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Theoretische Grundlagen

Im Dokument Ängste bei Herzerkrankungen (Seite 8-13)

1. Einführung

1.2. Theoretische Grundlagen

1.2.1. Psychologische Grundlagen der Angst

Das Konstrukt Angst wurde im Laufe der Zeit immer wieder modifiziert und erweitert.

Bis zu Beginn dieses Jahrhunderts wurden wissenschaftliche Theorien zum Ursprung und der Charakterisierung von Angst im Wesentlichen von Philosophen aufgestellt. Als große Richtungen der Angsttheorien lassen sich die Triebtheorien Freuds, bahavioristische Ansätze und kognitive Theorien unterscheiden (TRAXL, 1997).

Um Angst untersuchen zu können, muss man sie zunächst definieren. Der Begriff Angst lässt sich aus dem Lateinischen von „eng“, „beengend“ ableiten (MENGE und GÜTHLING, 1965). Er beschreibt ein mit Beengung, Erregung oder Verzweiflung verknüpftes Lebensgefühl, dessen besonderes Kennzeichen die Aufhebung der willens- und verstandesgemäßen Steuerung der Persönlichkeit darstellt (DORSCH, 1987).

HACKFORT (1985, S.19) postulierte: „Angst ist eine kognitive, emotionale und körperliche Reaktion auf eine Gefahrensituation bzw. auf die Erwartung einer Gefahren- oder Bedrohungsreaktion. Also kognitive Merkmale sind subjektive Bewertungsprozesse und auf die eigene Person bezogene Gedanken anzuführen, (…).

Emotionales Merkmal ist die als unangenehm erlebte Erregung, die sich auch in physiologischen Veränderungen manifestiert und mit Verhaltensänderungen einhergehen kann“. Der konstruktive, beschützende Aspekt der Angst besteht nach der Signaltheorie von FREUD (1948) darin, Angst als ein Alarmsignal in bedrohenden Situationen zu bewerten, die den Körper zu einer entsprechenden Reaktion wie Flucht, Angriff oder Triebunterdrückung befähigt. SPIELBERGER (1966) unterscheidet zwischen Zustandsangst („anxiety-state“) und Angst als Wesenszug („anxiety-trait“).

Zustandsangs bezieht sich auf eine Angst auslösende Situation und ist zeitlich auf diese begrenzt. Sie ist von kurzer Dauer, wird aber als sehr intensiv erlebt. Diese Zustandsangst wird bei THURNER und TEWES (2000) weiter unterteilt in eine prospektive, so genannte Erwartungsangst, also die Angst vor einem bevorstehenden

Ereignis, und eine retrospektive Angst, welche eine nach einer angstinduzierten Situation rückblickend in Erinnerung erlebte Angst beschreibt. Hingegen wird die Angst als Wesenszug, die so genannte Eigenschaftsangst, als weniger stark empfunden, ihre Dauer lässt sich jedoch nicht zeitlich begrenzen. Sie wird durch die Anzahl der Angstauslösenden Situationen bestimmt. Angst als Persönlichkeitsmerkmal gibt die Disposition einer Person an, auf Situationen mit angstbetontem Verhalten zu reagieren.

Der Auslöser für diese Ängstlichkeit muss objektiv betrachtet nicht einmal als bedrohlich erscheinen. Die Angstneigung ist ein erworbenes Persönlichkeitsmerkmal (SÖRENSEN, 1996). Sie stellt den Grad der Angstbereitschaft dar, die in erster Linie auf den Druck von Antreibern und Bedürfnissen und auf deren inneren Konflikt zurückzuführen ist (THURNER und TEWES, 2000). SPIELBERGER (1966, 1972) beschreibt den Zusammenhang zwischen diesen beiden Angstformen wie folgt: Das Ausmaß der Reaktion von Personen auf Angst stimulierende Situationen hängt von der allgemeinen Arbeitsbereitschaft, also der Angst als Wesenszug, ab. Je größer die Angstbereitschaft ist, desto intensiver ist die Zustandsangst in Stresssituationen. In neutralen Situationen besteht kein Unterschied zwischen Personen mit hoher und niedriger allgemeiner Ängstlichkeit.

Ängstlichkeit ist eine über längere Zeit konstant ausgeprägte Persönlichkeitseigenschaft.

Ursprünglich gedacht als eine anlagebedingte und erworbene Disposition, die in Wechselwirkung mit Umweltfaktoren bedingt, mit welcher Intensität eine Person Angst erlebt. Sie ist keine ganzheitliche Eigenschaft, sondern vielmehr eine Gruppierung miteinander verknüpfter Komponenten (ROTT, 2000).

1.2.2. Physiologische Grundlagen der Angst

Angst wird sowohl subjektiv erlebt, als auch durch eine Veränderung im Verhalten zum Ausdruck gebracht. Ebenso manifestiert sie sich auch auf physiologisch messbarer Ebene, wie z.B. Anstieg der Herz- und Atemfrequenz, Blutdruckerhöhung, einer erhöhten Katecholaminausschüttung, Zittern, Erblassen oder Erröten, Schweißausbrüche, Magenbeschwerden, Harndrang usw. (GLANZMANN, 1989).

Diese Anzeichen der Angst lassen sich z.B. durch Messung des galvanischen Hautwiderstandes, der Atem- und Herzfrequenz oder des Muskeltonus dokumentieren.

Außerdem können Blut oder Speichel auf durch Stress ausgestoßene Substanzen (Cortisol, IgA) untersucht werden.

Emotionale Reaktionen bringen also immer auch physiologische mit sich. Die physiologischen Begleiterscheinungen werden zumeist autonom über das sympathische und/oder parasympathische Nervensystem gesteuert. Die Entstehung von Angstreaktionen findet hierbei vor allem im Limbischen System statt (SCHEDLOWSKI, 1996). Trotzdem bleibt die Diagnostizierbarkeit von Ängsten durch Fremdbeobachtung schwierig. Zum einen liegt es in unserer Kultur, Angst als etwas Persönliches, Intimes zu sehen, das vor Beobachtung von Außen geschützt werden muss, zum anderen entwickeln wir im Laufe unseres Lebens Strategien um mit Angstauslösenden Situationen umzugehen. Es werden dabei sowohl von außen kommende Gefahrenreize als auch Treibwünsche mit erlernten Abwehrmechanismen gemildert.

1.2.3. Angst und Herzerkrankungen

Kardiovaskuläre Erkrankungen, insbesondere im Rahmen der koronaren Herzerkrankung und ihre Folgeerkrankungen, zählen zu den häufigsten Erkrankungen in den westlichen Industrieländern. Darüber hinaus nehmen diese Erkrankungen neben den Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates und den Tumorerkrankungen eine Spitzenposition hinsichtlich der gesundheits- und versorgungspolitischen Relevanz in Deutschland ein (FRANZ, 1998; HÄRTEL, 2000; VDR, 2000). Die Entwicklung der koronaren Herzerkrankung und ihre Folgen wird mittels eines multifaktoriellen pathogenetischen Modells erklärt, wonach das Vorliegen von kardiovaskulären Risikofaktoren über pathologische Prozesse die Entstehung einer Arteriosklerose in den Gefäßwänden fördert (FRANZ, 1998; SCHMIDT, ADLER, LANGOSCH, RASSECK, 1996). Zu den klassischen Risikofaktoren gehören neben Lebensalter, männlichem Geschlecht (wobei die Frauen in den letzten Jahren immer mehr aufgeholt haben) und genetischer Disposition ein ungünstiges Lipidprofil, Zigarettenkonsum, Hypertonie, mangelnde Bewegung, Thrombophilie und die Elemente des metabolischen Syndroms.

Allerdings können diese „Standardrisikofaktoren“ nur etwa die Hälfte der Varianz der Inzidenz der koronaren Herzerkrankung aufklären (HÄRTER und BENGEL, 2002).

Der Beginn einer klinisch auffälligen Herzerkrankung stellt für die betroffene Person einen stark Angstauslösenden Faktor dar. Ein akutes Herzversagen, pektanginöse Beschwerden oder Rhythmusstörungen lösen massive Angstgefühle aus. Häufig stehen sie im Zusammenhang mit der Angst vor erneuten Herzattacken, Behinderung und/oder plötzlichem Herztod (LEVENSON, 1993). Körperlich verstärkt wird diese Angsterfahrung (ähnlich einer Panikattacke) zudem meist durch plötzliche autonom-nervöse und physiologische Begleiterscheinungen wie z.B. Atemnot, Schweißausbrüche, Nausea etc. Ein akut erlebter Myocardinfarkt beispielsweise stellt eine Situation extremer vitaler Bedrohung dar, die zudem meist noch völlig überraschend, also ohne ersichtliche Prodromi, für den Patienten auftritt. Im Regelfall sind sich die Patienten der Implikation dieses Ereignisses voll bewusst, es besteht eine

außergewöhnliche Bedrohung, die nicht ohne die Mobilisierung psychischer Mechanismen bewältigt werden kann. In solchen Situationen sind erhebliche Anpassungsleistungen des betroffenen Patienten von Nöten, um mit der Erkrankung umgehen zu können (LADWIG, 2001).

In einer Studie von THAYER (2000) wird sogar die Frage gestellt, ob Angst eine Herzerkrankung ist. Dies zeigt, wie wichtig es ist, die Zusammenhänge zwischen Ängsten und Herzfunktionsstörungen weiter zu untersuchen. Ängstliche und depressive Symptome stehen darüber hinaus oft in Verbindung mit Brustschmerz und Tachycardie bei Personen, die nachweislich nicht an einer organischen Herzerkrankung leiden. Bei Patienten mit thorakalen und kardialen Beschwerden, aber ausgeschlossener Evidenz für eine kardiale Erkrankung, wurde immer wieder eine relativ hohe Präsenz psychischer Auffälligkeiten beobachtet (KATON et al., 1995).

Sucht man in den Krankenakten von Patienten mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach einem Vermerk über ihre Ängste, wird man nur selten fündig. Stößt man doch auf einen Eintrag, handelt es sich zumeist um eine pauschale Feststellung, der Patient sei „ängstlich“. Auf dieses Wahrnehmungs- bzw. Dokumentationsdefizit von Patientenängsten macht eine Studie von O`BRIEN et al. (2001) aufmerksam. Außerdem stellte sich heraus, es durchaus größere Differenzen zwischen den Selbstauskünften der Patienten und den Fremdeinschätzungen durch Ärzte und das Pflegepersonal gab. Umso wichtiger erscheint die Aufgabe, auch weiterhin in diesen Bereichen wissenschaftlich tätig zu sein.

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