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Archiv "Gesundheitspolitik: Aufgaben der Ärzte, Aufgabe des Staates" (24.03.1995)

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Gesundheitspolitik

Aufgaben der Ärzte, Aufgabe des Staates

Die Leitlinien für die dritte Stufe der „Gesundheitsreform" zeigte bei einem Expertenge- spräch des Peutinger-Instituts Staatssekretär Gerhard Merkl auf. Am Beispiel der pAVK er- arbeiteten Experten Zusammenhänge zwischen Ökonomie und ärztlichem Handeln.

POLITIK

Resultate als von Thorax-Röntgen- aufnahmen. Mittels Durchleuchtung können, so Telectronics, vier Patien- tengruppen bestimmt werden. Die Firma rät für jede Gruppe zu speziel- len Behandlungsmethoden: Diejeni- gen, bei denen kein Verdacht auf Bruch des Drahtes besteht (Gruppe I), sollen halbjährlich mit hochauflö- senden Geräten durchleuchtet wer- den. Das gilt auch für Patienten, bei denen Verdacht auf Drahtbruch ohne Perforation besteht (Gruppe II). Kür- zere Untersuchungsintervalle, so die Firma, lägen bei diesen jedoch „in der Entscheidung des Arztes und werden von Telectronics unterstützt". Die Ri- siken einer Explantation müßten bei Patienten der Gruppe II abgewogen werden. Stellt der Arzt bei der kardia- len Durchleuchtung fest, daß die Per- foration des Drahtes durch die äußere Polyurethanisolierung sichtbar ist (Pa- tientengruppe III), soll er die Elektro- de explantieren. Ist ein Teilstück des Drahtes abgebrochen und bewegt sich von der Elektrode fort (Gruppe IV), empfiehlt Telectronics, den Patienten unter Hinzuziehung eines Kardiochir- urgen genauer zu untersuchen. Über die weitere Behandlung müsse man in- dividuell entscheiden.

Hersteller

übernimmt Kosten

Allen Patienten jedoch, die aus anderen Gründen einer Thorakoto- mie unterzogen würden, rät der Her- steller zur Explantation — „unabhän- gig vom Durchleuchtungsergebnis."

Eine Explantation empfiehlt die Fir- ma auch bei einem Schrittmacher- wechsel. Und sie garantiert: „Telectro- nics wird alle direkt durch die Vorun- tersuchung und eventuelle Explantati- on entstehenden Kosten, soweit nicht im Rahmen der gesetzlichen Bestim- mungen von einem Versicherungsträ- ger abgedeckt, übernehmen."

Bisher liegen bei Telectronics in Deutschland die Ergebnisse von 250 Patientenuntersuchungen vor. Ein- zelheiten will das Unternehmen zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht preisgeben: „Keine Auskunft vor Abschluß der Untersuchungen", so ein Firmensprecher lapidar.

Alexandra Endres

AKTUELL

D

as Thema des Expertenge- spräches, veranstaltet vom Münchener Peutinger-Insti- tut, lautete: „Gesundheits- ökonomie und Lebensqualität — die Therapie von Langzeiterkrankungen als Prüfstein für die Gesundheitspoli- tik". Dr. Gerhard Merkl, Staatsse- kretär im bayerischen Arbeitsministe- rium, nutzte die Gelegenheit, um Bay- erns und wohl auch der CSU Einstel- lung zur dritten Stufe der „Gesund- heitsreform" aufzuzeigen. Gerade bei der Betreuung von Langzeitkranken müsse sich die soziale Ausrichtung der gesetzlichen Krankenversiche- rung bewähren. Mit dieser, auf das Thema der Tagung bezogenen Über- leitung, wendete sich Merkl der Leitli- nie der Reform zu, die „zwar festge- legt ist — aber wir sind ja lernfähig."

Diese Leitlinie ist durch acht Punkte markiert:

0 Die familienpolitischen Bezü- ge der gesetzlichen Krankenversiche-

Im Geiste des Augsburger Diplomaten und Wissen- schaftlers Conrad Peutinger: das Peutinger-Collegium und das Peutinger-Institut für angewandte Wissen- schaften. Peutinger (1465 bis 1547) war einer der führenden Vertreter des Humanismus und ein früher Verfechter wirtschaftlicher Freiheit.

rung dürfen nicht in Frage gestellt werden.

@ Die Freiheitlichkeit des Ge- sundheitswesens, namentlich freie Arztwahl und Therapiefreiheit (in- klusive alternativer Methoden) muß gewahrt bleiben.

€) Die Budgetierung darf nicht zur Dauereinrichtung werden. Das vorgesehene Ende der Budgetie- rungsphase „muß strikt eingehalten werden."

• Vom Grundsatz der Beitrags- satzstabilität darf nicht abgewichen werden.

O Die „beträchtlichen Wirt- schaftlichkeitsreserven" im Gesund- heitswesen sind zu mobilisieren.

() Ein zentraler Stellenwert kommt der Qualitätssicherung zu; ge- meinsam von Kassen und Anbietern sind diagnostische und therapeutische Qualitätsstandards zu entwickeln.

• Subsidiarität und Solidarität bleiben die tragenden Säulen der ge- setzlichen Krankenversicherung. Das heißt: Eine Reduzierung der gesetzli- chen Krankenversicherung auf beson- ders Schutzbedürftige kommt nicht in Frage; die Bedeutung der Eigenver- antwortung ist neu zu prüfen; in die Krankenversicherung müssen markt- wirtschaftliche Elemente und Wettbe- werb vermehrt werden.

(;) Auf der Ebene der Selbstver- waltungen sind die Gestaltungsräume zu erweitern; die Selbstverwaltungen müssen neue Möglichkeiten erhalten, über Vertragsbeziehungen Fragen der gesundheitlichen Versorgung zu re- geln.

Dr. Hans Hege, der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, er- innerte daran, daß das Wirtschaftlich- keitsgebot bis zum GSG „unter dem Primat der Ärzte gestanden hat." Erst A-818 (24) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 12, 24. März 1995

(2)

POLITIK

das GSG habe an dessen Stelle das Primat der finanziellen Ressourcen festgeschrieben. Die Ärzte haben laut Hege ihre Zweifel, ob sich diese Vor- gabe mit den Möglichkeiten der Me- dizin und den Erwartungen der Pati- enten noch in Einklang bringen läßt.

In der politischen Diskussion werde die Rolle der Selbstverwaltung derzeit besonders betont, fuhr Hege fort. Er spielte damit auf Überlegun- gen an, den Selbstverwaltungen im Gesundheitswesen weitgehend die Verteilung des Finanzvolumens zu überantworten. Hege betonte, es sei Sache des Gesetzgebers festzulegen, was in der gesetzlichen Krankenversi- cherung bei einem begrenzten Fi- nanzrahmen notwendig und was le- diglich wünschbar ist. Die Festlegung dürfe nicht dem Arzt übertragen wer- den.

Zum Beispiel pAVK

Von allgemeinen gesundheitspo- litischen Erwägungen zum ärztlichen Handeln; bei dem Expertengespräch in München beispielhaft dargestellt an der peripheren arteriellen Ver- schlußkrankheit (pAVK). Diese ist sehr häufig. 11,4 Prozent aller Patien- ten, die einen Arzt oder eine Klinik aufsuchen, sind davon betroffen. Eine rechtzeitige, den jeweiligen Stadien entsprechende Therapie kostet rund 16 000 DM pro Patient. Eine Ampu- tation hingegen kostet, ohne Nach- sorge, rund 32 000 DM (alle Anga- ben: von der Schulenburg, Hanno- ver). Man wird solche vermeintlich exakten Zahlen nicht überbewerten dürfen, zumal die epidemiologische und gesundheitsökonomische For- schung auf diesem Gebiet in Deutsch- land noch zu wünschen übrig läßt. Im- merhin, die Zahlen lassen die Größenordnung ahnen.

Niemand, auch kein Politiker, hat bisher in Zweifel gestellt, daß Patien- ten mit pAVK, ganz gleich, wie alt sie sein mögen, oder wie kostspielig die Behandlung ist, optimal versorgt wer- den müssen — insofern ist die ökono- mische Frage einstweilen beantwor- tet. Rechtzeitige Diagnose und The- rapie sind indes nicht allein medizi- nisch oder unter dem Aspekt der Le- bensqualität, sondern auch ökono-

AKTUELL

misch gewichtig. Insofern bleibt ein Ergebnis des Münchener Experten- gremiums im Gedächtnis haften. Die Experten (Heidrich, Berlin; Klimm, Heidelberg; Theis, München; von der Schulenburg, Hannover) stimmten darin überein, daß ausgerechnet bei dieser so häufigen Krankheit der An- teil der Fehldiagnosen ungewöhnlich hoch ist. Außerdem scheinen pAVK- Patienten häufig erst reichlich spät gezielt behandelt zu werden. Viele werden wohl auch unnütz therapiert.

Das ist, auch hier gab es Übereinstim- mung, eine Frage von Fort- und Wei- terbildung.

Voraussetzung dafür, die Bemer- kung sei dem Chronisten gestattet, ist ein Konsensus über das diagnostische und therapeutische Vorgehen. Hierin waren sich die Experten allerdings nicht ganz einig, wenn auch die Emp- fehlung von Heidrich im großen und ganzen akzeptiert wurde; dieser riet zu einem gestuften Vorgehen: Falls der Patient beschwerdefrei ist — keine Screen-Untersuchung. Es sei bis heu- te nicht nachgewiesen, daß eine Be- handlung im asymptomatischen Sta- dium wirklich Sinn mache. Bei auftre- tender Symptomatik sollte der Haus- arzt eine (einfache) Doppleruntersu- chung vornehmen, bei einem patholo- gischen Befund den Patienten zum Spezialisten weitergeben. Die Weiter- und Dauerbehandlung sei wieder Sa- che des Hausarztes.Dieser entscheide bei späteren Stadien über das weitere Vorgehen — auch unter Berücksichti- gung anderer, vielleicht bedrohliche- rerer Erkrankungen.

Heidrichs Empfehlungen setzen einiges voraus: etwa, das Vorhanden- sein (und Beherrschen!) der Doppler- Technik. Oder: die Bereitschaft des Spezialisten zur Rück-Überweisung.

Schulenburg riet zu hausärztlichen Versorgungssystemen, in denen ver- schiedene spezialistische Schwer- punkte vertreten sind. Andere Exper- ten rieten ab. Einig waren sich jeden- falls alle darin, daß die Behandlung des pAVK-Patienten ein enges Zu- sammengehen von Hausarzt und Spe- zialisten (Angiologen) erfordert. Der Angiologe müsse sich dabei immer bewußt sein, so Heidrich, daß der Pa- tient „ihm nicht gehört". Ein wahres Wort; das nicht nur für die Behand- lung der pAVK gilt. NJ

Nothilfe

Unbegrenzter Einsatz

Weltweit arbeiten für die 1971 ur- sprünglich in Frankreich gegründete Hilfsorganisation „Ärzte ohne Gren- zen" jährlich etwa 2 000 Ärzte, Pfle- ger und Logistiker in 70 Ländern der Erde. „Trotz vieler Anfragen von Me- dizinstudenten können wir diese lei- der nicht für unsere Projekte vermit- teln", bedauert Britta Landfried, die im Bonner Büro der „Ärzte ohne Grenzen" für Personalplanung zu- ständig ist. Für eine Bewerbung sei ein abgeschlossenes Medizinstudium sowie Berufserfahrung erforderlich, mindestens aber ein abgeschlossenes AiP. Zudem sollten die Bewerber we- nigsten eine Fremdsprache fließend sprechen.

Bei der Auswahl neuer Mitarbei- ter legt die Organisation auch großen Wert auf die Persönlichkeit und Moti- vation der Bewerber. Denn: Normale Dienstzeiten seien eher selten, Ar- beitstage bis zu 14 Stunden in vielen Projekten keinesfalls ungewöhnlich.

Da „Ärzte ohne Grenzen" in er- ster Linie in den Regionen aktiv ist, in denen die medizinische Versorgung zusammengebrochen ist, sind Erfah- rungen mit High-Tech meist weniger notwendig. Vielmehr müssen die Ärz- te vor Ort mit einfachen Mitteln ar- beiten können und unter Umständen Improvisationstalent beweisen.

„Die internationalen Einsatz- teams mit fünf bis 15 Mitarbeitern werden in der Regel von sogenannten Koordinatoren geleitet, die bereits in mehreren Projekten von „Ärzte ohne Grenzen" tätig waren. Im Schnitt dau- ern die Ensätze sechs bis neun Mona- te. Insbesondere Chirurgen und Anästhesisten werden auch für kürze- re Zeit vermittelt. Für die Einsätze übernimmt „Ärzte ohne Grenzen"

die Reisekosten sowie die Unterbrin- gung und Verpflegung vor Ort Darü- ber hinaus zahlt die Organsation eine monatliche Aufwandsentschädigung und bietet zweiwöchige Vorberei- tungskurse an. Petra Meyer A-820 (26) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 12, 24. März 1995

Referenzen

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