Deutsches Ärzteblatt
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14. August 2009 A 1635 MITARBEITERFÜHRUNGDer Ton macht die Musik
Wertschätzende Dialoge verhindern Kommunikationsbarrieren.
S
olange sich Ärztinnen und Ärzte auf medizinischem Terrain bewegen, fühlen sie sich si- cher. Anders hingegen schaut es oft bei ihrer Führungsarbeit aus. Den Hauptfehler benennt der Allge- meinarzt Dr. med. Jürgen Hampf, der eine Praxis in Meißen führt:„Viele Ärzte unterschätzen die Be- deutung der Mitarbeiterführung.
Eine Praxis ist immer dann erfolg- reich, wenn der Arzt seine Mitar- beiterinnen so führt, dass diese en- gagiert zur Umsetzung seiner Ideen beitragen wollen und können.“ Wich- tigste Führungsinstrumente sind da- bei: die Sprache, die Kommunika- tion und die Gesprächsführung.
Allgemeinarzt Hampf hat die Er- fahrung gemacht, dass die Mitar- beiterinnen eine klare Ansage und Sprache bevorzugen – gerade in heiklen Gesprächssituationen, etwa in Kritik- und Konfliktgesprächen, in denen es recht heftig zugeht.
Eine gute Vorbereitung ist die halbe (Erfolgs-)Miete: Je verfängli- cher der Gesprächsinhalt, desto wichtiger ist es, sich unter vier Au- gen auszutauschen. Zudem sollte sich der Arzt auf das Gespräch vor- bereiten: Er verdeutlicht sich seine Gesprächsabsichten, formuliert sei- ne Ziele, legt sich eine sachliche Argumentation zurecht und beendet kein Gespräch ohne konkrete Ziel- vereinbarung oder Aktivitätenpla-
nung: „Ich fasse zusammen, Frau Schmidt, wir haben uns auf Folgen- des geeinigt . . .“
Für das Gespräch gilt der Grund- satz: Der Ton macht die Musik.
Wenn der Arzt monologisiert, den Mitarbeiter unterbricht, unzulässig verallgemeinert oder schlimmsten- falls die Sachargumentation durch Lautstärke ersetzt, wird sich der Mitarbeiter ins kommunikative Schneckenhaus zurückziehen oder
Gleiches mit Gleichem beantwor- ten. Für den Moment scheint der Arzt für Ruhe gesorgt zu haben, aber dies ist eine trügerische Fried- hofsruhe. Besser ist es, den Mitar- beiter als Gesprächspartner zu be- trachten, ihm zuzuhören, auf ihn einzugehen, verbale Angriffe und Verletzungen zu vermeiden – zu- gleich aber dezidiert seine Meinung zu sagen und die gesetzten Ge- sprächsziele zu verfolgen.
Der Arzt sollte mithin die kom- munikative „Platin“-Regel beherzi- gen und sich mit dem Mitarbeiter so austauschen, wie er, der Arzt, sich wünscht, dass man mit ihm kommu- niziert. So werden einige der Kom- munikationsbarrieren, die viele Arzt- Mitarbeiter-Gespräche behindern, gar nicht erst errichtet. Denn mit die- ser Einstellung ist der Mitarbeiter für den Arzt ein Mensch, den er führen soll und will und dem er zwar Vorga- ben machen muss, dem er jedoch im Gespräch auf Augenhöhe begegnet.
Kommunikationskiller wie Besser- wisserei, Killerphrasen oder Nicht- ausreden-Lassen kommen so gar nicht erst auf. „Hilfreich ist es, einen Mitarbeiter als ‚internen Patienten‘
zu betrachten und ihn ebenso wie ei- nen Patienten respektvoll zu behan- deln und den Dialog mit ihm zu su- chen“, merkt Hampf an. Meistens Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz müs-
sen die Möglichkeit haben, zumindest den durch- schnittlichen Umsatz ihrer Arztgruppe zu errei- chen. Daher sind in den Honorarverteilungs- maßstäben (HVM) Wachstumsraten in einer Grö- ßenordnung zuzulassen, die dies in absehbarer Zeit gestatten. Absehbar in diesem Sinne ist ein Zeitraum von fünf Jahren. Das hat das Bundes - sozialgericht entschieden.
Im vorliegenden Fall ermöglichten die Regelun- gen im HVM der beklagten Kassenärztlichen Vereini- gung (KV) es unterdurchschnittlich abrechnende Praxen nicht, den Durchschnittsumsatz zu erreichen.
Zwar steht es einer KV frei, wie sie die Belange sol- cher Praxen angemessen berücksichtigt. Auch eine Praxis wie die der Klägerin, die als Anästhesistin
ausschließlich Leistungen auf Überweisung für Pa- tienten einer Praxis für Kiefer- und Gesichtschirurgie erbringt, muss aber die Möglichkeit haben, im ge- wissen Umfang ihre Fallzahlen steigern zu können.
Zu beanstanden war allerdings nicht, dass im HVM Begrenzungsregelungen in Form von Indivi- dualbudgets vorgegeben waren, in deren Rege- lungsbereich auch die Anästhesisten einbezogen wurden. Selbst wenn diese stark von zuweisen- den Fachgruppen abhängig sind, sind steuernde Regelungen der Honorarverteilung zulässig. Aller- dings ist Praxen mit unterdurchschnittlichen Um- sätzen einzuräumen, bis zum Durchschnittsum- satz der Fachgruppe aufzuschließen. (Bundes - sozialgericht, Urteil vom 28. Januar 2009, Az.:
B 6 KA 5/08 R) RAin Barbara Berner
RECHTSREPORT
Anästhesistin muss Umsatz bis zum Durchschnitt steigern können
Klare Ansage – die meisten Mit- arbeiterinnen bevorzugen eine unmissverständliche Ansprache.
Foto: i Stockphoto
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14. August 2009 genüge dazu bereits die Beachtungdessen, was man unter gesundem Menschenverstand verstehe.
Eine berüchtigte Kommunikati- onsfalle ist das Aneinandervorbeire- den. Der Arzt kehrt nach dem Mitar- beitergespräch etwa mit dem festen Glauben in sein Büro zurück, man habe sich darauf verständigt, der Mit- arbeiter solle das ungebührliche Ver- halten im Patientengespräch unterlas- sen. Beim Mitarbeiter allerdings sind andere Signale angekommen: Er ist wütend auf den Chef, weil der ihn un- gerechtfertigt gemaßregelt habe. Die- se Kommunikationsfalle umschifft der Arzt, indem er im Gespräch das Gesagte immer wieder resümiert.
Nach konfliktträchtigen Gesprächen sollten die wichtigsten Vereinbarun- gen schriftlich fixiert werden. So hat der Mitarbeiter Gelegenheit, zu inter- venieren und darauf aufmerksam zu machen, wenn Gesprächsinhalte bei
ihm ganz anders angekommen sind.
Das kostet zunächst Zeit, spart aber letztendlich Energie.
Die Auflösung vieler Kommuni- kationssperren ist oft ebenso ein- fach wie komplex. Ein Beispiel ist die Uneinigkeit darüber, was über- haupt zur Debatte steht: Der Mitar- beiter hat mit einem Patienten be- sprochen, dass er „dazwischenge- schoben wird“ (er hat Schmerzen).
Darüber geraten Arzt und Mitarbei- ter in einen Konflikt, der im Ge- spräch zu einem Streit führt. Je- doch: Während der Mitarbeiter da- von ausgeht, der Arzt missbillige sein Vorgehen, einem Akutpatien- ten einen Termin gegeben zu haben, geht es dem Chef um etwas ande- res: Er ist ebenfalls der Meinung, dem Patienten müsse geholfen wer- den. Erbost hingegen ist er, weil der Mitarbeiter über seinen Kopf hin- weg entschieden hat. Zu bespre-
chen und festzulegen wäre also das konkrete Mitarbeitervorgehen be- züglich der Akutpatienten.
Der Ausweg aus dem Dilemma:
Auch hier muss sich der Arzt über die Gesprächsintention und Ge- sprächsziele im Klaren sein und zu Beginn des Gesprächs den genauen Inhalt benennen. Der Mitarbeiter und er müssen Einigkeit darüber er- zielen, was überhaupt das Thema der Unterredung ist – eine Selbst- verständlichkeit, aber: „Die Nicht- berücksichtigung von Selbstver- ständlichkeiten ist der häufigste Grund für fehlgeschlagene Mitar- beitergespräche“, betont Hampf,
„und darum bilden eine wertschät- zende Gesprächsführung und eine gute Vorbereitung die Grundlagen für eine weitgehend störungsfreie Mitarbeiterkommunikation.“ ■
Patric P. Kutscher E-Mail: p.kutscher@rhetorikundstimme.de
Im Rahmen des GKV-Wettbewerbsstärkungs- gesetzes wurden die privaten Krankenversi- cherungs(PKV)-Unternehmen verpflichtet, ab dem 1. Januar 2009 einen branchenweit ein- heitlichen Basistarif anzubieten. Dessen Ver- tragsleistungen haben dabei in Art, Umfang und Höhe den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) (Kapitel 3 SGB V) zu entsprechen. Die Sicherstellung der ärztli- chen Versorgung des Basistarifs fällt dabei in den Zuständigkeitsbereich des KV-Systems, die Honorierung erfolgt zurzeit gemäß § 75 Abs. 3 a SGB V auf der Grundlage der Amtli- chen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wie folgt: Leistungen aus den GOÄ-Abschnitten A, E und O bis zum 1,38-fachen, aus dem Ab- schnitt M (ebenso für die Leistung nach der Nr.
437) bis zum 1,16-fachen, alle übrigen GOÄ- Leistungen bis zum 1,8-fachen Gebührensatz.
Die Vergütungsregelung kann gemäß § 75 Abs. 3 b SGB V durch eine zwischen Kosten- träger- und Leistungserbringerseite getroffene – hiervon abweichende – Vereinbarung ersetzt werden. Der Versuch einer entsprechenden einvernehmlichen Einigung zwischen PKV-Ver- band und Kassenärztlicher Bundesvereinigung ist jedoch im Dezember 2008 gescheitert.
Für die Krankenversicherungsunternehmen besteht bezüglich des Basistarifs ein Kontrahie-
rungszwang; Versicherungswillige, die die ge- setzlichen Anforderungen erfüllen, dürfen mithin nicht abgewiesen werden. Zudem dürfen keine individuellen Risikozuschläge, wie sonst in der PKV üblich, erhoben werden. Lediglich das Ein- trittsalter sowie das Geschlecht spielen bei der Prämienkalkulation für den Basistarif eine Rolle, wobei eine gesetzlich definierte Beitragsober- grenze, die dem durchschnittlichen GKV-Höchst- beitrag (für 2009: 569,62 Euro) entspricht, nicht überschritten werden darf. Diese Höchstwertre- gelung hat zur Folge, dass bei nicht kostende- ckenden Prämieneinnahmen („Kosten-Unterde- ckung“) durch Basistarifversicherte die sonsti- gen Versicherten des jeweiligen Krankenversi- cherungsunternehmens im Rahmen einer Umla- ge hierfür finanziell eintreten müssen. Dies führt versicherungsmathematisch zwangsläufig zu kontinuierlich steigenden Prämienbelastungen dieser Versicherten in Normaltarifen und gefähr- det nach Auffassung der PKV letztendlich das bisherige PKV-Geschäftsmodell insgesamt. Un- ter anderem zur Abwendung dieser die PKV de- stabilisierenden Fehlentwicklung wandten sich im Frühjahr 2008 mehrere private Krankenversi- cherungsunternehmen mit einer Klage an das Bundesverfassungsgericht – ohne Erfolg.
Die Verfassungsrichter bestätigten zwar die Befürchtung, dass in Basistarifen Kostenunter-
deckungen eintreten könnten, die dann von den Versicherten aus Normaltarifen getragen werden müssten. Allerdings vertraten die Rich- ter die Auffassung, dass der Basistarif nach derzeitiger Erkenntnis keine überproportionalen Ausmaße annehmen werde und insofern das Geschäftsmodell der PKV absehbar nicht ge- fährdet sei. Für den Fall, dass man sich mit dieser Prognose getäuscht habe, wurde der Gesetzgeber zur Beobachtung der Entwicklung und zum Eingreifen bei eintretender Gefähr- dung des PKV-Geschäftsmodells verpflichtet.
Diese Beobachtungspflicht stellt ein bemer- kenswertes Novum in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dar und kann als substanzielle Bestandsgarantie des bisherigen PKV-Geschäftsmodells verstanden werden.
Es bleibt nunmehr abzuwarten, wie sich die Zahl der Basistarifversicherten, die nach bisher vorliegenden Berichten eine überproportional hohe Morbidität aufweisen, mittelfristig entwi- ckelt. Laut „Rechenschaftsbericht der PKV 2008“
waren im modifizierten Standardtarif, der zum 1. Januar 2009 in den Basistarif überführt wur- de, Ende 2008 gerade einmal 5 335 Personen versichert. Zum 1. Februar 2009 stieg diese Zahl geringfügig auf 5 550 Basistarifversicherte an und liegt zurzeit schätzungsweise bei knapp über 6 000 Personen. Neuere Daten zur bun- desweiten Entwicklung werden voraussichtlich erst im Oktober 2009 vorliegen. Alexander Golfier
GOÄ-RATGEBER
Basistarif: „Tarif unter Beobachtungspflicht“