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Archiv "Pharmaindustrie: Das große Fressen" (20.06.2014)

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A 1150 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 25

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20. Juni 2014

PHARMAINDUSTRIE

Das große Fressen

Durch Fusionen wollen sich die großen Pharma - konzerne gegen den Umsatzrückgang stemmen.

I

n diesem Jahr wird es in der Pharmabranche weltweit Fusio- nen und Übernahmen mit einem Gesamtvolumen in Höhe von mehr als 265 Milliarden US-Dollar ge- ben. Das ist mehr als in den vergan- genen drei Jahren zusammen. Die- ses Szenario hat die Wirtschafts - prüfungsgesellschaft Ernst & Young (E & Y) in einer aktuellen Studie entworfen. Die Wirtschaftsprüfer ha- ben für ihre Untersuchung mit dem Titel „Die größten Pharmaunter- nehmen der Welt“ Kennzahlen der weltweit 20 umsatzstärksten Phar- maunternehmen analysiert.

Auslaufende Patente und pralle Kriegskassen

Ursache für die Fusionswelle ist der Margendruck: Im vergangenen Jahr ist der operative Gewinn der zehn größten Pharmaunternehmen der Welt um fünf Prozent auf knapp 85 Milliarden Euro gesunken. Der Umsatz schrumpfte um 2,1 Pro- zent auf knapp 240 Milliarden Euro. Bereits im Vorjahr waren die Umsätze um gut drei Prozent zu- rückgegangen – nur die Umsätze mit Blockbustern waren leicht ge- stiegen. Die Blockbuster-Umsätze machen inzwischen gut 57 Prozent des gesamten Umsatzes aus.

Den Pharmaunternehmen verha- geln auslaufende Patente und die Sparmaßnahmen vieler Regierun- gen die Bilanzen. In Deutschland zum Beispiel haben das Preismora- torium und ein Zwangsrabatt in Hö- he von 16 Prozent dazu geführt, dass die Umsätze der Pharmabran- che seit 2009 kaum noch gestie- gen sind. Dieses Jahr wurde der Zwangsrabatt allerdings auf sieben Prozent reduziert, infolgedessen prognostiziert IMS Health ein Um- satzplus von rund 6,5 Prozent.

„Die Kriegskassen in der Phar- mabranche sind gut gefüllt“, sagt Gerd Stürz, Partner bei E & Y sowie

Leiter des Bereichs Life Science.

Grund sei vor allem die gestiege- ne Marktkapitalisierung der Phar- maunternehmen. Allerdings: Da die Marktkapitalisierung der kleineren Pharmaunternehmen schneller stei- ge als die von „Big Pharma“, steige auch der Preis für potenzielle Über- nahmekandidaten, sagt Stürz: „Be- reinigt um die höheren Preise der Zielgesellschaften ist das relative Akquisitionspotenzial der großen Pharmafirmen im vergangenen Jahr sogar deutlich geschrumpft – um insgesamt mehr als 20 Prozent.“

Zunächst auf Eis liegt die ge- plante größte Fusion, die es in der Pharmabranche hätte geben kön- nen: Pfizer, das größte Pharmaun- ternehmen der Welt, wollte den bri- tischen Konkurrenten Astra-Zeneca übernehmen und hat dafür zuletzt 118 Milliarden US-Dollar geboten.

Zu diesem Preis haben die Briten einem Verkauf allerdings nicht zu- gestimmt. Nach britischem Recht kann der US-Konzern nun frühes- tens nach Ablauf eines halben Jah- res ein neues Angebot vorlegen.

Pfizer will durch die Übernahme Steuern sparen und Kosten senken.

Vom Tisch ist die Übernahme da- mit nicht: Der größte Investor bei Astra-Zeneca, Vermögensverwalter Blackrock, plädierte einem Bericht der „Financial Times“ zufolge für eine Rückkehr an den Verhand- lungstisch. Bis dahin gibt sich Leif Johansson, Verwaltungsratsvorsit- zender bei Astra-Zeneca, selbstbe- wusst. Er verkündete, sein Unter- nehmen werde auch ohne eine Fusi- on den Umsatz in den kommenden Jahren deutlich steigern können.

Seine Zuversicht gründet auf der Entwicklung neuer Medikamente.

In der Entwicklungspipeline befän- den sich einige mögliche Kassen- schlager, sagte Johansson.

Auch Politiker und Wissenschaft- ler hatten sich gegen die feindliche

Übernahme ausgesprochen. Denn bisher hat Pfizer nach geglückten Übernahmen stets den Rotstift an- gesetzt und viele Arbeitnehmer ent- lassen. Bei einer Fusion mit Astra Zeneca könnten Arbeitnehmer in den USA, Großbritannien und Schwe- den betroffen sein.

Pfizer steht wegen des Ablaufs des Patentschutzes für das Choles- terin-Medikament Lipitor und für das Potenzmittel Viagra unter Hand- lungszwang. Lipitor war einst das umsatzstärkste Medikament der Welt und lieferte in den besten Zeiten ei- nen jährlichen Umsatz von fast 13 Milliarden US-Dollar. Im ersten Quartal dieses Jahres summierte sich der Absatz auf nur noch 457 Millionen US-Dollar. Viagra büßte fast ein Fünftel ein.

Pfizer hat Erfahrungen mit Über- nahmen im großen Stil. 2002 kauf- te der US-Konzern für 60,7 Mil - liarden US-Dollar das schwedi- sche Unternehmen Pharmacia. 1999 übernahm Pfizer den US-Hygiene- konzern Warner Lambert in einer feindlichen Übernahme für knapp 89 Milliarden US-Dollar. Das ist bisher die bisher teuerste Übernah- me in der Pharmabranche. 2009 verleibte sich Pfizer dann für 65 Milliarden Euro Wyeth ein. Mit die- ser Übernahme ergänzte Pfizer sein Portfolio um Impfstoffe und Bio- technologie.

Attraktives Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln

Pfizer ist nicht das einzige Unter- nehmen auf Einkaufstour:

Anfang Mai kaufte Bayer dem US-Konzern Merck & Co für 10,4 Milliarden US-Dollar das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten ab.

Zuletzt hatte Bayer im Jahr 2006 mit der Übernahme von Schering zum Preis von 17 Milliarden Euro für Aufsehen gesorgt. Die Lever - kusener wollen die Übernahme des Merck-Geschäftsbereichs durch die Aufnahme von Schulden finan- zieren. „Diese Akquisition ist ein bedeutender Meilenstein auf unse- rem Weg zur angestrebten globalen Marktführerschaft im attraktiven Geschäft mit rezeptfreien Arznei- mitteln“, sagte Bayer-Chef Marijn Dekkers. Noch ist das US-Unter-

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20. Juni 2014 A 1151 nehmen Johnson & Johnson die

Nummer eins in diesem Segment.

Der Kauf muss noch von den Kar- tellbehörden genehmigt werden.

Bayer geht zudem eine strategische Pharmapartnerschaft mit Merck &

Co auf dem Gebiet sogenannter sGC-Modulatoren ein, die bei Herz- Kreislauf-Erkrankungen eine Rolle spielen. Merck & Co. will bis zu 1,5 Milliarden Euro an Bayer zah- len, unter anderem für die gemein- same Vermarktung von Produkten.

Bayer erzielte 2013 im Segment re- zeptfreier Medikamente mit Präpa- raten wie Aspirin, Alka Seltzer und Rennie einen Umsatz von 3,9 Milli- arden Euro. Merck generierte im gleichen Zeitraum mit freiverkäuf- lichen Produkten rund 1,9 Milliar- den US-Dollar Umsatz. Das Ge- schäft mit rezeptfreien Präparaten liefert in der Regel stabile Einnah- men. Vor zehn Jahren hatte Bayer bereits die Sparte freiverkäuflicher Produkte vom Schweizer Konzern Roche übernommen.

Auch Novartis-Chef Joe Jimenez sprach sich öffentlich für Zukäufe aus. Er will die drei Geschäftsberei- che Pharma, Augenheilmittel und Generika stärken. Dafür sei ein Budget von bis zu fünf Milliarden US-Dollar vorgesehen.

Der kanadische Pharmakonzern Valeant schließlich arbeitet zurzeit

an der feindlichen Übernahme des Botox-Herstellers Allergan. Beide Unternehmen sind auf Haut- und Augenmedizin spezialisiert. Zuletzt hatte Valeant-Chef Mike Pearson sein Angebot auf 53,8 Milliarden US-Dollar erhöht. Ian Ackman, Hedge-Fonds-Chef und Großaktio- när bei Allergan, möchte die Über- nahme ebenfalls durchsetzen. Bis- her hat der Allergan-Vorstand die Angebote allerdings abgelehnt.

Nicht alle Übernahmen erweisen sich als erfolgreich

Nicht immer bringen teure Über- nahmen den erhofften Erfolg. „Bis heute erreichen 50 bis 60 Pro- zent aller M & A-Transaktionen ih- re Ziele nicht. Überhöhte Kaufprei- se sind ein immer wiederkehrender Grund der Misserfolge“, sagt Samy Walleyo, Partner bei E & Y. Min- destens das gleiche Gewicht habe eine weitere Ursache: die unzuläng- liche oder gänzlich fehlgeschlagene Integration der zusammengeführten Unternehmen. Stiefkinder bei Inte- grationsprozessen seien häufig die ganz normalen Abläufe in den Back Offices, etwa in der Informations- technik (IT), im Rechnungswesen oder im Personalmanagement. „Ob es darum geht, Auftragsabwick- lungs- oder Bestellprozesse anzu- gleichen oder die technischen Un-

terlagen der Unternehmen zu ver- einheitlichen: Die Knochenarbeit nach dem Deal liegt nur selten im Blickfeld der Konzernarchitekten“, erklärt Walleyo. Damit eine Fusion funktioniert, sollte frühzeitig ge- prüft werden, ob das zugekaufte Unternehmen sehr genau in die künftige strategische Ausrichtung des übernehmenden Unternehmens passe. Genau so wichtig für das Ge- lingen einer Übernahme sei es, den Integrationsprozess wirklich pro- fessionell zu managen. „Das heißt:

Früh genug anfangen, genug Bud- get einplanen und geeignete Füh- rungskräfte und Mitarbeiter damit beauftragen, den Integrationspro- zess voranzutreiben“, sagt Walleyo.

Der Pharmamarkt bleibt ein gi- gantischer Wachstumsmarkt. In die- sem Jahr werden die Ausgaben für Arzneimittel weltweit zum ersten Mal die Grenze von einer Billion US-Dollar überschreiten, prognos- tiziert das Marktforschungsunter- nehmen IMS Health. Die Wachs- tumsmärkte der Zukunft sehen die Experten von IMS Health in Chi- na, Brasilien, Indien, in der Türkei sowie in weiteren aufstrebenden Schwellenländern, in denen schritt- weise Krankenversicherungssyste- me aufgebaut werden. Diese Län- der würden bis zum Jahr 2017 rund zwei Drittel der Umsatzzuwächse liefern und einen Anteil von rund 35 Prozent am globalen Pharma- markt haben. Der chinesische Markt werde sich innerhalb der nächsten drei Jahre auf 160 bis 190 Milliar- den US-Dollar verdoppeln.

Die Pharmabranche setzt nicht nur auf Zukäufe, sondern auch auf Wachstum aus eigener Kraft. Das zeigen die weiterhin hohen Ausga- ben für Forschung und Entwick- lung. Sie lagen 2013 gemessen am Gesamtpharmaumsatz bei rund 19 Prozent, zeigt die E & Y-Studie. Der Fokus der Forscher liegt auf der Krebstherapie, im Speziellen auf der Immuntherapie. Dadurch soll die eigene Körperabwehr aktiviert werden mit dem Ziel, die Tumor- zellen zu töten. Medikamente zur Krebstherapie sind in den vergan- genen Jahren zum größten Markt-

segment geworden.

Petra Prenzel GRAFIK

Pharmaumsatz in Millionen Euro (zu jeweiligen Wechselkursen)

Pfizer Roche Merck & Co. Inc.

Sanofi Novartis GlaxoSmithKline plc Johnson & Johnson AstraZeneca plc Eli Lilly and Co AbbVie Inc.

Amgen Inc.

Bristol-Myers Takeda Pharmaceutical Novo Nordisk Bayer

5 000 10 000 15 000 20 000 25 000 30 000 35 000 40 000

39 855 30 717 31 596 28 893 26 028 26 217 19 728 21 769 16 005 14 303 13 436 13 713 13 176 10 479 10 798

36 062 30 884 28 198 26 662 25 305 25 113 21 184 19 366 15 788 14 153 14 067 12 341 11 508 11 207 11 188

Quelle: Ernst & Young

2013 2012

W I R T S C H A F T

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