• Keine Ergebnisse gefunden

Altersmedizin beginntschon in jungen Jahren

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Altersmedizin beginntschon in jungen Jahren"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

EDITORIAL

ARS MEDICI 17 | 2019

537

Wenn Sie jetzt, Ende August, diese Zeilen lesen, schaut wo- möglich der Herbst eilfertig um die Ecke, und Sie fragen sich vielleicht: «Bin ich denn schon bereit dafür? Was ist mit dem mehrfach verschobenen Ausflug, der noch unternommen, mit dem länger geplanten Gartenfest mit Freunden, das noch gefeiert werden wollte?» Vieles lässt sich unter dem Eindruck der wieder unverkennbar kürzer werdenden Tage wohl kurzfristig einschieben, für manches andere wird es dagegen nicht reichen: «Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.» Sei’s drum, dann halt im nächsten Jahr!

Schwerpunktthema dieser Ausgabe ist in ganz und gar unbe- absichtigter Analogie zur kommenden Jahreszeit die Medizin im Alter – im «Herbst des Lebens» sozusagen, der ja eben- falls zum Abschiednehmen von (zu) lange gehegten Plänen und vermeintlichen Selbstverständlichkeiten zwingt. Mit dem Unterschied, dass es, zumindest nach irdischem Ermes- sen, diesmal endgültig sein und es keinen neuen Frühling geben wird. Klingt hart? Ist auch so! Und dennoch: Loslassen (und darum geht es ja immer) bedeutet nicht unbedingt Ein- busse, und wenn dann manche Gebäude nicht mehr errich- tet werden (müssen), kann das durchaus auch befreiend sein. Die «Mühen des Alters», von denen im entsprechend betitelten Bericht über einen Workshop am diesjährigen Kongress des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM) in die- ser Ausgabe von ARS MEDICI die Rede ist, kann (und soll) das allerdings nicht schönreden. Schmerzen und Leiden bleiben auch und gerade bei älteren Menschen eine Herausforde- rung – für Betroffene wie für Angehörige und behandelnde Ärzte.

Neben organischen Gebrechen wie Herzrhythmusstörungen oder Hypertonie sind es kognitive und psychische Störungen wie Depression, Wahn oder Demenz, mit denen es die geria- trische Medizin vermehrt zu tun hat und die deshalb auch sämtlich in diesem Heft Berücksichtigung finden. Vor allem die hohe Prävalenz der Altersdemenz muss besorgen, denn

weder gibt es hier Heilung, noch handelt es sich «nur» um ein allmähliches oder auch plötzliches Abschiednehmen von einzelnen Fähigkeiten. Die Diagnose verheisst nichts weniger als den Verlust des Sich-bewusst-Seins und mithin, bei lebendigem Leibe, das Verschwinden eines Gutteils der Per- sönlichkeit, wie wir sie bis anhin kannten. Und dies bedeutet auch 50 Jahre nach der Mondlandung einen grossen Ein- schnitt für den einzelnen Menschen und einen ebenso gros- sen für die Gesellschaft, auch wenn sich die in den letzten Jahrzenten registrierte Zunahme der Neuerkrankungen an Alzheimer-Demenz durch die höhere Lebenserwartung erklären lässt und das altersspezifische Erkrankungsrisiko offensichtlich nicht angestiegen ist.

Wo kaum Therapien zur Verfügung, ja noch nicht einmal in Aussicht stehen, wird Prävention umso wichtiger. Dies hat auch die Weltgesundheitsorganisation erkannt und im Mai dieses Jahres erstmals «Leitlinien zur Verringerung des Risi- kos eines Abbaus der kognitiven Fähigkeiten und einer Demenzerkrankung» (1) herausgegeben. Darin werden unter anderem etwa Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck, Überge- wicht, ungesunde Ernährung und insbesondere Bewegungs- mangel als Risikofaktoren benannt und die Mitgliedstaaten aufgefordert, hier gesundheitspolitisch und medizinisch gegenzusteuern.

Die Menschen, die jetzt hochbetagt sind oder es in den nächsten ein, zwei Dekaden sein werden, haben überwie- gend in jüngeren Jahren noch Entbehrung und Mangel gelit- ten und vielfach schlicht körperlich zu schwer gearbeitet, als dass sie das Rentenalter hätten in vollen (Klimm-)Zügen ge- niessen können oder wollen. Zudem hat sich auch der Zeit- geist extrem gewandelt: Noch in den 70er-Jahren ist einem kaum einmal ein Angehöriger der Alterskategorie 50+ jog- gend, mountainbikend oder (wenn es selbige schon gegeben hätte) im Fitnessstudio begegnet, der sich obendrein daheim mediterran ernährte. Diese Zusammenhänge könnten tat- sächlich zur Hoffnung Anlass geben, dass der Trend zu einem gesünderen Lebensstil auch die geistige Gesundheit künfti- ger Seniorengenerationen positiv beeinflussen wird. Voraus- setzung dafür wird allerdings sein zu begreifen, dass das Alter und die entsprechende «Altersmedizin» nicht etwa plötzlich mit 65, 70 oder 75 Jahren oder gar erst «irgendwann einmal» einsetzt, sondern Folge dessen ist und nur auf dem aufsatteln kann, was weit vorher angelegt und begonnen wurde.

In besagten 70er-Jahren war die 2008 54-jährig an Krebs ver- storbene Schweizer Schlagersängerin Monica Morell mit einem heute nahezu vergessenen, scheinbar harmlosen, aber zeitlos wahren Lied (2) über die Landesgrenzen hinweg recht erfolgreich. «Später, wann ist das?» lauteten damals dessen Titel und Refrain. Der nahende Herbst will immer wieder aufs Neue daran erinnern, wie wichtig es ist, rechtzei- tig eine Antwort auf diese Frage zu finden.

Ralf Behrens

1. World Health Organization: Risk reduction of cognitive decline and dementia. WHO guidelines. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/

10665/312180/9789241550543-eng.pdf?ua=1

2. Monica Morell: «Später, wann ist das?», EMI Columbia 006-33 726, 1973, https://www.youtube.com/watch?v=hrl22w2Riu8

Altersmedizin beginnt

schon in jungen Jahren

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die BLÄK stellt in der aktuellen Ausgabe ihre von der Delegiertenversammlung bestimmten Ausschüsse vor und berichtet un- ter anderem über den Gesundheitskongress in Bayreuth

Sofern keine aufschiebende Wirkung beantragt oder diese vom Gericht nicht gewährt wird, kann das Rechtsmittelverfahren einzig einen monetären Ersatz allfälliger Auslagen

Aktuell melden die Krankenhäuser im DIVI Register zu 36 Prozent einen regulären Betrieb, 33 Prozent sehen den Betrieb teilweise eingeschränkt und rund 25

Gegenanzeigen: Keine Anwendung bei Magengeschwüren, Überempfi ndlichkeit gegen die Wirkstoffe, gegen andere Apiaceen (Umbelliferen, z. Anis, Fenchel), gegen Anethol (Bestandteil

Hier handelt es sich in der Regel nicht um einen Leistenbruch, sondern um eine so genannte weiche Leiste oder Sportler- leiste.. Damit ist eine Erweite- rung der Hinterwand des

haben Aktivist*innen den Gedenkstein am nördlichen Ende der Hildesheimer Sedan-Allee – ehemals Sockel einer Reiterstatue – dem Gedenken an die vielen im Mittelmeer

Verwerflich und jen- seits jeder ethischen Grenze ist aber aus meiner Sicht eher, dass die Toten auf Sizilien oder in Griechenland teilweise acht Monate in Kühlhäu- sern lagern oder

seninterventionsteam der Polizei (KIT-Pol), die Polizeiseelsorge, aber Beratungsangebote der Hochschule der Polizei für Führungskräf- te abgebildet. Supervision kann für einzelne