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Archiv "Forschung in der Palliativmedizin: Förderung der Lebensqualität" (04.08.2014)

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A 1362 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 31–32

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4. August 2014

D

er konkrete wissenschaftliche Erkenntnisgewinn in der Pal- liativmedizin sieht sich, je konkreter es um Studien am Patienten und nicht „nur“ zum Beispiel um die Va- lidierung von Konzepten und Instru- menten geht, einer Vielzahl von ethischen und rechtlichen Einwän- den und Problemen ausgesetzt. „Da- her habe ich mich während meiner Präsidentschaft in der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin zusammen mit weiteren Vertretern unserer Fachgesellschaft mit Vor- standsmitgliedern des Arbeitskrei- ses medizinischer Ethikkommissio- nen getroffen, um uns über ethische und rechtliche Aspekte palliativme- dizinischer Forschung auszutau- schen. Selbstverständlich muss For- schung in der Palliativmedizin – wie in jedem anderen medizinischen Be- reich – sachlich und ethisch gerecht- fertigt sein. Spezielle rechtliche Re-

gelungen für schwerstkranke und sterbende Patienten in der For- schung brauchen wir aber nicht.

Sorgfalts- und Fürsorgepflichten sollten allgemeingültig sein,“ er- klärte Prof. Dr. med. Friedemann Nauck, Göttingen, in seinem Vor- trag auf der Sommertagung des Ar- beitskreises medizinischer Ethik- kommissionen Ende Juni in Berlin.

Evidenzbasierte Erkenntnisse Nauck bedauerte jedoch, dass diese Forschung bisher deutlich vernach- lässigt werde. „Wir brauchen evi- denzbasierte Erkenntnisse für Schmerztherapie und Symptomkon- trolle bei Palliativpatienten und müssen psychische Herausforderun- gen am Lebensende erkennen“, for- derte Nauck. „Eine besondere He- rausforderung in unserem Arbeitsbe- reich ist die Vielfalt der relevanten Themen und damit die daraus resul-

tierende Diversität der erforderli- chen Forschungsmethoden, für wel- che wir auch Forscher brauchen, die mit Methoden aus den Geisteswis- senschaften, aus der Soziologie, der Psychologie und anderen Diszipli- nen vertraut sind.“

Ein weiteres Problem, das sich bei der Forschung in der Palliativ- medizin stellt, ist die Rekrutierung einer ausreichenden Zahl an Studi- enteilnehmern. „Das heißt, es ist schwierig, im stationären Bereich genügend Patienten für Studien, die etwas mehr Zeit in Anspruch neh- men, zu finden. Multicenterstudien könnten Rekrutierungen erleichtern, sind aber deutlich ressourcen- und kostenintensiver“, so Nauck.

Prof. Dr. med. Michael Zenz, Bochum, konnte dies am Beispiel einer Untersuchung aus dem Jahr 2003 bestätigen: Von 107 Patienten, die theoretisch in eine Studie zum FORSCHUNG IN DER PALLIATIVMEDIZIN

Förderung der Lebensqualität

Palliativmediziner plädieren dafür, Studien mit Patienten am Lebensende

durchzuführen, denn auch deren Behandlung bedarf einer Entscheidungsgrundlage.

Zahlreiche Pallia- tivpatienten haben

Angst davor, nicht mehr kommunizie-

ren zu können.

Auch in diesem Be- reich besteht For- schungsbedarf.

Foto: John Cole/SPL/Agentur Focus

T H E M E N D E R Z E I T

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Deutsches Ärzteblatt

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4. August 2014 A 1363 sogenannten Todesrasseln hätten

eingeschlossen werden können, nahmen letztendlich nur zwölf Pa- tienten teil. „Eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes bis hin zum Versterben möglicher Proban- den beeinflusst häufig das Schick- sal von Studien in diesem Bereich“, bedauerte Zenz.

Randomisierte Studien

Weitere Probleme bestehen Nauck zufolge unter anderem in der Ge- fährdung der besonderen therapeu- tischen Wertigkeit der Arzt-Patien- ten-Beziehung im Kontext des Le- bensendes und in möglichen Ziel- konflikten zwischen Patient, Fami- lie, Therapeut und Wissenschaftler.

Außerdem zeige die Industrie häu- fig nur ein geringes Interesse, sich in diesem Bereich finanziell zu en- gagieren. Und nicht zuletzt bestün- de eine Schwierigkeit darin, dass etwa 30 Prozent der Palliativpatien- ten kognitiv eingeschränkt seien.

„Das bedeutet natürlich für die Ein- willigung und Aufklärung für die Teilnahme an Studien besondere Herausforderungen“, sagte Nauck.

Gerade in der Palliativversorgung könnten studienimmanente Belas- tungen, die durch aufwendige Ein- verständnisvoraussetzungen, durch Durchführung und Nachsorge von Studien entstehen, als unangemes- sen vor dem Hintergrund der letzten Lebensphase empfunden werden.

Dennoch hält er Forschung in der Palliativmedizin nicht nur für vertretbar, sondern sogar für erfor- derlich. Das Ziel der Palliativver- sorgung, Symptome zu lindern und die subjektiv empfundene Lebens- qualität von Patienten zu erhalten beziehungsweise zu verbessern, be- darf vielfältiger forschungsbasierter Erkenntnisse. Diese Meinung wird von Zenz geteilt. Er verwies unter anderem auf die bis heute geltende Stellungnahme der Zentralen Ethik- kommission der Bundesärztekam- mer „Zum Schutz nicht-einwilli- gungsfähiger Personen in der medi- zinischen Forschung“ aus dem Jahr 1997, in der es heißt: „Unterlässt man klinische Forschungsuntersu- chungen mit diesen Personen aller- dings ausnahmslos, dann verzichtet man bewusst auf Fortschritte in der

Erkennung und Behandlung ihrer Krankheit.“ Auch randomisierte Studien nach dem Arzneimittelge- setz hält Zenz für möglich, wenn nicht für geboten, „denn je weniger Medikamente verordnet werden, desto besser ist es für den Patien- ten“.

Nicht zuletzt gingen Nauck und Zenz auf die Diskussion über Tö- tung auf Verlangen und den ärztlich assistierten Suizid ein. „Eine Dis- kussion, die in Deutschland und Europa kontrovers geführt wird und in der wir uns engagieren müssen“, so Zenz. „Wir wissen aus verschie- denen Studien aus Belgien und den Niederlanden, dass die Zustim- mung von Patienten zu Euthanasie- maßnahmen nicht in allen Fällen gesichert ist, das heißt im Klartext, dass in solchen Fällen eine Tötung des Patienten nicht unter die Rege- lung der legalisierten Euthanasie fällt, nach der unbedingt die Zu- stimmung des Patienten zu dieser Maßnahme gegeben sein muss.“

Ansonsten handele es sich um ein strafbares Tötungsdelikt. In einer Studie aus Flandern (Belgien) wur- de festgestellt, dass in 32 Prozent der Fälle die sogenannte Euthanasie

ohne Einverständnis oder Wunsch des Patienten durchgeführt worden ist. „Angesichts der Zahlen, die in diesen Veröffentlichungen genannt werden, sind wir geradezu zur For- schung verpflichtet“, betonte Zenz.

Langzeitstudien erforderlich Nauck machte allerdings auch da- rauf aufmerksam, dass Studien in diesem Bereich methodisch auf- wendig durchzuführen wären. Sei- ner Ansicht nach müsste in Lang- zeitstudien den Fragen nachgegan- gen werden, wie man Palliativpa- tienten am besten begleitet, welche Gespräche hilfreich sind und wel- che Interventionen ihnen gut tun.

„Oft wissen wir ja, dass es nicht Schmerzen, Luftnot oder andere körperliche Symptome sind, die da- zu führen, dass schwerstkranke und sterbende Menschen nicht mehr le- ben wollen, sondern die Angst, in eine Situation zu kommen, in der man nicht mehr kommunizieren kann oder den Angehörigen zur

Last fällt.“

Gisela Klinkhammer

„An der Schwelle zur Regelversorgung muss der Zugang zur palliativmedizinischen Versorgung grundsätzlich allen Patienten mit lebensbedrohli- chen tumor- und nichttumorbedingten Erkrankun- gen offen stehen“, forderte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Prof.

Dr. med. Friedemann Nauck, in Düsseldorf. Dazu sei die „Etablierung eines verantwortlichen Pallia- tivbeauftragten in jedem Krankenhaus und in jeder Pflegeeinrichtung sowie der Aufbau von multiprofessionell arbeitenden Palliativdiensten in Krankenhäusern“ notwendig.

Außerdem sei dringend die spezialisierte ambulante Palliativversorgung flächendeckend in Pflegeeinrichtungen zu etablieren, um alte und/oder demenzerkrankte Menschen am Ende ihres Lebens ihren Bedürfnissen entsprechend behandeln und begleiten zu können. Prof. Dr.

med. Edmund Neugebauer, Vorsitzender des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung, betonte auf dem gemeinsamen Kongress der Fachgesellschaften für Versorgungsforschung und für Palliativmedizin: „Zentraler Prüfstein für

die Weiterentwicklung unseres Gesundheitssys- tems wird die Patientenorientierung werden.“

Patientenorientierung bedeute, dass die Struktu- ren, Prozesse und Ergebnisse des Systems der gesundheitlichen Versorgung auf die Interessen, Bedürfnisse und Wünsche des individuellen Pa- tienten ausgerichtet sein müssten. Die Deutsche Krebshilfe sieht die Politik in der Pflicht. „Gesund- heitspolitik und öffentliche Hand sind gefordert, sich noch stärker als bisher für die Medizin am Lebensende einzusetzen und Palliativmedizin flächendeckend umzusetzen“, forderte Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der gemein- nützigen Organisation.

Dr. med. Birgit Weihrauch, Staatsrätin a.D., berichtete, dass die „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“, deren Initiatoren und Träger die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, der Deutsche Hospiz- und Palliativverband und die Bundesärztekammer sind, zurzeit im Rahmen einer Nationalen Strategie mit Unterstützung der Politik systematisch umgesetzt würde. dpa/Kli

KONGRESS PALLIATIVMEDIZIN

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„5 Fragen an . . .“ mit Prof. Friedemann Nauck unter www.aerzteblatt.de/59460 oder über QR-Code

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