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Archiv "Transiente globale Amnesie: Klinik und Pathophysiologie" (15.10.1999)

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ie transiente globale Amnesie (TGA), auch amnestische Epi- sode genannt, gehört zu den eindrucksvollsten neurologischen Syn- dromen. Ihre Ätiologie und Pathophy- siologie sind bisher nicht geklärt. Leit- symptom ist die akut einsetzende Stö- rung des deklarativen Neugedächtnis- ses (anterograde Amnesie), das heißt die Patienten sind nicht in der Lage, neue Gedächtnisinhalte zu speichern.

Sie sind deshalb zur Zeit und zur Situa- tion oft nicht, zur Person jedoch immer orientiert. Sie sind bewußtseinsklar, nicht vigilanzgemindert und normal kontaktfähig. Ihrer Umgebung fallen die Betroffenen oft dadurch auf, daß sie immer wieder die gleichen Fragen stel- len, ohne sich an die Antworten erin- nern zu können. Handlungen und Er- eignisse, wie zum Beispiel eine Fahrt ins Krankenhaus oder ärztliche Unter- suchungen, sind nach weniger als einer Minute vergessen. Parallel dazu be- steht eine Störung des Abrufes von al- ten, vor der TGA erworbenen Ge- dächtnisinhalten (retrograde Amnesie oder Altgedächtnisstörung). Dies be- trifft vor allem Ereignisse aus der jün- geren Vergangenheit, zum Beispiel Reisen oder Besuche. Die retrograde Amnesie führt auch zur Desorien-

tierung, da die Betroffenen die Ereig- nisse der vorausgehenden Stunden und Tage nicht rekonstruieren können. Zu- weilen zeigen sie sich über einen scheinbar neuen Gegenstand oder eine Umstellung von Möbeln in ihrer Woh- nung überrascht. Die zeitliche Ausdeh- nung der retrograden Amnesie ist va- riabel; ihr Ausprägungsgrad nimmt für weiter zurückliegende Ereignisse ab.

Sehr alte Erinnerungen sowie Fakten- wissen über das eigene und das öffentli- che Leben bleiben immer intakt.

Der körperlich-neurologische Be- fund ist während der TGA in aller Re- gel normal. Manchmal kommt es zu be- gleitenden vegetativen Symptomen, zum Beispiel leichten Kopfschmerzen oder Übelkeit. Manche Patienten wir- ken ängstlich, konsterniert oder unru- hig, andere ungewöhnlich ruhig und

antriebsarm. Einzelne klagen über ein leichtes Benommenheitsgefühl. Ande- re kognitive Leistungen, wie zum Bei- spiel Sprache oder Denkvermögen, sind während der TGA normal. Auch das Kurzzeitgedächtnis ist, wie bei an- deren Formen der Amnesie, ungestört, das heißt die Patienten können bildli- che und sprachliche Eindrücke für eini- ge Sekunden im Bewußtsein halten.

Etwa die Hälfte der TGA-Episo- den tritt anscheinend spontan auf. In den übrigen Fällen gehen bestimmte Situationen voraus, die als Auslöser an- gesehen werden. Dies sind körperliche Anstrengungen, zum Beispiel Joggen oder Skilanglauf; Schmerzen, emotio- nale Belastungen, zum Beispiel Strei- tigkeiten oder Trauer, aber auch Ein- tauchen in kaltes oder warmes Wasser und Geschlechtsverkehr.

Die TGA klingt über Stunden all- mählich ab. Ihre Dauer beträgt meist ein bis acht, im Durchschnitt etwa fünf Stunden, die Schwankungsbreite liegt zwischen ein und 24 Stunden. Die Be- troffenen können in der Phase des Ab- klingens Gesprächsinhalte zuerst bruchstückhaft und dann immer deutli- cher speichern. Parallel dazu bildet sich die retrograde Amnesie zurück. Tritt die TGA am Nachmittag oder Abend

Transiente globale Amnesie

Klinik und Pathophysiologie

Klaus Schmidtke

1

Michael Strupp

2

Roland Brüning

3

Michael Reinhardt

4

Die transiente globale Amnesie ist eine eindrucksvolle, ätio- logisch bisher ungeklärte Funktionsstörung des Gehirns. Sie manifestiert sich als plötzlich einsetzender, mehrere Stunden anhaltender und sich dann wieder zurückbildender Ausfall des Neugedächtnisses, begleitet von unterschiedlich ausge- prägten reversiblen Altgedächtnisstörungen. Obwohl gutar- tig und selbstlimitierend, ist das akute Krankheitsbild für die Betroffenen und ihre Angehörigen in hohem Maße beunru-

higend. Dieser Beitrag beschreibt Kli- nik und Differentialdiagnose der tran-

sienten globalen Amnesie und stellt die derzeitigen patho- physiologischen Hypothesen vor dem Hintergrund neuer Befunde mit bildgebenden Verfahren dar.

Schlüsselwörter: Transiente globale Amnesie, Gedächtnis, zerebrale Perfusion, diffusionsgewichtete Magnetresonanz- tomographie, Migräne

ZUSAMMENFASSUNG

Transient Global Amnesia

Transient global amnesia represents an impressive cerebral dysfunction of unknown aetiology. It presents as a sudden failure of anterograde and retrograde memory, which lasts for several hours and subsides gradually. Although benign in nature, the acute condition is highly alarming for pa- tients and relatives. This article reviews clinical presenta-

tion and differential diagnosis of transient glob- al amnesia, and discusses pathophysiological

hypotheses with special reference to recent neuroimaging findings.

Key words: Transient global amnesia, memory, cerebral perfusion, diffusion weighted magnetic resonance imaging, migraine

SUMMARY

D

1 Neurologische Universitätsklinik (Direktor:

Prof. Dr. med. Dr. h. c. C. H. Lücking), Freiburg

2Neurologische Klinik (Direktor: Prof. Dr. med.

Th. Brandt, FRCP) der Ludwig-Maximilians-Uni- versität, München

3Radiologische Klinik (Direktor: Prof. Dr. med.

M. Reiser) der Ludwig-Maximilians-Universität, München

4Abteilung Nuklearmedizin (Direktor: Prof. Dr.

med. Dr. rer. nat. E. Moser) des Universitätskli- nikums Freiburg

(2)

ein, so ist sie nach dem Nachtschlaf in der Regel abgeklungen. Für den Zeit- raum, in dem die TGA voll ausgeprägt war, sowie für einen kurzen vorausge- henden Abschnitt im Bereich von etwa 20 Minuten verbleibt eine dauerhafte amnestische Lücke. Darüber hinaus treten keine bleibenden Ausfälle auf.

Eine geringe, überdauernde Minde- rung der Gedächtnisleistung wurde von einzelnen Autoren vermutet (10), ist je- doch nicht gesichert.

Wegen der spontanen und voll- ständigen Rückbildung der Symptoma- tik besteht keine Notwendigkeit einer Therapie. Bis zum Abklingen der Sym- ptomatik empfiehlt sich eine Beobach- tung des Patienten, zum Beispiel durch Angehörige. Am folgenden Tag sollte eine Nachuntersuchung erfolgen und der Patient über die gutartige Natur der Erkrankung aufgeklärt werden. Dar- über hinaus ergeben sich keine weite- ren Konsequenzen. Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe sind nicht bekannt.

Die TGA ist eine Erkrankung der zweiten Lebenshälfte. Der Altersgipfel liegt in der sechsten Dekade; nur weni- ge Fälle treten vor dem 40. Lebensjahr auf. Eine Geschlechtsdisposition be- steht nicht. Die geschätzte Inzidenz für eine erste TGA beträgt für die Gesamt- bevölkerung zirka fünf pro 100 000; für die über 50jährigen ist sie entsprechend höher (13). Zur Frage der Rezidivrate liegen nur ungenügende prospektive Daten vor; sie liegt vermutlich bei etwa drei Prozent pro Jahr. Für die Mehrheit bleibt die TGA damit ein einmaliges Ereignis. Tabelle 1führt beispielhaft ei- nige demographische und klinische Merkmale von 57 Patienten einer eige- nen Fallserie auf. Diese Patienten wur- den während oder unmittelbar nach der TGA-Episode untersucht (23).

Diagnose

Die Diagnose kann sowohl im Akutstadium als auch danach anhand der unten genannten Kriterien rein kli- nisch gestellt werden. Sie stützt sich auf die neurologische und orientierende neuropsychologische Untersuchung sowie auf den Ausschluß in Frage kom- mender Differentialdiagnosen (Tabelle 2). Nach Caplan (4) sowie Hodges und Warlow (11) werden zur Annahme ei- ner TGA folgende Kriterien gefordert:

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

Tabelle 1

Demographische und klinische Merkmale in einer Serie von 57 TGA-Fällen (23)

mittleres Alter 60,6 Jahre (Spanne 34–78) Geschlechtsverhältnis m : w 25 : 32

vorausgegangene TGA 12 Prozent

identifizierbarer Auslöser 51 Prozent

mittlere Dauer der TGA 5,4 Stunden (Spanne 1–24)

leichte Übelkeit 23 Prozent

leichter Kopfschmerz 23 Prozent

Benommenheitsgefühl 18 Prozent

andere vegetative Symptome* 23 Prozent

* Schwitzen, Tachykardie, Hitzegefühl, Blässe, Diarrhöe, Polyurie

Tabelle 2

Differentialdiagnose akut einsetzender Gedächtnisstörungen

Erkrankung Merkmale

Transiente Globale Amnesie komplette anterograde Amnesie,

Bewußtseinsklarheit, retrograde Amnesie vor allem für jüngere Ereignisse

Commotio cerebri aktuelle oder vorausgegangene Benommenheit, Prellmarken am Kopf, Erbrechen, andere Hinweise für Trauma Intoxikation Hinweise für Einnahme von Drogen oder

Medikamenten, vor allem Benzodiaze- pine, Somnolenz oder Verwirrtheit, β-EEG, gegebenenfalls toxikologisches Screening

Komplex-partielle Anfälle Aura, begleitende Bewußtseinsstörung oder Verhaltensauffälligkeit, Fehlen von repetitiven Fragen, kurze Dauer und wiederholtes Auftreten der Episoden (2, 12, 17, 20)

Initialstadium einer subakutes Einsetzen, Fieber, gegebenen- Herpesenzephalitis falls Sprachstörung, Verwirrtheit und

weitere neurologische Symptome, patho- logischer MRT-, EEG- und Liquorbefund Blutung/Ischämie/Thrombose im Verwirrtheit, Somnolenz, andere neuro- Bereich von Thalamus oder logische oder kognitive Defizite (zum Hippocampus Beispiel Hemianopsie, Wortfindungs- störung, Lesestörung, sensomotorische Defizite) (19)

Psychogene Amnesie vor allem bei jüngeren Personen nach emotionalem Trauma, ganz vorwiegend oder allein retrograde Amnesie, Des- orientierung zur Person oder zu biogra- phischem Basiswissen, scheinbare emotionale Indifferenz

(3)

Bezeugung der Symptomatik durch ei- ne dritte Person, akut beginnende und ausgeprägte Neugedächtnisstörung, Rückbildung binnen 24 Stunden sowie Ausschluß von neurologischen Herd- zeichen, zusätzlichen kognitiven Defi- ziten, Bewußtseinstrübung, Desorien- tierung zur Person, vorausgehendem Trauma und Epilepsie. Zur Prüfung der anterograden Amnesie im Rahmen ei- ner orientierenden Untersuchung nennt man dem Patienten zum Beispiel sechs Wörter und zeigt zusätzlich sechs Gegenstände. Nach etwa fünf Minu- ten werden Wörter und Gegenstände wieder vorgegeben, jeweils vermischt mit mindestens ebensovielen „Ablen- kern“, aus denen sie herausgesucht werden sollen. Zusätzlich kann man zum Beispiel die Uhr des Patienten vor seinen Augen verbergen und Minuten später nach ihrem Verbleib fragen. Die retrograde Amnesie sollte durch Fra- gen nach öffentlichen und privaten Er- eignissen der letzten Monate und Jahre untersucht werden. Zum Ausschluß ei- ner Sprachstörung muß das Benennen von Objekten (Beispiel: Einzelteile ei- ner Uhr oder eines Kugelschreibers) und das Verstehen verbaler Anweisun- gen geprüft werden.

Klinische Symptome, die über ei- ne Störung der Gedächtnisfunktion und leichte vegetative Beschwerden hinausgehen, sprechen gegen eine TGA. Hierzu zählen insbesondere auch starke Kopfschmerzen, Erbre- chen, Verwirrtheit sowie eine inkom- plette Rückbildung bis zum folgenden Tag. Die Differentialdiagnose der TGA umfaßt verschiedene Erkrankun- gen, die sich durch eine akut einsetzen- de Gedächtnisstörung manifestieren können (Tabelle 2). Unter anderem ist zu beachten, daß sich zerebrale Insulte durch eine (länger anhaltende) Amne- sie manifestieren können, wenn der an- teriore Thalamus oder das temporo- mediale Versorgungsgebiet der Arteria cerebri posterior links betroffen sind (19). Bei der Untersuchung sollte daher auf Begleitsymptome wie einen mögli- chen Gesichtsfeldausfall, zum Beispiel in Form einer Quadrantenanopsie und auf eine Lesestörung geachtet werden.

Eine andere Form der symptoma- tischen transienten Amnesie tritt als Komplikation bei zerebraler Angiogra- phie auf. Dies gilt besonders für Verte- bralisangiographien, was wahrschein-

lich auf der Versorgung des hinteren Abschnitts des Hippocampus aus der Arteria cerebri posterior beruht. Als Mechanismen dieser Form der TGA werden Embolien durch abgelöste ar- teriosklerotische Plaques, Luftblä- schen oder kleine Gerinnsel, Ischämien durch den Katheder, Vasospasmen so- wie toxische Kontrastmittelwirkungen postuliert. In einem Fall wurden in der diffusionsgewichteten Magnetre- sonanztomographie (MRT) multiple, wahrscheinlich embolisch-ischämische Areale im hinteren Stromgebiet beob- achtet, die sich später komplett zurück- bildeten (27).

Ein Schädelcomputertomogramm (CCT) ist während und nach typisch verlaufender TGA nicht indiziert (3).

Diese Einschätzung gilt unseres Erach- tens trotz einzelner Berichte über pas- sagere Amnesien bei fokalen zerebra- len Läsionen (1, 19, 21). Auch für die Dopplersonographie besteht in der Re- gel keine Indikation. Das EEG kann bei klassischer TGA Theta- und Delta- wellen in den temporalen Ableitungen aufweisen, ist aber in der Mehrzahl der Fälle unauffällig. Wenn nach Prüfung der diagnostischen Kriterien Zweifel verbleiben, stellt die zerebrale Bildge- bung meist den ersten Schritt zu einer erweiterten Diagnostik dar.

Pathophysiologie der TGA

Zerebrale Perfusion

In einer kleinen Zahl von Einzel- fallberichten wurde über Veränderun- gen der Gehirndurchblutung berichtet, die sich während der Akutphase der TGA mit Hilfe der zerebralen SPECT nachweisen ließ. Zweimal wurde eine bilaterale temporale Hypoperfusion beschrieben (6, 24). Zwei Patienten, die im Rückbildungsstadium untersucht wurden, zeigten eine fleckförmige Hy- poperfusion im Versorgungsgebiet der posterioren Hirnarterien (14, 26). Ein weiterer Fall zeigte eine globale Hypo- perfusion sowie ein ausgeprägteres tha- lamisches Perfusionsdefizit, vor allem linksseitig (8). In einigen Fällen über- dauerte die temporo-basale Hypo- perfusion die Amnesie um bis zu einen Tag. Dies stimmt mit neuropsycho- logischen Untersuchungen überein, die

noch viele Stunden nach klinischer Re- mission ein Defizit des Neugedächtnis- ses fanden (7, 26). Bisher liegt nur ein ausführlicher Bericht über eine PET- Untersuchung vor, die noch während einer voll ausgeprägten TGA-Episode durchgeführt wurde, allerdings erst elf Stunden nach ihrem Einsetzen (5). Es fand sich ein verminderter Sauerstoff- verbrauch im linken lateralen Frontal- lappen. In anderen kortikalen Arealen wurden umschriebene, uneinheitliche und zum Teil nicht gleichsinnige Verän- derungen von Sauerstoffverbrauch und Perfusion beobachtet. In einer eigenen Fallserie konnten wir sechs Patienten während der Akutphase der TGA mit der HMPAO-SPECT Methode unter- suchen (22). Temporo-basal fanden sich in drei Fällen signifikante bilatera- le Perfusionsminderungen, ein weiterer Patient zeigte in dieser Region eine ein- seitige Perfusionsminderung. Darüber hinaus war in allen Fällen – in unter- schiedlicher regionärer Ausprägung – eine Hypoperfusion im Frontal-, Pa- rietal- oder Okzipitallappen nachweis- bar (Abbildung 1).

Diffusionsgewichtete

Magnetresonanztomographie In einer anderen Studie (25) unter- suchten wir zehn Patienten mit der dif- fusionsgewichteten Magnetresonanz- tomographie (diffusion weighted ima- ging, DWI). Dieses bildgebende Ver- fahren erfaßt die freie Diffusion von Wassermolekülen im interstitiellen Raum. Eine relative Abnahme des interstitiellen Kompartiments, zum Beispiel infolge einer zytotoxischen Schwellung von Neuronen und Gliazel- len, führt zur Minderung der Beweg- lichkeit freien Wassers, die sich in der Diffusionsgewichtung als umschriebe- ne Signalintensitätsänderung darstellt.

Das Verfahren ist unter anderem zur frühen Erfassung zerebraler Ischämien geeignet (15). Es ist jedoch auch für an- dere, reversible oder irreversible Funk- tionsstörungen von Neuronen und Gliazellen sensibel. Die Studie ergab drei wesentliche Befunde:

1 Sieben der zehn TGA-Patien- ten zeigten im DWI Signalveränderun- gen im linken medio-basalen Tempo- rallappen, einschließlich des Hippo- campus und des angrenzenden entorhi- nalen Kortex.

(4)

1 Bei drei dieser sieben Patien- ten, die während oder wenige Stunden nach der TGA untersucht wurden, ließen sich in beiden mesialen Tempo- rallappen Signalveränderungen nach- weisen (Abbildung 2).

1 Bei Verlaufsuntersuchungen – einige Tage nach der TGA – fanden sich weder im DWI noch in den kon- ventionellen MRT-Aufnahmen patho- logische Veränderungen.

Damit wurde erstmals gezeigt, daß sich mittels DWI Signalveränderungen bei der TGA nachweisen lassen, und zwar in gedächtnisrelevanten anatomi- schen Strukturen.

Lokalisation der Störung

Die oben genannten SPECT-Un- tersuchungen zeigen, daß im Akut- stadium der TGA eine zerebrale Hypo- perfusion besteht, die in der temporo- basalen Region am stärksten ausge- prägt und teilweise bilateral ist. Dieses Muster wurde jedoch nicht in allen Fäl- len beobachtet, was möglicherweise darauf beruht, daß die Untersuchun- gen zu einem Zeitpunkt erfolgten, zu dem sich die Symptomatik bereits teil- weise oder ganz zurückgebildet hatte.

Der Nachweis von Perfusionsminde- rungen in anderen kortikalen und sub- kortikalen Regionen deutet darauf hin, daß nicht nur der Hippocampus betrof- fen ist. Ferner legen sowohl die Variabi- lität der SPECT-Befunde als auch das in PET-Studien gefundene, komplexe Muster regionärer Stoffwechsel- und Perfusionsanomalien nahe, daß der zu- grundeliegende Prozeß in mehreren Phasen abläuft. Die bildgebenden Ver- fahren können jeweils nur eine Mo- mentaufnahme geben. Die Lokalisati- on der im DWI beobachteten Verände-

rungen im mesialen Temporallappen stimmt mit dem Schwerpunkt der in der SPECT gefundenen Perfusionsminde- rungen überein. Aus dem Fehlen von Diffusionsstörungen im Neokortex läßt sich schließen, daß die dort in der SPECT beobachteten Perfusionsmin- derungen sekundärer Natur sind, zum Beispiel Folge einer verminderten Af- ferenz von Hippocampus und Thala- mus (Diaschisis-Phänomen).

Hypothesen zur Ätiopathogenese

Die Symptomatik der TGA ist durch eine bilaterale Funktionsstörung des hippocampalen Systems, das heißt der Hippocampusformation und den vor- und nachgeschalteten Strukturen, erklärbar. Der zugrundeliegende Pa- thomechanismus ist bislang noch nicht geklärt. Die oben angeführte Schät- zung zur Häufigkeit von TGA-Rezidi- ven zeigt, daß die Inzidenz bei einmal

betroffenen Patienten gegenüber der Allgemeinbevölkerung mindestens um den Faktor 100 erhöht ist. Es muß also eine individuelle Disposition bestehen.

Pathogenetische Theorien sollten die folgenden Aspekte der TGA erklären können: Umschriebenheit, Beidseitig- keit und Reversibilität der Störung.

In der Literatur werden drei mög- liche Mechanismen diskutiert: erstens eine Ischämie, zweitens ein Anfalls- äquivalent im Sinne eines fokalen An- falls, und drittens ein Migräneäquiva- lent beziehungsweise spreading de- pression. Die Annahme einer Ischämie der Hippocampi oder der anterioren Thalami im Rahmen einer transito- risch-ischämischen Attacke sowie die Epilepsie-Hypothese werden weder durch neuere epidemiologische Daten, noch durch den Verlauf der TGA ge- stützt (9, 11, 16, 17, 23, 28). Eine transi- ente Amnesie kann in seltenen Fällen das einzige klinische Symptom eines komplex-partiellen Anfalls sein (12, 20). Die „transiente epileptogene Am- nesie“ ist jedoch keine Er- klärung, sondern eine Diffe- rentialdiagnose der TGA.

Aufgrund einer Reihe klinischer Parallelen wurde seit längerem ein Zusammen- hang zwischen TGA und Mi- gräne beziehungsweise der Mi- gräneaura vermutet. Hierzu gehören die Auslösung durch äußere Faktoren, nur vor- übergehende, meist Stunden anhaltende, reversible Sym- ptome, ein gutartiger Verlauf und rezidivierendes Auftre- ten. Fall-Kontroll-Studien ha- ben gezeigt, daß die Prävalenz der Migräne bei TGA-Patien- ten signifikant erhöht ist (11, 16, 23). Gegen eine Interpre-

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

Abbildung 1: Darstellung der zerebralen Perfusion von drei Patienten während einer TGA-Episode mit SPECT. a) Hypoperfusion des basalen und lateralen Temporallap- pens links. Ein umschriebener Perfusionsdefekt ist auch auf der Gegenseite erkennbar. b) Bilaterale, gering asymmetrische Hypoperfusion temporo-okzipital (linkes Schnittbild) und parietal (rechtes Schnittbild). c) linkes Schnittbild: Hypoperfusion temporal beidseits, geringer auch apikal und im Bereich der Basalganglien (links >

rechts). Rechtes Schnittbild: normalisierte Perfusion bei Verlaufsuntersuchung nach vier Wochen (modifiziert nach 22).

a b c

Abbildung 2: Diffusionsgewichtete MRT-Aufnahme bei einem Pati- enten während einer TGA-Episode. Es zeigt sich eine Signalhyper- intensität in beiden Temporallappen, vorwiegend mesial (a). Bei der Kontrolluntersuchung zwei Wochen später finden sich in der diffusionsgewichteten MRT-Aufnahme (b) – ebenso wie in den kon- ventionellen MRT-Aufnahmen – keine pathologischen Signalver- änderungen (modifiziert nach 25).

(5)

tation der TGA als Migräneäquivalent spricht allerdings, daß trotz der nach- gewiesenen Assoziation nur eine Min- derheit der TGA-Patienten unter Mi- gräne leidet, und daß TGA und Migrä- ne sich in unterschiedlichen Altersstu- fen manifestieren. Es wurde jedoch po- stuliert, daß beide Erkrankungen auf einem gemeinsamen Pathomechanis- mus beruhen, nämlich der spreading depression (18). Bei diesem aus Tier- experimenten seit langem bekannten Phänomen breitet sich eine Depo- larisationsfront mit einer Geschwin- digkeit von zirka drei Millimetern pro Minute über den Kortex aus. Dies führt unter normoxischen Bedingun- gen zu einem vorübergehenden Funk- tionsausfall des betroffenen Areals.

Spreading depression bedingt auf- grund von Elektrolytverschiebungen eine Schwellung von Neuronen und Gliazellen, und damit eine Schrump- fung des Interstitiums. Als möglicher Trigger hierfür wurde eine gesteigerte Freisetzung des exzitatorischen Neu- rotransmitters Glutamat diskutiert, zum Beispiel im Rahmen einer über- mäßigen Stimulation der Hippocampi durch sensorische Stimuli, wie sie bei manchen der oben genannten TGA- Auslöser gegeben sind.

Die oben beschriebenen bildge- benden Befunde (SPECT: Hypo- und zum Teil Hyperperfusion, DWI:

Schrumpfung des Interstitiums mit ver- minderter Diffusion von freiem Was- ser) sind gut mit der Hypothese der spreading depression als Ursache der TGA vereinbar. Fortschritte in der Aufklärung des nach wie vor rätselhaf- ten Krankheitsbildes der TGA sind von weiteren bildgebenden und elektro- physiologischen Untersuchungen zu erwarten.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-2602–2606 [Heft 41]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Internet- seiten (unter http://www.aerzteblatt.de) er- hältlich ist.

Anschrift für die Verfasser

Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Schmidtke Neurologische Universitätsklinik Breisacher Straße 64 · 79106 Freiburg

Ein pathologischer Reflux findet sich bei den meisten Patienten mit Sod- brennen. Gezielte Untersuchungen über die Häufigkeit eines pathologi- schen Refluxes bei Patienten mit Dia- betes mellitus liegen nur in beschränk- tem Umfange vor. Die Autoren unter- suchten bei 50 insulinpflichtigen Dia- betikern im Durchschnittsalter von 29,2 6 9,0 Jahren mit negativer Re- fluxanamnese mittels 24-Stunden-pH- Metrie und Manometrie das Re- fluxverhalten und verglichen dieses mit einer gesunden Kontrollgruppe von 36 Patienten. Ein pathologischer Reflux ließ sich bei 28 Prozent der asymptomatischen Diabetiker nach-

weisen. In der Regel lag bei diesen Pa- tienten eine kardiovaskuläre autono- me Neuropathie vor. Ob sich aus die- sem Befund therapeutische Konse- quenzen ergeben, lassen die Autoren offen, zumal im Rahmen der diabeti- schen Polyneuropathie Refluxsympto- me möglicherweise seltener perzipiert werden als bei Patienten ohne Neuro-

pathie. w

Lluch I, Ascaso JF, Mora F, Minguez M, Hernandez A, Benages A: Gastroeso- phageal reflux in diabetes mellitus. Am J Gastroenterol 99; 94: 919–924.

Departments of Gastroenterology and Endocrinology, Departamento de Medici- na, Universidad de Valencia, Blasco Iba- nez 15, 46010 Valencia, Spanien.

Gastroösophagealer Reflux bei Diabetes

Bei Patienten, die über Sodbren- nen klagen steht die Gewichtsredukti- on als allgemeine Maßnahme im Vor- dergrund, da bis zu 70 Prozent der Re- fluxkranken übergewichtig sind. Die Autoren führten eine prospektive Stu- die bei 34 Patienten durch, deren body mass index (BMI) größer als 23 war und die für mindestens sechs Monate Refluxsymptome boten. Diese wurden nach einem modifizierten DeMeester- Fragebogen erfaßt. Die Patienten soll- ten während der sechsmonatigen Meß- periode Gewicht reduzieren und keine Medikamente zur symptomatischen Therapie einnehmen. 27 Patienten (80 Prozent) nahmen durchschnittlich 4 kg ab. Dies führte zu einer Abnahme auf der initialen Beschwerdeskala um 75 Prozent, bei neun Patienten ver-

schwanden die Symptome vollständig.

Drei Patienten nahmen weiter an Ge- wicht zu und boten auch eine Ver- schlechterung ihrer Symptome. Es be- stand eine direkte Korrelation zwi- schen Gewichtsverlust und den Sym- ptomen. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß sich der Rat an überge- wichtige Refluxkranke, Gewicht abzu- nehmen, lohnt und die Wirkung dieser Maßnahme sich auch wissenschaftlich

belegen läßt. w

Fraser-Moodie CA, Norton B, Gornall C, Magnago S, Weale AR, Holmes, GKT:

Weight loss has an independent beneficial effect on symptoms of gastro-oesopha- geal reflux in patients who are over- weight. Scand J Gastroenterol 1999; 34:

337–340.

Derbyshire Royal Infirmary, London Road, Derby DE1 2QY, Großbritannien.

Gewichtsreduktion bessert Refluxsymptomatik

Eine Metaanalyse von sieben Stu- dien mit insgesamt 987 Patienten zeigt, daß eine prophylaktische Bestrahlung des Schädels bei Patienten mit kleinzel- ligem Bronchialkarzinom in komplet- ter Remission die Langzeitprognose verbessert. Durch die Strahlentherapie ließ sich sowohl die Rate an Hirnfiliae reduzieren (relatives Risiko 0,46), das krankheitsfreie Überleben verlängern (relatives Risiko 0,75) als auch die Ge- samtüberlebensrate steigern (20,7 Pro- zent versus 15,3 Prozent nach drei Jah-

ren). Höhere Strahlendosen wiesen ge- genüber niedrigen Dosierungen Vor- teile hinsichtlich der Inzidenz von Hirn- filiae auf, die Gesamtüberlebensrate wurde hiervon nicht berührt. Ebenso zeigten sich Vorteile für einen frühzeiti- gen Beginn der Strahlentherapie. acc Auperin A et al.: Prophylactic cranial irra- diation for patients with small-cell lung cancer in complete remission. N Eng J Med 1999; 341: 476–484.

Dr. Pignon, Department of Biostatistics and Epidemiology, Institut Gustave-Rous- sy, 94805 Villejuif CEDEX, Frankreich.

Prophylaktische Schädelbestrahlung beim

kleinzelligen Bronchialkarzinom vorteilhaft

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