Die Information:
Bericht und Meinung
Zukunftsvision: Der „Familienarzt" wird gleich mitgeheiratet ... Karikatur: Bensch
DER KOMMENTAR
— und der
Laie wundert sich
Zu bedauern war der Fernsehzu- schauer, der sich der Mühe unter- zog, an einem späten Donnerstag- abend weit über eine Stunde lang Experten über die Arztausbildung diskutieren zu hören („Medizin von morgen — falsch program- miert?", WDR III).
Vermutlich wollte der Zuschauer ja wissen, wie nun die jährlich 12 000 Studienanfänger zu Ärzten ausgebildet werden und auf wel- che Weise die Änderung der Ap- probationsordnung diese Ausbil- dung verbessern soll. Er erfuhr — übereinstimmende Ansicht aller acht Gesprächsteilnehmer —: die Arztausbildung ist nicht genügend praxisbezogen und nicht genü- gend patientenbezogen. Was er nicht erfuhr: was der Student heu- te und in Zukunft wann und wie lange zu tun hat. Zwar gab es ei- nen Einführungsfilm (mit Bemer- kungen wie: die Ärzteorganisatio- nen fürchten die Ärzteschwemme wegen des damit verbundenen sinkenden Einkommens des ein- zelnen Arztes). Aber eine simple
Schemazeichnung über den Auf- bau des Medizinstudiums vor und nach der Änderung der Approba- tionsordnung — dazu ist das Fern- sehen wohl nicht in der Lage.
Anscheinend — so konnte der Zu- schauer es dem Expertengespräch entnehmen — brauchten bisher nur 50 Prozent der Prüfungsfragen richtig beantwortet zu werden.
Trotzdem, so erfuhr der Zuschauer weiter, schafften jeweils 99 von 100 Kandidaten die Approbation.
Warum dann jetzt eine 60-Prozent- Regel für nötig gehalten wird, dies wiederum erfuhr er nicht.
Man muß wohl überhaupt die Ex- perten einmal daran erinnern, daß sie sich der Wirkung ihrer Äuße- rungen auf den Laien mehr be- wußt sein müssen, denn sonst könnte das Vertrauen zum Ausbil- dungsstand des deutschen Arztes vor die Hunde gehen. Oder soll denn wirklich die in dieser Sen- dung aufgestellte Behauptung im Raum hängenbleiben, man könne heute eigentlich schon fünf Jahre Fernunterricht nehmen, ein „Prak- tisches Jahr" ankleben — und fer- tig ist der approbierte Arzt?
Ganz schlimm wird es aber, wenn falsch verstandene internationale
Vergleiche angeführt werden. Da geistert nun seit Wochen die Be- hauptung durch die Presse, 56 Prozent der deutschen Ärzte wür- den einem internationalen Prü- fungsvergleich nicht standhalten.
Diese Zahl stammt aus den Ergeb- nissen der in den USA verlangten Prüfungen für ausländische Ärzte, die — seit Jahren unverändert — nur etwa von 45 Prozent der deut- schen Kandidaten bestanden wer- den. Niemand denkt aber daran, daß eine solche Prüfung natürlich von denjenigen am besten bestan- den wird, die seit ihrer Kindheit mit englischer Sprache und Mentalität vertraut sind (daher britische Prüf-
linge: 94 Prozent) oder die auf amerikanische Lehr- und Prüf- methoden eingestellt sind (daher wohl südkoreanische Prüflinge: 63 Prozent). Das Abschneiden deut- scher Kandidaten müßte sich also eigentlich bessern, wenn in den nächsten Jahren mehr der jungen Ärzte, die in die USA wollen, schon nach der neuen Approbationsord- nung ausgebildet worden sind; es könnte sich aber natürlich ebenso verschlechtern, wenn etwa in den USA die Anforderungen gesteigert werden. Aber deshalb wären doch solche US-Prüflinge noch lange nicht die besseren oder die schlechteren Ärzte! gb
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 21 vom 25. Mai 1978 1233