Wenn Mann sich einen Bruch hebt
B
ei etwa einem Viertel aller Männer und drei Prozent aller Frauen tritt im Laufe ihres Lebens eine Inguinalher- nie auf. Dabei handelt es sich um eine sackartige Ausstülpung des Bauchfells in der Leisten- region. Der so genannte Bruch- sack tritt durch eine krankhafte Lücke in der Bauchwand, die Bruchpforte, nach außen. Im Bruchsack können sich Teile von Organen wie zum Beispiel Darmschlingen befinden und mit hervortreten (Bruchinhalt).Typische Symptome eines Leis- tenbruchs sind Vorwölbungen im Bereich der Leiste, die bei Männern bis zum Hoden rei- chen können und am besten im Stehen sicht- und tastbar sind.
Oft lässt sich der Inhalt durch die Bruchpforte zurück in den Bauchraum schieben bezie- hungsweise er rutscht im Lie- gen von selbst zurück. Aufgrund der Eindeutigkeit reicht die kör- perliche Untersuchung meist zur Diagnose aus. Leistenbrüche verschließen sich nicht von selbst wieder, sodass sie in der Regel operativ versorgt werden müssen.
Anatomische Grundlagen Inguinalhernien treten am Leis- tenkanal auf, einem vier bis fünf Zentimeter langen Kanal, der die Bauchwand in der Leisten- gegend durchsetzt. Dabei be- steht die Bauchwand aus meh- reren Schichten: Die innerste
ist das Bauchfell, welches den Bauchraum auskleidet. Darüber verlaufen die verschiedenen Bauchmuskeln mit ihren Hüllen und Sehnen. Alle Strukturen sind durch Binde- und Fettge- webe miteinander verbunden
und halten so die Organe des Bauchraums zusammen und in Position. Der Leistenkanal stellt eine Art natürliche Schwach- stelle der Bauchwand dar. Nach- dem sich die Hoden während der Entwicklung des männli-
chen Embryos zunächst im Bauchraum entwickelt haben, sind sie durch ihn an ihre end- gültige Position im Hodensack gewandert. Der Kanal reicht demnach von lateral oben innen nach medial vorne außen. Be- ginnend mit dem inneren Leis- tenring und endend am äuße- ren, wird er von Muskeln, Seh- nen und Faszien begrenzt.
Durch den Leistenkanal verlau- fen beim Mann der Samen- strang sowie Nerven und Ge- fäße, bei der Frau das „runde Gebärmutterband”.
Unterschiede Man unterschei- det zwischen direkten und indi- rekten Leistenbrüchen. Bei Ers- terem tritt der Bruchsack direkt durch die Bauchwand nach au- ßen. Beim indirekten Bruch dient der innere Leistenring als Bruchpforte und der Bruchsack tritt aus dem äußeren Leisten- ring nach außen. Leistenbrüche können angeboren sein, zum Beispiel bei unvollständigem Bauchwandverschluss, oder er- worben. Sie treten häufiger bei Bindegewebsschwäche auf und werden durch hohen intraabdo- minellen Druck begünstigt, wie er bei Husten, Obstipation oder dem Tragen schwerer Lasten vorkommen kann. Der direkte Leistenbruch tritt vorwiegend bei älteren Männern auf und ist immer erworben; der indirekte macht etwa zwei Drittel aller Fälle aus und kann sowohl an- geboren als auch erworben sein.
Vier von fünf Hernien treten in der Leisten-
gegendauf. Ihre Operation ist mit der
häufigste chirurgische Eingriff in Deutschland.
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110 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Februar 2013 | www.pta-aktuell.de
PRAXIS LEISTENBRUCH
Leistenhernien können bereits bei Säuglingen auftreten: 0,8 bis 4,4 Prozent aller Babys und Kin- der sind betroffen, bei Frühge- borenen sind es sogar bis zu 25 Prozent.
Besonders von professionellen Fußballspielern ist bekannt, dass sie Probleme mit der Leiste bekommen können (generell können diese aber auch bei allen anderen Sportarten auftreten).
Hier handelt es sich in der Regel nicht um einen Leistenbruch, sondern um eine so genannte weiche Leiste oder Sportler- leiste. Damit ist eine Erweite- rung der Hinterwand des Leis- tenkanals aufgrund der starken Belastung gemeint, wodurch bei Anspannung der Muskulatur Druck auf den dort verlaufen- den Nerven ausgeübt wird.
Verschiedene Operations- verfahren Die Europäische Herniengesellschaft (EHS) emp- fiehlt, symptomatische Leisten- hernien immer zu operieren.
Laut Statistischem Bundesamt
war der Verschluss einer Hernia inguinalis bei männlichen Pa- tienten im Jahr 2011 die häu- figste stationär durchgeführte Operation in Deutschland. Da- für stehen verschiedene offene sowie minimal-invasive Opera- tionsverfahren zur Verfügung.
Die offene OP, bei der zur Ver-
stärkung der Bruchpforte ein Kunststoffnetz eingesetzt wird, wird nach ihrem Erfinder als Lichtenstein-Operation bezeich- net. Bei den laparoskopischen Verfahren unterscheidet man
zwischen der TAPP (transabdo- minale präperitoneale Netzim- plantation) und der TEP (total extraperitoneale Plastik). Die EHS hat es sich zum Ziel ge- setzt, die kurz- und langfristigen Vor- und Nachteile der einzel- nen Operationsmethoden, wie beispielsweise Schmerzen da-
nach oder Rezidivrisiko, regel- mäßig zu bewerten und darauf basierend ihre Empfehlungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren. Befinden sich Teile des Dünndarms im Bruch-
sack, besteht die Gefahr einer Einklemmung und Strangula- tion. Diese Situation stellt einen Notfall dar, der eine sofortige Operation erfordert.
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Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin