bewegungen zwischen den Procc. articulares caudales und dem Procc. articulares craniales. Dieses paarige Gelenk wird je nach Tätigkeitsfeld, z. B. im klinisch-diagnostischen oder auch im therapeutisch-rehabilitiativen Bereich, als Facettengelenk, Intervertebralgelenk, kleines Wirbelgelenk, Wirbelbogengelenk oder auch als Zygapophyse bezeichnet. Die faserknorpelige Verbindung (Symphysis intervertebrales) stellt ein „unechtes Gelenk“ (Synarthrose) dar (Abb. 2).

Abbildung 2: Gelenkige Verbindungen der Wirbelsäule (Art. columna vertebrales)

A – Articulatio processus articularium: zwei benachbarte Wirbel (L2/L3) gehen über jeweils zwei Gelenkfortsätze [Procc. articulares craniales (a) und Procc. articulares caudales (b)] eine echte gelenkige Verbindung (Diarthrose) als paariges Facettengelenk miteinander ein.

Umrandung in rot: linkes Facettengelenk von L2/L3

B – Symphysis intervertebralis: mit der zwischen zwei benachbarten Wirbelkörpern liegenden Bandscheibe [Discus intervertebralis (c)] gehen diese eine faserknorpelige Verbindung ein (Synarthrose).

Umrandung in grün: Symphysis intervertebralis von L2/L3

Arcus vertebrae: Wirbelbogen, Corpus vertebrae: Wirbelkörper, Proc. spinosus: Dornfortsatz, Proc.

costalis: Querfortsatz, L: Lendenwirbel

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Einleitung und Stand der Forschung

Die Bandscheibe (Discus intervertebrales), welche zwischen zwei benachbarten Wirbelkörpern liegt, dient als druckelastisches Kissen dem Abfangen der Belastungen, die während der Bewegung stattfinden. Hierbei werden die entstehenden Kompressionen sowohl auf den Faserring (Anulus fibrosus) und den Kern (Nucleus pulposus) der Bandscheibe übertragen. Unter extremen Belastungen kann dabei sowohl der Nucleus pulposus als auch der Anulus fibrosos zu stark belastet werden und es kann zu einer Bandscheibenprotrusion oder einem –prolaps kommen. Zusammen mit den Bandscheiben und den direkt an den Wirbeln ansetzenden Muskeln und Bändern, wird der Bewegungsumfang zwischen den Wirbeln begrenzt.

Die gelenkige Verbindung (Art. processuum articularium) und die faserknorplige Verbindung (Symphysis intervertebralis) zwischen zwei benachbarten Wirbeln bilden zusammen eine funktionelle Einheit. Diese wird im Englischen auch als „functional spinal unit“ (FSU) bezeichnet. Innerhalb dieser FSU erfolgen im Spatium interarcuale die Bewegungen des cranialen Wirbels relativ zu den Bewegungen des caudalen Wirbels (HAUSSLER et al. 2001).

Die einzelnen Zwischenwirbelbewegungen führen zusammengesetzt zu Bewegungen der Wirbelsäule. So können die Rotationsbewegungen um die caudo-craniale Körperachse zu einer Torsion oder zu einer gleichgerichteten Rotation der Wirbelsäule zwischen dem Schulter- und Beckengürtel führen. Rotationsbewegungen um die ventro- dorsale Körperachse führen insgesamt zu einer lateralen Biegung („lateral bending“) der Wirbelsäule. Die entlang der latero-lateralen Körperachse stattfindenden Rotationsbewegungen führen zu einer Extension bzw. Flexion („sagittal bending“) der Wirbelsäule.

1.2.2 Becken (Pelvis) und Iliosakralgenk (Art. sacroiliaca)

Das knöcherne Becken (Pelvis) wird von einer linken und rechten Hüftbeinhälfte (Os coxae) gebildet, die jeweils aus Darmbein (Os ileum), Schambein (Os pubis) und Sitzbein (Os ischii) besteht. Von jedem dieser drei Knochen verschmelzen Anteile gemeinsam zur Beckenpfanne (Acetabulum), in welcher der Oberschenkelkopf (Caput ossis femoris) der jeweiligen Hintergliedmaße sitzt und damit die beiden Hüftgelenke

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Einleitung und Stand der Forschung

(Articulationes coxae) bildet. Die Bewegungen der Hintergliedmaßen werden während der Fortbewegung durch die Hüftgelenke auf das Becken übertragen. Die Hüftgelenke stellen somit die Verbindung zwischen Gliedmaßen und Becken dar (Abb. 1).

Beide Hüftbeinhälften vereinen sich ventral in der Beckensymphyse und gehen dorsal eine straff gelenkige Verbindung (Amphiarthrose) mit dem dazwischenliegenden Kreuzbein (Os sakrum) ein. Dieses Iliosakralgelenk stellt die Verbindung von Becken und Lendenwirbesäule dar und besitzt eine stoßdämpfende und kräfteübertragende Funktion.

Bisherige Messungen zum Bewegungsumfang des Iliosakralgelenkes bei Hunden wurden in vitro durch Maximalmanipulation von Kadavern (GREGORY et al. 1986;

BREIT u. KÜNZEL 2001) und nur in einer in vivo Studie an sedierten Hunden durchgeführt (SAUNDERS et al. 2013). Der Bewegungsumfang der Extensions- und Flexionsbewegungen an freipräparierten Iliosakralgelenken lag bei maximal 7°

(GREGORY et al. 1986). Die in vivo Studie erreichte in ihrer Messung bei maximal möglicher Streck- und Beugestellung der Hintergliedmaßen ein niedrigeres Messergebnis. Für die Rotationsbewegungen konnten beim Greyhound 1,5° ± 0,7° und beim DSH 2,0° ± 1,5° gemessen werden. Die größte Translationsbewegung betrug 1,4 ± 0,7 mm (SAUNDERS et al. 2013).

In den bisherigen Studien konnten nur geringgradige Translations- und Rotationsbewegungen im Iliosakralgelenk gemessen werden. Auf Grund dieses minimalen Bewegungsumfanges wurde die Bewegungsmessung des Iliosakralgelenkes in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt und somit das Kreuzbein funktionell an das Becken und dessen Bewegungen gekoppelt (siehe Versuchsgut, Material und Methoden Teil).

Die Bewegung des Beckens wird maßgeblich von den Bewegungen der Hintergliedmaßen bestimmt (JENKINS u. CAMAZINE 1977; VAN DE GRAAFF et al.

1982; WENNERSTRAND 2008; NYAKATURA u. FISCHER 2010). Jedoch zeigten Untersuchungen an kleinen Säugetieren, dass während asymmetrischer Gangarten die additiven Zwischenwirbelbewegungen der Lendenwirbelsäule die Bewegungen des Beckens in der Sagittalebene ergänzten und somit zu einer Verlängerung der Schrittlänge führten (FISCHER u. LEHMANN 1998; SCHILLING u. FISCHER 1999;

SCHILLING u. HACKERT 2006).

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Einleitung und Stand der Forschung

1.3 Gangarten

Nach Hildebrand (1966) lassen sich Gangarten durch den Duty-Faktor, den prozentualen Anteil der Stemmphasendauer einer Gliedmaße (Bodenkontakt) eines gesamten Schrittes, einteilen. Beträgt dieser Bodenkontakt mehr als 50 % (Duty-Faktor > 0,5), wird die Gangart als Schritt bezeichnet (Abb. 3). Im Schritt wechseln sich kurze Zweibein- und lange Dreinbeinstützphasen ab, was insbesondere zu einer Überschneidung des Bodenkontaktes der diagonalen Vorder- und Hintergliedmaßen führt. Verkürzt sich mit Zunahme der Geschwindigkeit die zeitliche Dauer der Stemmphase (Duty-Faktor < 0,5), verlängert sich automatisch die Schwungphasendauer der Gliedmaßen, so wie im Trab (Abb. 4). Hier kommt es zu keiner Überschneidung der Bodenkontakte der diagonalen Vorder- und Hintergliedmaßen, sie schwingen zusammen, d. h. sie fußen zur gleichen Zeit auf oder ab. Im Gegensatz zu den symmetrischen Gangarten Schritt und Trab, sind asymmetrische (synchrone) Gangarten, wie der Galopp, durch eine Flugphase gekennzeichnet und es bewegen sich die Vorder- oder Hintergliedmaßen annähernd gemeinsam. Somit ergibt sich eine Einteilung der Fortbewegung nach Gangarten aus der Reihenfolge, in welcher die Gliedmaßen den Boden berühren.

Wölfe, als Vorfahren unserer Hunde, benutzen überwiegend Schritt und Trab für das Zurücklegen längerer Strecken und besonders schnelle Gangarten, wie den Galopp, eher während der Jagd oder zur Flucht [(KACZENSKY et al. 2009); RADINGER, E., Yellowstone Wölfe, persönl. Komm.]. Die Konzentration auf die Fortbewegung in den symmetrischen Gangarten Schritt und Trab in der vorliegenden Arbeit läßt sich damit auch biologisch begründen.

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Einleitung und Stand der Forschung

Abbildung 3: Schrittzyklus eines Hundes im Schritt (1,0 ± 0,2 m/s, Duty-Faktor: 0,6)

Gliedmaßenbewegungen eines Hundes in der Gangart Schritt. Es befinden sich überwiegend drei der vier Gliedmaßen im Bodenkontakt; es kommt zu einer Überschneidung des Bodenkontaktes der diagonalen Vorder- und Hintergliedmaßen.

Fußfallmuster: Balken: grau = Stemmphase, weiß = Schwungphase, schwarz = Referenzgliedmaße (RH);

RH/LH: rechte/linke Hintergliedmaße, RV/LV: rechte/linke Vordergliedmaße

Abbildung 4: Schrittzyklus eines Hundes im Trab (1,5 ± 0,3 m/s, Duty-Faktor: 0,5)

Gliedmaßenbewegung eines Hundes in der Gangart Trab. Es befinden sich überwiegend zwei der vier Gliedmaßen im Bodenkontakt.

Fußfallmuster: Balken: grau = Stemmphase, weiß = Schwungphase, schwarz = Referenzgliedmaße (RH);

RH/LH: rechte/linke Hintergliedmaße, RV/LV: rechte/linke Vordergliedmaße

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Einleitung und Stand der Forschung

1.4 Definition von 3D-Bewegungen

Mit Hilfe eines rechtshändigen Koordinatensystems kann die 3D-Bewegung eines Körpers definiert werden. Entlang der X-, Y- und Z-Achse wird dieser Körper in drei Bewegungsebenen eingeteilt (Abb. 5). Die X-Achse repräsentiert die caudo-craniale Körperachse. Diese durchläuft mittig die zu ihr im rechten Winkel stehende Transversalebene. Diese teilt den Körper in eine craniale und caudale Körperhälfte teilt.

Die Y-Achse repräsentiert die ventro-dorsale Körperachse, welche mittig und im rechten Winkel die Horizontalebene durchläuft. Die Horizontalebene teilt den Körper in eine ventrale und dorsale Körperhälfte ein. Die Z-Achse repräsentiert die latero-laterale Körperachse. Diese steht rechtwinkelig zur Sagittalebene und durchläuft diese mittig. Die Sagittalebene teilt den Körper in eine rechte und linke Körperhälfte (Abb. 5).

Abbildung 5: Bewegungsebenen, mögliche Freiheitsgrade (6 DOF) und Bewegungsachsen

Körperebenen: farbige Markierung der jeweiligen Körperebene; Freiheitsgrade (6 DOF):

Translationsbewegungen entlang der Bewegungsachsen (Pfeile rot: cranial/caudal, grün: dorsal/ventral, blau: rechts/links); Rotationsbewegungen um die Bewegungsachsen (Pfeilbögen in violett, X-Achse: Roll, Y-Achse: Gier, Z-Achse: Nick) (modifiziert nach Schilling et al. 2005)

Innerhalb jeder Ebene können jeweils zwei Bewegungen erfolgen, die Verschiebung/Translation und die Drehung/Rotation, in jeweils positiver und negativer Richtung. Betrachtet man die Bewegungen in allen drei Ebenen, ergeben sich somit sechs mögliche Bewegungsgrade, welche auch als Freiheitsgrade (engl. Degrees Of Freedom, DOF) bezeichnet werden (Abb. 5).

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Einleitung und Stand der Forschung

Translationsbewegungen führen entlang der X-Achse des Koordinatensystems in der Transversalebene zu einer Verschiebung nach cranial bzw. caudal, entlang der Y-Achse in der Horizontalebene zu einer Verschiebung nach ventral bzw. dorsal.

Translationsbewegungen entlang der Z-Achse in der Sagittalebene führen zu Verschiebungen zur linken bzw. rechten Körperseite (Abb. 5).

Drehbewegungen um die X-Achse (Rollbewegung) führen zu einer Längsachsenrotation in der Transversalebene. Drehbewegungen um die Y-Achse (Gierbewegung) führen zu einer lateralen Rotation bzw. Biegung in der Horizontalebene. Drehbewegungen um die Z-Achse (Nickbewegung) führen zu einer Rotation in der Sagittalebene und werden daher auch als sagittale Biegung oder als Extension- bzw. Flexion bezeichnet (Abb. 5).

In Tabelle 1 sind die im englischen (engl.) und deutschen (dt.) Sprachraum häufig verwendeten Bezeichnungen dieser Rotationsbewegungen zusammengefasst.

Tabelle 1: Übersicht der Rotationsbewegungen und ihre verwendeten Bezeichnungen Körperebene Körperachse/

Bewegungsachse

Rotationsbewegung (engl./dt.)

resultierende Bewegung der WS (engl./dt.)

Transversal- ebene

caudo-craniale/X-Achse roll/Roll axial rotation/tilting Längsachsenrotation Horizontal-

ebene

ventro-dorsale/Y-Achse yaw/Gier lateral rotation/-bending laterale Biegung Sagittalebene latero-laterale/Z-Achse pitch/Nick sagittal rotation/-bending

Extension bzw. Flexion engl.: englisch, dt.: deutsch, WS: Wirbelsäule

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Einleitung und Stand der Forschung

1.5 Stand der Forschung – Literaturübersicht 1.5.1 Bewegungsmanipulationen an Tierkörpern

Untersuchungen zur maximalen Beweglichkeit der Wirbelsäule wurden mittels Kadavermanipulationen an herausgelösten Wirbelsäulen (Brust- und Lendenbereich; teils zusammenhängend) von Hunden und Pferden durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Messungen zeigten, dass die Gesamtbewegungen der Wirbelsäule innerhalb der drei Körperebenen unterschiedlich stark sind.

Generell nehmen Bewegungen in der Transversalebene im Bereich der Brustwirbelsäule, allerdings bei Präparaten ohne Rippen und Sternum, bei Hunden und Pferden von caudal nach cranial zu [Hund: (BUERGER u. LANG 1992; 1993); Pferd: (TOWNSEND et al. 1983; DENOIX 1999)]. Entlang der Transversalebene der Lendenwirbelsäule von Hunden konnten für die einzelnen Wirbelkörper maximale Bewegungen von 2° bis 5°

gemessen werden (BENNINGER et al. 2004). Im Bereich der Lendenwirbelsäule von Pferden waren die axialen Rotationsbewegungen limitiert und nicht mit den Rotations- bewegungen in der Horizontalebene gekoppelt (TOWNSEND et al. 1983).

Laterale Biegungen der Lendenwirbelsäule erreichten bei Hunden auf Höhe des Segmentes L4/L5 den größten Bewegungsumfang mit bis zu 19° (BENNINGER et al.

2004). Bei Pferden zeigte sich die maximale Biegung in der Horizontalebene in der Mitte der Brustwirbelsäule, zwischen Th9 und Th14 (TOWNSEND et al. 1983). Außerdem konnte bei Pferden im Bereich der Brustwirbelsäule (Th10) eine Kombination aus lateralen und axialen Rotationsbewegungen gemessen werden (FABER et al. 2001a).

Die Flexions- und Extensionsbewegungen der Wirbelsäule nahmen innerhalb der Sagittalebene bei Hunden von cranial nach caudal zu und erreichten den größten messbaren Bewegungsumfang im lumbosakralen Übergangsbereich (BENNINGER et al.

2004; 2006; HEDIGER et al. 2009). Bei Pferden konnte ebenfalls der größte Bewegungsumfang im lumbosakralen Übergang (S1/L7), (TOWNSEND et al. 1983;

DENOIX 1999), sowie im ersten Thorakalgelenk (C7/Th1) gemessen werden (TOWNSEND et al. 1983).

Diese in vitro Untersuchungen gaben Auskunft über den größtmöglichen, je nach dem ob nur noch die Bänder oder aber auch die Muskulatur an dem Präparat vorhanden waren, dreidimensionalen Bewegungsumfang der Brust- und Lendenwirbelsäule von Pferden

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Einleitung und Stand der Forschung

und Hunden, jedoch nicht über den physiologischen Bewegungsumfang, welcher zwischen den einzelnen Wirbeln während der Fortbewegung entsteht.

1.5.2 Implantation von Messmodulen

Durch die Implantation von „Messmodulen“ (z. B. „Steinmann Pins“ ausgestattet mit optisch reflektierenden Markerbällen) in die Dornfortsätze (Procc. spinosi) zweier benachbarter Wirbel konnten die während der Fortbewegung stattfindenden Wirbelbewegungen mittels Motion-Capturing aufgezeichnet werden. Jedoch ist auf Grund der hohen Invasivität des Verfahrens die Anwendung dieser Implantate auf einzelne Wirbelsegmente beschränkt. Bei Pferden wurden so die 3D-Bewegungen von acht Wirbelsegmenten auf Höhe der Brust- und Lendenwirbelsäule für die Gangarten Schritt, Trab und Galopp untersucht.

Die wichtigsten Ergebnisse der Bewegungsstudien an Pferden in Schritt und Trab der Arbeitsgruppen um Faber und Haussler (FABER et al. 2000; FABER et al. 2001a;

FABER et al. 2001b; HAUSSLER et al. 2001) sind:

1. Die Rotationsbewegungen in der Transversal- und Horizontalebene zeigen ein monophasisches Bewegungsmuster (Tab. 2).

2. Das Bewegungsmuster der Extensions- und Flexionsbewegungen in der Sagittalebene ist biphasisch (Tab. 2).

3. Der Bewegungsumfang entlang der Lendenwirbelsäule nimmt von cranial nach caudal zu.

4. Der geringste Bewegungsumfang für beide Gangarten liegt zwischen L1 bis L3.

5. Der größte Bewegungsumfang tritt auf Höhe des lumbosakralen Übergangsbereiches bzw. auf Höhe des Beckens auf.

Diese Untersuchungen an Pferden zeigten außerdem, dass sich die Richtungswechsel der einzelnen Rotationsbewegungen (Hoch- bzw. Tiefpunkte innerhalb der Bewegungskurve) während unterschiedlicher Gangarten mit den Auf- bzw.

Abfußzeitpunkten der Gliedmaßen innerhalb eines Schrittzyklus zusammenfallen (FABER et al. 2000; FABER et al. 2001a; FABER et al. 2001b; HAUSSLER et al. 2001).

(22)

Einleitung und Stand der Forschung

Tabelle 2: Phasenverlauf der Bewegungskurven der Rotationsbewegungen innerhalb der drei Bewegungsebenen und des zeitlichen Auftretens von Hoch- (Maxima) bzw. Tiefpunkten (Minima) innerhalb eines Schrittzyklus (0 – 100 %); nach Faber et al. 2000, 2001 a, b und Haussler et al. 2001

links: Übersicht der Bewegungsebenen und der jeweiligen Rotationsbwegung (violette Pfeilbögen) ; mittig:

Beispiel für den Verlauf der Bewegungskurven, ein Schrittzyklus (0 – 100 %); rechts: Bezeichnung des Phasenverlaufs der Bewegungskurven

Beim Hund wurden ebenfalls mit einer hochinvasiven in vivo Methode die 3D- Bewegungen untersucht, die während der Gangart Schritt und bei verschiedenen Bewegungsmanövern zwischen dem 2. und 3. Lendenwirbel auftreten (WOOD et al.

1992; SCHENDEL et al. 1995). Hierfür wurden „Steinman Pins“ in die Wirbelkörper

Bewegungsebenen Beispiele für Bewegungskurvenverlauf Phasenverlauf der Bewegungskurven monophasisch:

1 Hoch- bzw. Tiefpunkt (Maximum bzw. Minimum)

monophasisch:

1 Hoch- bzw. Tiefpunkt (Maximum bzw. Minimum)

biphasisch:

2 Hoch- bzw. Tiefpunkte (Maxima bzw. Minima)

Maximum

Minimum

0 25 50 75 100 % Schrittzyklus

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Einleitung und Stand der Forschung

implantiert und anschließend mit einem Messsystem (Elektrogoniometer) ausgestattet.

Die Bewegungen in der Transversalebene waren in beiden Studien gering und erreichten maximal Werte von 1,3° ± 0,2° (WOOD et al. 1992; SCHENDEL et al. 1995).

Die größten Bewegungen konnte in der Horizontalebene mit einem Bewegungsumfang von 4,3° ± 1,0° während der Gangart Schritt gemessen werden (SCHENDEL et al. 1995).

Während der Wendemanöver nach links und rechts konnten ebenfalls in dieser Ebene die größten Bewegungen von 3,2° (ROM: 0,3° bis 5,1°) gemessen werden (WOOD et al.

1992). Bewegungen in der Sagittalebene lagen während der Fortbewegung um die 1,8° ± 0,8° (SCHENDEL et al. 1995). Während des Wechsels vom Vierfußstand in den Hinterbeinstand konnten in dieser Ebene Bewegungen von bis zu 3,5 ± 2,8° gemessen werden (WOOD et al. 1992).

1.5.3 Instrumentierte Ganganalyse

Bei diesem Verfahren werden reflektierende optische Marker an tastbaren Knochen- punkten auf Gelenkhöhe an der Haut befestigt. Die Bewegungen dieser Marker werden mittels Infrarotkameras und spezieller Software aufgezeichnet und können anschließend ausgewertet werden (z. B. Simi Reality Motion Systems GmbH, Unterschleißheim, Deutschland; Vicon Motion Systems Ltd., Oxford, UK). Ein großer Vorteil dieses Verfahrens liegt in der ergänzenden Anwendung von z. B. Kraftmesssystemen und Oberflächen-Elektromyographie (O-EMG). Diese Kombinationsfähigkeit ermöglicht eine zeitgleiche Erfassung kinematischer, kinetischer und elektromyographischer Parameter während der Gangbildanalyse. Allerdings stellt die während der Fortbewegung stattfindende Hautverschiebung, welche besonders im Rückenbereich bei Hunden im Vergleich zum Pferd eine größere Beweglichkeit zulässt, eine nicht unerhebliche Fehlerquelle in diesem nicht-invasiven Verfahren dar (VAN DEN BOGERT et al. 1990;

VAN WEEREN et al. 1990a; b; KHUMSAP et al. 2004; SHA et al. 2004; FISCHER u.

LILJE 2011, S. 39 - 43; MIRANDA et al. 2013).

In der 2011 als Buch veröffentlichten Studie von Fischer und Lilje wurden unter Berücksichtigung der „Proportionsvielfalt“ an 32 Hunderassen detailliert die kinematischen Parameter der Gelenkbewegungen der Vorder- und Hintergliedmaßen

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Einleitung und Stand der Forschung

während der Gangarten Schritt, Trab und Galopp aufgezeichnet und analysiert. Die Ergebnisse dieser Studie zeigten, dass bei nahezu allen Rassen die Veränderung der Schrittlänge auf Grund der Verlängerung der Vorschwingphasendauer (exkl. Tibet Terrier) und durch die Verkürzung der Stemmphasendauer (exkl. Berner Sennenhund) erreicht wurde (FISCHER u. LILJE 2011, S. 130). Zu ähnlichen Ergebnissen an Schäferhunden (DSH, Malinois) und zwei kleineren Hunden (Rasse: unbekannt, Gewicht:

8 bis 10 kg) kamen auch frühere Studien (AFELT u. KASICKI 1975; UNKEL- MOHRMANN 1999; BOCKSTAHLER et al. 2007a). Des Weiteren war bei nahezu allen Rassen in allen Gangarten zwischen 65 % und 80 % der Schrittlänge der Vordergliedmaße auf die Bewegung der Scapula zurückzuführen.

Untersuchungen der kinetischen Parameter der Gliedmaßenbewegungen durch Messungen der Bodenreaktionskräfte an gesunden Hunden ähnlich proportionierter großer Hunderassen zeigten, dass das Körpergewicht während der Gangarten Schritt und Trab zu ca. 60 % auf die Vordergliedmaßen und zu ca. 40 % auf die Hintergliedmaßen verteilt wird (BUDSBERG et al. 1987; RUMPH et al. 1994; BERTRAM et al. 2000; MCLAUGHLIN 2001; LASCELLES et al. 2006; BOCKSTAHLER et al. 2007b;

FANCHON u. GRANDJEAN 2009; KATIC et al. 2009; MOLSA et al. 2010; VOSS et al.

2010). Lediglich für den Greyhound wurden während der Gangart Trab 10 % mehr Gewicht auf der Hinterhand gemessen (LEE et al. 1999; BERTRAM et al. 2000).

Jedoch wurden bisher an Hunden lediglich in zwei Arbeiten die kinematischen Parameter der Rückenbewegungen, die während der Fortbewegung stattfinden, mit dem Motion Capturing gemessen (GRADNER et al. 2007; LAYER 2012). In der Arbeit von Gradner und Mitarbeiter (GRADNER et al. 2007) wurden die Bewegungen entlang der Wirbelsäule über einzelne Wirbel hinweg gemittelt an gesunden Malinois im Schritt untersucht. Die Ergebnisse zeigten die stärkste Bewegung auf Höhe des lumbosakralen Übergangs (L3-L7-S3) in der Sagittalebene (4,5° ± 1,6°) und im Bereich T13-L3-L7 (12,9° ± 3,9°) in der Horizontalebene, sowie einen Unterschied im Bewegungsumfang zwischen Hunden mit und ohne röntgenologische Veränderung des lumbosakralen Übergangsbereiches. Layer untersuchte im Rahmen ihrer Dissertation (LAYER 2012) die Rückenbewegung auf Höhe einzelner Wirbel der Brust- und Lendenwirbelsäule während des Schrittes und Trabes bei gesunden Hunden der Rassen Teckel und Labrador. Die

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Einleitung und Stand der Forschung

Ergebnisse zeigten im Vergleich beider Rassen einen annähernd gleichen Bewegungsumfang der Markerbewegungen. Dennoch konnten auch Bewegungsunterschiede zwischen den Rassen und den beiden Gangarten festgestellt werden. Die Ergebnisse der Arbeit von Layer liefern Vergleichsdaten für die Bewegunsgverschiebung (mm) der einzelnen reflektierenden Marker auf Höhe einzelner Wirbel, jedoch keine Daten zu den Gelenksbewegungen. In der Studie von Gradner et al.

konnten Aussagen über die lateralen und sagittalen Rotationsbewegungen, jedoch nicht über die axialen Rotationsbewegungen der gesamten Wirbelsäule getroffen werden.

Beide Studien konnten zwar ansatzweise den Umfang der Bewegungen (Verschiebung in mm, Winkelmessung in °) und Bewegungsmuster liefern, jedoch nicht den genauen Ort an welchem die Bewegungen stattfinden, entschlüsseln. Die tatsächlichen Bewegungen einzelner Facettengelenke, des Sakrum und des Beckens können mit optischen Oberflächen-Markersystemen nicht erfasst werden.

1.5.4 Röntgenkinematographie

Ein weiteres in vivo Verfahren zur Bewegungsaufzeichnung stellt die Röntgenkinematographie dar. Hier werden die während der Lokomotion stattfindenden knöchernen Bewegungen mittels Röntgenvideographie aufgezeichnet. Anschließend können die in den Röntgenvideos festgehaltenen Bewegungen in spezieller Bewegungsanalysesoftware [z. B. Simi Reality Motion Systems GmbH, Unterschleißheim, Deutschland; XROMM (BRAINERD et al. 2010)] gemessen und kinematisch ausgewertet werden. Die Limitierungen dieser Methode liegen hierbei klar auf Seiten der Ausstattung der Röntgenanlage. Diese Anlagen sind meist Erweiterungen von handelsüblichen Röntgenanlagen. Die hierfür verwendeten Röntgengeneratoren und Bildverstärker können fest oder flexibel installiert und je nach Anzahl in einer Ebene (monoplanar) oder in zwei Ebenen (biplanar) Röntgenstrahlen erzeugen und empfangen.

Heutzutage werden als Bildverstärker meist digitale Flachbilddetektoren verwendet.

Durch die Installation von Hochgeschwindigkeitskameras können hoch aufgelöste Röntgenvideos mit Bildaufnahmeraten von 500 bis 2.000 Bilder/Sekunde (B/s) erzeugt werden. Allen Röntgenvideographieanlagen gemeinsam ist die Eingrenzung des zu

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Einleitung und Stand der Forschung

untersuchenden Bereiches auf den Durchmesser der Bildverstärkersysteme, welcher je nach Anlage 23 bis 42 cm in der Diagonale erreichen kann. Demnach können entweder die Bewegungen einzelner Strukturen größerer Säugetiere oder kleinere Säugetiere im Ganzen aufgezeichnet werden.

Mit der Anwendung der Röntgenkinematographie konnten bereits vor über 30 Jahren die während symmetrischer Gangarten stattfindenden Bewegungen des Beckens und Oberschenkels von carnivoren Säugetieren (JENKINS u. CAMAZINE 1977; VAN DE GRAAFF et al. 1982) im monoplanaren Verfahren untersucht werden. Diese Arbeiten zeigten einen Zusammenhang zwischen der Bewegung von Becken und Oberschenkel und dem Zeitpunkt des Auf- und Abfußens der Hintergliedmaßen auf. Mit dem Aufzeichnen der sagittalen Bewegungen von Wirbelsäule und Becken von verschiedenen kleinen Säugetieren während asymmetrischer Gangarten konnte eine entscheidende Zunahme der Schrittlänge durch das Zusammenspiel von Beckenbewegung und additiven Zwischenwirbelbewegungen nachgewiesen werden (FISCHER u. LEHMANN 1998; SCHILLING u. FISCHER 1999; SCHILLING u. HACKERT 2006).

1.5.5 XROMM/Scientific Rotoscoping

Ein neues in vivo Verfahren zur Aufzeichnung und Messung von Bewegungen ist die „X- ray Reconstruction of Moving Morphology“ [XROMM; (BRAINERD et al. 2010)]. Das XROMM Verfahren hat sich in den letzten vier Jahren in der Bewegungsforschung für die Aufzeichnung und Bewegungsmessung von verschiedenen Gelenkbewegungen etabliert.

Es ermöglicht eine 3D-Animation und gleichzeitige Messung der Bewegungen von knöchernen Strukturen, welche mittels CT-Scan rekonstruiert und mit biplanarer Hochgeschwindigkeits-Röntgenvideographie aufgezeichnet wurden. In dem ursprünglich markerbasierten invasiven Verfahren werden zur Identifizierung der Knochen und für die Messgenauigkeit der Bewegungen Tantal-Kügelchen (ᴓ ca. 0,5 mm) in die Knochen implantiert. Eine nicht-invasive Alternative in der XROMM Anwendung stellt das

„Scientific Rotoscoping“ dar (GATESY et al. 2010). Hier werden die rekonstruierten Knochenmodelle manuell an die in den Röntgenvideos aufgezeichneten Bewegungen der knöchernen Strukturen angepasst. Mit diesem Verfahren konnten erstmals detailliert

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Einleitung und Stand der Forschung

die 3D-Bewegungen der Lendenwirbelsäule, des Beckens und der Oberschenkel während der Fortbewegung von Faultieren aufgezeichnet und kinematisch analysiert werden (NYAKATURA u. FISCHER 2010).

Da nur die biplanare Hochgeschwindigkeits-Röntgenvideographie kombiniert mit

„Scientific Rotoscoping“ die Bewegungen der Lendenwirbelsäule und des Beckens während der Fortbewegung von Hunden detailliert ermitteln kann, war es die Methode der Wahl für die vorliegende Arbeit.

1.5.6 EMG Daten der epaxialen Rückenmuskulatur

Mittels Elektromyographie (EMG) wurden in einigen Studien die Aktivierungsmuster einzelner Rückenmuskeln während verschiedener Gangarten an Hunden untersucht (TOKURIKI 1973a; b; RITTER et al. 2001; SCHILLING u. CARRIER 2009; 2010;

FISCHER et al. 2013). So konnten Schilling und Carrier eine bilaterale Aktivierung der epaxialen Rückenmuskulatur und eine damit einhergehende unterschiedliche Mobilisierung und Stabilisierung des Rumpfes während der Fortbewegung in verschiedenen Gangarten feststellen.

Eine Funktion der epaxialen Rückenmuskulatur ist demnach die Mobilisierung des Rumpfes während der Fortbewegung. In Schritt und Trab kann z. B. mittels lateraler Biegungen des Rumpfes die horizontale Körperebene mobilisiert werden, während des Galopps mittels Extensions und Flexionsbewegungen des Rumpfes die sagittale Körperebene. Eine weitere Funktion dieser Rückenmuskulatur ist die dynamische Stabilisierung des Rumpfes, zum Beispiel gegen Torsionen in der Längsachse, welche durch die herrschenden Gravitationskräfte und Trägheitsmomente während der Fortbewegung verursacht werden. Die Rückenmuskeln müssen außerdem gegen die Kräfte und Momente arbeiten, welche während der Fortbewegung auf das Becken durch die vorwärts- und rückwärtsziehenden Gliedmaßenmuskeln übertragen werden. Im Trab sind dies vor allem die Kräfte der Pro- und Retraktormuskeln der Hintergliedmaßen, welche gegen Beginn bzw. Ende der Schwungphasen aktiv sind (SCHILLING u.

CARRIER 2009; 2010).

(28)

Einleitung und Stand der Forschung

Einen engen Zusammenhang zwischen der Bein- und Rückenbewegung konnte auch die Studie von Fischer und Kollegen aufzeigen, welche mittels O-EMG sowohl die Aktivierungsmuster einzelner Bein-, als auch einzelner Rückenmuskeln an Hunden mit induzierter Hinterbeinlahmheit untersuchte (FISCHER et al. 2013).

1.6 Erwartungen und Ziele der eigenen Studie

Ein Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, erstmals in vivo die 3D-Kinematik der Zwischenwirbelbewegungen der Lendenwirbelsäule und des Beckens detailliert zu beschreiben, welche während symmetrischer Gangarten beim Hund auftreten.

Die Prämisse dieser Arbeit ist, dass sich die Kräfte und Momente, die während der Fortbewegung an den Hintergliedmaßen auftreten, auf das Becken übertragen und die Bewegungen des Beckens und der Zwischenwirbelbewegungen der Lendenwirbelsäule eine Folge dieser Beinbewegung sind. Auf Grund dessen und auf Grund der Ergebnisse vorangegangener Studien ergeben sich für die Bewegungen der untersuchten Strukturen folgende Annahmen:

1. Die Hoch- bzw. Tiefpunkte der Bewegungskurven des Beckens sind mit den Auf- und Abfußzeitpunkten und den Mitten der Stemm- und Schwungphasen der Hintergliedmaßen assoziiert (JENKINS u. CAMAZINE 1977; VAN DE GRAAFF et al.

1982; FABER et al. 2000; FABER et al. 2001b; HAUSSLER et al. 2001;

WENNERSTRAND 2008; NYAKATURA u. FISCHER 2010).

2. In der Transversalebene führen Rotationen um die Längsachse innerhalb eines Schrittzyklus zu einer monophasischen Bewegungskurve mit einem Maximum bzw.

Minimum, welches mit dem Auf- oder Abfußzeitpunkt der entsprechenden Hinter- gliedmaße assoziiert sind (FABER et al. 2000; FABER et al. 2001b; HAUSSLER et al. 2001; NYAKATURA u. FISCHER 2010).

3. In der Horizontalebene führen Rotationsbewegungen innerhalb eines Schrittzyklus zu einem Maximum bzw. Minimum in einer monophasischen Bewegungskurve, welche mit dem Auf- oder Abfußzeitpunkt der entsprechenden Hintergliedmaße assoziiert sind (FABER et al. 2000; FABER et al. 2001b; HAUSSLER et al. 2001; GRADNER et al. 2007; NYAKATURA u. FISCHER 2010).

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Einleitung und Stand der Forschung

4. In der Sagittalebene führen Rotationsbewegungen innerhalb eines Schrittzyklus zu einer biphasischen Bewegungskurve mit zwei Maxima bzw. Minima, deren Auftreten mit den Auf- und Abfußzeitpunkten und den Mitten der Stemm- bzw.

Schwungphasen der Hintergliedmaßen assoziiert sind (FABER et al. 2000; FABER et al. 2001b; HAUSSLER et al. 2001; RITTER et al. 2001; GRADNER et al. 2007;

WENNERSTRAND 2008; NYAKATURA u. FISCHER 2010).

5. Der Bewegungsumfang der Zwischenwirbelgelenke nimmt von cranial nach caudal zu und ist am größten in der Sagittalebene und in den letzten präsakralen Gelenken (BUERGER u. LANG 1992; 1993; BENNINGER et al. 2004; 2006).

6. Die einzelnen Zwischenwirbelbewegungen resultieren in der Horizontalebene in einer lateralen Biegung, in der Sagittalebene in Extensions- und Flexionsbewegungen und entlang der caudo-cranialen Körperachse in einer Torsion der Lendenwirbelsäule (FABER et al. 2000; FABER et al. 2001b; HAUSSLER et al. 2001;

WENNERSTRAND 2008).

7. Das Maximum der lateralen Biegung der Lendenwirbelsäule zeigt sich in Form einer

„stehenden Welle“ auf Höhe der Mitte des Rumpfes im Trab und „wandert“ entlang des Rumpfes von cranial nach caudal während der Gangart Schritt (SCHILLING u.

CARRIER 2009; 2010).

8. Die additiven Zwischenwirbelbewegungen resultieren in der Bewegung des Beckens (FISCHER u. LEHMANN 1998; SCHILLING u. FISCHER 1999; SCHILLING u.

HACKERT 2006; NYAKATURA u. FISCHER 2010).

Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen einem besseren Verständnis der Fortbewegung von Säugetieren im Allgemeinen und des Hundes im Speziellen in Bezug auf die Becken- und Facettengelenkbewegungen während symmetrischer Gangarten dienen. Kenntnisse über physiologische Bewegungsmuster sind insbesondere für den tiermedizinischen Bereich unerlässlich, werden doch in der Kleintierpraxis z. B. in der orthopädischen Sprechstunde zahlreiche Hunde mit Bewegungsstörungen und Schmerzen im Rückenbereich vorgestellt (GRADNER et al. 2007; NIEMAND et al. 2012).

Die diskutierten Ursachen solcher Funktionsstörungen sind breit gefächert und können z. B. einen traumatischen (BALI et al. 2009), neurologischen (BESALTI et al. 2005;

BERGKNUT et al. 2013) oder auch neuromuskulären (MARSH et al. 2010) Ursprung

(30)

Einleitung und Stand der Forschung

haben. Auch zeigen bestimmte Rassen Prädispositionen für degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates. Hier sei die bei chondrodystrophen Hunderassen (z. B. Teckel, Mops, Pekinese) häufig auftretende Veränderung des Bandscheibenapparates, der Diskusprolaps vom Hansen-Typ 1 genannt (HANSEN 1951;

ROHDIN et al. 2010; KRANENBURG et al. 2013; SMOLDERS et al. 2013).

Insbesondere beim Teckel (FCI; auch Dachshund oder Dackel als Bezeichnung geläufig) treten Bandscheibenvorfälle häufig auf. Daher wird diese Erkrankung umgangssprachlich auch als „Teckellähme" bezeichnet. Die möglichen Ursachen der Häufigkeit dieser degenerativen Bandscheibenerkrankung sind noch nicht vollständig erforscht. Sowohl die besonderen morphologischen Aspekte des unproportionierten Körperbaus dieser Hunderasse, welcher durch im Verhältnis kurzer Gliedmaßen zu langem Rücken entsteht und den damit einhergehenden höheren biomechanischen Belastungen im thorakolumbalen Wirbelsäulenabschnitt, als auch die Chondrodystrophie und weitere genetisch bedingte Faktoren (familiäre Häufigkeiten innerhalb der Zuchtlinien) werden als mögliche Ursachen diskutiert (JENSEN u. CHRISTENSEN 2000; JENSEN u. ERSBOLL 2000; LAPPALAINEN et al. 2001; LEVINE et al. 2006; MOGENSEN et al. 2011).

Für die Diagnostik solcher Dysfunktionen ist ein klinischer Untersuchungsgang, welcher eine orthopädische und neurologische Untersuchung sowie eine Gangbildanalyse beinhaltet, unerlässlich. Allerdings werden diese Untersuchungen stark von den Erfahrungen und dem subjektiven Eindruck des Untersuchers beeinflusst und demnach gestaltet sich die Diagnosefindung häufig schwierig. Referenzdaten von den Bewegungsmustern rückengesunder Hunde sollen der Definiton eines „physiolgischen Bewegungsmusters“ der Lendenwirbelsäule und des Beckens dienen.

Die Kombination aus den neu gewonnenen Kenntnissen dieser Arbeit mit dem vorhandenen Wissen zu Gliedmaßenbewegungen soll zu einer ganzheitlichen Betrachtung der Bewegungen von Gliedmaßen und Rücken führen und kann damit unterstützend zur Beurteilung der Bewegungen eines Patienten in der diagnostischen Ganganalyse herangezogen werden. Damit können die Ergebnisse dieser Arbeit in der tierärztlichen Tätigkeit helfen, die Therapie und Rehabilitation von Patienten mit Dysfunktionen im Bewegungsapparat zu verbessern.

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Untersuchungsgut, Material und Methoden

2 Untersuchungsgut, Material und Methoden 2.1 Hunde

Die Hunde hatten zum Zeitpunkt der Untersuchung ein Körpergewicht von 14 ± 2 kg (!!± SD) und waren drei Jahre alt (Tab. 3.). Sie stammten aus der Beaglegruppe der Klinik für Kleintiere, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Hier wurden die Beagle im Ganganalyselabor an das Laufen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf einem horizontalen Laufband trainiert. Für die Aufzeichnung von biplanaren Röntgenvideos wurden sie in das Bewegungslabor des Institutes für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie mit Phyletischem Museum der Friedrich-Schiller-Universität Jena gebracht. Vor Beginn der Bewegungsaufzeichnungen wurden die Hunde orthopädisch und neurologisch untersucht und mittels Standard-Röntgenaufnahmen (l/l und v/d Strahlengang) der Wirbelsäule und des Beckens als klinisch gesund eingestuft.

Tabelle 3: Geschlecht, Alter, Gewicht und Körpergröße der untersuchten Hunde

Hund Rasse Geschlecht Alter

(Jahre)

Gewicht (kg)

Höhe Widerrist (cm)

Höhe Kruppe (cm)

#1 Beagle männlich 3 16 39 39

#2 Beagle weiblich 3 13 38 39

#3 Beagle weiblich 3 15 39 39

Diese Studie wurde von den Ethikkommissionen der Bundesländer Niedersachsen (LAVES, Reg.-Nr.: 10A078) und Thüringen (Reg.-No.: 02-136/10) geprüft und genehmigt.

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Untersuchungsgut, Material und Methoden

2.2 X-ray Reconstruction of Moving Morphology - XROMM

Innerhalb der XROMM Anwendung (BRAINERD et al. 2010) stellt das Scientific Rotoscoping (GATESY et al. 2010) ein nicht-invasives Verfahren zur 3D- Bewegungsmessung dar. In der vorliegenden Arbeit wurde das Scientific Rotoscoping nach den Empfehlungen und Anleitungen der XROMM Gruppe (htttp://www.xromm.org, Brown University, Rhode Island, USA) erarbeitet und im 3D-Animationsprogramm Maya (Autodesk Maya 2012, San Rafael, CA, USA) angefertigt.

Die Anwendung des XROMM Verfahrens ist sehr komplex und erfordert zusätzlich eine hoche technische Ausstattung (Tab. 4). Die in der tabellarischen Übersicht dargestellten Arbeitsschritte werden im folgenden Text ausführlich beschrieben.

Tabelle 4 Arbeitsschritte innerhalb der XROMM Anwendung und deren technische Anforderungen Arbeitschritte in der Anwendung der XROMM

Methode

erforderliche technische Ausstattung

1. digitale biplanare Hochgeschwindigkeits-Röntgenvideographie a Aufzeichnung von sich in Bewegung (Schritt,

Trab) befindenden knöchernen Strukturen (Lendenwirbelsäule und Becken)

digitale biplanare Hochgeschwindigkeits- Röntgenvideographieanlage (Neurostar, Siemens AG; Visario Speedcam, Weinberger GmbH)

b digitale Bildbearbeitung, Entzerrung und Kalibrierung der Röntgenvideos

Bildbearbeitungssoftware (VisArt, High-Speed- Vision GmbH; Adobe After Effects)

Entzerrungsmatrize und Software (Xray- project, XROMM; Matlab, TheMathWorks) 2. synchrone Standardlicht-Hochgeschwindigkeitsvideographie

a Aufzeichnung der Auf- und Abfußzeitpunkte der Vorder- und Hintergliedmaßen deren

Aufzeichnung synchron zur biplanaren Röntgenvideographie erfolgt

zwei Standardlicht-Hochgeschwindigkeits- kameras (Visario SpeedCam Mini Vis, High- Speed-Vision GmbH)

b Erstellung der individuellen Fussfallmuster und Berechnung der Duty Faktoren

Tabellenkalkulation und Berechnungssoftware (Excel, Office Microsoft Corporation; Matlab, TheMathWorks)

3. Rekonstruktion von 3D-Knochenmodellen a Ganzkörper CT-Scans von den zu

untersuchenden knöchernen Strukturen erstellen

64-Slice Brilliance CT-Scanner, Philips Medical Systems

(33)

Untersuchungsgut, Material und Methoden

b 3D-Polygon-Knochenmodelle werden aus den CT-Schnittbildern rekonstruiert, deren

Oberflächen moduliert und als animierbare 3D- Knochenmodelle im .obj Dateiformat gespeichert

3D-Bildbearbeitungssoftware (Amira 5.2.2, Visage Imaging; Imaris 7.4, Bitplane Scientific Software;Software Transform2)

4. Szene 1 – bewegliche Knochenmarionette a importieren der 3D-Knochenmodelle in das 3D-

Animationsprogramm

3D-Animationsprogramm Maya (Autodesk Maya 2012)

b definieren des Bewegungsdrehpunktes bzw. des virtuellen Rotationszentrums (VRZ)

c bewegliche 3D-Knochenmarionette erstellen – die 3D-Knochenmodelle wurden über „virtual joints“

auf Höhe des VRZ in einer hierarchischen Gelenkkette miteinander verbunden 5. Szene 2 – Scientific Rotoscoping

a Bewegungsanimation – die 3D-Knochenmarionette wurde schrittweise an die sichtbaren Bewegungen der knöchernen Strukturen in den Röntgenvideos angepasst

b Bewegungsmessung – an die einzelnen VRZ werden anatomische Koordinatensysteme (AKS) zur 3D-kinematischen Messung positioniert

6. Datenverarbeitung

Datenanalyse, Statstik, Fehlerberechnung Berechnungs- und Statistik-Software Excel, Office Microsoft Corporation; Matlab,

TheMathWorks; SPSS 22.0, IBM Corporation Tabellarische Übersicht der für die XROMM Anwendung benötigten technischen Ausstattung, sowie der durchgeführten Arbeitsschritte (nähere Erläuterungen im Text und über htttp://www.xromm.org, Brown University, Rhode Island, USA).

2.2.1 Digitale biplanare Hochgeschwindigkeits-Röntgenvideographie

Am Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie mit Phyletischem Museum der Friedrich-Schiller-Universität Jena befindet sich im Bewegungslabor eine biplanare digitale Hochgeschwindigkeits-Röntgenvideographieanlage (Neurostar Siemens AG, München), (Abb. 6). Zwei Bildverstärkersysteme (∅ 40 cm), die ursprünglich in der Angiographie Anwendung finden, sind jeweils mit einer Hochgeschwindigkeitskamera (Visario Speedcam, Weinberger GmbH, Nürnberg) ausgestattet (Auflösung: 1536 x 1024 Pixel; bis zu 2.000 B/s).

(34)

Untersuchungsgut, Material und Methoden

Abbildung 6: Versuchsaufbau

Biplanare digitale Hochgeschwindigkeits-Röntgenvideographieanlage (Neurostar Siemens AG, München) im Bewegungslabor des Institutes für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie mit Phyletischem Museum der Friedrich-Schiller-Universität Jena

In dieser Studie wurden die Bildverstärker im 90° Winkel zueinander positioniert und mit 500 B/s die Bewegungen im ventro-dorsalen (v/d) und latero-lateralen (l/l) Strahlengang aufgezeichnet (Abb. 7).

Hierfür wurden für die Röhrenspannung 90 kV und den Röhrenstrom 70 mA eingestellt.

Da durch die Bewegung der Hunde während der Aufnahmen eine Unschärfe in den Röntgenvideos entsteht, wurde zusätzlich ein Shutter mit 500 µs verwendet, um diese

„Bewegungsunschärfe“ zu reduzieren.

A 1,2 Röntgenröhren

B 1,2 Röntgenbildverstärker mit integrierten Hoch-

geschwindigkeitskameras C Höhenverstellbares Laufband D Röntgenstrahlenschutzglas

(35)

Untersuchungsgut, Material und Methoden

Abbildung 7: Aufzeichnungssequenz der Hochgeschwindigkeits-Röntgenvideographie der Lendenwirbelsäule und des Beckens

Hund #1; Schritt; Auflösung: 500 B/s; A: ventro-dorsaler Strahlengang, B: latero-lateraler Strahlengang

2.2.2 Bearbeitung und Kalibrierung der Röntgenvideos

Für die Kalibrierung der Röntgenkameras und die Bearbeitung der aufgezeichneten Röntgenvideos wurde mit den Arbeitsroutinen (X-rayProject) der XROMM Gruppe (http://www.xromm.org) und der Software Matlab (TheMathWorks, Matlab R2010b, Matick, MA, USA) gearbeitet. Jedes Röntgenvideo wurde nach der Aufzeichnung in Visart 2.x (High Speed Vision GmbH, Ettlingen, Germany) vertikal gespiegelt, auf das entsprechende Längenformat (min. 5 Schritte) gekürzt und vom Rohdatenformat in das .avi Datei Format umgewandelt. Eine weitere Bildbearbeitung erfolgte nach dem

„Entzerrungsprozess“ in Adobe After Effects (Adobe Creative Suite 5, Adobe Systems GmbH, Munich, Germany). Hier wurden die .avi Formate in ihrer Größe auf das Format 1240 x 1240 Pixel angepasst. Da es bei der Nutzung von Röntgenbildverstärkern automatisch zu einer sattelförmigen Verzerrung der Bildaufnahmen kommt (Kisseneffekt), wurde jedes Röntgenvideo digital entzerrt. Hierfür wurden Standaufnahmen eines quadratischen Metallgitters, welches auf dem jeweiligen Bildverstärker fixiert wurde, mit den Versuchseinstellungen angefertigt. Dies diente als Matrizenvorlage für die „Entzerrungsanwendung“ in Matlab (X-rayProject). Die entzerrten

(36)

Untersuchungsgut, Material und Methoden

Röntgenfilme wurden anschließend als .tiff Bildstapel zur weiteren Verwendung gesichert.

Für die Kalibrierung der Röntgenkameras wurden nach jedem Versuch Standbilder eines rechteckigen Acrylkörpers (20 x 12 x 12 cm) aufgezeichnet. In diesem Kalibrierkörper befinden sich, im Abstand von je 1 cm, kleine Metallkugeln in den langen Seitenwänden.

Mit Hilfe einer Transformationsdatei (XrayProject) wurde in Matlab jede dieser Kugeln auf den v/d oder l/l Röntgenprojektionen identifiziert und als Kalibrierungsvorlage für die weitere Nutzung gesichert.

2.2.3 Standardlicht-Hochgeschwindigkeitsvideographie

Zusätzlich zu den Röntgenaufnahmen zeichneten, ebenfalls synchron, zwei Standardlicht-Hochgeschwindigkeitskameras (Visario SpeedCam MiniVis, High Speed Vision GmbH, Ettlingen, Germany) mit 500 B/s die Auf- und Abfußzeitpunkte der Gliedmaßen aus der Front- und Rückperspektive auf (Abb. 8). Außerdem konnten durch die Videoaufzeichnung dieser „Live-Situation“ auch die Bewegungen festgehalten werden, welche die Rückenbewegung beeinflussen könnten, wie z. B. extremes Bewegen der Rute oder Kopfschütteln während der Fortbewegung.

Abbildung 8: Übersichtsaufnahme der Standardlicht-Hochgeschwindigkeitsvideographie Hund #2; Schritt; Auflösung: 500 B/s; A: Frontansicht, B: Rückansicht

(37)

Untersuchungsgut, Material und Methoden

2.2.4 Gangarten und Duty-Faktoren

In einer Excel Tabelle wurde für jeden Hund und jede Gangart die Auf- und Abfußzeitpunkte der vier Gliedmaßen aus den Videoaufzeichnungen der „Live-Situation“

dokumentiert und anschließend der Duty-Faktor, sowie die Mitte der Stemm- und Schwungphase der Gliedmaßen für beide Gangarten (Anzahl Schritte n = 6 Schritt, n = 5 Trab), (Tab. 5) ermittelt. Die Hunde bewegten sich in der Gangart Schritt mit lateraler Sequenz, einem Duty-Faktor von 0,6 ± 0,02 (!!± SD) und einer Geschwindigkeit von 1,0 ± 0,2 m/s fort. In der Gangart Trab bewegten sie sich mit diagonaler Sequenz, einer Geschwindigkeit von 1,5 ± 0,3 m/s sowie einem Duty-Faktor von 0,5 ± 0,02 (! ± SD) fort (Tab. 5).

Tabelle 5: Duty-Faktoren der untersuchten Hunde – prozentualer Anteil der Stemmphasendauer einer Gliedmaße innerhalb eines Schrittzyklus

Schritt Trab

Phase Hund

#1

Hund

#2

Hund

#3 ! ± SD Hund

#1

Hund

#2

Hund

#3 ! ± SD

RH Stemm 0,6 0,6 0,6 0,6 ± 0,01 0,5 0,5 0,5 0,5 ± 0,02

LH Stemm 0,6 0,6 0,6 0,5 0,5 0,5

RH Schwung 0,3 0,4 0,4 0,4 ± 0,02 0,5 0,5 0,5 0,5 ± 0,02

LH Schwung 0,3 0,4 0,4 0,5 0,5 0,5

RV Stemm 0,6 0,6 0,6 0,6 ± 0,01 0,5 0,5 0,5 0,5 ± 0,01

LV Stemm 0,6 0,6 0,6 0,5 0,5 0,5

RV Schwung 0,4 0,4 0,4 0,4 ± 0,01 0,5 0,5 0,5 0,5 ± 0,01

LV Schwung 0,4 0,4 0,4 0,5 0,5 0,5

RH/LH: rechte/linke Hintergliedmaße, RV/LV: rechte/linke Vordergliedmaße; !: arithmetisches Mittel, SD:

Standardabweichung, Duty-Faktor Werte gerundet auf eine Dezimalstelle, Duty-Faktor Werte der Hunde ergeben sich aus der Berechnung des !!von n = 6 Schritten (Schritt) und n = 5 Schritten (Trab)

Referenzen

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