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Archiv "Zertifizierte medizinische Fortbildung: Tumorschmerz" (01.04.2005)

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S

chmerzen gehören bei Tumorpatienten zu den häufigsten Symptomen. Schmer- zen sind bei einigen Patienten sogar das erste Symptom, das sie spüren, sodass eine Tumorsuche und -diagnose erfolgt. Aus epidemiologischen Studien (8) geht hervor, dass bereits im Anfangsstadium 20 bis 50 Prozent der Patienten unter Schmerzen leiden. Bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen geben 75 bis 90 Pro- zent der Patienten Schmerzen an.

Die Häufigkeit von behandlungsbedürftigen Schmerzen hängt sowohl von der Lokalisation als auch von der Pathophysiologie des Tumors ab. Tumoren mit Ske- lettmetastasierungen führen bei mehr als 85 Prozent der Patienten zu Schmerzen.

Bei Lymphomen und Leukämien geben nur 25 bis 45 Prozent der Patienten Schmer- zen an (8).

Schmerzursachen

„Tumorschmerz“ ist keine Diagnose. Schmerzen bei Malignomen werden durch verschiedene Schmerzursachen hervorgerufen, die sowohl einzeln als auch in Kom- bination auftreten können (5) (Kasten 1).

Zertifizierte medizinische Fortbildung

Tumorschmerz

Michael Strumpf1, Anne Willweber-Strumpf2, Michael Zenz2, 3

Zusammenfassung

Schmerzen bei Tumorerkrankungen können auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden.

Die Ursachendifferenzierung ist für die Therapieplanung wichtig. Grundlage einer effektiven Tumortherapie sind umfassende Anamnese, körperliche Untersuchung und eine gezielt einge- setzte apparative Diagnostik. Die Therapie sollte immer interdisziplinär durchgeführt werden und zunächst alle kausalen Behandlungsmöglichkeiten in Betracht ziehen. Die symptomatische Schmerztherapie orientiert sich am WHO-Stufenschema zur Krebsschmerztherapie. Es wird ein- gegangen auf die Grundregeln der Tumorschmerztherapie, auf den sinnvollen Einsatz von Ko- analgetika, die Behandlung von Schmerzattacken und die rationale Wahl des Applikationswe- ges. Spezielle Problembereiche der Tumorschmerztherapie wie Opioidwechsel, typische Neben- wirkungen und die Behandlung von Schmerzattacken werden aufgegriffen. Invasive Verfahren zur Schmerztherapie können sinnvoll sein, sind aber nur bei wenigen Patienten indiziert. Be- deutsamer Bestandteil der Schmerztherapie bei Tumorpatienten sind die Symptomkontrolle und die Arzt-Patient-Beziehung.

Schlüsselwörter: Tumorschmerztherapie, Schmerzdiagnostik, Medikament, Therapieregel, Arzt- Patienten-Beziehung

Summary

Cancer Pain Management

In planning pain therapy for cancer patients it is important to take the different reasons of pain in oncologic patients into account. The basis for effective cancer pain management is an exten- sive case history, examination and targeted diagnostic investigation. Cancer pain therapy should be interdisciplinary and try to use causal therapy options in the first step. Symptomatic pain therapy follows the WHO guidelines. The basic rules, the use of co-analgesics, break through pain and different ways of drug application are introduced. Special problems like opioid rotation, side effects and break through pain are addressed. Interventional procedures can be reasonable, but are indicated only in a few patients. Significant elements of cancer pain management are symptom control and the relationship between patient and physician.

Key words: cancer pain management, diagnostic, drug, guideline, relationship between patient and physician

1Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerzthe- rapie (Chefarzt: Priv.-Doz. Dr. med. Michael Strumpf), Ro- tes-Kreuz-Krankenhaus, Bremen

2Universitätsklinik für Anaesthesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie (Direktor: Prof. Dr. med. Michael Zenz), Be- rufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Bochum

3Universitätsklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie (Direktor: Prof. Dr. med. Michael Zenz), Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer

Schmerzursachen bei Tumorpatienten Tumorbedingt (60 bis 90 Prozent)

Knochen-/Weichteilinfiltration

Kompression und Infiltration von Nerven-, Blut- und Lymphgefäßen

Tumornekrose an Schleimhäuten mit Ulzerati- on und Perforation

Hirnödem

Tumorassoziierte Schmerzen Paraneoplastisches Syndrom Zosterneuralgie, Pilzinfektion Venenthrombose

Dekubitus

Therapiebedingt (10 bis 25 Prozent) Operation (Nervenläsion, Vernarbung, Ödem, Muskelverspannung)

Radiatio (Fibrose, Neuropathie, Strahlen- osteomyelitis, Mukositis),

Chemotherapie (Entzündung, Paravasat, Muko- sitis, Neuropathie)

Tumorunabhängig (3 bis 10 Prozent) Migräne

Spannungskopfschmerz Arthritis

Rückenschmerz Kasten 1

Punkte cme

Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen

3

Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung zertifiziert.

Eine Teilnahme an der zertifizierten medizinischen Fortbildung im Deutschen Ärzteblatt ist nur im In- ternet möglich:

www.aerzteblatt.de/cme

Eine ausführliche Kasuistik sowie weitere Medi- kationsempfehlungen finden Sie unter:

www.aerzteblatt.de/cme/0504

Tumorpatienten mit Schmerzen werden in Deutschland auch heute noch unzureichend behandelt.

(2)

Tumorbedingter Schmerz

Bei tumorbedingten Schmerzen wird hinsichtlich der Ätiologie zwischen Nozi- zeptorschmerz und neuropathischen Schmerzen unterschieden. Bei den meisten Patienten treten im Verlauf der Erkrankung verschiedene Schmerztypen und auch Kombinationen auf. Nach epidemiologischen Daten treten Knochen- oder Weichteilschmerzen bei 35 Prozent der Patienten auf, viszerale Schmerzen bei 17 Prozent, neuropathische Schmerzen bei 9 Prozent, bei 39 Prozent der Patien- ten sind mehrere Schmerztypen kombiniert.

Nozizeptorschmerz

Knochen- und Periostschmerz – Knochenmetastasen erregen über einen lo- kalen Druck oder Infiltration Nozizeptoren im Periost und lösen dadurch Schmerzen aus. Anfänglich treten die Schmerzen meist nur bei körperlicher Be- lastung und bei bestimmten Bewegungen auf, später sind selbst in Ruhe Schmer- zen vorhanden. Bei starken Schmerzen klagen die Patienten über Schlafstörun- gen, weil sie nicht mehr ruhig liegen können. Rippenmetastasen können die Atemexkursionen schmerzhaft eingeschränkten, sodass der Patient nicht mehr richtig abhusten kann.

Weichteilschmerz – Weichteilschmerzen können nach Infiltrationen von Ske- lettmuskulatur oder Bindegewebe entstehen. Häufig sind es Dauerschmerzen, die unabhängig von Bewegungen auftreten. Sie verstärken sich bei Druck wie auch beim Sitzen. Eine radikuläre oder nichtradikuläre Schmerzausstrahlung ist nicht immer festzustellen. Die Schmerzen sind eher diffus lokalisiert.

Ischämieschmerz – Kommt es zu einer Kompression oder Infiltration von Blutgefäßen, entsteht im entsprechenden Versorgungsgebiet ein Sauerstoff- mangel. Neben einem anfänglichen Claudicatio-Schmerz klagen Patienten mit Ischämieschmerzen in fortgeschrittenen Stadien über Dauerschmerzen. Je mehr die Patienten ihre Extremitäten bewegen, desto stärker werden die Schmerzen. Bei der Untersuchung fällt häufig die bläulich-livide Verfärbung der Haut auf.

Viszeraler Schmerz – Der viszerale Schmerz wird durch Nozizeptoren vermit- telt, die im kardiovaskulären System, im Gastrointestinal-, Respirations- und im Urogenitaltrakt lokalisiert sind. Verdrängt der Tumor zum Beispiel im Bereich des Abdomens Verdauungsorgane oder verschließt er Hohlorgane, zum Beispiel Gallengang, Ductus pancreaticus, Coecum, werden solche viszeralen Afferenzen erregt. Schmerzen können auch bei Entzündungen, Kapseldehnungen und Schleimhautulzerationen der Haut zur Ausprägung kommen.

Neuropathischer Schmerz

Infiltration oder Kompression von peripheren Nerven, Nervenplexus oder im zentralen Nervensystem führen zu neuropathischen Schmerzen. Sensible und seltener auch motorische Ausfälle sowie erhöhte Reizbarkeit in den schmerz- haften Arealen weisen auf eine Nervenschädigung hin, aber nicht immer müssen objektivierbare neurologische Symptome auftreten. Neuropathische Schmerzen im Rahmen einer Tumorerkrankung können durch den Tumor selbst, die Che- motherapie, eine Operation oder durch Bestrahlung entstehen.

Bei der körperlichen Untersuchung fällt häufig eine Berührungsempfindlich- keit der Haut auf. Eine normalerweise nicht schmerzhafte leichte Berührung auf der Haut kann stärkste Schmerzhaftigkeit hervorrufen, die den Reiz zeitlich überdauert (Allodynie), oder ein leichter Schmerzreiz wird als extrem stark empfunden (Hyperalgesie). Dabei sind zum Teil erhebliche Sensibilitätsstörun- gen im Sinne einer Hypästhesie oder Hyperästhesie zu finden. In seltenen Fäl- len sind zusätzlich Hinweise für eine Beteiligung des sympathischen Nerven- systems vorhanden (Brennschmerz, Hauttrophik gestört, Ödem, Temperatur- unterschied).

Knochen- und Periostschmerz:

hell, lanzinierend, gut lokalisierbar, meist bei körperlicher Belastung und bei bestimmten Bewegungen

Weichteilschmerz:

Dauerschmerzen brennend,

bohrend oder plötzlich einschießende, blitzartige Schmerzattacken im Sinne einer Hyperästhesie; Beteiligung des sympathischen Nervensystems möglich

Ischämieschmerz:

Schmerzverstärkung bei Bewegung;

bläulich-livide Verfärbung der Haut

Viszeraler Schmerz:

dumpf, schlecht lokalisierbar, kolikartig

Neuropathischer Schmerz:

brennend, Allodynie, Hypo- oder Hyperästhesie, Hyperalgesie – lanzinierend, spitz, hell,

einschießend, attackenweise – brennender Dauerschmerz,

schlecht lokalisiert

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Therapiebedingter Schmerz

Die Tumortherapie kann Ursache für anhaltende Schmerzen sein. Chemotherapie hinterlässt mitunter schmerzhafte Polyneuropathien, aseptische Knochennekrosen oder Mukosaentzündungen. Unter Umständen Monate bis Jahre nach Bestrahlungen treten Schmerzsyndrome durch Fibrosierung des Arm- oder Lumbosacralplexus auf.

Myelopathien und durch Radiatio induzierte periphere Nerventumoren und Kno- chennekrosen treten ebenfalls auf. Weitere therapiebedingte Schmerzen sind bei- spielsweise der Postthorakotomieschmerz oder Stumpf- und Phantomschmerzen nach Amputationen einer Extremität wegen Tumorbefalls.

Tumorunabhängiger Schmerz

Tumorpatienten können auch unter chronischen Schmerzen leiden, die nicht mit der Tumorerkrankung oder der Therapie im Zusammenhang stehen. Ein schon lange be- stehender Kopfschmerz oder nicht radikuläre Rückenschmerzen können sich gerade in der Krisensituation einer Tumorerkrankung verstärken.Auch die langsam nachlas- sende Reduktion des Allgemeinzustandes und zunehmende Immobilität können zu einer Schmerzverstärkung chronischer nicht tumorbedingter Schmerzen beitragen.

Diagnostik

Eine symptomatische Schmerztherapie sollte nicht ohne Kenntnis der exakten Dia- gnose erfolgen. Eine sorgfältige und umfassende Anamnese und eine gründliche kör- perliche Untersuchung mit neurologischem Status sind Basis der Schmerzdiagnostik.

Viele Patienten mit chronischen Tumorschmerzen haben nicht nur somatische Be- schwerden, sondern sind auch psychisch belastet. Die Schmerzanamnese berücksich- tigt also auch das psychische und soziale Umfeld des Patienten, sodass psychologische Faktoren, die das Schmerzausmaß beeinflussen, gezielt bei der Therapie mitberück- sichtigt werden. Das Ausmaß der apparativen Diagnostik richtet sich nach Krank- heitsstadium und Allgemeinzustand des Patienten. Treten neue Schmerzen auf oder kommt es zu einer deutlichen Schmerzverstärkung, sollte immer an ein Tumorrezidiv und Metastasen gedacht werden, was zwingend abgeklärt werden muss. Das genaue diagnostische Vorgehen, die Indikation für bestimmte apparative Untersuchungsme- thoden (wie Computertomographie,Magnetresonanztomographie,Szintigraphie,An- giographie) und die daraus abzuleitenden therapeutischen Konsequenzen sollten im- mer in Kooperation mit Onkologen und Radiologen erfolgen.

Therapie

Kausale Schmerztherapie

Therapie der Wahl ist die kurative Beseitigung von Schmerzen, soweit bei einer Tu- morerkrankung überhaupt möglich. Bei bekannter Tumordiagnose müssen zunächst alle kausalen Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden, die zu einer Beseitigung oder Verkleinerung des Tumors führen oder zumindest zur palliativen Tu- mortherapie eingesetzt werden können (8). Ursachenerkennung und Ursachenthe- rapie bedingen, dass auch der Schmerztherapeut onkologische Therapiekonzepte zu überdenken und an den Patienten gegebenenfalls entsprechend weiterzuleiten hat.

Symptomatische Schmerztherapie

Stufenschema der Tumorschmerztherapie

Im Jahr 1986 wurden erstmals von der World Health Organization (WHO) Empfeh- lungen zur Tumorschmerztherapie herausgegeben. In großen Fallserien wurde die Effektivität der WHO-Empfehlungen nachgewiesen und eine zufriedenstellende Bei einer bekannten Tumordiagnose

müssen alle kausalen Behandlungs- möglichkeiten wie Operation, Chemo-, Hormon-, Radioisotopen- oder Strahlentherapie in Betracht gezogen werden. Dies verpflichtet alle an der Therapie beteiligten Kollegen zur frühzeitigen

interdisziplinären Zusammenarbeit.

Grundregeln der Tumorschmerztherapie 1. Anamnese und Untersuchung

2. Klärung der Schmerzursache 3. Stellung der Schmerzdiagnose 4. In der Regel medikamentöse Therapie

der Schmerzen

5. Das richtige Arzneimittel, in der richtigen Dosis, im richtigen Zeitintervall 6. Bevorzugung der oralen Analgetikagabe 7. Gabe der Analgetika nach Zeitplan 8. Individuelle Dosis und Dosisanpassung

bei jedem Patienten

9. Begleitmedikamente den Indikationen entsprechend

Kasten 2 Grafik

WHO-Stufenschema zur Krebstherapie

(4)

Schmerzreduktion bei 80 Prozent der Patienten aufgezeigt (Grafik).An diesen Emp- fehlungen orientiert hat die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft im Jahr 2000 die zweite Auflage ihrer Empfehlungen zur Tumorschmerztherapie publi- ziert (1).

Die Grundlage aller Empfehlungen ist das Stufenschema der WHO zur Krebs- schmerztherapie (7).

Nach dem WHO-Stufenschema werden bei leichteren Schmerzen Nicht-Opioid- analgetika eingesetzt (Stufe 1). Reicht die analgetische Wirkung nicht aus, wird das Nicht-Opioidanalgetikum mit einem schwachen Opioid kombiniert (Stufe 2). Bei wei- terhin unzureichender Analgesie wird das Nicht-Opioidanalgetikum mit einem stark wirksamen Opioid kombiniert (Stufe 3). Ein eventuell vorhandener Durchbruchs- schmerz (Bewegung, Husten, Defäkation) sollte auf allen Stufen mit schnell anfluten- den Opioiden behandelt werden (zum Beispiel unretardierte Morphintabletten 10 bis 20 mg oder Fentanyllutscher 200 bis 1 600 µg). Daraus ergeben sich Kombinations- möglichkeiten: Entweder werden Substanzen der Stufe 1 und 2 verabreicht oder Sub- stanzen der Stufe 1 und 3. Die Wahl dieser Kombinationen ist abhängig von der Stär- ke der Schmerzen (Kasten 3).

Das Stufenschema ist kein starrer Plan, der von unten nach oben durchlaufen wer- den muss. Die Auswahl der Schmerzmedikamente richtet sich auch nach der Schmerz- ursache, zum Beispiel sollten bei Knochenschmerzen neben Opioiden auch der Ein- satz von nichsteroidale Antiphlogistika bedacht werden, oder bei neuropathischen Schmerzen der Einsatz von Antidepressiva und Antikonvulsiva. Es gibt heute Diskus- sionen darüber, inwieweit der Einsatz schwach wirksamer Opioide überhaupt not- wendig ist. Studien zeigen, dass eine sofortige Einstellung auf stark wirksame Opioide sicher und effektiv möglich ist. Ebenso gibt es Diskussionen, dass die Opioide wegen fehlender Organtoxizität sicherer als die Nicht-Opioidanalgetika sind, weshalb auch auf Stufe I verzichtet werden könne.

Folgende Grundregeln sollten aber bei der medikamentösen Therapie chronischer Schmerzen möglichst eingehalten werden (6, 7): Es erfolgt primär eine nichtinvasive Applikation (oral, transdermal), um die Selbstständigkeit des Patienten zu erhalten.

Die Dosisintervalle richten sich nach der Wirkungsdauer des verwendeten Präparates (zum Beispiel Morphin retard alle acht bis zwölf Stunden). Es sollten so weit wie mög- lich retardierte Opioide oder Präparate mit einer langen Wirkungsdauer eingesetzt werden (Kasten 2). Wenn die Schmerzen immer wieder auftreten, bevor die nächste Dosis fällig ist, sollte die Dosis der Dauermedikation erhöht werden und nicht das Do- sisintervall verkürzt werden. Bei der Wahl der Einnahmezeiten sollte man den indivi- duellen Lebensrhythmus des Patienten berücksichtigen (zum Beispiel erste Einnah- me nach dem Erwachen).

Für viele Medikamente gibt es zwar Standarddosierungen. Es sollte aber immer ei- ne individuelle Titration des einzelnen Opioids erfolgen. Die individuelle Titration orientiert sich an Wirkung und Nebenwirkung des verwendeten Präparates. Auftre- tende Nebenwirkungen müssen behandelt werden (beispielsweise Übelkeit und Er- brechen in der Einstellungsphase – Antiemetika, Obstipation bei längerer Anwen- dung von Opioiden – Laxanzien). Gerade bei Tumorpatienten ist es erforderlich, für eine ausreichende Analgesie zu sorgen. Bei den Opioiden können daher für fast alle Substanzen keine Höchstdosierungen angegeben werden (Ausnahme: Buprenorphin:

„Ceiling-Effekt“).

Die Wirkung und auch die Nebenwirkungen einer medikamentösen Schmerzthe- rapie müssen regelmäßig kontrolliert und auch dokumentiert werden.

Applikationswege

Die orale Applikation ist für die meisten Patienten einfach und unkompliziert. Auch eine Zufuhr über eine Ernährungssonde ist mit vielen der heute verfügbaren Präpa- rate möglich. In den seltenen Fällen, in denen die orale Therapie an ihre Grenzen stößt (zum Beispiel bei Schluckstörungen), kommen alternative Applikationswege infrage.

Vorteile der transdermalen Applikation (Fentanyl, Buprenorphin) sind die wenig belastende Anwendung und die lange Wirkungsdauer der Pflaster (48 bis 72 Stunden).

Substanzen (alphabetische Reihenfolge) und Dosierungen des modifizierten und komplettierten WHO-Stufenschemas zur Krebsschmerztherapie

Substanzen der Stufe I Acetylsalicylsäure 4 1 000 mg Celecoxib 2 100–200 mg/Tag Diclofenac 1–2 25–100 mg/Tag Etoricoxib 1 60–120 mg/Tag Ibuprofen retard 2 800 mg/Tag Metamizol 4 1 000 mg/Tag Naproxen 2 500 mg/Tag Valdecoxib 1 10–2 20 mg/Tag bei unzureichender Wirksamkeit zusätzlich:

Substanzen der Stufe II

Dihydrocodein retard 2–3 60–180 mg/Tag Tramadol retard 3–4 100–200 mg/Tag Tilidin/Naloxon retard 2–3 100–200 mg/Tag bei unzureichender Wirksamkeit statt Stufe II:

Substanzen der Stufe III

Buprenorphin s.l. 3–4 0,2–1,2 mg/Tag*1 Buprenorphin transdermal

0,8–5,04 mg / Tag

Fentanyl transdermal 0,6 – ?*2mg/Tag Hydromorphon retard 2–3 4–?*2mg/Tag Levomethadon 1 10–15 mg/Tag*3 Morphin retard 2–3 10–? mg/Tag*4 Oxycodon retard 2–3 10–?*2mg/Tag

*1„Ceilingeffekt“ bei etwa 5 mg: eine Wirkungsstei- gerung ist nicht mehr möglich

*2es gibt keine begrenzende Höchstdosis

*3Kumulationsgefahr bei Anwendung entsprechend der analgetischen Wirkungsdauer (6 h), deshalb nach Titration nur 1 tägliche Applikation emp- fohlen

*4Die Anpassung der Dosis erfolgt individuell nach Wirkung und Nebenwirkung. Höchstdosierungen können nicht angegeben werden.

Kasten 3

Für eine akut erforderliche

Schmerztherapie sind transdermale Systeme ungeeignet.

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Nachteilig ist die schlechte und eher zähe Dosisfindung und -anpassung (voller Wir- kungseintritt erst nach 12 bis 24 Stunden.). Für die rektale Applikation stehen in Deutschland keine retardierten Präparate zur Verfügung, sodass Morphin-Supposi- torien alle vier Stunden appliziert werden. Die subkutane oder intravenöse Gabe über eine patientenkontrollierte Pumpe mit Bolusfunktion ist nur in einzelnen Fällen sinn- voll, zum Beispiel, um ein schnelles Anfluten des Analgetikums bei Durchbruchs- schmerzen zu ermöglichen. Es gibt grundsätzlich keine Indikation für die intramus- kuläre Gabe von Opioiden bei Tumorschmerzen, da die subkutane Applikation ein- facher und weniger schmerzhaft ist. Allerdings sollten möglichst keine wiederholten Injektionen durchgeführt werden, stattdessen ist eine subkutane Dauerinfusion über eine Pumpe sinnvoll. Die Indikation für eine rückenmarknahe Applikation von Opioiden sollte äußerst zurückhaltend und nur in Ausnahmefällen gestellt werden, dann aber von erfahrenen Schmerztherapeuten. Gründe für eine rückenmarknahe Applikation können sein:

Terminalstadium der Erkrankung,

stärkste Schmerzen, die mit anderen Applikationsformen nicht beherrschbar sind,

gravierende, nicht behandelbare Nebenwirkungen bei anderen Applikationswe- gen.

Koanalgetika

Eine Monotherapie mit Opioiden ist bei vielen Schmerzsyndromen nicht ausreichend effektiv. Auf allen Stufen können die Analgetika mit Koanalgetika zur Behandlung verschiedener Symptome der Tumorerkrankung kombiniert werden (Kasten 4).

Antidepressiva (zum Beispiel Amitriptylin) sind sinnvoll zur Behandlung neuropa- thischer, brennender Dauerschmerzen und schmerzhafter Dysästhesien. Die analgeti- sche Wirkung von Antidepressiva lässt sich auf die Steigerung der Funktion inhibito- rischer Transmitter durch Hemmung ihrer Wiederfreisetzung in Neurone zurück- führen. In der Schmerztherapie werden Antidepressiva deutlich niedriger dosiert als in der psychiatrischen Behandlung.

Antikonvulsiva unterdrücken eine erhöhte synaptische Impulsübertragung und steigern hemmende Einflüsse auf Neuronenaktivität in verschiedenen Gebieten des Zentralnervengebietes. Sie werden vor allem bei neuropathischen, einschießenden, elektrisierenden Schmerzen eingesetzt. Seit kurzem kann auch Pregabalin bei peri- pheren Neuropathien verwendet werden.

Bei osteolytischen Knochenmetastasen können Bisphosphonate zum Einsatz kom- men. Sie hemmen die Aktivität der Osteoklasten, das Wachstum osteolytischer Meta- stasen wird gehemmt und so eine Schmerzreduktion erreicht.

Corticosteroide vermindern das perineurale Ödem und den Druck auf das Ner- vengewebe und führen so zur Schmerzlinderung. Die Nebenwirkungen der Steroide wie Appetitsteigerung, Gewichtszunahme und Stimmungsaufhellung werden von den Tumorpatienten häufig als positiv empfunden (Kasten 4). Benzodiazepine sind zur Schmerztherapie nicht geeignet.

Die Behandlung von Schmerzattacken

Neben der Dauermedikation brauchen viele Tumorschmerzpatienten eine Bedarfs- medikation zur Behandlung von Schmerzattacken („breakthrough pain“).

Ursachen für Schmerzattacken sind zum Beispiel:

unzureichende Behandlung der Dauerschmerzen (Schmerzattacken treten kurz vor der nächsten Medikamentengabe auf: „end of dose failure“)

Bewegungen/körperliche Belastungen zum Beispiel bei Knochenmetastasen Nahrungsaufnahme

Stress.

Bei der unzureichenden Behandlung des Dauerschmerzes muss die Basistherapie angepasst werden, dabei sollte eine Dosiserhöhung, und nicht die Verkürzung der pharmakologisch sinnvollen Applikationsintervalle angestrebt werden.

Regel:

orale und transdermale Applikation vor subkutaner, intravenöser, rückenmarknaher Applikation

Beispiele für die Dosierung von Koanalgetika

Antidepressiva

Amitriptylin, Doxepin, Clomipramin:

Beginn: 10 mg abends, langsame Steigerung, Ga- be möglichst abends (Sedierung)

Imipramin:

10–10–0 bis 25–25–0 mg/Tag, Gabe möglichst morgens (Antriebssteigerung)

Antikonvulsiva Gabapentin:

Beginn: 3 100 mg/Tag

Steigerung in Abhängigkeit von Nebenwirkungen auf 3 300–900 mg/Tag

Pregabalin:

Beginn: 2 75 mg/Tag

Steigerung in Abhängigkeit von Nebenwirkungen auf 2 300 mg/Tag

Carbamazepin:

Beginn: 2 100 mg/Tag

Steigerung in Abhängigkeit von Nebenwirkungen auf 2–4 400 mg/Tag

Baclofen:

Beginn: 3 5–10 mg/Tag Steigerung alle 3 Tage um 5–10 mg

Erhaltungsdosis: 60 mg/Tag in 3–6 Einzeldosie- rungen, maximal 80 mg/Tag

Bisphosphonate Pamidronat:

Initial 30 mg in 500 mL NaCl i.v.

Erhaltungsdosis 30–90 mg in 500 mL NaCl i.v.

4 Infusionen im Abstand von 1 Woche, dann ge- gebenenfalls monatlich wiederholen

Ibandronat:

2–4 mg in 500 NaCl i.v.,

gegebenenfalls im Abstand von 4 bis 6 Wochen wiederholen

Corticosteroide Dexamethason:

Initial: 8–12 mg/Tag Erhaltungsdosis 2–4 mg/Tag Morgendliche Einnahme Dosisreduktion nach 4 Tagen Erhaltungsdosis nach 2 bis 3 Wochen Cave: Kombination mit NSAID – Gefahr der Magenblutung!

Kasten 4

(6)

Ebenso wie bei den Dauerschmerzen muss bei den Schmerzattacken zwischen no- zizeptiven und neuropathischen Schmerzen differenziert werden. Bei nozizeptiven Schmerzattacken (Knochen und Weichteilschmerzen, viszerale Schmerzen) wird ein nicht retardiertes Opioid genutzt. Die Bedarfsmedikation soll möglichst eine schnell wirksame Form des Opioids sein, das zur Behandlung der Dauerschmerzen eingesetzt wird. Werden die Dauerschmerzen mit retardiertem Morphin behandelt, so werden für die Schmerzattacken nicht retardierte Morphinlösung oder Morphintabletten ein- gesetzt. Wird die Dauertherapie mit transdermalem Fentanyl durchgeführt, kann die Attackenbehandlung mit einem transmukösen Fentanylstick erfolgen. Die Dosis der Attackenmedikation richtet sich nach der Dosis der Dauermedikation: Ein Sechstel der Tagesdosis der Dauermedikation gilt als Richtwert.Allerdings bestehen große in- dividuelle Schwankungen in der verträglichen und benötigten Dosierung. Neuropa- thische Schmerzattacken werden in erster Linie mit Antikonvulsiva, gegebenenfalls in Kombination mit Antidepressiva behandelt (siehe Koanalgetika).

Opioidwechsel

Mit fortschreitendem Tumorwachstum, zunehmender Metastasierung und damit auch zunehmenden Schmerzen ist bei den meisten Patienten im Laufe der Schmerzthera- pie eine Dosissteigerung der verwendeten Opioide erforderlich. Dosislimitierungen sind für Opioide nicht bekannt (Ausnahme: Buprenorphin, „Ceiling-Effekt“ bei etwa 5 mg). Nicht tolerable Nebenwirkungen können aber häufig eine weitere Dosissteige- rung verhindern. Mit dem Wechsel auf ein anderes Opioid besteht die Chance, dass sich die Nebenwirkungen reduzieren und die Schmerzlinderung verbessert wird.Auch der Wechsel des Applikationsweges kann eine Möglichkeit sein, Nebenwirkungen zu verringern.Vor jedem Opioidwechsel ist zu prüfen, ob die Nebenwirkungen nicht auf andere Ursachen zurückzuführen sind (zum Beispiel Übelkeit und Erbrechen bei Subileus / Ileus;Verwirrtheit bei Hypokalzämie durch Biphosphonate; Übelkeit durch Chemotherapie) (Tabelle 1, 2).

Nebenwirkungen

Die Langzeitanwendung von NSAID und antipyretischen Analgetika wird häufig durch schlechte Verträglichkeit und gastrointestinale Ulzerationen, Blutungen oder Wassereinlagerungen limitiert. Die Nephrotoxizität kann bei älteren Patienten eben- falls die Langzeitanwendung einschränken. Bei einem schlechten Allgemeinzustand sind die Patienten anfälliger für die Nebenwirkungen der NSAID. Neue COX2-selek- tive NSAID (Celecoxib, Etoricoxib,Valdecoxib) verursachen weniger gastrointestina- le Nebenwirkungen, scheinen aber eine geringere Effektivität und ein höheres kar- diovaskuläres Risikoprofil als die älteren nichtselektiven NSAID zu haben. In Anbe- tracht der Marktrücknahme von Rofecoxib wird der Stellenwert der Coxibe momen- tan kontrovers diskutiert. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat für die Verordnung von Coxiben folgende Empfehlungen ausgesprochen (2):

Kontraindikation bei allen kardiovaskulären Risikopatienten,

strenge Indikationsstellung bei Patienten über 65 Jahren aufgrund der allgemein erhöhten kardiovaskulären Risiken,

Anwendung nur so lange wie nötig: intermittierend drei bis maximal sechs Monate,

keine Anwendung vor oder unmittelbar nach chirurgischen Eingriffen,

bei Patienten mit kardiovaskulären und gastrointestinalen Risiken Einsatz von traditionellen nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) plus niedrig dosierte Acetylsalicylsäure plus Protonenpumpenhemmer, nichtsaure NSAID (Metami- zol, Paracetamol), Opioide.

Eine gastroprotektive Begleitmedikation, zum Beispiel mit Protonenpumpen- hemmstoffen, ist nicht bei allen Patienten erforderlich. Unbedingt notwendig ist die Gabe von Gastroprotektiva bei Risikopatienten und wenn eine gleichzeitige Gabe von Corticosteroiden durchgeführt wird. Bei nichtsauren NSAID (Metamizol, Para- cetamol) treten deutlich seltener Nebenwirkungen auf, die zum Abbruch der Therapie Tabelle 1 C

Äquivalenzdosen für schwache Opioide

Generika Einzeldosis Dosisbeispiel (mg/Tag) Morphin 10 mg 2–3 10 mg

oral retard

Tramadol 150 mg 3–4 150 mg retard

Tilidin- 100 mg 2–3 100 mg Naloxon retard

Dihydro- 90 mg 2–3 90 mg codein

´ Tabelle 2 C

Äquivalenzdosen für starke Opioide

Generika Tagesdosis Dosisbeispiel Morphin 60 mg 3 20 mg

oral (retardiert)

1 60 mg (retardiert +*1)

rektal 60 mg 3 20 mg

s.c. 20 mg 6 3 mg

i.v. 20 mg 6 3 mg

epidural 6 mg 3 2 mg

intrathekal 0,6 mg 3 0,2 mg Oxycodon 30–40 mg 3 10 mg

oral (retardiert)

2 20 mg (retardiert) Hydromor- 8–12 mg 2–3 4 mg

phon oral (retardiert)

L-Methadon 10–15 mg 1 10 mg oral

Bupre- 1,2 mg 3 0,4 mg

norphin (sublingual)

Buphre- 840 µg 35 µg/h für

norphin 48–72 h

transdermal (sublingual)

*1Wirkdauer bis zu 24 h

Ein Opoidwechsel kann

Nebenwirkungen reduzieren, sollte aber nicht vorschnell und zu häufig durchgeführt werden.

(7)

führen. Leberzellschädigungen unter Paracetamol treten unter therapeutischen Do- sierungen nur bei Patienten mit vorgeschädigter Leber auf.

Unter Opioiden können eine Reihe gastrointestinaler und zentralnervöser Neben- wirkungen auftreten. Häufige Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit. Obstipation tritt fast immer auf. Neurotoxi- sche Nebenwirkungen wie Alpträume, Halluzinationen, Myoklonien oder Hyperalge- sien werden seltener beobachtet.

Für viele Nebenwirkungen besteht eine selektive Toleranz: Inzidenz und Schwere der Nebenwirkungen nehmen im Verlauf der Therapie ab. Im Gegensatz dazu nimmt die Obstipation im Therapieverlauf zu. Bei nicht beherrschbaren Nebenwirkungen sollte an einen Opioidwechsel gedacht werden.

Übelkeit und Erbrechen sollten zu Beginn der Opioidtherapie prophylaktisch mit Antiemetika behandelt werden. Es können Antihistaminika, Neuroleptika,Anticholi- nergika, prokinetische Substanzen, 5-HT3-Antagonisten und eventuell Glucocorti- coide verwendet werden.

Mittel der ersten Wahl sind Metoclopramid in einer Dosierung von 10 mg alle vier bis fünf Stunden oder Haloperidol 0,3 bis 0,5 mg alle acht bis zwölf Stunden.

Obstipation ist die häufigste Nebenwirkung von Opioiden. Bei vielen Patienten ist mit Beginn der Opioidtherapie eine forcierte Behandlung der Obstipation erforder- lich.

Es können Quellstoffe, osmotisch wirkende Substanzen, antiresorptiv, sekretagog wirkende Substanzen (Stimulanzien) oder Gleitmittel, auch in Kombination, einge- setzt werden. Eine ballaststoffreiche Ernährung und eine ausreichende Trinkmenge (mehr als zwei Liter pro Tag) erleichtert die Obstipationsprophylaxe.

Invasive Verfahren

Neben der medikamentösen Schmerztherapie kann die Möglichkeit von Nerven- blockaden oder Neurolysen in Abhängigkeit von der Prognose und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten bedacht werden (3).

Klassische Indikationen bestehen in der Therapie viszeraler Abdominalschmerzen und neuropathischer Schmerzen. Beim Pankreaskopfkarzinom kann eine Plexus-coe- liacus-Blockade oder eine Neurolyse für Wochen bis Monate zur Schmerzfreiheit führen. Bei neuropathischen Schmerzen an der oberen Extremität und am Kopf kön- nen Opioidapplikationen am Ganglion cervicale superius oder Stellatumblockaden sinnvoll sein. Neuropathische Schmerzen an der unteren Extremität können mit einer Grenzstrangblockade beziehungsweise Neurolyse behandelt werden. Bei streng peri- anal begrenzten Schmerzen zum Beispiel bei Rektumkarzinomen kann eine S4/S5- Neurolyse zu einer deutlichen Schmerzreduktion bis hin zur Schmerzfreiheit führen.

Invasive schmerztherapeutische Verfahren sollten ausschließlich von speziell ausge- bildeten Therapeuten durchgeführt werden.

Symptomkontrolle

Tumorpatienten leiden häufig nicht nur unter Schmerzen. Oft sind andere, krankheits- oder therapiebegleitende Symptome (Übelkeit, Erbrechen, Dyspnoe, Unruhe,Angst, Schlaflosigkeit) genauso bedeutsam (Tabelle 3) (4, 6).

Schmerztherapie bedeutet bei Tumorpatienten nicht nur Analgesie, sondern auch eine Verbesserung der Lebensqualität durch Reduktion oder Beseitigung verschiede- ner erkrankungs- oder therapiebedingter Symptome.

Arzt-Patient-Beziehung

In der Tumorschmerztherapie ist eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung beson- ders wichtig.Die Patienten erleben neben der Bedrohlichkeit der Schmerzen auch Be- drohungen durch zum Teil unausweichliche physische, psychische und soziale Verlu- Eine langsame Dosissteigerung oder

auch eine Dosisreduktion können Nebenwirkungen verhindern oder minimieren.

Eine Obstipationprophylaxe muss fast immer für die gesamte Dauer der Opioidtherapie erfolgen.

Invasive Verfahren zur

Schmerztherapie können sinnvoll sein, sind aber nur bei wenigen Patienten indiziert.

Die Behandlung

krankheitsbegleitender Symptome ist genauso bedeutsam wie die Schmerztherapie.

(8)

ste, die zu Trauer, Ängsten und depressiven Verstimmungen führen können (4). Das Schmerzerleben kann hierdurch wiederum beeinflusst werden. Eine offene, empathi- sche und aktiv zuhörende Gesprächsführung innerhalb eines ausreichenden Zeitrah- mens sollte die Basis der Kommunikation sein. Bagatellisieren, Generalisieren, Mo- nologisieren sollte unbedingt vermieden werden. Anstatt dogmatisch eine Therapie vorzugeben, ist es besser, den Patienten zu fragen, was er sich wünscht, worauf er sich einlassen kann und womit er einverstanden ist.

Die „beste“ Therapie

Die beste Behandlung ist die ambulante Therapie, die der Patient selbstständig zu Hause durchführen kann, und die ihm die Unabhängigkeit von seinem Therapeuten bewahrt. Die Einstellung und Überwachung der oralen medikamentösen Therapie wird durch eine Beschränkung auf wenige Monosubstanzen (entsprechend dem WHO-Stufenschema) erleichtert. Damit ist die orale und transdermale Opioidthera- pie nicht nur die beste, sondern auch die einfachste und damit sicherste Therapie; sie kann über viele Jahre angewendet werden, ohne dass – bis auf die Obstipation – gra- vierende Nebenwirkungen auftreten müssen.Nicht für alle Patienten ist die orale oder transdermale Medikation geeignet. Für die verbleibenden Patienten stehen alternati- ve Techniken zur regionalen Lokalanästhetika- oder Opioidapplikation sowie neuro- lytische Blockaden oder neurochirurgische und palliative strahlentherapeutische Maßnahmen zur Verfügung. Erfolgreich wird eine Tumorschmerzbehandlung aber nur dann sein, wenn Patienten und Angehörige über die Prinzipien und den Sinn der Therapie ausreichend informiert sind und sie verstehen sowie wenn eine regelmäßige Therapiekontrolle und -anpassung durchgeführt wird.

Literatur

1. Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft:

Empfehlungen zur Tumorschmerztherapie. Sonderheft Therapieempfehlungen 2000.

2. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft:

„Aus der UAW-Datenbank“. Kardiovaskuläre Neben- wirkungen sind ein Klasseneffekt aller Coxibe: Konse- quenzen für die künftige Verordnung. Dtsch Arztebl 2004; 101: A 3365 [Heft 49].

3. Hankemeier U, Schüle-Hein K, Krizantis F: Tumor- schmerztherapie. Berlin, Heidelberg, New York: Sprin- ger 2001.

4. Husebø S, Klaschik E: Palliativmedizin. Praktische Ein- führung in Schmerztherapie, Ethik und Kommunikati- on. Berlin, Heidelberg, New York: Springer 2000.

5. Strumpf M: Krebsschmerz. In: Zenz M, Jurna I eds.:

Lehrbuch der Schmerztherapie. Stuttgart: Wissen- schaftliche Verlagsgesellschaft 2001; 715.

6. Twycross R.: Pain relief in advanced cancer. Eding- burgh: Churchill Livingstone 1994.

7. World Health Organization: Cancer pain relief. 3rd ed.

Genf, 1996.

8. Zenz M, Donner B: Schmerz bei Tumorerkrankungen.

Interdisziplinäre Diagnostik und Therapie. Wissen- schaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2002.

M. Strumpf und A. Willweber-Strumpf haben in den ver- gangenen zwei Jahren bezahlte Vorträge zur Fortbil- dung von Ärzten im Auftrag folgender Pharmafirmen gehalten. M. Strumpf: Mundipharma, Janssen-Cilag,

Pfizer, Bristol Meyers Squibb und A. Willweber-Strumpf:

Mundipharma, Pfizer.

Manuskript eingereicht: 15. 12. 2004, revidierte Fassung angenommen: 15. 2. 2005

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 916–924 [Heft 13]

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Michael Strumpf

Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Rotes Kreuz Krankenhaus

St.-Pauli-Deich 24, 28199 Bremen E-Mail: strumpf@roteskreuzkrankenhaus.de

´ Tabelle 3CC´

Symptomkontrolle

Symptom Medikamentöse Therapiemöglichkeiten

Übelkeit/Erbrechen Antiemetika, vergleiche Nebenwirkungen Obstipation Laxanzien, vergleiche Nebenwirkungen

Mikroklysma und/oder Einläufe, gegebenenfalls manuelle Ausräumung Dyspnoe Opioide (nicht retardiert, tritiert),

Benzodiazepine, Phenothiazine, Sauerstoff- applikation nur bei Hypoxämie indiziert

Unruhe/Angst/ Gespräche, Entspannungsübungen, gegebenenfalls

Schlafstörungen Benzodiazepine

Terminale Agitation bei Halluzinationen Haloperidol

Je einfacher die Therapie, umso besser und sicherer ist sie.

Die Beziehung zwischen Arzt und Patient ist mitbestimmend für eine effektive Schmerztherapie.

(9)

Frage 1:

Nach dem WHO-Stufenschema zur Krebsschmerz- therapie ist welche Medikamentenkombination nicht sinnvoll?

1. Ibuprofen und Tramadol retard 2. Tilidin-Naloxon retard und Oxycodon 3. Ibuprofen und Morphin retard 4. Diclofenac und Hydromorphon

Frage 2:

Nach den Grundregeln der Tumorschmerztherapie trifft welche Aussage zu?

1. Die Dosisintervalle der verwendeten Analgetika richten sich nach der Schmerzrhythmik.

2. Bei Schmerzen, die auftreten, bevor die nächste Dosis fäl- lig ist, sollte das Einnahmeintervall verkürzt werden.

3. Es sollten immer Standarddosierungen verwendet wer- den.

4. Gerade beim Einsatz von Opioiden bei Tumorschmerzen müssen Höchstdosierungen beachtet werden.

5. Keine Aussage trifft zu.

Frage 3:

Eine Patientin mit Mammakarzinom links hat eine Strahlentherapie erhalten.Vier Monate nach Ende der Bestrahlung berichtet sie über eine schmerz- hafte Berührungsempfindlichkeit und einschie- ßende Schmerzen im linken Arm. Motorische Aus- fälle bestehen nicht. Worauf können die Sympto- me am ehesten hindeuten?

1. Fibrosierung des Armplexus nach Strahlentherapie 2. Knochenmetastasen

3. Störung der Krankheitsverarbeitung 4. schonungsbedingte muskuläre Schmerzen 5. Ischämieschmerz

Frage 4:

Welches Koanalgetikum ist bei neuropathischen Tumorschmerzen nicht sinnvoll?

1. Antidepressivum 2. Benzodiazepin 3. Antikonvulsivum 4. Corticosteroid 5. Alle Aussagen sind richtig.

Frage 5:

Ein Patient mit Knochenmetastasen erhält zur Schmerztherapie Fentanyl transdermal 75 µg/h.

Das Pflaster wird alle 48 Stunden gewechselt. Zu- sätzlich erhält er 2 800 mg Ibuprofen retard pro Tag. Unter dieser Therapie ist der Patient für etwa 40 Stunden zufriedenstellend schmerzredu- ziert. In den letzen acht Stunden vor dem Pfla- sterwechsel berichtet er über ständig zunehmen-

de Schmerzen. Welche Therapiemaßnahmen sind sinnvoll?

1. Verkürzung des Applikationsintervalls von Fentanyl transdermal

2. Wechsel des Opioids

3. Zusätzlicher Einsatz von Gabapentin 4. Erhöhung der Dosis von Ibuprofen retard 5. Erhöhung der Dosis von Fentanyl transdermal

Frage 6:

Zur Schmerztherapie erhält ein Tumorpatient mit Lungenkarzinom und Knochenmetastasen 3 120 mg Morphin retard pro Tag. Er berichtet über eine seit zwei Wochen deutlich zunehmende Schmerz- intensität. Welche therapeutische Maßnahme ist sinnvoll?

1. Opioidwechsel

2. Erhöhung der Dosis von Morphin retard 3. Zusätzlicher Einsatz eines Antkonvulsivums 4. Wechsel des Applikationsweges 5. Zusätzlicher Einsatz kurz wirksamer Opioide

Frage 7:

Unter Opioiden können Nebenwirkungen auftre- ten. Welche Aussage trifft zu?

1. Obstipation tritt fast immer auf und bleibt häufig für die Dauer der Opioidtherapie bestehen.

2. Langsame Dosissteigerung kann Nebenwirkungen mini- mieren.

3. Für viele Nebenwirkungen besteht eine selektive Tole- ranz

4. Übelkeit und Erbrechen sollten mit Beginn der Opioidthe- rapie prophylaktisch behandelt werden.

5. Alle Aussagen treffen zu.

Frage 8:

Eine Patientin mit einem Kolonkarzinom hat eine laufende Chemotherapie. Zur Schmerztherapie er- hält sie Hydromorphon 3 8 mg. Sie klagt über ständige Übelkeit und mehrfach tägliches Erbre- chen. Was könnte die gastrointestinalen Sympto- me verursachen?

1. Die Chemotherapie 2. Das Opioid 3. Der Tumor 4. Angst

5. Alle Aussagen treffen zu.

Frage 9:

Welche Aussage zur Wahl der Applikationswege bei der Verordnung von Opioiden trifft zu?

1. Stärkste Tumorschmerzen sollten mit einer intravenösen Dauerinfusion behandelt werden.

2. Die orale oder transdermale Applikation ist der intra- venösen Dauerinfusion vorzuziehen.

3. Die Indikation für eine rückenmarknahe Applikation ist bei Tumorpatienten frühzeitig zu stellen.

4. Ist eine orale oder transdermale Applikation nicht möglich, sollte eine intramuskuläre Gabe erfolgen.

5. Alle Aussagen treffen zu.

Frage 10:

Welche Aussage zur Tumorschmerztherapie trifft zu?

1. Die Arzt-Patient-Beziehung und die Gesprächsführung sind essenzieller Bestandteil der Tumorschmerzthera- pie.

2. Bei jeder Art von Tumorschmerzen sollte das Therapie- regime ein Opioid enthalten.

3. Tumorschmerztherapie beinhaltet nicht die erkran- kungs- oder therapiebedingte Symptomkontrolle.

4. Aufgrund von Toleranzeffekten sollten Opioide nur im Endstadium der Erkrankung eingesetzt werden.

5. Bei manchen Formen von Tumorschmerzen kann die Kombination verschiedener Opioide sinnvoll sein.

FFrraag geen n zzu urr zzeerrttiiffiizziieerrtteen n FFo orrttb biilld du un ng g (nur eine Antwort pro Frage ist jeweils möglich)

Wichtiger Hinweis

Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist ausschließlich über das Internet möglich:

www.aerzteblatt.de/cme

Einsendeschluss ist der 13. Mai 2005

Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden.

Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft 21/2005 an dieser Stelle veröffentlicht.

Die cme-Einheit „Die chronische Herzinsuffizienz“

(Heft 9/2005) kann noch bis zum 14. April 2005 bear- beitet werden.

Für Heft 17/2005 ist das Thema „Basisreanimation“

vorgesehen.

Lösungen zur cme-Einheit in Heft 5/2005 Parzeller M, Wenk M, Rothschild M: Die ärztliche Schweigepflicht. 1c, 2a, 3c, 4e, 5e, 6d, 7e, 8d, 9b, 10b

Referenzen

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