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Archiv "Deutscher Apothekertag 1996: Im Schulterschluß mit den Ärzten Probleme lösen" (08.11.1996)

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ür eine Dynamisierung des Arzneimittelbudgets hat sich der Präsident der Bundesverei- nigung Deutscher Apotheker- verbände (ABDA), Klaus Stürzbe- cher, anläßlich des Deutschen Apo- thekertages in Leipzig ausgespro- chen. Die Verlagerung von Therapien aus dem stationären in den ambulan- ten Sektor, die gestiegene Bevölke- rungszahl, die Einführung innovativer Arzneimittel sowie Veränderungen der Morbidität machten eine Anpas- sung unbedingt erforderlich.

Angesichts der Tatsache, daß das von 1991 an „gedeckelte“ Arzneimit- telbudget in diesem Jahr erstmals um vermutlich bis zu drei Milliarden Mark überschritten wird, „können und dürfen wir Apotheker die Ärzte mit ihrem Budgetproblem nicht allein lassen“, so Stürzbecher. Der Schulter- schluß zwischen beiden Heilberufen sei die aussichtsreichste Zukunftsop- tion, die Strukturkrise im Gesund- heitssystem zu überwinden.

Die Gemeinsamkeiten beider Berufsgruppen sollen unter anderem durch Arzt-Apotheker-Gesprächs- kreise gefördert werden, von denen bereits hundert – in regional unter- schiedlichem Ausmaß – fest installiert sind. Während im Kammerbereich Westfalen-Lippe bereits 50 Ge- sprächskreise existieren, ist das Inter- esse in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern ausge- sprochen gering. Die ABDA strebt eine Ausweitung dieser Kommunika- tionszirkel auf 1 000 an. Qualifizierte Beratung bei Präparatewechseln soll

den Ärzten auch mittels einer Daten- bank vermittelt werden, die derzeit am Zentrallaboratorium der Deut- schen Apotheker in Eschborn aufge- baut wird (siehe DÄ 43). Hier können die unterschiedlichen Bioverfügbar- keitsprofile der Arzneimittel im Hin- blick auf ihre klinische Wirksamkeit abgerufen werden.

Kritik an den Krankenkassen

Stürzbecher betonte, daß mit die- sen Maßnahmen nicht an der Thera- piehoheit des Arztes gerüttelt werden soll: „Diese war, ist und bleibt beim Arzt.“ Die Beratungsleistung der Apotheker für den Arzt dürfe sich aber auch nicht allein auf den Preis beschränken. In diesem Zusammen- hang forderte die ABDA eine we- sentliche Änderung der Preisspan- nenverordnung für Arzneimittel. Ihr konkreter Lösungsansatz: das System der Festbetragsgruppenspezifischen Festzuschläge (FF), das auf dem durchschnittlichen Einkaufspreis ei- ner Festbetragsgruppe basiert.

Damit wird die Handelsspanne bei Festbetragsarzneimitteln zu ei- nem festen DM-Bestandteil, unab- hängig vom konkreten Produktpreis.

„Das FF-System macht uns überall dort, wo Arzneimittelfestbeträge gel- ten, unabhängig vom einzelnen Her- stellerabgabepreis“, war in Leipzig zu hören. Die Krankenkassen unterstüt- zen diese Vorstellungen laut Stürzbe- cher zwar nicht, halten sie aber für

rechnerisch korrekt. Im Gegensatz zu den verbindenden Worten an die Ärz- teschaft wurde herbe Kritik an Kran- kenkassen und Politik geäußert. Ein Stein des Anstoßes ist der zentrale Baustein des 1. GKV-Neuordnungs- gesetzes (NOG), wonach eine Bei- tragssatzerhöhung einer Krankenkas- se per Gesetz mit einer kassenspezifi- schen Zuzahlungserhöhung gekop- pelt wird. Dazu Stürzbecher: „Ich ap- peliere an die Vertreter der gesetzli- chen Krankenversicherung, daß sie ihre Versicherten frühzeitig über ihre Zuzahlungserhöhungen informiert.

Wir werden uns nicht nochmals wie 1993 dem geballten Zorn der Versi- cherten aussetzen, nur weil die Kran- kenkassen versagt haben.“

Der gerade vorgelegte Referen- tenentwurf zum 2. GKV-Neuord- nungsgesetz, der den Krankenkassen das generelle Recht auf Zuzahlungs- erhöhungen, gestaffelt nach Indikati- onsgebieten und Stoffgruppen, ein- räumt, ist bei der ABDA-Spitze auf breite Ablehnung gestoßen. „Wer soll den Überblick behalten, wenn sich bei circa 600 Arzneimittelstoffgrup- pen und bei circa 600 Krankenkassen theoretisch 360 000 Zuzahlungsmög- lichkeiten ergeben?“ erklärte Stürz- becher in Leipzig. Dies bedeute kas- senspezifische Zuzahlungslisten.

Der ABDA-Präsident erinnerte die Politiker daran, daß der Arzt bei einer indikationsgebundenen Zuzah- lung die Diagnose des Patienten auf dem Rezept eintragen muß, da viele Präparate aus unterschiedlichen Indi- kationen verordnet werden. Dies be- A-2911

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 45, 8. November 1996 (19)

Deutscher Apothekertag 1996

Im Schulterschluß mit den Ärzten Probleme lösen

Vielfältige und komplexe Themen hatten die Delegierten des Deutschen Apothekertages in Leipzig zu bewältigen. Es galt, berufspolitische und politische Notwendigkeiten an- zunähern, tragfähige Kompromisse zu erarbeiten und die enge Verbundenheit zur Ärzteschaft darzustellen. Unter dem

Motto „Zukunft gestalten“ dokumentierten die Apotheker,

daß sie sich als Heilberufler durchaus in der Lage sehen, sich

unternehmerisch und mit konkreten Vorschlägen an der

Reform im Gesundheitswesen zu beteiligen. Die übernom-

mene Verantwortung forderten sie nun von der Politik ein.

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deute ein Durchbrechen der Schwei- gepflicht, damit der Apotheker die richtige Zuzahlung ermitteln kann.

Kritische Worte richtete Stürzbe- cher auch an die SPD: Die in ihrem So- fortprogramm „Solidarische Umver- teilung“ geforderte Erhöhung des Zwangsabschlages der Apotheken an die Krankenkassen sei „alles andere als solidarisch“. „Weiß denn die SPD nicht, daß schon ein halber Prozent- punkt Kassenabschlag für die Apothe- ken einen fünfprozentigen Rückgang ihres zu versteuernden Einkommens bedeutet?“, so Stürzbecher in Leipzig.

Sorge im Hinblick auf die Arz- neimittelsicherheit bereitet den Apo- thekern die Einfuhr von Medikamen- ten durch den Versandhandel via In- ternet. Nach Einschätzung der AB- DA werden auf diese Weise Medika- mente nicht mit der Absicht eines Preisvorteils an-

geboten, sondern um die Verschrei- bungspflicht von Arzneimitteln mit einer äußerst schmalen thera- peutischen Breite zu unterlaufen.

Auch die Deutsche Post AG, vertreten durch die Abtei- lung PostMed, sieht eine günstige Er- werbsquelle im Ver- sand von Arznei- mitteln. Der AB- DA liegen Infor- mationen vor, wo-

nach die PostMed die Versandlogistik für 18 Prozent des Warenwertes anbie- ten will – sofern es sich um Arzneimit- tel der oberen Preisklasse handelt.

Zum „behutsamen Umgang“ mit der neuerworbenen, vom Bundesver- fassungsricht stattgegebenen Werbe- freiheit im Randsortiment forderte Stürzbecher seine Kollegen auf, da- mit sich die Apotheke auch äußerlich vom Erscheinungsbild eines „drug- store“ unterscheide. Mit Unbehagen registrierte die ABDA-Spitze, daß das Bundesverfassungsgericht die Apotheker auch zu Kaufleuten er- klärt hatte. „Wir sind keine halben Kaufleute, sondern vor allem anderen Heilberufler“, erklärte Stürzbecher in Leipzig. Dr. Vera Zylka-Menhorn A-2912

P O L I T I K LEITARTIKEL

(20) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 45, 8. November 1996

Der Gesetzgeber wurde vom Deutschen Apothekertag in Leipzig aufgefordert, die eingeschränkten In- formationsmöglichkeiten der Arznei- mittelkommissionen der Heilberufe durch eine Änderung des Arzneimit- telgesetzes wieder aufzuheben. Nach dem „Cordichin-Urteil“ des Oberver- waltungsgerichts für Nordrhein-West- falen Ende 1995 sei es kaum noch möglich, die Fachkreise in einem Stu- fenplanverfahren sachgerecht über Arzneimittelrisiken zu informieren.

Auch vor einer endgültigen Beurtei- lung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte müsse die Infor- mation über even- tuelle neue Risi- ken ermöglicht werden.

Darüber hinaus wird ein Verbot der Zulassung für diejenigen Arznei- mittel angestrebt, die bei nur ge- ringfügiger Ände- rung des Arznei- mittelnamens eine völlig andere Wirk- stoffzusammenset- zung aufweisen.

Der Gesetzgeber solle hier tätig werden. Für Arzt, Apotheker und Pa- tient sei wegen der häufig nicht ein- deutigen Zusätze zum Präparatena- men oft nicht erkennbar, daß es sich um neue Inhaltsstoffe handele.

Der Apothekertag plädierte zu- dem für ein Verbot von Ärztemu- stern im Generikabereich in Abstim- mung mit den ärztlichen Organisatio- nen. Akzeptiert werde die Musterab- gabe bei Originalpräparaten wegen der erforderlichen Erprobung der Wirkstoffe. Diese sei jedoch bei Sub- stanzen, die die Ärzte zum Teil be- reits seit Jahrzehnten verordneten, unnötig.

Nach langer Diskussion wurde die Änderung rechtlicher Bestim- mungen gefordert, die eine enge Zu-

sammenarbeit zwischen niedergelas- senen Onkologen und Pharmazeuten über rezepturmäßig hergestellte Zy- tostatika wie in den Kliniken ermögli- che. Dahinter steht der Gedanke, daß künftig nicht mehr jede öffentliche Apotheke alle Aufgaben überneh- men kann.

Angesichts der Budgetüber- schreitungen warnten sie die Ärzte vor einem Unterlassen medizinisch indizierter Verordnungen. Das Arz- neimittelbudget müsse allerdings so- fort nach oben angepaßt werden. Die gestiegene Zahl der GKV-Versicher- ten müsse ebenso berücksichtigt wer- den wie die wachsende Zahl älterer Menschen sowie neue innovative Arz- neimittel. Die Pharmazeuten boten den Ärzten zahlreiche Hilfen an.

Einsparpotential

Weitreichende Vorschläge hatte überraschend der zweite Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Heinz-Günter Wolf, dazu un- terbreitet. Er stellte als Sofortplan, der allerdings nicht mit dem DAV ab- gestimmt war, die Erstellung arztbe- zogener Verordnungsauswertungen durch die Apothekerrechenzentren vor. Einmal monatlich könnten mit Zustimmung der Ärzte die effektiven Kosten der medikamentösen Thera- pie aufgelistet werden. Aufgrund die- ser Basis sollten Arzt und Apotheker gemeinsam nach Einsparpotentialen bei den Arzneiverordnungen suchen.

Dagegen erhoben sich zum Beispiel wegen der Haftungsfrage erhebliche Bedenken.

Der Beschluß des Bundesverfas- sungsgerichts, einige Werbebeschrän- kungen für das Randsortiment zu lockern, wurde von den Apothekern mit unterschiedlichen Reaktionen aufgenommen. Kritisch werteten sie, daß das Ergänzungssortiment von den Juristen überbewertet worden sei. Im Vordergrund stehe nach wie vor die pharmazeutische Beratung des Apo- thekers. Susanne Imhoff-Hasse

Wie die Apotheker im einzelnen entschieden

Abbildung: Gert Österreicher/Pharmazeutische Zeitung

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