problemlos in die Hände privater Trä- ger über, wobei das Land allerdings mit einer Sperrminorität von 25,1 Prozent als Gesellschafter an den Kliniken be- teiligt blieb. Das LFK Mühlhausen wurde an die Ökumenische Kliniken gGmbH verkauft, Hildburghausen an die Rhön-Klinikum AG und das LFK Stadtroda an die Asklepios Kliniken GmbH. Damals gab es keine rechtli- chen Bedenken.
Für die Kritiker des geplanten Ver- kaufs der zehn Landeskrankenhäuser in Niedersachsen stellt sich neben den ver- fassungsrechtlichen Bedenken die Frage, ob eine Privatisierung wirklich sinnvoll ist. Denn: „Der staatliche Maßregelvoll- zug in Niedersachsen funktioniert rela- tiv gut“, sagt Strafrechtler Jehle. Gut im Hinblick auf die durchschnittliche Ver- weildauer, die Therapieerfolge, es werde verantwortungsvoll entlassen, die Rück- fallquoten seien eher niedrig. Er bezwei- felt, dass ein Wirtschaftsunternehmen Interesse hat an zeitigen Entlassungen, denn „die Pflegesätze garantieren schließlich feste Einnahmen“.
Alternativen zur Privatisierung
Dr. med. Manfred Koller, Ärztlicher Di- rektor des Landeskrankenhauses Göt- tingen, eines der betroffenen Häuser, sieht Alternativen, die zu besseren Er- gebnissen führen könnten als die ange- strebte Privatisierung. Die fehlenden 200 Plätze, die die niedersächsische Landes- regierung unter anderem als Argument für den Verkauf nennt, kämen auch durch eine längere Verweildauer im MRV zustande, der dem öffentlichen Druck nachgeben musste. „Die Rückfall- quote wird bei längerem Aufenthalt aber nicht geringer“, erklärt Koller. Der Si- cherheit der Bevölkerung diene vielmehr eine engmaschige ambulante Nachbe- treuung der Haftentlassenen. Diese trage dazu bei, die Menschen wieder einzuglie- dern und Rückfälle unwahrscheinlicher zu machen. „Über diesen Weg ließe sich viel mehr Geld sparen“,betont der Klinik- leiter. Wie Jehle bezweifelt auch er die tatsächlichen Einsparungen für das Land durch die Privatisierung: Womöglich würden die privaten Betreiber die Pfle- gesätze anheben – diese gehen zulasten des Landes. Petra Bühring
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A2606 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 39⏐⏐30. September 2005
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ie 33. Generalkonferenz der UNESCO (United Nations Ed- ucational, Scientific and Cultural Organization) will mit einer Deklarati- on zur Bioethik die erste globale grund- legende Bioethik-Erklärung und damit einen internationalen Standard für den Umgang mit ethischen Fragen der Me- dizin und der Lebenswissenschaften formulieren. Der endgültige Entwurf dieser „Universal Draft Declaration on Bioethics and Human Rights“ soll den 191 Mitgliedsstaaten im Oktober zur Verabschiedung vorgelegt werden.Der aktuelle Entwurf der Deklarati- on hebt dem Auswärtigen Amt zufolge die Menschenrechte als Fundament aller bioethischen Entscheidungen her- vor. Zu den Menschenrechten werden das Recht auf Leben, die Achtung der Menschenwürde und der Vorrang der Rechte beziehungsweise Interessen des Individuums gegenüber allein wissen- schaftlichen oder allein gesellschaft- lichen Interessen gezählt. Zu den wich- tigsten bioethischen Schutzstandards wird die Achtung der persönlichen Autonomie sowie das Erfordernis der informierten Zustimmung zu medizini- scher Behandlung und Forschung sowie die Einrichtung von Bioethikkommis- sionen erklärt. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes hat Deutschland die Verhandlungen über die Deklara- tion „maßgeblich mitgestaltet“. Das Amt begrüßte besonders die Aufnahme
„scharfer Schutzbestimmungen für Nichteinwilligungsfähige“.
Diese Einschätzung findet jedoch keine ungeteilte Zustimmung. Mehrere Behinderten- und Sozialverbände, unter anderem die Bundesvereinigung Le- benshilfe für Menschen mit geistiger Be- hinderung, die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie und der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe, kritisie- ren in einer gemeinsamen Erklärung,
dass nach Artikel 7 „wissenschaftliche Forschung unter begrenzten Vorausset- zungen an einwilligungsunfähigen Perso- nen zulässig sein soll,auch wenn dies ohne persönlichen Nutzen für sie selbst ist“.
Forschung am Menschen als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit soll nach der Deklaration unter dem Vorbe- halt der freien und informierten Einwil- ligung des Betroffenen (Art. 6a) stehen.
Personen, die nicht über die Fähigkeit verfügen, eine Einwilligung zu erklären, verfügen nach der Deklaration unter Maßgabe des nationalen Rechts über einen besonderen Schutz (Art. 7a).
Forschung an
Nichteinwilligungsfähigen
In Artikel 7 b Satz 2 der Deklaration werden Ausnahmen formuliert, die For- schung auch ohne unmittelbaren Nut- zen an Nichteinwilligungsfähigen zulässt.
Der Entwurf stelle damit auf letztlich unbestimmte Begriffe (minimal risk, minimal burden) ab, die es nicht zu- ließen, Eingriffsvoraussetzungen präzi- se zu erfassen, kritisieren die Verbände.
In der aktuellen nationalen Debatte werde manchmal vorgebracht, dass auch das deutsche Recht inzwischen die Forschung an Nichteinwilligungsfähi- gen gestatte. Klinische Studien mit Kin- dern müssen nach der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) nur für die „Gruppe der Patienten, die an der gleichen Krankheit leiden wie die be- troffene Person, mit einem direkten Nutzen verbunden sein“. Die Regelun- gen der UNESCO-Deklaration gingen jedoch über die Grenzen des AMG hin- aus, weil darin – anders als im Arznei- mittelgesetz, das dies allein für Minder- jährige zulässt – nichteinwilligungsfähi- ge Menschen ohne Ausnahme erfasst würden, schreiben die Verbände.
Sollte Deutschland der Deklaration zustimmen, wäre diese dennoch nicht völkerrechtlich bindend. Die Deklara- tion verbietet es den Unterzeichner- staaten nicht, auf nationaler Ebene höhere Standards einzuführen oder beizubehalten. Gisela Klinkhammer
UNESCO
Internationaler Standard
Der Entwurf zu einer Deklaration stößt auf Kritik.
Die „Universal Draft Declaration on Bioethics and Human Rights“ der UNESCO kann abgerufen werden unter www.aerzteblatt.de/plus3905.