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Archiv "Der wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer gibt bekannt: Stellungnahme zum Thema „Gefährdung durch Kernkraftwerke“" (09.10.1975)

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DEUTSCHE S

ÄRZTEBLATT Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Der wissenschaftliche Beirat

der Bundesärztekammer gibt bekannt:

Stellungnahme zum Thema

„Gefährdung durch Kernkraftwerke"

Der Vorstand der Bundesärztekammer hat in Erkenntnis der Bedeutung dieses für die Gesundheit der Bevölkerung wichtigen Problems seinen Wissenschaftlichen Beirat beauftragt, ihn hierzu zu beraten. Dieser hat 1972 im Rahmen seines Arbeitskreises „Umweltmedizin (Medizinische En- virontologie)" unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Dr. E. H. Graul, Marburg, ei- nen Ausschuß „Gefährdung durch Kernkraftwerke" ins Leben gerufen, der sich in den vergangenen drei Jahren intensiv mit diesem Fragenkom- plex befaßt hat. Dem Thema entsprechend gehören diesem Ausschuß Ex- perten aus Medizin, Biologie, Physik und Technik an. Diese haben wäh- rend der drei Jahre nicht nur zum Teil intensiv mit sogenannten Kern- kraftwerksgegnern diskutiert, sondern auch bei international bekannten Experten Informationen zum Thema eingeholt und auch das einschlägige nationale und internationale wissenschaftliche Schrifttum ausgewertet.

Allen daran Beteiligten sei an dieser Stelle besonders gedankt.

Der Ausschuß hat das Ergebnis seiner langwierigen Beratungen in Form einer Denkschrift dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer vorgelegt. Dieser hat, nach geringfügigen redaktionellen Veränderungen, die Denkschrift in der vorliegenden Form in seiner Sitzung am 5. Mai 1975 gebilligt. Der Anregung einiger Mitglieder, ergänzend auch Strahlenexpo- sitionswerte im Falle von Reaktorstörungen und -unfällen in die Denk- schrift aufzunehmen, ist nach sorgfältigen Überlegungen nicht gefolgt worden. In der Denkschrift ist versucht worden, den für Arzt und Öffent- lichkeit nicht ganz einfachen Sachverhalt in allgemeinverständlicher Form darzustellen und — obwohl in einer solchen Darstellung nicht alle Fragen endgültig behandelt und beantwortet werden können — eine klare und fundierte Aussage zur Sache zu machen.

Prof. Dr. F. Loew

als Vorsitzender Prof. Dr. Dr. E. H. Graul des Wissenschaftlichen Beirates als Vorsitzender

der Bundesärztekammer des Ausschusses

Das Risiko der Kernkraftwerke nahmen haben die kommerzielle liegt in der Menge an radioaktiven Entwicklung der Kernkraftwerke Stoffen begründet, die in ihnen von Anfang an so wesentlich be- zwangsläufig erzeugt werden. Es einflußt, daß zum Beispiel ein muß zuverlässig verhindert werden, Kernkraftwerk über mehrere unab- daß radioaktive Stoffe in unzulässi- hängig voneinander und nachein- gen Mengen in die Umgebung ge- ander wirkende Barrieren gegen langen. Die damit im Zusammen- den Austritt radioaktiver Stoffe ver- hang stehenden Sicherheitsmaß- fügt.

BEKANNTGABE DER BUNDESÄRZTEKAMMER:

Stellungnahme zum Thema:

„Gefährdung durch Kernkraftwerke"

PROGRAMMIERTE FORTBILDUNG:

Die akute Pankreatitis

ÜBERSICHTSAUFSÄTZE:

Arzneimittel gegen Husten (Antitussiva)

Geschlechtskrankheiten 1974

Die Gefährdung des Neugeborenen durch die Scheidenflora der Mutter

DIAGNOSTIK IN KÜRZE:

TECHNIK IN DER MEDIZIN:

Echo-Enzephalograph zur Schädel-, Augen- und Herzdiagnose

FÜR SIE GELESEN:

KONGRESS- NACHRICHTEN:

Automatisation der gynäkologischen Krebszytologie Ultraschalldiagnostik gewinnt Bedeutung

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 41 vom 9. Oktober 1975 2821

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

BEKANNTGABE DER BUNDESARZTEKAMMER

Unsere gesamten Strahlenschutz- überlegungen basieren auf der ICRP*), einer von Radiologen und der Ärzteschaft gegründeten inter- nationalen Vereinigung von Fach- leuten, die seit 1928 die Strahlen- schutzproblerne bearbeitet. Diese .Organisation sowie darauf aufbau-

end Euratom und die deutsche Ge- setz- und Verordnungsgebung ha- ben die Basis geschaffen für die in der Kerntechnik zur Anwendung kommenden Strahlenschutzbestim- mungen.

Die Errichtung und der Betrieb von Kernkraftwerken in der Bundesre- publik Deutschland bedarf einer speziellen Genehmigung. Der Be- trieb unterliegt einer umfassenden laufenden Kontrolle.

Die Genehmigung_s- und Aufsichts- behörden der Bundesrepublik stüt- zen sich bei der Überwachung der Planung, Errichtung und Kontrolle von Kernkraftwerken auf die ge- setzliche Regelung in Form. des Atomgesetzes bzw. der entspre- chenden Verordnungen, die, inzwi- schen mehrfach novelliert, als vor- bildlich und dem letzten Stand von Wissenschaft und Technik ange- paßt bezeichnet werden müssen.

ln enger Zusammenarbeit von zu- ständigen Regierungsstellen und unabhängigen Technikern und Wis- senschaftlern - mit besonderer Betonung von Medizinern und Bio- logen - und basierend auf den Er- gebnissen jahtzehntelanger strah- lenbiologischer Grundlagenfor- schung im ln- und Ausland wurden die grundlegenden Strahlenschutz- prinzipien in zahllosen Sitzungen und Anhörungen erarbeitet und in die entsprechende Gesetzgebung eingebaut. Als Mitglied der "Euro- päischen Gemeinschaft" ist die Bundesrepublik nach Artikel 3 des Euratomvertrages verpflichtet, die nationale Gesetzgebung entspre- chend den "Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölke- rung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strah- lungen" auszurichten und zu erlas- sen, die ihrerseits letztlich im Ein- klang mit den Empfehlungen der ICRP stehen. Indessen handelt es

sich bei diesen nur den Gesetz- und Verordnungsgeber bindenden Grundnormen um Mindestforderun- gen. ln der Bundesrepublik war und ist man darüber hinaus stets bemüht, in allen Bereichen Eles Schutzes des Menschen, insbeson- dere auf dem Sektor der Errich- tung und des Betriebes von Kern- kraftwerken, diese Minimalforde- rungen, wenn möglich und sinnvoll, noch zu unterschreiten.

Ein augenfälliger Beweis für die Realisierung dieser Bestrebungen ist die Tatsache, daß in der gängi- gen Genehmigungspraxis für Kern- reaktoren in der Bundesrepublik

· als maximale "Belastung am Zaun"

30 mrem""*) pro Jahr toleriert wer- den, während nach den Richtlinien der ICRP 150 bis 500 mrem pro Jahr zulässig sind.

Deshalb wurde zur Auflage ge- macht, die Abgabe staub- und gas- förmiger sowie flüssiger radioakti- ver Stoffe über Abluft und Abwas- ser auf geringe Abgaberaten zu be- schränken und diese zuverlässig zu kontrollieren. Der hohe Stand der Aufbereitungstechnik erlaubt

Tabelle: Mittlere relevante Strahlenexposition des Men- schen in der Bundesrepublik Deutschland 1973 (Stand:

Mai 1974, Abteilung für Strah- lenhygiene des Bundesge- sundheitsamtes, Berlin)

..,. Natürliche Exposition ca. 110mrempro Jahr Davon durch kosmische Strahlung in Meereshöhe:

ca. 30 mrem pro Jahr

Terrestrische Strahlung von außen:

ca. 60 mrem pro Jahr

Inkorporierte radioaktive Stoffe:

ca. 20 mrem pro Jahr

..,. Dagegen durch friedliche Nutzung der Kernenergie:

weniger als ein mrem pro Jahr

2822 Heft 41 vom 9. Oktober 1975

DEUTSCHES ARZTEBLA'IT

also die Unterschreitung der Grenzwerte im Sinne der Forde- rung, möglichst wenig radioaktive Stoffe in die Umgebung zu entlas- sen. Der in Kernkraftwerken anfal- lende feste radioaktive Abfall kann bei Beachtung entsprechender Vorsichtsmaßnahmen so transpor- tiert und endgelagert werden, daß dadurch eine Strahlenexposition der Bevölkerung auszuschließen ist. Durch die maßtechnische Er- fassung der Abgabe radioaktiver Stoffe kann zusammen mit der Kenntnis der Ausbreitung dieser Stoffe in der Atmosphäre bezie- hungsweise deren Verhalten im Wasser und im Boden die zu er- wartende Strahlenexposition der Bevölkerung ermittelt werden.

Durch langjährige sorgfältige und von den Aufsichtsbehörden laufend kontrollierte Messungen wurde festgestellt, daß die zusätzliche Gesamt-Körperstrahlenexposition der Bevölkerung in der Größenord- nung von einem mrem pro Jahr liegt. Die Bedeutung dieser Zahl wird erst verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die na- türliche Strahlenexposition der Menschen speziell auch in Deutschland - in der Größenord- nung von 110 mrem pro Jahr liegt (vergleiche hierzu Tabelle). Die na- türliche Strahlendosis variiert je nach Höhe über dem Meer und der Beschaffenheit der Umwelt, das heißt des verschiedenen Gehalts des Bodens, der Baumaterialien an natürlich vorkommenden radioakti- ven Stoffen, um ein Vielfaches von dieser durch Kernkraftwerke be- wirkten zusätzlichen Strahlendosis.

Weiterhin ist für die Beurteilung dieses Sachverhaltes wichtig zu wissen, daß die natürliche Strahlen- exposition sowohl in örtlicher als auch in zeitlicher Hinsicht großen Schwankungen zwischen 50 und 150 mrem unterliegt. Die zusätzli- che Strahlenexposition du_rch den Betrieb von Kernkraftwerken von weniger als einem mrem pro Jahr

*) Internationale Strahlenschutzkommis- sion, gegründet von der Internationa- len Gesellschaft für Radiologie

**) milliroentgen equivalent man

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ist demgegenüber unbedeutend.

Wir leben in einer technisch-zivili- satorischen Umwelt, die eine Viel- zahl von Risiken beinhaltet. Ver- gleicht man sowohl die permanent auf der Bevölkerung lastenden Ri- siken als auch die, die ein Mensch freiwillig oder mehr oder weniger gezwungen vorübergehend ein- geht, so schneidet auch hier der Betrieb von Kernkraftwerken mit dem geringsten Risiko am günstig- sten ab.

Es sei ausdrücklich festgestellt, daß die auf den Euratom-Grund- normen beziehungsweise auf dem Atomgesetz fußenden Strahlen- schutzverordnungen in Deutsch- land eine hohe Sicherheitsmarge einschließen. Dazu ist zu bemer- ken, daß die in der 1. Strahlen- schutzverordnung genannten maxi- mal zulässigen Dosen nur für be- ruflich strahlenexponierte Perso- nen und für Personen gelten, die sich in Kontroll- oder Überwa- chungsbereichen aufhalten. Maxi- mal zulässige Expositionswerte für die Bevölkerung können daraus abgeleitet werden. Sie sind auch durch die Richtwerte für radioakti- ve Ableitungen aus Kernkraftwer- ken gegeben, wie sie die vom Bundesministerium des Inneren herausgegebenen Sicherheitskrite- rien für Kernkraftwerke enthalten.

Die deutsche Ärzteschaft geht da- von aus, daß die zuständigen Stel- len wie bisher diese Strahlen- schutznormen dem jeweiligen Wis- senstand laufend anpassen und insbesondere Untersuchungen auf dem Gebiete der Radioökologie—

Rad ioenvirontologie intensivieren sowie Fragen der isotopischen To- xizität, insbesondere auch solche über Anreicherungsmechanismen via biozyklische Ketten, laufend kritisch analysieren lassen. Hierbei ist auch der Strahlensensibilität bestimmter Organe und Organsy- steme besondere Rechnung zu tra- gen. Darüber hinaus müssen natür- lich laufend die neuesten Ergebnis- se auf dem Gebiet der Strahlenge- netik Beachtung finden. Diese Un- tersuchungen müssen, unter Be- rücksichtigung der sogenannten toxischen Gesamtsituation, einge-

bettet sein in Studien über Kombi- nationseffekte von ionisierenden Strahlen mit anderen Noxen.

Der Ausschuß stellt ferner fest, daß die Behandlung radioaktiver Abfäl- le, wie sie beim Betrieb von Kern- kraftwerken anfallen, keine Strah- lengefährdung der Bevölkerung darstellt.

Der Ausschuß hat sich auch mit der Frage der thermischen Belast- barkeit von Flüssen und anderen Oberflächenwassern durch den Be- trieb von Kernkraftwerken beschäf- tigt. Hierbei wurde in aller Deut- lichkeit dargestellt, daß die Frage der thermischen Belastung der Ge- wässer durch Kernkraftwerke kein spezifisches Problem der Kern- technik ist, sondern daß überall dort diese Frage aktuell ist, wo Wärmekraftwerke in Betrieb ge- nommen werden, ganz gleich ob es sich hierbei um konventionelle oder Kernkraftwerke handelt. Der Ausschuß stellt fest, daß bei der Genehmigung für Errichtung und Betrieb von Kernkraftwerken so- wohl diese Fragen sorgfältig unter- sucht werden, als auch die Behör- den entsprechende scharfe Aufla- gen erteilen.

Neben dem Normalbetrieb wurden bezüglich der Auswirkung auf die Umgebung durch Kernkraftwerke auch eventuell mögliche Störfälle behandelt. Bei dem größten anzu- nehmenden Unfall (GAU) darf die Strahlenexposition in der Umge- bung eines Kernkraftwerkes einen bestimmten Grenzwert nicht über- schreiten. In der Bundesrepublik Deutschland ist dieser Grenzwert so niedrig festgelegt, daß Personen unmittelbar durch einen solchen Störfall nicht zu Schaden kommen können. Dementsprechend werden an die sicherheitstechnische Aus- legung von Kernkraftwerken äu- ßerst hohe Anforderungen gestellt (vergleiche hierzu die vom Bundes- ministerium des Inneren herausge- gebenen Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke).

Da eine absolute Sicherheit in kei- nem Lebensbereich erreichbar ist,

Mitglieder des Ausschusses

„Gefährdung durch Kern- kraftwerke" des Wissen.

schaftlichen Beirats der Bun- desärztekammer

Prof. Dr. Aurand, Berlin Dipl.-Phys. Franzen, Köln Prof. Dr. Hug, München Dr. Krause, Karlsruhe Dr. Lindackers, Köln Dr. Möhrle, Karlsruhe Prof. Dr. Schraub, Gießen Dr. Spang, Erlangen Dr. Stauber, Frankfurt Dr. Günther, Marburg

Prof. Dr. Dr. Graul, Marburg

sind auch Unfälle denkbar, deren Auswirkungen nicht mehr in so en- gen Grenzen gehalten werden kön- nen. Bei diesen hypothetischen Störfällen ist eine akute Gefähr- dung der Umgebung nicht auszu- schließen. Die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einem solchen Unfall kommt, ist jedoch im Vergleich zu allen übrigen Risiken, denen der Mensch unseres technischen Zeit- alters freiwillig oder unfreiwillig ausgesetzt ist, außergewöhnlich gering.

Bei der fortschreitenden Zivilisa- tion erweisen sich Unfälle aller Art, insbesondere Verkehrsunfälle, als das Risiko mit der höchsten Ein- trittswahrscheinlichkeit. Ein Unfall im Straßenverkehr bedroht unser Leben permanent mit einer Wahr- scheinlichkeit von 2,5 x 10 -4 pro Jahr (das sind 250 Verkehrstote/

1 Million Personen und Jahr). Das Risiko von Naturkatastrophen (Erd- beben, Überschwemmungen usw.) ist demgegenüber wesentlich ge- ringer und erreicht eine Ereignis- wahrscheinlichkeit von nur ca.

1 x 10-6 pro Jahr (1 Opfer/1 Million Personen und Jahr). Amerikani- schen Abschätzungen zufolge liegt das Todesfallrisiko, das durch die Luftverschmutzung bei der konven- tionellen, also nicht nuklearen Energieerzeugung entsteht, um den Faktor 10 höher und wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 1,8 x 10-5 pro Jahr angegeben.

In Kernkraftwerken sind bisher kei- ne Unfälle vorgekommen, als deren Folge die Bewohner in der Umge- bung geschädigt oder auch nur in ihrer gewohnten Tätigkeit gehin- dert worden sind. Das zeugt von

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 41 vom 9. Oktober 1975 2823

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

BEKANNTGABE DER BUNDESÄRZTEKAMMER

der bisher lückenlosen Wirksam- keit der umfassenden Sicherheits- einrichtungen in den schon über 100 in Betrieb befindlichen Kern- kraftwerken in allen Industrielän- dern. Trotzdem verbleibt auch hier ein Rest an Risiko, der bei allen technischen Anlagen besteht. Wie die Sicherheitsberechnungen zei- gen und der Betrieb der bisher ge- bauten Kernkraftwerke bestätigt, ist dieses „Restrisiko" bei einem Kernkraftwerk sehr klein.

Es liegen nach allen derzeitigen Ab- schätzungen mehrere Größenord- nungen unter den zivilisationsbe- dingten und noch mindestens ein bis zwei Größenordnungen unter den natürlichen Risiken.

Eine derart geringe Wahrschein- lichkeit wird im allgemeinen Sprachgebrauch nicht mehr mit dem Begriff „Risiko" verbunden.

Da Kernkraftwerke durch die Abga- be sehr geringer Mengen an radio- aktiven Stoffen die Strahlenexposi- tion in der Umgebung praktisch nicht erhöhen, andere negative Einflüsse auf die Umwelt nicht zu erkennen sind, gelten Kernkraft- werke heute als in hohem Maße umweltverträglich und vergleichs- weise zu anderen Energieerzeu- gern umweltfreundlich.

Abschließende Bemerkung

a) Der Ausschuß hat bei seinen Sitzungen auch mit bekannten Gegnern der Kernenergie aus der Ärzteschaft sorgfältig die von ihnen vorgetragenen Argumente gegen den Einsatz von Kernkraftwerken erörtert. Bei der Beratung des ge- samten Komplexes „Strahlenrisiko beim Normalbetrieb von Kernkraft- werken" und „Gefahren für die Be- völkerung bei nuklearen Störfällen in Kernkraftwerken" gelangt der Ausschuß zu dem Schluß, daß die von der Bundesregierung einge- schlagene Richtung, die Bera- tungsgremien auf dem Gebiet des Strahlenschutzes durch die Errich- tung der Strahlenschutzkommis- sion auszubauen, nachdrücklich zu begrüßen ist. Der Ausschuß hofft, daß damit die Voraussetzungen ge-

schaffen sind, um eine umfassende und vorurteilsfreie und damit wis- senschaftliche Beratung der Bun- desregierung in allen Fragen des Strahlenschutzes zu gewährleisten.

Die Bundesärztekammer appelliert an die Bundesregierung, alles zu tun, damit auch in Zukunft die wissenschaftliche Beratung bezüg- lich der biologischen und ärztlichen Aspekte des Schutzes der Bevölke- rung vor den Gefahren durch ioni- sierende Strahlen vorrangig Beach- tung findet. Die für den Normalbe- trieb festgesetzten Grundprinzipien sind bei den zur Zeit in Betrieb be- findlichen Kernkraftwerken vorbild- lich eingehalten worden. Anderer- seits muß aber auch in Zukunft die technische Überwachung der Pla- nung, der Errichtung und des ge- samten Betriebes von Kernkraft- werken sichergestellt werden, um außergewöhnliche Störfälle zu ver- hüten. Darüber hinaus muß seitens der Bundesregierung alles getan werden, um Gefährdungen der Be- völkerung durch Sabotage oder sonstige außergewöhnliche Eingrif- fe vorzubeugen. Da es sich dabei vorwiegend um Fragen der technischen Kontrolle und werkspolizeilichen Vorkehrungen handelt, sieht der Wissenschaftli- che Beirat der Bundesärzte- kammer keine Veranlassung, auf diese Fragen näher einzugehen.

b) Der Ausschuß glaubt, daß zur Zeit kein Grund besteht, diesen ge- samten Fragenkomplex in einer be- sonderen Kommission der Bundes- ärztekammer weiter zu verfolgen, zumal die vorhandenen und neu gebildeten Beratungsgremien auf Grund ihrer qualifizierten Beset- zung erwarten lassen, daß alle den Strahlenschutz betreffenden ärztli- chen Fragen gebührend berück- sichtigt sind und durch sachkundi- ge Vertreter beurteilt werden.

c) Die Bundesärztekammer sollte aber, falls durch neue Tatsachen oder Erkenntnisse Gefahren sicht- bar werden, ein entsprechendes Beratungsgremium aus rein ärztli- cher Sicht einberufen. Dieses Gre- mium kann Anregungen geben und Maßnahmen zum Schutz der Bevöl- kerung vorschlagen.

d) Der Ausschuß glaubt, daß nicht zuletzt durch seine Aktivität und die offene Diskussion mit den Geg- nern der Kernenergienutzung so- wie den zuständigen Stellen das Bewußtsein um die Notwendigkeit der Vorsorge für den Schutz der Bevölkerung gefördert worden ist.

Der Ausschuß begrüßt alle An- strengungen, auch auf internatio- naler Ebene, wie zum Beispiel im UNSCEAR*"*)-Ausschuß der Ver- einten Nationen. Er begrüßt alle Anstrengungen zur Versachlichung der Kernenergiekontroverse und sachgerechten Information der Be- völkerung. Unter Berücksichtigung dieser Tatbestände und in der Hoffnung, daß auch in Zukunft ge- rade im Hinblick auf die techni- schen Überwachungen und Sicher- heitsmaßnahmen alles notwendige getan wird, bittet der Ausschuß die Bundesärztekammer, die weitere Entwicklung sorgfältig zu verfol- gen. Er empfiehlt ihr im übrigen, die vom Ausschuß erarbeiteten Grundsätze zu verabschieden und der Bundesregierung zuzuleiten.

Weiterhin empfiehlt er den Vorbe- halt, daß die Stellungnahme eine von unabhängigen Fachleuten und Wissenschaftlern nach bestem Wis- sen und Gewissen erarbeitete und verantwortete Studie, jedoch keine haftungsbegründende oder sonst rechtsverbindliche Begutachtung der behandelten Fragen sein kann.

Unter dieser Voraussetzung ist die Stellungnahme einer rechtlichen Überprüfung durch Herrn Dr. jur.

Klaus-Jürgen Günther, Marburg, unterzogen worden.

Abschließend und zusammenfas- send stellt der Ausschuß fest, daß die Strahlenbelastung der Bevölkerung bei dem Betrieb von Kernkraftwerken unter Normalbe- dingungen mit einem zu vernach- lässigenden Risiko verbunden ist, so daß weder im Hinblick auf das Schicksal des Einzelnen noch vom sozialhygienischen Standpunkt aus von einer Gefährdung gesprochen werden kann. •

***) Wissenschaftliche Kommission der Ver- einten Nationen zur Erforschung der Atomstrahlen

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Heft 41 vom 9. Oktober 1975 DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

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