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Ängste bei Herzerkrankungen

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Academic year: 2022

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Ängste bei

Herzerkrankungen

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von

Nadine Uhrigshardt aus Hameln

Hannover 2006

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Präsident: Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann Betreuer: Prof. Dr. phil. Uwe Tewes

Referent: Prof.´in Dr. med. Ulla Walter

Korreferentin: Prof.´in Dr. med. Mechthild Neises Tag der mündlichen Prüfung: 19.07.2006

Promotionsausschussmitglieder: Prof. Dr. Matthias Schönermark Prof.´in Dr. Brigitte Lohff Prof. Dr. Andreas Frewer

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meinen Eltern

in Liebe und Dankbarkeit

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Inhaltsverzeichnis

1. Einführung ... 1

1.1. Fragestellung... 1

1.2. Theoretische Grundlagen... 3

1.2.1. Psychologische Grundlagen der Angst ... 3

1.2.2. Physiologische Grundlagen der Angst... 5

1.2.3. Angst und Herzerkrankungen ... 6

1.3. Untersuchungsziel... 8

1.4. Probleme bei der Erhebung... 9

2. Material und Methoden... 11

2.1. Beschreibungen des Fragebogens... 11

2.2. Beschreibungen der Stichprobe ... 12

2.2.1. Alter- und Geschlecht ... 12

2.2.2. Bildungsabschluss... 15

2.2.3. Berufstätigkeit... 16

2.2.4. Lebenssituation ... 18

2.2.5. Kindheit ... 19

2.3. Anlass der Behandlung ... 22

2.4. Vorherige Wahrnehmung ... 23

2.5. Intensivstation... 24

2.6. Vorherige Behandlung... 25

3. Ergebnisse... 26

4. Diskussion ... 27

5. Zusammenfassung ... 27

(5)

7. Anhang... 27

7.1. Patientenfragebogen... 27

7.2. Danksagung ... 27

7.3. Lebenslauf... 27

7.4. Erklärung ... 27

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1. Einführung

1.1. Fragestellung

Die Frage, wie Personen mit Ängsten umgehen, hat in der Psychologie und der Medizin im letzten Jahrzehnt außerordentliche Aufmerksamkeit erfahren. Angst und Angstverarbeitung können bei Entstehung und Verlauf von Krankheiten auf verschiedenen Ebenen eine mehr oder weniger zentrale Rolle spielen. Nach HEIM und PERREZ (1994) können Ängste Ursache oder Auslöser von Krankheiten sein, wie es in der Stress- und Live Event Forschung eindrücklich unter Beweis gestellt worden ist.

Ebenso ist die krankmachende Wirkung von objektiven Belastungsbedingungen mitabhängig von der Art und Weise, wie Personen mit Ängsten umgehen. Krankheiten selber stellen normalerweise mehr oder weniger gravierende Belastungen dar, von deren Bewältigung die Lebensqualität und auch der Krankheitsverlauf mit beeinflusst werden.

Ängste und Erregungen die sich dauerhaft wiederholen können durch zu häufige Ausschüttungen von Stresshormonen unter Umständen zu Herzerkrankungen führen.

Das subjektive Belastungserleben wird aber nicht nur durch objektive Merkmale von Stressoren, sondern auch durch die subjektive Interpretation dieser beeinflusst.

Herz-Kreislauf Erkrankungen machen fast die Hälfte aller Todesursachen in Deutschland aus (laut Statistischem Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland, Stand Sterbefälle 2001, insgesamt 47,3%, davon 41,8% Männer und 52,0 Frauen). Als Risikofaktor gilt das männliche Geschlecht; trotzdem ist der prozentuale Anteil hier bei den Frauen höher, da Männer unter anderem auch eine höhere Rate an nicht natürlichen Sterbefällen aufweisen (5,6% im Gegensatz zu 2,9% bei den Frauen) und häufiger Erkrankungen der Atmungsorgane aufweisen, die schließlich zum Tode führen. Zudem sind Frauen im Schnitt erst etwa 10 Jahre später von Herz-Kreislauf Erkrankungen betroffen.

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Dem Statistischen Jahrbuch zufolge waren von ischämischen Herzerkrankungen (darunter fällt der akute sowie der rezidivierende Herzinfarkt) von den 65-75 jährigen Männern 22.239 betroffen, bei den Frauen waren es nur die Hälfte (10.496). Dagegen sind in der Altersklasse der über 75 jährigen 39.940 Männer und 72.934 Frauen, also doppelt so viele, betroffen.

Angst zu messen ist schwierig, denn nach dem Vorschulalter wird sie zu Privatangelegenheit (SARASON, 1966). Außerdem werden durch erlernte Abwehrmechanismen intensive Angsterlebnisse seltener. Deshalb ist es wichtig, reliable, objektive und valide Angstmessinstrumente zu entwickeln und durch häufige Anwendung zu überprüfen und zu verbessern. Nur so können pathologische Formen der Angst erkannt werden. Um Angst zu beschreiben und zu erklären, werden operationale Definitionen verwendet, im Sinne von eindeutigen Zuordnungen definierter Verhaltensweisen, zu bestimmten psychischen Sachverhalten. Sollen subjektive Erfahrungen kontrollierbar werden, muss man viele operationale Beschreibungen der Angst vorlegen. Bedingungen werden spezifiziert, unter denen diese Verhaltensweisen auftreten. Es wird versucht, Situationen in denen Angst analysiert werden soll, zu standardisieren und darauf aufbauend eindeutige Beziehungen zwischen Variablen aufzustellen. Auf diese Weise sollen neue Zusammenhänge aufgewiesen werden, damit in Laufe der Zeit das Konstrukt Angst durch immer mehr empirische Indikatoren repräsentiert werden kann (ROTT, 2000).

Die vorliegende Untersuchung soll dazu einen Beitrag liefern, indem durch Selbsteinschätzung von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen überprüft wird, wie stark sie sich durch das Krankheitsereignis belastet gefühlt haben und unter welchen Ängsten sie schon vor der Erkrankung gelitten haben.

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1.2. Theoretische Grundlagen

1.2.1. Psychologische Grundlagen der Angst

Das Konstrukt Angst wurde im Laufe der Zeit immer wieder modifiziert und erweitert.

Bis zu Beginn dieses Jahrhunderts wurden wissenschaftliche Theorien zum Ursprung und der Charakterisierung von Angst im Wesentlichen von Philosophen aufgestellt. Als große Richtungen der Angsttheorien lassen sich die Triebtheorien Freuds, bahavioristische Ansätze und kognitive Theorien unterscheiden (TRAXL, 1997).

Um Angst untersuchen zu können, muss man sie zunächst definieren. Der Begriff Angst lässt sich aus dem Lateinischen von „eng“, „beengend“ ableiten (MENGE und GÜTHLING, 1965). Er beschreibt ein mit Beengung, Erregung oder Verzweiflung verknüpftes Lebensgefühl, dessen besonderes Kennzeichen die Aufhebung der willens- und verstandesgemäßen Steuerung der Persönlichkeit darstellt (DORSCH, 1987).

HACKFORT (1985, S.19) postulierte: „Angst ist eine kognitive, emotionale und körperliche Reaktion auf eine Gefahrensituation bzw. auf die Erwartung einer Gefahren- oder Bedrohungsreaktion. Also kognitive Merkmale sind subjektive Bewertungsprozesse und auf die eigene Person bezogene Gedanken anzuführen, (…).

Emotionales Merkmal ist die als unangenehm erlebte Erregung, die sich auch in physiologischen Veränderungen manifestiert und mit Verhaltensänderungen einhergehen kann“. Der konstruktive, beschützende Aspekt der Angst besteht nach der Signaltheorie von FREUD (1948) darin, Angst als ein Alarmsignal in bedrohenden Situationen zu bewerten, die den Körper zu einer entsprechenden Reaktion wie Flucht, Angriff oder Triebunterdrückung befähigt. SPIELBERGER (1966) unterscheidet zwischen Zustandsangst („anxiety-state“) und Angst als Wesenszug („anxiety-trait“).

Zustandsangs bezieht sich auf eine Angst auslösende Situation und ist zeitlich auf diese begrenzt. Sie ist von kurzer Dauer, wird aber als sehr intensiv erlebt. Diese Zustandsangst wird bei THURNER und TEWES (2000) weiter unterteilt in eine prospektive, so genannte Erwartungsangst, also die Angst vor einem bevorstehenden

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Ereignis, und eine retrospektive Angst, welche eine nach einer angstinduzierten Situation rückblickend in Erinnerung erlebte Angst beschreibt. Hingegen wird die Angst als Wesenszug, die so genannte Eigenschaftsangst, als weniger stark empfunden, ihre Dauer lässt sich jedoch nicht zeitlich begrenzen. Sie wird durch die Anzahl der Angstauslösenden Situationen bestimmt. Angst als Persönlichkeitsmerkmal gibt die Disposition einer Person an, auf Situationen mit angstbetontem Verhalten zu reagieren.

Der Auslöser für diese Ängstlichkeit muss objektiv betrachtet nicht einmal als bedrohlich erscheinen. Die Angstneigung ist ein erworbenes Persönlichkeitsmerkmal (SÖRENSEN, 1996). Sie stellt den Grad der Angstbereitschaft dar, die in erster Linie auf den Druck von Antreibern und Bedürfnissen und auf deren inneren Konflikt zurückzuführen ist (THURNER und TEWES, 2000). SPIELBERGER (1966, 1972) beschreibt den Zusammenhang zwischen diesen beiden Angstformen wie folgt: Das Ausmaß der Reaktion von Personen auf Angst stimulierende Situationen hängt von der allgemeinen Arbeitsbereitschaft, also der Angst als Wesenszug, ab. Je größer die Angstbereitschaft ist, desto intensiver ist die Zustandsangst in Stresssituationen. In neutralen Situationen besteht kein Unterschied zwischen Personen mit hoher und niedriger allgemeiner Ängstlichkeit.

Ängstlichkeit ist eine über längere Zeit konstant ausgeprägte Persönlichkeitseigenschaft.

Ursprünglich gedacht als eine anlagebedingte und erworbene Disposition, die in Wechselwirkung mit Umweltfaktoren bedingt, mit welcher Intensität eine Person Angst erlebt. Sie ist keine ganzheitliche Eigenschaft, sondern vielmehr eine Gruppierung miteinander verknüpfter Komponenten (ROTT, 2000).

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1.2.2. Physiologische Grundlagen der Angst

Angst wird sowohl subjektiv erlebt, als auch durch eine Veränderung im Verhalten zum Ausdruck gebracht. Ebenso manifestiert sie sich auch auf physiologisch messbarer Ebene, wie z.B. Anstieg der Herz- und Atemfrequenz, Blutdruckerhöhung, einer erhöhten Katecholaminausschüttung, Zittern, Erblassen oder Erröten, Schweißausbrüche, Magenbeschwerden, Harndrang usw. (GLANZMANN, 1989).

Diese Anzeichen der Angst lassen sich z.B. durch Messung des galvanischen Hautwiderstandes, der Atem- und Herzfrequenz oder des Muskeltonus dokumentieren.

Außerdem können Blut oder Speichel auf durch Stress ausgestoßene Substanzen (Cortisol, IgA) untersucht werden.

Emotionale Reaktionen bringen also immer auch physiologische mit sich. Die physiologischen Begleiterscheinungen werden zumeist autonom über das sympathische und/oder parasympathische Nervensystem gesteuert. Die Entstehung von Angstreaktionen findet hierbei vor allem im Limbischen System statt (SCHEDLOWSKI, 1996). Trotzdem bleibt die Diagnostizierbarkeit von Ängsten durch Fremdbeobachtung schwierig. Zum einen liegt es in unserer Kultur, Angst als etwas Persönliches, Intimes zu sehen, das vor Beobachtung von Außen geschützt werden muss, zum anderen entwickeln wir im Laufe unseres Lebens Strategien um mit Angstauslösenden Situationen umzugehen. Es werden dabei sowohl von außen kommende Gefahrenreize als auch Treibwünsche mit erlernten Abwehrmechanismen gemildert.

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1.2.3. Angst und Herzerkrankungen

Kardiovaskuläre Erkrankungen, insbesondere im Rahmen der koronaren Herzerkrankung und ihre Folgeerkrankungen, zählen zu den häufigsten Erkrankungen in den westlichen Industrieländern. Darüber hinaus nehmen diese Erkrankungen neben den Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates und den Tumorerkrankungen eine Spitzenposition hinsichtlich der gesundheits- und versorgungspolitischen Relevanz in Deutschland ein (FRANZ, 1998; HÄRTEL, 2000; VDR, 2000). Die Entwicklung der koronaren Herzerkrankung und ihre Folgen wird mittels eines multifaktoriellen pathogenetischen Modells erklärt, wonach das Vorliegen von kardiovaskulären Risikofaktoren über pathologische Prozesse die Entstehung einer Arteriosklerose in den Gefäßwänden fördert (FRANZ, 1998; SCHMIDT, ADLER, LANGOSCH, RASSECK, 1996). Zu den klassischen Risikofaktoren gehören neben Lebensalter, männlichem Geschlecht (wobei die Frauen in den letzten Jahren immer mehr aufgeholt haben) und genetischer Disposition ein ungünstiges Lipidprofil, Zigarettenkonsum, Hypertonie, mangelnde Bewegung, Thrombophilie und die Elemente des metabolischen Syndroms.

Allerdings können diese „Standardrisikofaktoren“ nur etwa die Hälfte der Varianz der Inzidenz der koronaren Herzerkrankung aufklären (HÄRTER und BENGEL, 2002).

Der Beginn einer klinisch auffälligen Herzerkrankung stellt für die betroffene Person einen stark Angstauslösenden Faktor dar. Ein akutes Herzversagen, pektanginöse Beschwerden oder Rhythmusstörungen lösen massive Angstgefühle aus. Häufig stehen sie im Zusammenhang mit der Angst vor erneuten Herzattacken, Behinderung und/oder plötzlichem Herztod (LEVENSON, 1993). Körperlich verstärkt wird diese Angsterfahrung (ähnlich einer Panikattacke) zudem meist durch plötzliche autonom- nervöse und physiologische Begleiterscheinungen wie z.B. Atemnot, Schweißausbrüche, Nausea etc. Ein akut erlebter Myocardinfarkt beispielsweise stellt eine Situation extremer vitaler Bedrohung dar, die zudem meist noch völlig überraschend, also ohne ersichtliche Prodromi, für den Patienten auftritt. Im Regelfall sind sich die Patienten der Implikation dieses Ereignisses voll bewusst, es besteht eine

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außergewöhnliche Bedrohung, die nicht ohne die Mobilisierung psychischer Mechanismen bewältigt werden kann. In solchen Situationen sind erhebliche Anpassungsleistungen des betroffenen Patienten von Nöten, um mit der Erkrankung umgehen zu können (LADWIG, 2001).

In einer Studie von THAYER (2000) wird sogar die Frage gestellt, ob Angst eine Herzerkrankung ist. Dies zeigt, wie wichtig es ist, die Zusammenhänge zwischen Ängsten und Herzfunktionsstörungen weiter zu untersuchen. Ängstliche und depressive Symptome stehen darüber hinaus oft in Verbindung mit Brustschmerz und Tachycardie bei Personen, die nachweislich nicht an einer organischen Herzerkrankung leiden. Bei Patienten mit thorakalen und kardialen Beschwerden, aber ausgeschlossener Evidenz für eine kardiale Erkrankung, wurde immer wieder eine relativ hohe Präsenz psychischer Auffälligkeiten beobachtet (KATON et al., 1995).

Sucht man in den Krankenakten von Patienten mit schweren Herz-Kreislauf- Erkrankungen nach einem Vermerk über ihre Ängste, wird man nur selten fündig. Stößt man doch auf einen Eintrag, handelt es sich zumeist um eine pauschale Feststellung, der Patient sei „ängstlich“. Auf dieses Wahrnehmungs- bzw. Dokumentationsdefizit von Patientenängsten macht eine Studie von O`BRIEN et al. (2001) aufmerksam. Außerdem stellte sich heraus, es durchaus größere Differenzen zwischen den Selbstauskünften der Patienten und den Fremdeinschätzungen durch Ärzte und das Pflegepersonal gab. Umso wichtiger erscheint die Aufgabe, auch weiterhin in diesen Bereichen wissenschaftlich tätig zu sein.

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1.3. Untersuchungsziel

Bei der Untersuchung handelt es sich um eine Fragebogenerhebung im Rahmen der Stressforschung. Das in der Medizinischen Psychologie der Medizinischen Hochschule Hannover entwickelte Erhebungsinstrument befasst sich mit Angstreaktionen auf schwere Herz-Kreislauferkrankungen und überprüft, in wieweit diese Ängste durch persönliche Faktoren mitbestimmt sind.

Insgesamt nahmen 814 Patienten aus sechs verschiedenen Kliniken (Klinik Lauterbacher Mühle, Klinik Höhenried, Klinik Königfeld, Curschmann Klinik, LVA Westfalen und Schüchtermann Klinik) an der Studie teil. Der Test erfasst sowohl die generelle Angstbereitschaft, als auch Aspekte der Dynamik der Angstverarbeitung vor und nach belastenden Situationen. Die Untersuchung diente der Prüfung folgender Fragen.

• Wie ängstlich waren die Patienten?

• Wie groß waren die Beziehungs- und Leistungsängste vor der Erkrankung?

• Welche Ängste traten durch die Erkrankung auf?

• Wie häufig wurden welche emotionalen Reaktionen an sich selbst beobachtet?

• Welche Strategien wurden zur Angstbewältigung eingesetzt

• Misst der Test unterschiedliche Anteile der Angst (Ängstlichkeit, prospektive und retrospektive Zustandsangst), ist er also valide?

• Welchen Einfluss haben Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf und die persönliche Lebenssituation auf die zu untersuchende Situation?

• Welche Zusammenhänge bestehen zwischen den Ängsten?

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1.4. Probleme bei der Erhebung

Leider ist es immer wieder vorgekommen, dass der Fragebogen nicht vollständig ausgefüllt wurde. Ob dies nun auf die Länge des Bogens zurückzuführen ist, oder ob bei den Patienten Ungewissheit seitens der Anonymität bestand, lässt sich im Nachhinein nicht mehr eruieren.

Bei der Eingabe der Ergebnisse wurden nicht beantwortete Teile des Bogens nicht mit berücksichtigt. Des Weiteren wurde bei der Frage: „Waren Sie vor diesem Ereignis auch schon wegen ähnlicher gesundheitlicher Probleme in Behandlung?“ (siehe Anhang Patientenfragebogen) die Unterfrage: „Wenn ja, wie häufig?“ bei der Datenauswertung nicht mit berücksichtigt. Das liegt daran, dass sich diese Frage nicht standardisieren lässt, es war also nicht möglich, eine Codierung vorzunehmen und die Frage entsprechend auszuwerten, da die Antworten sehr von einander abwichen. Zum Beispiel wurde geschrieben: „oft“, „häufig“, „mehrmals“, „schon immer“. Die wenigsten Patienten beschränkten sich auf Monats- oder Jahresangaben, noch weniger teilten absolute Zahle („4 mal“) mit.

Ein weiteres Problem ergab sich mit der letzten Frage des Bogens „Welche Medikamente nehmen Sie zur Zeit?“. Die wenigsten Patienten wussten welche Medikamente sie einnahmen („eine rote und eine blaue“, „2 Tabletten“), manche konnten immerhin den Handelsnahmen angeben. Allerdings zielte diese Frage ursprünglich auf die Erfassung solcher Medikamente ab, die bei psychischen Problemen verabreicht werden. Die angegebenen Medikamente waren allerdings alle im Bereich der Standardtherapie nach Herzerkrankungen (ACE-Hemmer, ß-Blocker, Antikoagulantien, Nitrate, Statine usw.) anzusiedeln. So wurde auch diese Frage bei der Datenauswertung nicht berücksichtigt.

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Bei der Frage nach dem höchsten Schulabschluss wurde - außer in den Bögen der Klinik Lauterbacher Mühle - überdurchschnittlich häufig die Hauptschule angekreuzt.

Das mag daran liegen, dass diese Klinik überwiegend Privatpatienten aus elitären Kreisen aufnimmt, die sich in anderen Bildungsebenen bewegen als Patienten aus anderen Kliniken. Da die Klinik Lauterbacher Mühle aber Mitinitiator dieser Erhebung ist, stammt ein Großteil der Bögen aus diesem Zweig, was bei der Auswertung der Daten natürlich mitberücksichtigt werden muss.

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2. Material und Methoden

2.1. Beschreibungen des Fragebogens

Die Patientenbefragung im Rahmen der Stressforschung erfolgte mittels eines von Ortrud Grön (Klinik Lauterbacher Mühle) und Uwe Tewes (Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung Medizinische Psychologie) entwickelten Tests zur Erfassung von Angstreaktionen auf schwere Erkrankungen des Herz-Kreislauf Systems.

Erfasst wurden Beziehungs- und Leistungsängste vor der Erkrankung, sowie Ängste und andere emotionale Reaktionen, die nach der die Erkrankung aufgetreten sind. Die Antwortmöglichkeiten (0 = nie, 1 = gelegentlich, 2 = häufig, 3 = regelmäßig) waren für alle Bereiche des Fragebogens gleich. Zusätzlich erfasst wurden das Alter in Jahren, das Geschlecht, der höchste Schulabschluss, die Berufstätigkeit, die Lebenssituation (allein / mit Partner lebend), die Kindheit (mit einem / beiden Elternteilen aufgewachsen), die Anzahl der älteren und jüngeren Geschwister, der Anlass der Behandlung, die vorherige Wahrnehmung, die eventuelle Behandlung auf der Intensivstation, die vorherige Behandlung und deren Häufigkeit, sowie die derzeitige Medikamenten Einnahme.

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2.2. Beschreibungen der Stichprobe

2.2.1. Alter- und Geschlecht

An der vorliegenden Studie nahmen insgesamt 814 Patienten im Alter zwischen 20 und 87 Jahren teil. Davon waren 634 männlichen (entspricht 78%) und 180 weiblichen (entspricht 22%) Geschlechts (siehe Abbildung 1).

634 180

männlich weiblich

Abbildung 1: Geschlechterverteilung

(18)

Das Alter variierte 20 bis 87 Jahren. Abbildung 2 zeigt die in sieben Untergruppen aufgeschlüsselte Altersverteilung.

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180

Anzahl der Patienten

unter 50 Jahre

50 - 54 Jahre

55 - 59 Jahre

60 - 64 Jahre

65 - 69 Jahre

70 - 74 Jahre

75 und älter

Abbildung 2: Altersverteilung

Zunächst wurde geprüft, ob und in wieweit die männlichen und weiblichen Patienten im Hinblick auf ihr Lebensalter vergleichbar sind, oder ob signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen. Der Mittelwertsvergleich ergab für die Frauen ein mittleres Lebensalter von 61,7 Jahren (Standardabweichung = 11,8) und für die Männer ein mittleres Lebensalter von 59,1 Jahren (Standardabweichung = 10,8). Der Unterschied zwischen diesen beiden Stichproben wurde mit Hilfe des t-Tests auf Signifikanz überprüft und ergab mit t = -2,74; df = 7,90; p = .006 eine hochsignifikante Differenz. Daraus lässt sich schließen, dass die Frauen im Durchschnitt etwas älter waren als die Männer, unter biologischen, bzw. medizinischen Gesichtspunkten kann dazu jedoch angemerkt werden, dass die Altersdifferenz von zwei Jahren wenig aussagekräftig ist und sich allenfalls als statistische Signifikanz niederschlägt, die aber letztlich bei der Interpretation der Befunde nicht erforderlich macht, dass man diese statistische Beziehung zwischen Alter und Geschlecht mit berücksichtigt.

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Als nächstes wurde geprüft in wieweit Männer und Frauen sich im Hinblick auf die weiteren Kriteriumsvariablen die erhoben wurden unterscheiden, wie beispielsweise die Schulbildung, Berufstätigkeit oder soziobiografische Angaben. Da es sich in diesem Fall im Gegensatz zum Lebensalter nicht um kontinuierliche Variablen sondern um Originalwerte oder Nominalwerte handelt, können hier keine Mittelwertsvergleiche vorgenommen werden, vielmehr wurden die Analysen mit Hilfe von Kreuztabellen durchgeführt.

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2.2.2. Bildungsabschluss

Angegeben wurde der höchste erreichte Schulabschluss (Hauptschule, Realschule, Gymnasium oder Studium), aufgeteilt nach Männern und Frauen. Abbildung 3 beschreibt die relativen Häufigkeiten der Bildungsabschlüsse getrennt nach Männern und Frauen.

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

%

Hauptschule Realschule Gymnasium Studium

männlich weiblich

Abbildung 3: Bildungsabschluss

Die Bildungsunterschiede für die absoluten Werte für die Männer und Frauen erwiesen sich als hochsignifikant (Chi-Quadrat = 20,2; df = 3; p = .000). Der Unterschied kommt vor allem dadurch zustande, dass relativ mehr Frauen einen Realschulabschluss haben als Männer (26% der Frauen und 18% der Männer), und relativ mehr Männer studiert haben als Frauen (34% der Männer und 18% der Frauen). Bei der Hauptschule ergaben sich keine besonders großen Unterschiede (40% der Männer und 43% der Frauen haben einen Realschulabschluss). Dieses Ergebnis lässt sich zum Teil auch dadurch erklären, dass einige Privatkliniken an der Umfrage teilnahmen, unter deren Patientenklientel sich viele Mensche aus sozial höher gestellten Schichten befinden.

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2.2.3. Berufstätigkeit

Erfragt wurde die derzeitige Berufssituation (Angestellte/r, Beamte/r, Selbständige/r, Hausfrau, Pensionär/in oder Sonstiges). Die Auswertung erfolgte auch hier aufgeteilt nach Männern und Frauen, sowohl in absoluten Zahlen als auch in Prozentzahlen. Diese Abgaben wurden ebenfalls mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests auf Signifikanz überprüft und erwiesen sich ebenfalls als hochsignifikant (Chi-Quadrat = 165,5; df = 5; p = .000), siehe auch Abbildung 4.

0 5 10 15 20 25 30 35

%

Angestellter Beamter Selbständig Hausfrau Pensionär Sonstige

männlich weiblich

Abbildung 4: Berufstätigkeit

Dieser Unterschied entwickelt sich vor allem dadurch, dass relativ mehr Männer als Beamte (13% der Männer und nur 6% der Frauen) oder Selbständig (19% der Männer und 6% der Frauen) tätig sind als Frauen, und relativ mehr Frauen (24%) einer hausfraulichen Tätigkeit nachgehen.

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Bei den Angestellten und den Pensionären ergaben sich keine besonders großen Unterschiede (30% der Männer und 23% der Frauen befanden sich in einem Angestelltenverhältnis, 33% der Männer und 34% der Frauen befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung in Pension). Allerdings ist dieses Ergebnis nicht weiter überraschend, da davon ausgegangen werden kann, dass die Berufstätigkeit mit dem Schulabschluss kovariiert.

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2.2.4. Lebenssituation

Bei der Erfassung der derzeitigen Lebenssituation (allein oder mit Partner lebend) wurden die Ergebnisse ebenfalls nach Männern und Frauen unterteilt. Deutlich zeigte sich, dass eine absolute Mehrheit mit rund 80% derzeit mit einem Partner zusammen leben. Nur 158 Patienten sind (gegenüber 643 in Partnerschaft lebenden Patienten) allein stehend. Dabei zeigte sich, dass Frauen prozentual häufiger allein leben als Männer, 27% der Frauen und nur 18% der Männer leben ohne einen Partner, 82% der Männer und 73% der Frauen befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung in einer Partnerschaft (siehe Abbildung 5).

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

%

allein lebend mit Partner

männlich weiblich

Abbildung 5: Lebenssituation

Die Lebenssituationen zwischen den Geschlechtern erwiesen sich als hochsignifikant (Chi-Quadrat = 7,5; df = 1; p = .006). Das wirft die Frage auf, inwieweit Beziehungen stabilisierend wirken können, oder ob grade allein stehende Menschen besser mit ihrer Erkrankung umgehen können.

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2.2.5. Kindheit

Zur Erfassung der Bindungserfahrungen wurde nach der Größe der Herkunftsfamilie gefragt, sowie danach, ob der Patient nur mit einem oder mit beiden Elternteilen aufwuchs. Die Familiengröße wird durch die Abbildung 6-8 veranschaulicht. Abbildung 6 zeigt zunächst die Anzahl der Kinder in der Herkunftsfamilie:

0 5 10 15 20 25 30 35

%

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Anzahl der Kinder in der Herkunftsfamilie

Abbildung 6: Kinderanzahl in der Herkunftsfamilie

(25)

In Abbildung 7 wird die Anzahl der älteren Geschwister, in Abbildung 8 die der jüngeren Geschwister veranschaulicht.

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

%

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Anzahl der älteren Geschwister

Abbildung 7: Ältere Geschwister

0 10 20 30 40 50 60

%

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Anzahl der jüngeren Geschwister

Abbildung 8: Jüngere Geschwister

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Anhand der Kinderzahl lässt sich anschaulich der Wandel in der Familienstruktur seit der Zeit, als die überwiegend aus älteren Patienten bestehende Patientengruppe jung war, erkennen. Mit über 32% war zu der damaligen Zeit die Gruppe mit zwei Kindern im Haushalt innerhalb unserer Stichprobe am größten. Drei oder vier Kinder waren sogar noch häufiger als Familien mit nur einem Kind. Im Vergleich dazu sind laut dem Statistischen Jahrbuch 2003 heutzutage Haushalte mit nur einem Kind am häufigsten, gefolgt von Familien mit zwei Kindern. Drei Kindern pro Familie sind dann schon wieder seltener.

Des Weiteren zeigte sich, dass über 70% der Befragten in ihrer Kindheit überwiegend mit beiden Elternteilen zusammen lebten.

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2.3. Anlass der Behandlung

Abbildung 9 beschreibt, welche Krankheitsbilder Anlass zu einer akuten Behandlung gegeben hatten.

19%

74%

3%

4%

0%

keine Angaben

Koronare Herzkrankheit Herzklappe

Rhythmusstörungen sonstiges

Abbildung 9: Anlass der Behandlung

Prozentual am häufigsten (mit 74%) ließen sich die Patienten in Folge einer Koronaren Herzkrankheit, wie zum Beispiel ein Myokardinfarkt, Angina Pectoris, eine Bypass- Anlage etc., behandeln. Andere Ursachen, wie zum Beispiel Funktionsstörungen der Herzklappen (3%) oder Herzrhythmusstörungen (4%), kamen deutlich weniger häufig vor. Eine Transplantation wurde sogar nur einmal vorgenommen.

Diese Verteilung ist nicht weiter überraschend, da die Koronaren Herzerkrankungen heutzutage die häufigsten Erkrankungen in der Bundesrepublik Deutschland darstellen.

In diesem Fall unterscheiden sich die Geschlechter nicht signifikant (Chi-Quadrat = 5,4;

df = 5; p = .364).

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2.4. Vorherige Wahrnehmung

Des Weiteren wurden die Patienten gefragt, ob sie vor ihrem kritischen Ereignis schon einmal Herzbeschwerden bei sich selbst wahrgenommen haben. In diesem Fall unterschieden sich die Geschlechter wie schon beim Anlass der Behandlung nicht signifikant (Chi-Quadrat = 3,6; df = 1; p = .059). Ein Großteil der Patienten (67% der Männer und 60% der Frauen) konnte allerdings eine vorherige Wahrnehmung mit „ja“

beantworten.

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2.5. Intensivstation

Auch bei der Frage nach einer Behandlung auf der Intensivstation ließ sich kein Unterschied zwischen den Geschlechtern feststellen (Chi-Quadrat = 1,7; df = 1; p = .195). Etwa 60% der Patienten musste aufgrund ihrer Erkrankung auf der Intensivstation behandelt werde (58% der Männer und 53% der Frauen), die Dauer des Aufenthaltes wurde dabei nicht erfasst.

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2.6. Vorherige Behandlung

Bei der Frage, ob die Patienten sich vor ihrem Ereignis schon einmal wegen ähnlicher gesundheitlicher Problemen haben behandeln lassen, ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern ebenfalls nicht signifikant (Chi-Quadrat = 1,4; df = 1; p = .238). Etwa ein Drittel der Patienten gab an, sich vorher noch nicht wegen einer Herzerkrankung in ärztlicher Behandlung befunden zu haben.

Nun gilt es zu eruieren, ob eine vorherige Behandlung eventuell Betroffene für eine Entwicklung von Ängsten sensibilisiert, oder ob ein plötzlicher Krankheitsbeginn als belastender, vielleicht sogar stärker Angst auslösend zu verzeichnen ist.

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3. Ergebnisse

Zunächst wurden die Korrelationen der vier Angstskalen untereinander berechnet. Die Ergebnisse können Tabelle 1 entnommen werden.

Tabelle 1: Die Interkorrelationen der Angstskalen

Beziehungs- Ängste

Leistungs- Ängste

Ängste nach Erkrankung

Emotionale Reaktionen Beziehungs-

Ängste 0,71 0,61 0,70

Leistungs-

Ängste 0,62 0,65

Ängste nach

Erkrankung 0,73

Emotionale Reaktionen

Aus Tabelle 1 wird ersichtlich, dass alle vier Skalen recht hoch miteinander korrelieren, die Korrelationen sind in Anbetracht des großen Stichprobenumfanges hoch signifikant.

Die Höhe der Korrelation ist insofern nicht weiter verwunderlich, als hier verschiedene Aspekte ein und desselben Merkmals, nämlich die Ängste erfasst werden sollten. Am höchsten korrelierten die Beziehungsängste und die Leistungsängste vor der Erkrankung miteinander. Personen die sich auch vor ihrer Erkrankung schon stark durch Leistungsängste belastet fühlten, klagen auch mehr über Beziehungsängste und umgekehrt. Von zentraler Bedeutung scheinen die Beziehungsängste zu sein, die auch

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mit den Ängsten und emotionalen Reaktionen nach der Erkrankung höher korrelieren als die Leistungsängste.

Ähnlich wie die Ängste vor der Erkrankung hoch miteinander korrelieren, korrelieren auch die emotionalen Reaktionen und Ängste nach der Erkrankung sehr hoch miteinander. Die absolute Höhe der Korrelationen täuscht ein wenig über den tatsächlichen Zusammenhang hinweg. Wenn man die Korrelationen quadriert erhält man den Determinationskoeffizienten, der angibt, wie viel Prozent Varianz die beiden gemessenen Merkmale miteinander gemeinsam haben. Bei einer Korrelation von 0,71 kann man von 49% gemeinsamer Varianz ausgehen, bei einer nur geringfügig geringeren Korrelation von 0,61 beträgt der Anteil der gemeinsamen Varianz nur noch 36%. Es kann noch festgehalten werden, dass die Ängste vor der Erkrankung untereinander einen deutlich höheren Zusammenhang aufweisen und die Reaktionen nach der Erkrankung untereinander ebenfalls, wohingegen die Zusammenhänge zwischen den Ängsten vor der Erkrankung und den Reaktionen nach der Erkrankung deutlich geringer sind.

Als nächstes wurden die Korrelationen der Testwerte mit dem Lebensalter berechnet.

Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 2: Korrelation der Testskalen mit dem Lebensalter

Alter Beziehungsängste -0,18 Leistungsängste -0,25 Ängste nach Erkrankung -0,14

Emotionale Reaktionen -0,20

(33)

Alle vier Testskalen korrelieren negativ mit dem Lebensalter, die Korrelationen sind zwar nicht sehr hoch, jedoch in Anbetracht des großen Stichprobenumfangs ausnahmslos sehr signifikant. Die Ängste sind umso schwächer ausgeprägt sind, je älter die Personen werden. Anscheinend fühlen sich ältere Patienten durch die Erkrankung nicht in dem Ausmaß beeinträchtigt, wie dies bei jüngeren Patienten der Fall ist.

Gleichzeitig meinen diese auch, im früheren Alter nicht so stark durch Beziehungs- und Leistungsängste beeinträchtigt gewesen zu sein, wie die jüngeren Probanden. Den stärksten Zusammenhang mit dem Lebensalter weisen die Leistungsängste auf, was nicht überraschend ist, da es sich bei den älteren Probanden überwiegend um Personen handelt, die bereits im Rentenalter sind und die sich ganz offensichtlich nicht so stark unter Leistungsdruck fühlen, beziehungsweise im Nachhinein meinen früher nicht so stark unter Leistungsdruck gestanden zu haben. Ältere Patienten reagieren auf die Erkrankung auch weniger mit Ängsten, als dies bei jüngeren Patienten der Fall ist.

Möglicherweise erleben sie die Erkrankung eher als schicksalhaft und sind nicht in dem Maße davon überwältigt oder überrascht, wie das bei jüngeren Patienten der Fall sein dürfte.

In einem weiteren Auswertungsschritt wurden die Testergebnisse für verschiedene Kriteriumsgruppen miteinander verglichen. Hierzu ist anzumerken, dass nach vollständiger Testnormierung an mehr als 800 Patienten alle vier Skalen einer Stanine- Wert-Transformation unterzogen wurden. Bei einer derartigen Transformation werden die Rohwerte so standardisiert, dass jede Skala einen Mittelwert von fünf Punkten und eine Standardabweichung von zwei Punkten aufweist. Fünf Punkte entsprechen somit dem Durchschnittswert in der hier untersuchten klinischen Population. Im Bereich von drei bis sieben Punkten liegen etwa zwei Drittel aller Fälle. Die Ergebnisse für den Mittelwertsvergleich zwischen Männern und Frauen können Tabelle 3 entnommen werden.

(34)

Tabelle 3: Mittelwertsvergleich zwischen Männern und Frauen

Geschlecht N Mittelwert Standard-

Abweichung t df Signifikanz (2-zeitig) Beziehungs-

Ängste

männlich weiblich

574 156

4,94 5,51

2,01

2,23 -3,10 728 0,00 Leistungs-

Ängste

männlich weiblich

575 157

4,97 5,55

1,95

2,13 -3,23 730 0,00 Ängste nach

Erkrankung

männlich weiblich

607 170

4,99 5,71

1,90

2,00 -4,30 775 0,00 Emotionale

Reaktionen

männlich weiblich

608 170

4,98 5,79

1,89

2,08 -4,84 776 0,00

Die Testwerte der Frauen sind in allen vier Skalen deutlich höher als die der Männer.

Die Mittelwertsunterschiede wurden mit Hilfe des t-Tests auf statistische Signifikanz überprüft und erwiesen sich, wie Tabelle 3 zu entnehmen ist, ausschließlich als hoch signifikant, so dass hier nicht mehr von zufallsbedingten Unterschieden gesprochen werden kann. Bei den Ängsten und emotionalen Reaktionen nach der Erkrankung sind die Unterschiede etwas stärker ausgeprägt als bei den Beziehungs- und Leistungsängsten vor der Erkrankung. Diese Unterschiede können nicht durch das Lebensalter erklärt werden, da sich in der Stichprobenbeschreibung schon gezeigt hatte, dass die Frauen nur geringfügig älter als die Männer sind. Abbildung 10 stellt dies noch einmal graphisch dar:

(35)

4,4 4,6 4,8 5 5,2 5,4 5,6 5,8

Mittelwert Beziehung- Ängste Leistungs- Ängste Ängste nach Erkrankung Emotionale Reaktionen

männlich weiblich

Abb. 10: Mittelwertsvergleich zwischen Männern und Frauen

Als nächstes wurde untersucht, inwieweit sich Patienten aus verschiedenen Berufsgruppen hinsichtlich ihrer Ängste unterscheiden. Die Stichprobe wurde hier auf 675 reduziert, weil die Kategorie der „sonstigen“ eliminiert wurde, da diese Gruppe zu heterogen ist und ihre Ergebnisse nicht interpretierbar gewesen wären. Somit blieben fünf Berufsgruppen übrig. Im Gegensatz zu den Paarweisen Mittelwertsvergleichen, wie bei Geschlechterunterschieden, bei denen man als Prüfgröße den t-Wert berechnet, handelt es sich hier um mehr als zwei zu vergleichende Kategorien. Die Signifikanz der Unterschiede von mehr als zwei Mittelwerten wird durch eine einfaktorielle Varianzanalyse überprüft. Dieses Verfahren prüft die Hypothese, ob die Mittelwertsunterschiede vor dem Hintergrund des jeweiligen Stichprobenumfangs noch als Zufallsschwankungen innerhalb ein und derselben Population erklärt werden können, oder ob diese Unterschiede überzufällig sind. Die entsprechende Prüfgröße ist

(36)

der F-Test, die entsprechende Analyse ergab, dass die Unterschiede zwischen den Berufsgruppen für alle vier Angstvariablen statistisch signifikant sind (siehe Tabelle 4).

Tabelle 4: Mittelwertsunterschiede zwischen den Berufsgruppen

Beruf N Mittelwert Standard-

Abweichung F Signifikanz Angestellter 203 5,32 2,04

Beamter 82 5,54 1,88

Selbständig 116 4,77 1,83 Hausfrau 38 5,05 2,19 Pensionär 236 4,72 2,14 Beziehungs-

Ängste

Gesamt 675 5,03 2,05

4,08 0,003

Angestellter 208 5,37 2,03

Beamter 84 5,17 1,82

Selbständig 121 4,85 2,01 Hausfrau 37 5,32 2,12 Pensionär 225 4,76 1,95 Leistungs-

Ängste

Gesamt 675 5,05 1,99

3,16 0,014

Angestellter 217 5,23 1,93

Beamter 88 5,49 1,76

Selbständig 124 4,8 1,97 Hausfrau 41 5,56 2,21 Pensionär 246 4,96 1,92 Ängste nach

Erkrankung

Gesamt 716 5,11 1,94

2,78 0,026

Angestellter 212 5,32 1,94

Beamter 88 5,55 1,74

Selbständig 128 5,12 1,86 Hausfrau 41 5,76 2,05 Pensionär 246 4,76 1,96 Emotionale

Reaktionen

Gesamt 716 5,14 1,94

4,92 0,001

(37)

Abbildung 11 veranschaulicht die entsprechenden Daten graphisch:

0 1 2 3 4 5 6

Mittelwert Beziehungs- Ängste Leistungs- Ängste Ängste nach Erkrankung Emotionale Reaktionen

Angestellter Beamter Selbständiger Hausfrau Pensionär

Abb. 11: Ängste der einzelnen Berufsgruppen

Betrachtet man zunächst die Ängste und emotionalen Reaktionen nach der Erkrankung, so fällt auf, dass die Hausfrauen mit beiden Skalen die mit Abstand höchsten Werte aufweisen. Es handelt sich hierbei zwar nur um eine relativ kleine Gruppe, trotzdem bleibt festzuhalten, dass Frauen dieser Berufsgruppe sich offensichtlich deutlich stärker durch die Erkrankung belastet fühlen als Patienten aus anderen Berufsgruppen. An zweiter Stelle folgen die Beamten. Betrachtet man die Ängste vor der Erkrankung, so fällt auf, dass die Hausfrauen bei den Beziehungsängsten durchschnittliche Werte aufweisen, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass Frauen sich nur dann als Hausfrauen definieren, wenn sie eine Familie haben, also familiär integriert sind, und daher vielleicht nicht so stark durch Beziehungsängste belastet sind wie andere. Bei

(38)

den Leistungsängsten erzielen die Hausfrauen hingegen die zweithöchsten Werte.

Auffällig ist, dass insbesondere die Angestellten und Beamten über vermehrte Beziehungsängste schon aus der Zeit vor der Erkrankung berichten, während diese bei den Selbständigen relativ schwach ausgeprägt gewesen zu sein scheinen. Ähnlich verhält es sich bei den Leistungsängsten, wobei hier die Unterschiede jedoch nicht ganz so stark ausgeprägt sind. Des Weiteren fällt auf, dass die Berufsgruppe der Pensionäre in allen vier Angstskalen niedrige Werte aufweisen, im Falle der Ängste vor der Erkrankung und der emotionalen Reaktionen nach der Erkrankung sogar die niedrigsten Werte. Bei den Ängsten nach der Erkrankung steht diese Gruppe an vorletzter Stelle.

Dies liegt möglicherweise daran, dass diese Gruppe nicht mehr aktiv am Berufsleben teilnimmt und zum großen Teil ihr Leben als erfüllt und abgeschlossen ansieht.

Die gleichen Berechnungen wurden auch für die Schulbildung, hier unterteilt nach Hauptschule, Realschule, Gymnasium uns Studium, durchgeführt. In diesem Fall erwiesen sich die Unterschiede jedoch auf keiner der vier Angstvariablen als statistisch signifikant, so dass auf eine graphische oder tabellarische Darstellung verzichtet wird.

Die Zufallswahrscheinlichkeiten für den F-Test variierten zwischen 0,52 und 0,94.

Insofern kann nur festgehalten werden, dass das Ausmaß der Ängste vor und nach der Erkrankung zwar abhängig zu sein scheint vom sozialen Status oder dem Milieu aus dem der Patient kommt, weniger jedoch von seinem Bildungsgrad.

Als nächstes wurde untersucht in wieweit die Bindungserfahrungen einen Einfluss auf die Ängste haben. Zunächst wurde geprüft, ob die Ängste von Patienten, die mit einem Elternteil aufwuchsen, stärker ausgeprägt sind als die Ängste von Patienten die mit beiden Eltern aufwuchsen. Da es sich um zwei Kategorien handelt, wurde die Signifikanz der Mittelwertsunterschiede wieder mit Hilfe des t-Tests überprüft.

Signifikante Unterschiede ergaben sich nur bei der Skala zur Erfassung der Beziehungsängste vor der Erkrankung. Die Ergebnisse für den Mittelwertsvergleich zwischen den Gruppen können Tabelle 5 entnommen werden.

(39)

Tabelle 5: Einfluss der Herkunftsfamilie

Elternteile N Mittel- Wert

Standard-

Abweichung t df Signifikanz (2-seitig) Beziehungs-

Ängste

ein Elternteil beide Elternteile

134 579

5,40 4,99

2,02

2,07 2,09 711 0,03 Leistungs-

Ängste

ein Elternteil beide Elternteile

139 575

5,24 5,05

1,94

2,01 1,02 712 0,31 Ängste nach

Erkrankung

ein Elternteil beide Elternteile

145 613

5,39 5,09

1,89

1,95 1,69 756 0,10 Emotionale

Reaktionen

ein Elternteil beide Elternteile

144 614

5,39 5,11

1,77

1,99 1,57 756 0,12

Abbildung 11 veranschaulicht das Ergebnis noch einmal graphisch:

4,7 4,8 4,9 5 5,1 5,2 5,3 5,4

Mittelwert Beziehungs- Ängste Leistungs- Ängste Ängste nach Erkrankung Emotionale Reaktionen

ein Elternteil beide Elternteile

Abb. 11: Herkunftsfamilie

(40)

Bei Patienten, die nur mit einem Elternteil aufwuchsen, sind die Beziehungsängste stärker ausgeprägt als bei Patienten, die mit beiden Eltern aufwuchsen. Bei den anderen drei Skalen sind die Unterschiede statistisch nicht signifikant. Dieses Ergebnis ist durchaus plausibel und bestätigt die Validität dieser Skala eindeutig. Man könnte daraus die Hypothese ableiten, dass diese Skala daher auch besonders sensibel zwischen Patienten differenziert, die allein leben und jenen, die mit einem Partner zusammen leben.

Des Weiteren wurde untersucht, ob sich Patienten, die in einer festen Partnerschaft leben ebenso stark von Ängsten betroffen fühlen, wie allein stehende Patienten. Ähnlich wie bei der Herkunftsfamilie zeigte sich in der Tat, dass allein lebende Patienten stärker als Patienten mit Partnern von Beziehungsängsten aus der Zeit vor der Erkrankung berichten. Allerdings leiden Patienten die allein leben nach der Erkrankung auch stärker unter allgemeinen Ängsten und werden stärker durch negative emotionale Reaktionen belastet. Tabelle 6 und Abbildung 12 veranschaulicht diesen Zusammenhang.

Tabelle 6: Einfluss der Partnerbeziehung

Partner-

Beziehung N Mittel- Wert

Standard-

Abweichung t df Signifikanz (2-seitig) Beziehungs-

Ängste

Allein lebend Mit Partner

146 575

5,48 4,97

2,11

2,04 2,70 719 0,01 Leistungs-

Ängste

Allein lebend Mit Partner

146 576

5,29 5,05

2,05

1,98 1,29 720 0,20 Ängste nach

Erkrankung

Allein lebend Mit Partner

148 619

5,47 5,08

1,84

1,96 2,23 765 0,03 Emotionale

Reaktionen

Allein lebend Mit Partner

151 616

5,50 5,08

1,83

1,97 2,35 765 0,02

(41)

4,7 4,8 4,9 5 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5

Miielwert Beziehungs- Ängste Leistungs- Ängste Ängste nach Erkrankung Emotionale Reaktionen

allein lebend mit Partner

Abb. 12: Partnerbeziehung

Möglicherweise ist also die soziale Einbindung oder das soziale Netzwerk ein protektiver Faktor, der davor schützt, dass die Patienten sich nach der Erkrankung emotional zu sehr überfordert fühlen. Ergänzend sei hinzugefügt, dass es sich bei der sozialen Einbindung (leben mit einem Partner) und den früheren Bindungserfahrungen (leben mit einem oder beiden Elternteilen) um von einander unabhängige Einflüsse zu handeln scheint. Kombiniert man beide Merkmale, indem man eine Zwei-Weg- Varianzanalyse rechnet, so ergeben sich keine signifikanten Wechselwirkungen.

(42)

Die gleichen Berechnungen wurden auch für den Einfluss früherer Krankheitserfahrungen durchgeführt, dass heißt es wurde untersucht, ob der Behandlungsanlass, die vorherige Wahrnehmung von Krankheitssymptomen, Behandlungen auf der Intensivstation oder Erfahrungen mit früheren Behandlungen einen Einfluss auf die Ängste haben. Die Ergebnisse erwiesen sich jedoch ausnahmslos als nicht signifikant, so dass hier auf eine ausführliche Darstellung verzichtet werden kann.

(43)

4. Diskussion

Kardiovaskuläre Erkrankungen, insbesondere die koronare Herzerkrankung und ihre Folgeerkrankungen, zählen zu den häufigsten Erkrankungen und Todesursachen in den westlichen Industrieländern. Neben den Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates und den Tumorerkrankungen nehmen Herz-Kreislauf- Erkrankungen eine Spitzenposition hinsichtlich der gesundheits- und versorgungspolitischen Relevanz in Deutschland ein (FRANZ, 1998; HÄRTEL, 2000).

Eine akut erlebte Herzerkrankung wird vom Patienten meistens als extreme vitale Bedrohung erlebt. Der Patient ist sich im Regelfall der Implikation dieser Ereignisse voll bewusst. Herzerkrankungen stellen eine potentiell lebensbedrohliche Situation dar und die Patienten erleben während der nachfolgenden, teilweise intensivmedizinischen Behandlung Phasen der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins. Die Erkrankung geht in der Regel mit einer erheblichen psychischen Belastung einher und affektive bzw.

Angststörungen wurden bei einem bedeutenden Prozentsatz der Patienten beobachtet (DEW, 1998; FREEMAN, FOLKS, SOKOL, 1988). Aus zahlreichen Studien ist bekannt, dass psychische Beeinträchtigungen, insbesondere depressive oder ängstliche Symptome, gehäuft bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten.

HERRMANN et al. (2000) wiesen beispielsweise nach, dass bei vergleichbarer gesundheitlicher Verfassung Personen mit erhöhten Ängsten und Depressionen stärker infarktgefährdet sind als psychisch stabile Personen. Das Sterberisiko nach einem Infarkt ist für depressive Patienten deutlich höher als für nicht-depressive.

ANGELINK et al. (2004) kommen in einem Übersichtsartikel zu dem Schluss, dass etwa ein Viertel aller Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen gleichzeitig auch an Depressionen leiden. Vordergründig könnte man das darauf zurückführen, dass depressive Personen sich möglicherweise weniger bewegen, ungesünder ernähren, mehr rauchen und trinken und weniger Compliance aufweisen als nicht depressive Personen, dass sie also wesentlich ungesünder leben. Die Autoren gehen jedoch auch dieser Hypothese nach und können belegen, bei Depressiven auch dann noch ein erhöhtes

(44)

kardiovaskuläres Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko vorliegt, wenn man diese Faktoren statistisch kontrolliert. Die Autoren interpretieren depressive Symptome als „chronische Stresserkrankung“, die mit einer gesteigerten Aktivität der physiologischen und neurologischen Stress-Systeme einhergehe und zu einer Hyperaktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse führe. HÄRTER und BENGEL (2002) kommen nach kritischer Sichtung der neueren Literatur ebenfalls zu dem Schluss, dass depressive Symptome als unabhängiger Risikofaktor für pathophysiologische Prozesse einer Herz-Kreislauf-Erkrankung angesehen werden müssen.

Es ist allerdings recht schwierig, aus retrospektiven oder Querschnittsuntersuchungen kausale Erklärungen über die Merkmalszusammenhänge abzuleiten. Es gibt allerdings auch erste prospektive Untersuchungen, die die hier benannten Hypothesen zur Komorbidität von Herzerkrankungen und affektiven Störungen bestätigen. So untersuchten beispielsweise AMELANG, HASSELBACH und STÜRMER (2004) in einer prospektiven Studie den Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf das Krankheitsrisiko. Von den 5.133 Personen der Ersterhebung beteiligten sich 10 Jahre später noch 4.010 an der Nacherhebung. Davon waren zwischenzeitlich 120 Personen von kardiovaskulären Erkrankungen betroffen. Als prognostisch relevant erwies sich dabei nur das Persönlichkeitsmerkmal der emotionalen Labilität, das im Wesentlichen mit der Ängstlichkeit identisch ist.

Bereits seit Ende der 50er Jahre wurde das sog. Typ-A-Verhalten als potenzieller koronarer Riskofaktor untersucht (ROSENMAN, FRIEDMAN, 1958; FRIEDMAN, ROSENMAN, 1974). Damit ist ein Lebensstil gemeint, der gekennzeichnet ist durch Rivalitätsverhalten, Streben nach Anerkennung, Aggressivität, Hast, Ungeduld, Ruhelosigkeit, Gespanntheit und hohem Verantwortungsgefühl. Es handelt sich dabei nach SCHMIDT (1999) um eine Untergruppe der sog. koronargefährdeten Verhaltensweisen (coronary prone behavior). Dieses Konzept betonte mehr den Stressaspekt und wurde fälschlicherweise oft als „Manager-Krankheit“ bezeichnet, da die oben beschrieben Merkmale typisch für den Manager in gehobener Position seien.

(45)

Andererseits wurde aber nachgewiesen, dass Personen in Führungspositionen seltener Herzinfarkte erleiden als Personen in untergeordneten Positionen. SCHMIDT (1999) kommt daher in seinem Literaturüberblick auch zu dem Schluss, dass das Typ-A- Verhalten insgesamt wenig prognostische Bedeutung für die spätere Herzerkrankungen hat. Als Kernvariablen könne man jedoch Ärger und Feindseligkeit einerseits sowie Depression und Angst andererseits ansehen.

GRANDE (2004) betont noch wesentlich stärker die affektive Komponente und spricht in diesem Zusammenhang von einer Typ-D-Persönlichkeit, die sich aus negativer Affektivität, gekennzeichnet durch psychische Labilität, Angst, Depressivität und anderen negativen Gefühlen sowie aus sozialer Inhibition, bestehend aus Schüchternheit, Meiden von Geselligkeit und Unterdrückung des Gefühlsausdrucks gegenüber Anderen, zusammen setzt. Dieser Persönlichkeitstyp ermöglicht eine gute Vorhersage des Krankheitsverlaufs bei Koronarstenose. ANGELINK et al. (2004) fassen die möglichen pathophysiologischen Interaktionen zwischen Depressionen und körperlichen Erkrankungen wie folgt zusammen:

¾ Genetische Assoziation: Polymorphismen der das ACE-System und G-Proteine kodierenden Gene; Polymorphismen der Serotonin-Transporter-Gene

¾ Depression als chronische Stresserkrankung: Erhöhung von CRF, ACTH und Cortisol (u.a. Hyperlipidämie, Insulinresistenz, arterieller Hypertonus), sympatho-adrenale Überaktivität mir Anstieg der Noradrenalinkonzentration im Plasma

¾ Störungen der Homöostase: Störung der Blutgerinnung; erhöhte Thrombozytenaggregabilität

¾ Störungen des Fettstoffwechsels: Verringerung des HDL-Cholesterin, Erniedrigung von Omega-3-Fettsäuren

¾ Störung der Funktionen des autonomen Nervensystems: gesteigerte sympathische und/oder reduzierte kardio-vagale Modulation mit der Folge einer erhöhten Herzfrequenz und reduzierten Herzratenvariabilität

¾ Verhaltensfaktoren: ungesunde Ernährung, Rauchen, Bewegungsmangel, unzureichende Compliance bei Therapie und Rehabilitationsmaßnahmen

(46)

Ängste und affektive Störungen sind jedoch nicht nur an der Krankheitsentstehung beteiligt sondern haben auch einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf, da sie auf Grund des dadurch ausgelösten Vermeidungsverhaltens die Compliance der Patienten vermindern können. So weisen beispielsweise die Ergebnisse aus Untersuchungen von HAYWARD (1995) und GALA et al. (1997) darauf hin, dass psychisch beeinträchtigte Patienten eine geringere Bereitschaft zur Beteiligung an rehabilitativen Maßnahmen aufweisen als weniger belastete Patienten.

Wenn man die empirischen Befunde zur Beteiligung affektiver Störungen an der Entstehung und am Verlauf chronischer Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems ernst nimmt, so stellt sich die Frage, wie diese psychologischen Merkmale verlässlich und mit vertretbarem Aufwand erfasst werden können. Eine Möglichkeit besteht darin, dass man auf Skalen zur Erfassung der Ängstlichkeit und Depressivität aus Standardtestverfahren zurückgreift, die in der Persönlichkeitsdiagnostik eingesetzt werden, wie beispielsweise das den Freiburger Persönlichkeitstest (FPI-R) von FAHRENBERG, HAMPEL und SELG (2001) oder STECK (1998). Diese und ähnliche Testverfahren sind jedoch zum Teil recht unökonomisch. Außerdem sind sie nicht speziell für Patienten mit koronaren Herzerkrankungen normiert und inhaltlich auch nicht auf deren Problembewusstsein abgestimmt. Als Alternative bietet sich gegenwärtig vor allem die deutsche Version der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) von HERMANN, BUSS und SNAITH (1995) an. Sie wurde gezielt für die Untersuchung von Patienten mit somatischen Erkrankungen in medizinischen Einrichtungen entwickelt. Der Nachteil dieses Verfahrens besteht vor allem in seiner geringen Reliabilität von 0,80 für beide Skalen und seiner mangelnden Spezifität. Der Test wurde zwar auch bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt, jedoch nicht speziell für diese Patientengruppe entwickelt.

Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Skalen wurden speziell für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickelt. Die Frageninhalte basieren auf Angaben, die ausschließlich Patienten mit dieser Erkrankungsform zu ihren Emotionen und Problemen gemacht hatte. Die Untersuchung sollte in erster Linie einen Beitrag zur

(47)

Validierung dieses Messverfahrens leisten. Dazu wurden Ängste und emotionale Belastungen retrospektiv vor sowie nach einer Herzerkrankung untersucht, und der Frage nachgegangen, wodurch diese Ängste und Emotionen ausgelöst werden. Es liegen dabei zahlreiche Studien vor, die sich mit Risikofaktoren für eine Herzerkrankung beschäftigen (KUBZANSKY, KAWACHI, 2000; SCHMIDT et al., 1996), sowie mit dem Zusammenhang zwischen Angst und Depression einerseits, und entsprechenden Verhaltensweisen und Copingmechanismen nach einer Herzerkrankung andererseits (LADWIG, 2001), weniger jedoch über den Zusammenhang zwischen Herzerkrankungen und soziodemographischen Faktoren.

Es zeigte sich, dass Patienten, die sich schon vor der Erkrankung durch Leistungsängste belastet fühlten auch mehr über Beziehungsängste klagten und umgekehrt. Dabei korrelierten die Beziehungsängste höher mit den emotionalen Reaktionen und Ängsten nach der Erkrankung als die Leistungsängste.

Theoretisch ist nachvollziehbar, dass die Beziehungsängsten eine zentrale Bedeutung in diesem Netzwerk von körperlichen und seelischen Problemen haben. Die Sicherheit und Qualität von emotionalen Bindungen entwickelt sich in den ersten Lebensjahren und prägt die gesamte weitere Entwicklung des Individuums und seiner zwischenmenschlichen Beziehungen. Frühe Störungen dieser Entwicklung gehen häufig mit Depressionen und Ängsten einher (KRUSE, 1991). Die meisten Personen mit unsicherem Bindungsverhalten sind damit überfordert, ihre zwischenmenschlichen Beziehungen auszubalancieren. Sie befinden sich in dem Spannungsfeld zwischen hohen Erwartungen und übertriebenen Wünschen nach Zuwendung einerseits und Enttäuschungen und Rückzugsverhalten andererseits. Enttäuschungen in Beziehungen und Erfahrungen mit Bindungsverlusten in früher Kindheit verstärken die Empfindlichkeit für Beziehungsprobleme im späteren Leben. Erfahrungen von Vereinsamung gehen häufig mit Depressionen und Ängsten einher (BOWLBY, 1983).

Negative Bindungserfahrungen destabilisieren die psychische Sicherheit, vor allem auch in den Beziehungen zu Anderen. Auf diese Weise beeinflussen frühere Bindungserfahrungen die Gesundheit im höheren Lebensalter, insbesondere die

(48)

Beziehungsfähigkeit und die Stressresistenz. Unsichere Bindungen führen zu Beeinträchtigungen in der Entwicklung des Stressverarbeitungssystems und somit auch zu einer Gefährdung der körperlichen Gesundheit.

Die Ängste und emotionalen Belastungssymptome waren ferner stark altersabhängig.

Sie waren umso schwächer ausgeprägt, je älter die Patienten waren. Anscheinend fühlen sich ältere Patienten durch die Erkrankung nicht in dem Maße beeinträchtigt, als die bei jüngeren Patienten der Fall ist. Der stärkste Zusammenhang mit dem Lebensalter zeigte sich bei der Abnahme der Leistungsängste, was nicht weiter überraschend ist, da es sich bei den älteren Probanden überwiegend um Personen handelt, die sich bereits im Rentenalter befinden und sich offensichtlich nicht mehr so stark unter Leistungsdruck fühlen, wie die jüngeren Probanden. Jüngere Patienten zeigten sich durch Beziehungs- und Leistungsängste stärker belastet als ältere Patienten und wiesen auch nach der Erkrankung stärkere emotionale Reaktionen und Ängste auf, als dies bei älteren Patienten der Fall war, die die Erkrankung möglicherweise als schicksalhaft empfinden, und nicht in dem Maße davon überwältigt sind, wie dies bei jüngeren Patienten der Fall sein dürfte. Diese Ergebnisse scheinen sich auch unabhängig von dem hier eingesetzten Testverfahren zu bestätigen. In einer Studie von UUSKUELA, MAIDO und TARTU (1997) wurde untersucht, in wieweit sich ältere Patienten mit kardialen Erkrankungen von jüngeren Probanden unterscheiden. Dabei zeigte sich, dass sich jüngere Probanden durch ein kardiales Ereignis deutlich stärker belastet fühlten, als dies bei den älteren Patienten der Fall war.

In allen vier Testskalen hatten die Frauen deutlich höhere Testwerte als die Männer.

Besonders ausgeprägt waren die Unterschiede bei den emotionalen Reaktionen und Ängsten nach der Erkrankung. Aber auch bei den Beziehungs- und Leistungsängsten vor der Erkrankung besteht ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern, der sich nicht durch das Lebensalter erklären lässt, da sich in der Stichprobenbeschreibung schon gezeigt hatte, dass die Frauen nur geringfügig älter sind als die Männer. In einer Studie von McGEE, JOHNSTON und POLLARD (2000) wurde untersucht, inwieweit sich Männer und Frauen in ihrer Ängstlichkeit nach einem Myocardinfarkt

(49)

unterscheiden. Dabei zeigte sich deutlich, dass die Frauen sich durch die Erkrankung stärker belastet fühlten und auch ängstlicher reagierten, als dies bei den Männern der Fall war. Es gibt zahlreiche weitere Studien, die sich mit den Reaktionen von Frauen auf eine kardiale Erkrankung beschäftigen, andere soziodemographische Faktoren wurden hierbei jedoch meist nicht berücksichtigt.

Im Vergleich der unterschiedlichen Berufsgruppen zeigte sich, dass die Hausfrauen sich durch die Erkrankung am meisten belastet fühlten, besonders im Bereich der Ängste und emotionalen Reaktionen nach der Erkrankung wiesen sie die höchsten Werte auf, an zweiter Stelle standen die Beamten. Bei den Ängsten vor der Erkrankung zeigten sich bei den Hausfrauen nur durchschnittliche Werte, wohingegen sich besonders Beamte schon vor der Erkrankung durch Beziehungsängste betroffen sahen. Deutlich weniger durch Ängste belastet war dagegen die Gruppe der Selbständigen und Pensionäre.

Beim Vergleich der Schulbildung zeigte sich, dass Ängste wohl abhängig vom sozialen Status und Milieu waren, jedoch weniger von Bildungsgrad der Probanden. Patienten mit höheren Status fühlten sich weniger belastet als Patienten mit geringerem Status.

Dieser Befund steht im Einklang mit den Ergebnisse aus einer Studie von KING (2002), bei der sich gezeigt hatte, dass sich Patienten mit einem niedrigeren sozialen Status durch die Erkrankung stärker belastet fühlten, als dies bei Patienten mit höherem sozialem Status der Fall war. Die Probanden wurden jedoch nicht nach einzelnen Berufsgruppen unterteilt.

Im Vergleich der Bindungserfahrungen fühlten sich Patienten, die mit nur einem Elternteil aufgewachsen waren stärker durch Beziehungsängste beeinträchtigt, als dies bei Patienten, die mit beiden Elternteilen aufwuchsen, der Fall war. Ebenso zeigte sich, dass Patienten die zum Zeitpunkt der Befragung allein lebend waren, stärker von allgemeinen Ängsten nach der Erkrankung betroffen waren, als Patienten die sich in einer Partnerschaft befanden, so dass das soziale Netzwerk und die familiäre Einbindung möglicherweise einen protektiven Faktor darstellen. Dies bestätigt eine

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