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4.1 Techniken und Limitierungen

Die Limitierungen dieser Studie liegen in dem hohen technischen und zeitlichen Aufwand, der zur Bewegungsaufzeichnung und anschließenden Bewegungsanimation und Auswertung der gewonnenen Daten benötigt wird. Zum anderen müssen in den VRZ Bewegungen von mindestens 1,5° stattfinden, damit sie mit dem nicht-invasiven Verfahren „Scientific Rotoscoping“ gemessen werden können.

Ein Vergleich der Ergebnisse der hier vorliegenden in vivo Studie mit vorangegangenen in vitro Studien ist wiederum durch die Tatsache limitiert, dass bei in vitro Experimenten wichtige, die Fortbewegung beeinflussende Strukturen wie Haut, Sehnen, Bänder und

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Muskulatur zum Teil oder sogar vollständig entfernt wurden. Daher können in vitro Studien die Bewegungen, welche in lebenden Individuen während der Lokomotion stattfinden, nur ansatzweise erfassen. Diese Studien konnten jedoch Aufschluss über die maximal mögliche Beweglichkeit einzelner Gelenke oder auch zusammenhängender Bereiche, wie der Lendenwirbelsäule geben (BUERGER u. LANG 1992; 1993;

BENNINGER et al. 2004).

In vivo Daten, mit welchen sich die in dieser Studie ermittelten Daten vergleichen lassen, sind rar. So gibt es bisher lediglich zwei Studien, welche an Hunden den 3D-Bewegungsumfang während der Fortbewegung im Schritt, welche mittels hoch-invasiver Messmodulimplantation in die Procc. spinosi zweier Wirbel (L3/L2) und somit nur auf Höhe eines einzelnen Wirbelgelenkes, ermitteln konnten (WOOD et al. 1992;

SCHENDEL et al. 1995).

Die Ergebnisse dieser Studie können auch nur zum Teil mit den Daten der Bewegungsmessung verglichen und interpretiert werden, welche an Hunden während des Schritts und des Trabes im Motion-Capturing-Verfahren mittels Hautmarker erfasst wurden. In diesen Studien wurden nur die lateralen und sagittalen Rotationsbewegungen ermittelt. Die Bewegungen wurden über Marker auf der Haut und nur auf Höhe einzelner Procc. spinosi gemessen und konnten somit keine direkten Messungen des tatsächlichen Bewegungsumfanges innerhalb eines Wirbelgelenkes wiedergeben (GRADNER et al.

2007; LAYER 2012).

Auf Grund der geringen Anzahl von vergleichbaren Studien an Hunden wurden die Ergebnisse zusätzlich mit Messdaten verglichen, welche während Schritt und Trab mittels Bewegungsanalyse durch Implantation von Knochenmarkern und durch Befestigung von Hautmarkern bei Pferden aufgezeichnet wurden (AUDIGIE et al. 1999;

FABER et al. 2000; FABER et al. 2001a; HAUSSLER et al. 2001; LICKA et al. 2001;

WENNERSTRAND 2008, S. 75, 77). Jedoch lassen auch diese Daten nur einen ansatzweisen Vergleich zu, da die Bewegungen zum Teil über mehrere Wirbelgelenke gemittelt erfasst wurden.

In einer Studie am Zweifinger-Faultier (Choloepus didactylus, Xenarthra) wurden detailliert die Bewegungen der präsakralen Gelenke der Lendenwirbelsäule und des Beckens untersucht (NYAKATURA u. FISCHER 2010). Die Morphologie des

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Bewegungsapparates der Faultiere ist hochgradig modifiziert und an deren außergewöhnliche Fortbewegung angepasst. Der Vergleich und die Interpretation der in dieser Studie gewonnen Daten von dem cursorialen Säugetier Hund, welches mit seinem Bewegungsapparat an eine ausdauernde und in unterschiedlichen Geschwindigkeiten stattfindende Fortbewegung angepasst ist, mit den Bewegungsdaten vom Faultier erscheint zwar schwierig, jedoch lassen übereinstimmende Ergebnisse gerade von funktionell und phylogenetisch weit entfernten Säugetieren auf ein mögliches generelles Bewegungsmuster von Säugetieren schließen.

Knöcherne Bewegungen werden durch Muskelbewegungen moduliert. Diese Tatsache erlaubt es, in die Diskussion der vorliegenden Arbeit auch solche Daten kritisch einzubeziehen, die während der Fortbewegung in verschiedenen Gangarten an Hunden für einzelne Rücken- und Gliedmaßenmuskeln mittels EMG und O-EMG gewonnen wurden (BOCKSTAHLER et al. 2009; SCHILLING u. CARRIER 2009; SCHILLING et al.

2009; SCHILLING u. CARRIER 2010; DEBAN et al. 2012; FISCHER et al. 2013; FUCHS 2014).

4.2 3D-Bewegungen von Becken und Lendenwirbelsäule

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit bestätigen, dass die Bewegungen des Beckens während der Fortbewegung in symmetrischen Gangarten maßgeblich von den Bewegungen der Hintergliedmaßen bestimmt werden. So können die Zeitpunkte des Auftretens von Hoch- bzw. Tiefpunkten der Bewegungskurven innerhalb der drei Bewegungsebenen mit den Auf- und Abfußzeitpunkten und den Mitten der Stemm- und Schwungphasen der Hintergliedmaßen in Zusammenhang gebracht werden. Diese Ergebnisse stimmen größtenteils mit den Beobachtungen überein, welche zu Becken- und Wirbelgelenksbewegungen an anderen quadrupeden Säugetieren durchgeführt wurden (JENKINS u. CAMAZINE 1977; VAN DE GRAAFF et al. 1982; FABER et al.

2000; FABER et al. 2001a; HAUSSLER et al. 2001; WENNERSTRAND 2008;

NYAKATURA u. FISCHER 2010).

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3D-Bewegungen in der Transversalebene

Die Bewegungsmuster, die innerhalb der Transversalebene für die VRZ L2/L1-S1/L7 der Lendenwirbelsäule und das VRZ Pelvis aufgezeichnet wurden, zeigen ein monophasisches Bewegungsmuster, welches mit den Bewegungen der Hintergliedmaßen assoziiert ist. Die maximale Auslenkung des Beckens erfolgte zum (Trab) oder kurz vor (Schritt) dem Auffußzeitpunkt der ipsilateralen Hintergliedmaße. Das Becken rotiert um die caudo-craniale Körperachse in der Weise, dass die Hüftgelenke maximal in Richtung des Bodens rotiert werden, also zu der Körperseite, deren Hintergliedmaße die Stemmphase beginnt.

Die axialen Rotationsbewegungen des VRZ Pelvis weisen mit einem Bewegungsumfang von 12,6° ± 1,3° (Schritt) bzw. 10,9° ± 0,8° (Trab) den größten Bewegungsumfang innerhalb der drei Rotationsachsen auf. Ähnliche Messwerte wurden auch bei Pferden mit Bewegungen von bis zu 13° (Schritt) und bis zu 7° (Trab) gemessen (FABER et al.

2000; FABER et al. 2001a; WENNERSTRAND 2008, S. 64). Beim Faultier wurde für die axiale Rotation des Beckens sogar ein Bewegungsumfang von bis zu 27° beobachtet (NYAKATURA u. FISCHER 2010).

Entlang der Lendenwirbelsäule konnten für beide Gangarten lediglich in den letzten beiden präsakralen VRZ S1/L7 und L7/L6 axiale Rotationbewegungen von 2,0° bis 4,9°

gemessen werden. Die Bewegungskurven dieser VRZ zeigten ein der Beckenbewegung gegenläufiges Bewegungsmuster, was die Annahme stützt, dass auf die Bandscheiben in diesem Bereich Scherkräfte wirken und dass während symmetrischer Gangarten entlang der caudo-cranialen Körperachse eine gegenläufige Torsion zwischen dem thorakalen und lumbalen Bereich der Wirbelsäule bzw. zwischen Becken- und Schultergürtel auftritt.

In den weiter cranial liegenden VRZ wurden nur geringgradige Bewegungen bis 2,2° und kaum reproduzierbare Bewegungsmuster beobachtet. Dies verstärkt die Annahme, dass die Bewegungen der Hintergliedmaßen zu einer Rotation des Beckens um die Körperlängsachse führen und die Lendenwirbelsäule gegen eine Torsion in der Transversalebene stabilisiert wird. Für diese Stabilisierung ist eine zeitnahe Aktivierung der epaxialen Rückenmuskulatur auf der kontralateralen Seite zum Auffußzeitpunkt der ipsilateralen Hintergliedmaße zu erwarten. Im Schritt und Trab konnte für diesen

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Zeitpunkt eine Aktivität im M. multifidus lumborum und im M. longissimus thoracis et lumborum gemessen werden (SCHILLING u. CARRIER 2010).

Die Aktivierung ausgewählter Protraktor- und Retraktormuskeln der Hintergliedmaße zeigen ebenfalls Übereinstimmungen mit den in dieser Studie beobachteten maximalen Auslenkungen des Beckens in der Transversalebene. So kann die maximale Auslenkung des Beckens noch vor dem Abfußen der Gliedmaße mit der beginnenden Aktivierung der Protraktoren erklärt werden (DEBAN et al. 2012).

Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen daher die Annahme, dass die epaxialen Rückenmuskeln den Rumpf in der Transversalebene gegen die Bewegungen des Beckens, welche von der Aktivität der extrinsischen Hinterbeinmuskulatur während symmetrischer Gangarten initiiert werden, und gegen eine Torsion in der Längsachse stabilisieren (SCHILLING u. CARRIER 2009; 2010).

3D-Bewegungen in der Horizontalebene

Die maximalen Auslenkungen des Beckens und der VRZ der Lendenwirbelsäule in der Horizontalebene zeigen während beider Gangarten ein monophasisches Bewegungsmuster, dessen maximale Auslenkungen mit den Auf- und Abfußzeitpunkten der Hintergliedmaßen assoziiert sind. Das Becken rotiert um die ventro-dorsale Körperachse in der Weise, dass das Hüftgelenk der auffußenden Gliedmaße nach cranial gerichtet ist, während das Hüftgelenk der abfußenden Gliedmaße nach caudal gerichtet ist.

Die lateralen Rotationsbewegungen des Beckens stellen mit einem Bewegungsumfang von 4,6° ± 1,1° (Schritt) und 5,8° ± 0,9° (Trab) die Bewegungen mit dem geringsten Bewegungsumfang dar. Ähnliche Messwerte wurden auch bei Pferden mit Bewegungen von bis zu 6° (Schritt) und bis zu 4° (Trab) gemessen (FABER et al. 2000; FABER et al.

2001a). Beim Faultier wurde für die laterale Rotationsbewegung des Beckens dagegen ein Bewegungsumfang von bis zu 28° beobachtet (NYAKATURA u. FISCHER 2010).

Die drei Hunde zeigten für die Rotationsbewegungen in der Horizontalebene die größten individuellen Unterschiede. Ähnlichkeiten bestanden im Bewegungsumfang von Becken und additiven Zwischenwirbelbewegungen. War der Bewegungsumfang des VRZ Pelvis gering, zeigten sich auch nur geringe Bewegungen in den VRZ L2/L1-S1/L7 (z. B. Hund

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#3, Abb.16). Das Bewegungsmuster des VRZ Pelvis übertrug sich im Schritt weiter nach cranial als im Trab, hier zeigte sich der größte Bewegungsumfang lediglich im VRZ L7/L6.

Die laterale Biegung der Wirbelsäule während des Schritts wird in der Literatur auch als

„wandernde Welle“ beschrieben (KAFKAFI u. GOLANI 1998), d. h. das Aktivierungs-muster der Rückenmuskulatur verläuft als eine Art Welle von cranial nach caudal entlang des Rumpfes (LICKA et al. 2009; SCHILLING u. CARRIER 2009; 2010).

Da die Hinterbeine während der Fortbewegung als Hebel und die Vorderbeine als Stütze agieren und sich während des Schritts phasenweise drei der vier Gliedmaßen in Boden-kontakt befinden („Dreibeinstütz“), sollte sich ein ähnliches Bewegungsmuster entlang der einzelnen VRZ der Lendenwirbelsäule zeigen. Die Maxima bzw. Minima innerhalb der Bewegungskurven sollten im Zusammenhang mit dem Wechsel des Bodenkontaktes der Gliedmaßen auftreten, jedoch mit einem zeitlichen Versatz von cranial nach caudal betrachtet. Dieses als „cranio-caudal shift“ bezeichnetes Bewegungsmuster wurde unter anderem im Aktivierungsmuster der Rückenmuskulatur entlang des Rumpfes bei Pferden (LICKA et al. 2009) und Hunden (SCHILLING u. CARRIER 2009; 2010) aufgezeichnet und konnte auch während der 2D-kinematischen Messungen beobachtet werden (GRADNER et al. 2007; LAYER 2012).

In diesen Studien wurde der „cranio-caudale shift“ jedoch in der thorakalen Region beobachtet und zeigte sich entweder in einer von cranial nach caudal verlaufenden Aktivierung der Muskulatur entlang des Rumpfes im EMG, bzw. in einem zeitlichen Versatz der maximalen Auslenkungen der Gelenksbewegungen von cranial nach caudal.

In der vorliegenden Studie wurden in den cranialen VRZ (L4/L3-L2/L1) der LWS nur sehr geringe Bewegungen gemessen und nur in den letzten präsakralen Gelenken (S1/L7-L6/L5) reproduzierbare Bewegungsmuster beobachtet. Tendenziell traten hier die Maxima bzw. Minima innerhalb dieser Bewegungskurven während des Schritts, anders als im Trab, auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Schrittzyklus auf, jedoch wurde das Auftreten eines „cranio-caudal shift“ entlang der caudalen VRZ der LWS im Zusammenhang mit dem Wechsel des Bodenkontaktes der Gliedmaßen nicht beobachtet.

Da sich im Trab die diagonalen Vorder- und Hinterbeine synchron bewegen und es zu

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keinem Phasenunterschied während dieser Gangart kommt, zeigt sich in dieser Gangart auch kein „cranio-caudaler shift“. Für den Trab ist in der Literatur eine bilaterale Aktivierung der epaxialen Rückenmuskulatur auf Höhe des thorakolumbalen Überganges (Th13/L1) beschrieben, welche sich in Form einer „stehenden Welle“ zeigen soll (SCHILLING u. CARRIER 2009; 2010). In dieser Studie wurden in den cranialen VRZ der Lendenwirbelsäule geringe Bewegungen gemessen, welche nach caudal zunahmen. Die größten meßbaren Bewegungen wurden in den letzten präsakralen Gelenken aufgezeichnet. Deren ROM-Werte fallen jedoch im Vergleich mit den Werten zur maximalen Beweglichkeit an Kadavern wesentlich geringer aus.

Die Messdaten, welche in vivo mittels invasiver Messtechnik am Bewegungssegment L2-L3 an Hunden während des Schritts gewonnen wurden (WOOD et al. 1992; SCHENDEL et al. 1995), zeigten in der Horizontalebene die größten Messwerte (Wood et al.: 3,2°, Umfang: 0,3°-5,1°; Schendel et al.: 4,25° ± 0,99°), und im Vergleich mit den in dieser Studie gewonnen Daten (VRZ L3/L2 ROM ry: 2,4° ± 0,8°) zeigt die laterale Rotationsbewegung einen geringeren Bewegungsumfang. In beiden genannten Studien traten jedoch auch die größten interindividuellen Messunterschiede bei den ROM-Werten der lateralen Rotationsbewegung auf. Eine mögliche Erklärung für diesen größeren Bewegungsumfang, welcher in der Horizontalebene stattfindet, kann die als „Coupling”

bezeichnete Wirbelgelenksbewegung liefern. Hierbei wird durch die Kopplung der einzelnen Rotationsbewegungen aneinander eine größere Mobilität im entsprechenden Gelenk erreicht. Diese gegenseitige „Beeinflußung“ der Rotationsbewegungen konnte auch bei den in vivo Messungen an Pferden beobachtet werden (FABER et al. 2001a).

Die in dieser Studie generell gemessenen geringen Bewegungen entlang der LWS und insbesondere in den cranialen VRZ während beider Gangarten sprechen für eine globale Stabilisierung des Rumpfes in der Horizontalebene gegen die Kräfte, welche durch die Gliedmaßenbewegungen auf den Rumpf übertragen werden. Die Aktivitätsmuster der epaxialen Rückenmuskulatur zeigten einen Anstieg während des Wechsels von Schritt in Trab, was für eine stärkere Stabilisierung des Rumpfes gegen die höhere Beinaktivität in dieser schnelleren Gangart spricht und mit den geringeren Messwerten der VRZ Bewegungen während des Trabes bestätigt wird.

Neben der überwiegend stabilisierenden Funktion der epaxialen Rückenmuskeln kann

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diese, durch eine Änderung des Aktivitätsmusters, auch eine mobilisierende Funktion in der Horizontalebene einnehmen. Dies lassen die aktuellen Ergebnisse der Studie von Fuchs und Kollegen, welche mittels O-EMG die Aktivierungsmuster des M. longissimus dorsi an Hunden ohne und mit simulierter Amputation (hochgebundener Hintergliedmaße) untersuchten. So läßt die Änderung des Aktivierungsmusters eine Mobilisierung des Beckens und der Lendenwirbelsäule in der Horizontalebene vermuten, welche den Verlust des Vortriebes der fehlenden Hintergliedmaße kompensieren kann (FUCHS 2014, S. 81 - 82).

3D-Bewegungen in der Sagittalebene

In der Sagittalebene konnten während beider Gangarten für das VRZ Pelvis und einzelne VRZ der Lendenwirbelsäule biphasische Bewegungsmuster aufgezeichnet werden, welche in direktem Bezug zu den Bewegungen der Gliedmaßen gebracht werden können. So treten die Hoch- und Tiefpunkte innerhalb der Bewegungskurve des VRZ Pelvis während beider Gangarten in etwa zum gleichen Zeitpunkt innerhalb des Schrittzyklus auf (bei ca. 0 %, 25 %, 50 %, 75 % und 100 %) und sind z. B. im Trab direkt mit den Auf- und Abfußzeitpunkten sowie der Mitte der Stemm- und Schwungphasen der Hintergliedmaßen assoziiert.

Die größten sagittalen Bewegungen treten in beiden Gangarten präsakral in den VRZ L7/L6 und S1/L7 mit bis zu 4° auf. Im Schritt sind bereits im VRZ L7/L6 und im Trab im VRZ L6/L5 deutlich geringere Bewegungen erkennbar (< 2,7°). Im Trab zeigten sich bei zwei Hunden erneut einsetzende biphasische Bewegungsmuster in den VRZ L3/L2 und L2/L1.

Die Ergebnisse dieser Studie belegen, dass die Bewegungen im VRZ S1/L7 denen des VRZ Pelvis entgegengesetzt sind, d. h. es kommt zu einer Kompression im Bereich der Bandscheiben in den letzten präsakralen Gelenken während der Auf- und Abfußzeitpunkte und während der Mitte der Stemm- und Schwungphasen der Hintergliedmaßen. So befindet sich z. B. während des Auffußmomentes der rechten Hintergliedmaße das Becken in maximaler Anteversion, jedoch der lumbosakrale Übergang in maximaler Flexion (Abb. 20).

Die additiven Wirbelbewegungen der letzten beiden VRZ führen innerhalb der

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Sagittalebene zu einer Extensions- bzw. Flexionsbewegung der Lendenwirbelsäule. Ab dem Auffußen der ipsilateralen Hintergliedmaße bis zur Mitte der Stemmphase (25 % des Schrittzyklus) befindet sich die Lendenwirbelsäule in Extensionsbewegung, ab diesem Zeitpunkt, bis in etwa die Hälfte des Schrittzyklus (50 %) erreicht wird, befindet sich die LWS in Flexion. Dieser Bewegungszyklus startet erneut mit einer Extensionsbewegung, bis in etwa die Mitte der Schwungphase (75 % des Schrittzyklus) erreicht wird und eine erneute Flexionsbewegung bis zum erneuten Auffußen der ipsilateralen Hintergliedmaße erfolgt.

Vergleicht man die Messdaten zum Bewegungsumfang des lumbosakralen Übergangs dieser Studie (3,9° ± 1,1° im Schritt; 3,5° ± 0,6° im Trab) mit den Ergebnissen der Messdaten aus der maximal möglichen Beweglichkeit mittels Kadavermanipulationen [bis zu 37°, (BENNINGER et al. 2004)], so lassen die geringeren Messergebnisse während der Fortbewegung, insbesondere in symmetrischer Gangarten, auf eine physiologische Druckbelastung der Bandscheiben während der Lokomotion schließen.

Da die Fortbewegung eines Hundes jedoch häufig mit sehr dynamischen Bewegungen, wie Springen oder Kehrtwendungen verbunden ist, sollten die Ursachen für mögliche Belastungsschäden an Bandscheiben in diesem Bereich in Zukunft mehr bei dynamischen Bewegungen gesucht werden. Auch für therapeutische und rehabilitiative Maßnahmen kann der generell während des Trabes gering stattfindende Bewegungs-umfang berücksichtigt werden. So können insbesondere physiotherapeutische Maßnahmen in dieser Gangart helfen, die Funktionalität des Rückens wieder herzustellen.

In dieser Studie wurden sagittale Rotationsbewegungen auch im cranialen Bereich der Lendenwirbelsäule gemessen. Dies kann auf die Bewegungen der Vordergliedmaßen zurückgeführt werden. So wurden auch an Pferden in den cranialen Wirbelgelenken der thorakalen Wirbelsäule biphasische Bewegungsmuster aufgezeichnet (FABER et al.

2000; FABER et al. 2001a).

Evolutiv betrachtet, hat sich die Beweglichkeit in der Sagittalebene innerhalb der Rumpfwirbelsäule quadrupeder Säugetiere durch eine Umstrukturierung und Gliederung in einen thorakalen und lumbalen Abschnitt verändert. Diese Umstrukturierung konnte z. B. durch Reduzierung der Rippen zu „freien Rippen“ (ohne Verbindung zum Sternum),

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der Stellung, Form und Fläche der Procc. spinosi sowie der Facettengelenke und durch die Ausbildung eines antiklinen und diaphragmatischen Wirbels erfolgen. Somit hat sich als ein charakteristisches Merkmal (Apomorphie) innerhalb der Säugetiere die Fähigkeit, den Rumpf während der Fortbewegung in der Sagittalebene aktiv beugen und strecken zu können, ausgebildet und ermöglicht die Fortbewegung in asymmetrischen Gangarten wie dem Galopp.

Untersuchungen an verschiedenen Säugetieren während asymmetrischer Gangarten zeigten, dass additive Zwischenwirbelbewegungen eine Folge aktiver Beugung und Streckung der Wirbelsäule in der Sagittalebene sind und damit auch entscheidend zum Vortrieb des Körpers beitragen (FISCHER u. LEHMANN 1998; SCHILLING u. FISCHER 1999). Die Aktivierungsmuster, die für einzelne Rückenmuskeln während des Galopps an Hunden aufgezeichnet wurden, bestätigen diese aktive Mobilisierung des Rumpfes in der Sagittalebene (SCHILLING u. CARRIER 2010).

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit bestätigen, dass die Aktivierung der Rückenmuskulatur während symmetrischer Gangarten einer Stabilisierung des Rumpfes gegen die während der Fortbewegung auftretenden Bewegungen des Beckens bzw. der Gliedmaßen dient und somit die Bewegungen in den Lendenwirbeln in der Sagittalebene gering gehalten werden. Da sich die Aktivitätsphasen der Muskulatur der rechten und linken Körperhälfte während der Fortbewegung in symmetrischen Gangarten zeitlich überschneiden, zeigt z. B. der M. longissimus dorsi ein bilaterales Aktivitätsmuster. Die stabilisierende Funktion der Rückenmuskulatur konnte auch durch Untersuchungen, welche gezielt Krafteinwirkung auf die Gliedmaßen bei trabenden Hunden manipulierten, bestätigt werden (SCHILLING et al. 2009). Die EMG-Studien von Schilling und Carrier konnten insbesondere belegen, dass die bilaterale Aktivierung des M. longissimus dorsi gegen die Kräfte des Körpermasseschwerpunktes [‚sagittal rebound’, (RITTER et al.

2001)] und gegen die vertikalen und horizontalen Kräfte der extrinsischen Hinterbeinmuskulatur wirken [Protraktoren und Retraktoren, (SCHILLING et al. 2009;

DEBAN et al. 2012)].

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