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Archiv "Demonstration des Bündnis Gesundheit 2000: 25 000mal „Ja“ zur Resolution gegen die Reform" (01.10.1999)

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ls Präsident der Bundesärzte- kammer und des Deutschen Ärztetages ist Prof. Dr. med.

Jörg-Dietrich Hoppe mit komplizier- ten Abstimmungen vertraut. Bei der Großdemonstration des „Bündnis Ge- sundheit 2000“ am 22. September in Berlin war es jedoch ganz einfach.

Auf die Frage von Hoppe, ob man die eben vorgetragene Resolu-

tion gegen das geplante Re- formgesetz annehme, hob keiner bei „Nein“ oder „Ent- haltung“ den Arm. Ein hun- dertprozentiges „Ja“ – das war die Antwort der Demon- stranten auf dem Gendar- menmarkt, nach Angaben der Veranstalter rund 25 000 Frauen und Männer. Sie un- terstützten damit folgende Forderungen des Bündnisses, zu dem sich 40 Berufsorgani- sationen zusammengeschlos- sen haben:

c kein Globalbudget c keine Allmacht den Krankenkassen

c keine Gefährdung des Wachstumsmarktes „Gesund- heit“

c keine Risikoselektion c kein gläserner Patient.

Als die Resolution an- genommen wurde, gegen 15 Uhr 30, war der sonst eher be- schauliche Gendarmenmarkt voller Demonstranten. Viele von ihnen waren bereits am Morgen mit Sonderzügen und -bussen angereist. Sie hatten selbstgefertigte Plakate da-

bei, wobei manche sich ihren Protest auch direkt auf den Kittel oder die Mütze geschrieben hatten. So fanden die gelben Schildkappen der Zahnärz- teschaft großen Anklang, auf denen stand: „Rot-Grün schafft Lücken“.

Der eigentlichen Demonstration war um 11 Uhr eine Pressekonferenz

am Robert-Koch-Platz vorausgegan- gen, direkt am Universitätsklinikum Charité. Repräsentanten der im Bünd- nis vertretenen Gesundheitsberufe brachten erneut ihre Kritik an der ge- planten Gesundheitsreform zum Aus- druck. So betonte Bärbel Keim-Meer- mann, Bundesvorsitzende des Berufs- verbandes der Arzt-, Zahnarzt- und

Tierarzthelferinnen, daß die Reform besonders die Arbeitsplätze von Frau- en gefährde: „Es sind die angestellten Frauen in den Krankenhäusern und Praxen, deren Arbeitsplätze zur Dis- position stehen.“

Dr. Fritz-Josef Willmes, Präsident der Bundeszahnärztekammer, kritisier-

te die wiederholt vorgetragene Aussa- ge von Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer, die Versorgung der Pa- tienten werde auch in Zukunft nicht lei- den. Auf manche sinnvolle Investition müßten die Zahnärzte in Zukunft verzichten, beispielsweise auf digitale Röntgengeräte, mit deren Hilfe die Diagnostik verbessert und die Strah- lenbelastung gesenkt werden könne. Hans-Günter Friese, Präsident der Bundesvereini- gung Deutscher Apotheker- verbände, kritisierte den Stil der neuen Regierung: „Ge- sundheitspolitik hat Konsen- suspolitik mit allen Beteilig- ten zu sein.“

Während der State- ments drangen durch die geöffneten Fenster die Tril- lerpfeifen der Demonstran- ten und ihre Diskussionen.

Nach weiteren Reden von Repräsentanten des Bündnis Gesundheit 2000 direkt auf dem Robert-Koch-Platz setz- te sich der Demo-Zug in Be- wegung, um über die Invali- den- und die Friedrichstraße zum Gendarmenmarkt zu kommen. Unübersehbar wa- ren die rund 25 000 Teilneh- mer mit ihren Plakaten, unü- berhörbar ob der Trillerpfei- fen und Tröten. Angeführt wurde die Demonstration von „Köpfen“ des Bündnis- ses, darunter Keim-Meer- mann, Hoppe und Wolfgang Pföhler, Präsident der Deut- schen Krankenhausgesell- schaft. Sie trugen das rote Transparent mit dem Motto des Protests: „Gesund- heitsreform? Lachen allein macht nicht gesund!“ Dazu skandierten die Bünd- nis-Vertreter Slogans wie „Gesundheit ist ein hohes Gut, wenn man es denn pflegen tut“ oder „Erst Steuern und Renten, jetzt die Patienten“. Auch die A-2406 (18) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999

P O L I T I K AKTUELL

Demonstration des Bündnis Gesundheit 2000

25000mal „Ja“ zur

Resolution gegen die Reform

A

Demonstrationszug auf dem Weg von der Charité zum Gendarmenmarkt

(2)

Botschaften auf den anderen Transpa- renten waren eindeutig:

Die Zukunft nicht kaputtsparen“

„Qualität erhalten statt Budget verwalten“

„Wir halten täglich die Gesundheit der Menschen in unseren Händen –

warum

also Daumenschrauben?“

„Wir wollen arbeiten, auch nach der Ausbildung“

„Deutsche Ergotherapie: Hier werden Sie nicht mehr geholfen“.

Besonders viel Mühe hatten sich 45 Mitarbeiter des Marienhospitals Ankum-Bersenbrück bei Osnabrück gegeben. Sie liefen als rot-grüne Schlange mit. Die Passanten am

Straßenrand blickten mehrheitlich überrascht auf den Zug des Gesund- heitsbündnisses. Um sie über die Pro- testaktion zu informieren, verteilten Helfer Handzettel.

Bei der Ankunft des Zuges am Gendarmenmarkt war bereits eine große Bühne aufgebaut, von der aus eine Musikband die Demonstranten empfing. Die stärkten sich mit mitge- brachten Broten, gekauften Bratwür- sten und Getränken bis zur nächsten Kleinaktion. Die Traber-Brüder, be- kannte Artisten, stellten in einem Hochseilakt die Tücken der geplanten Gesundheitsreform dar. Marcel Tra- ber, mit blauem Anzug und weißer Kopfbinde verkleidet als Patient, ging auf dem Seil den wackeligen Weg über die Schilder „Referenzwerte“,

„Globalbudget“, „Datenallmacht“.

Kurz vor dem Schild „Reformgesetz“

strauchelte der „Patient“ und wählte

den Weg zurück – symbo- lisch also die Rückkehr in das vertraute System.

Im Anschluß an diese Darbietung ging Gertrud Stöcker, Vorsitzende des Deutschen Pflegerates, noch einmal auf die Kritik an der Reform ein. Sie forderte ein zukunftswei- sendes, politisches Gesamt- konzept für die Reform.

Verteilungskämpfe machten die Berufsgruppen im Ge- sundheitswesen nur zu Kon- kurrenten. Gegen die „Dif- famierung“, es gehe den Gesundheits- berufen immer nur um Geld und Lob- byismus, wandte sich Pföhler. Es gehe vielmehr „um ein Maß an Menschlich- keit im Gesundheitswesen, das ge- wachsen ist und das gefährdet ist“.

Ähnlich wertete es Hoppe. Die Arbeit der Gesundheitsberufe werde jährlich in Frage gestellt von Politi- kern, und das, obwohl der Beruf für viele immer noch Berufung sei. Stän- dig führe man eine Rationaliserungs- reserve von 25 Milliarden DM im Ge- sundheitswesen an, ohne diese Zahl detailliert zu begründen. Hoppe mut- maßte, die wenig wissenschaftliche Ausgangsbasis sei wohl die Überle- gung, 10 Prozent von 250 Milliarden DM an GKV-Ausgaben werde man doch wohl einsparen können. Seine ärztliche Diagnose zum Schluß: Die Reform leide unter „erheblicher poli- tischer Dysfunktion“. Sabine Rieser

A-2407

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999 (19)

Krankenkassen-Vorwurf: „Panikmache“

Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen bewerten die Demon- stration des „Bündnis Gesundheit 2000“ als Panikmache und gezielte Desinfor- mation der Patienten. Mit ihren Protesten stellten die Ärzte auch die Gesetzliche Krankenversicherung als Ganzes in Frage. Das erklärte Hilmar Langenbach, stell- vertretender Vorsitzender des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen, einen Tag nach der Demonstration in Berlin.

Im Gegenzug haben die Krankenkassen eine eigene Informationskampagne un- ter dem Motto „Schluß mit den Märchen“ gestartet. „Das vordringlichste Problem des deutschen Gesundheitswesens ist nicht zu wenig Geld. Die Hauptprobleme be- stehen in Überkapazitäten, unwirtschaftlichen Strukturen und falschen Anreizen für die Leistungserbringer“, sagte Rolf Stuppardt, Vorstandsvorsitzender des Bun- desverbandes der Innungskrankenkassen. Es sei unbestreitbar, daß eine wachsende Zahl von Medizinern sowie eine Über- und Fehlversorgung im Krankenhausbereich unnötig viel Geld der Beitragszahler verschlinge. Dringend notwendig sei eine bes- sere Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationärem Bereich.

Der „Atmosphäre der gezielten Verunsicherung“ wollen die Krankenkassen

mit „sachlicher Information“ entgegentreten. JF

Die rot-grüne Schlange trifft ein. Hoppe verliest die Resolution der Gesundheitsberufe.

Hochseilakt: Persiflage auf die Reform

Fotos: Johannes Aevermann

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