DES MANDARA
Von Heide Mirt, Hamburg
1. Die folgenden Ausführungen handeln von der Sprache der Mandara'.
Dieses Volk lebt in Nordkamerun und ist aus der Literatur bekannt dm-ch
seine Vasallenschaft zum Reiehe von Bornu und die politische Rolle, die es
in Nordkamerun durch Jahrhunderte ausübte^. Aber nicht nur von diesem
Standpunkt aus sind die Mandara interessant. Rezente Untersuchungen,
die im Seminar für Afrikanische Sprachen und Kulturen der Universität
Hamburg durchgeführt wurden, zeigen die Beziehungen der Mandarasprache
zum tschadohamitischen Sprachkreis*.
2. Wenn ich weiter unten ein Problem aus der Phonologie dieser Sprache
herausgreife, so ist dies nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt ge¬
schehen, auf die Besonderheit dieses Problems innerhalb der westafrika¬
nischen Sprachen hinzuweisen*. Es handelt sich um das Vokalsystem des
Mandara. Die folgenden Ausführungen müssen jedoch präliminäre Ver¬
suche bleiben, da wir heute noch nicht imstande sind, die phonologische
Struktur der Mandarasprache völlig klarzulegen^.
' Das Material zu den Untersuchungen zu der Sprache der Mandara stammt
aus den Sammlungen von J. Lukas, das er mir zur Bearbeitung übergeben hat.
Es handelt sich hierbei um zehn Fabeln und ca. 5000 Zettel.
^ Siehe darüber besonders H. Barth, Reisen und Entdeckungen in Nord- und
Central-Afrika in den Jahren 1849 bis 1855. Gotha 1857/58. Bd. II, S. 338, 347,
Bd. III, S. 112-146. Siehe ferner J. Vossart, Histoire du Sultanat du Mandara.
Etudes Camerounaises, No. 35-36 (1953). S. 19-52.
' Uber das Problem der tschadohamitischen Sprachgruppen sielie besonders
J. Lukas, The Linguistic Situation in the Lake Chad Area in Central Africa.
Africa, vol. IX, 3 (1936). S. 332-349. Ferner D. Westermann and M. A. Bryan,
The Languages of West Africa. Handbook of African Languages Part II. London
1952. S. 153-177. (Worin das Mandara nach früheren Vorschlägen von J. Lukas
nooh in eino hypothetische ,, tschadische" Gruppo eingeordnet ist.) Und schlie߬
hch J. H. Greenberg, Tlie Languages of Africa. Part II des International Jour¬
nal of American Linguisties, vol. 29, 1 (1963). S. 42-65.
* In diesem Zusammenhang möchte ich auf die von F. W. Parsons hervor¬
gehobene, mir des öfteren von J. Lukas mitgeteilte Tatsache hinweisen, daß aueh
das phonologische Vokalsystem des Hausa, soweit es sich in der Wurzel zeigt,
Eigentümlichkeiten offenbart, die es mit der hamito-semitisehen Spraehfamilie verknüpfen. Zeigt es sich doch, daß in den Hausawurzeln ein Zweivokalsystem (a, i ~ u) wirksam ist.
' Die Aufzeichnungen von J. Lukas sind phonetisch niedergeschrieben, und
3. Läßt man Fremdwörter im Mandara außer acht, so gewinnt man den
Eindruck, daß sich die Zahl der beobachteten Vokale - es sind dies [a],
[aa], [e]*, [ee], [a], [i], [ii], [o]^, [oo], [u], [wm]' - phonologisch wesentlich redu¬
zieren läßt. Und zwar scheint es sogar, daß alle Vokale auf nur zwei in
distinktiver Opposition stehende Vokalphoneme zurückgeführt werden
können. Die anderen vokalischen Phone lassen sieh sowohl als Assimila¬
tionsprodukte als auch als positioneile Varianten erklären.
Da CS im Rahmen dieses Referates nicht möglich ist, alle positionellcn
Varianten und Assimilationsvorgänge im einzelnen aufzuzählen, muß ich
mich auf wenige Beispiele beschränken.
4. Es waren zunächst die langen Vokale [ii] und [uu], die nur im Anlaut
und Inlaut eines Wortes und/oder einer Sprecheinheit auftreten, die meine
Aufmerksamkeit erregten. So stieß ioh z. B. boi der Analyse des Futurs auf
folgende Erscheinung: [ii] und [uu] verhielten sich wie Verbindungen von
Vokal und Konsonant.
Um dies zu illustrieren, ist es notwendig, einige Bemerkungen über das
Futur im Mandara vorauszuschicken.
5. VERBALSTAMM FUTUR 1. sg.
A) [gsja] -Igdjaj [ya-g-gaja] -jya-g-gdjaj ,, berühren"
B) [dhza] -jdbzaj [ya-bz-dbza] -jya-bz-dbzaj ,, springen"
C) [Uca] -joycal [ye-yc-iica] -lya-yc-dycaj ,, schlachten"
[iila] -loylal [ye-yl-iila] -jya-yl-dylaj ,, stehlen"
D) [uufa] -jdwfaj [ya-wf-uufa] -jya-wj-dwjaj ,, warten"
[uura] 'jdwraj [ya-wr-uura] •jya-wr-dwraj ,, öffnen"
~ [yo-uyr-uura]
Für die regelmäßige Art der Futurbildung findet man unter den oben
angeführten Formen unter Punkt A) als Beispiel das Verbum goja „be¬
rühren". Die Verben dieser Kategorie weisen einen Verbalstamm der Struk-
der Autor hat in seinen in früheren Jahrzehnten durchgeführten Niederschriften
keinen Versuch gemacht, zu einer phonologischen Schreibung zu kommen, zu¬
mal es ihm um die Klarlegung der morphologisohen Struktur ging.
° [e] und [e] bzw. [o] und [o] wechseln zunächst in der Sohreibung dos Feld¬
materials sehr häufig. Da J. Lukas jodoch keine Opposition der beiden Phone
feststellen konnte, unterschied er sie in seinen weiteren Aufzeichnungen nicht
weiter.
' Die beobachteten Vokalo sind in drei Gruppen, zu unterteilen: Die Vokale
im Anlaut eines Wortes und/odor einer Sprecheinheit: [a-], [aa-], [a-], [ii-], [it-j, [ttM-], [o-]. Es ist hier zu bemerken, daß [oa-] in dem mir zur Verfügung stehenden Material nur dreimal belegt ist.
Die Vokalo im Inlaut eines Wortes und/oder einer Sprecheinheit : [-«-], [-oo-], [-e-], [-ee-], [-9-], [-»-], [-n-], [-0-], [-oo-], [-M-], [-uu-]. [-ee-] und [-oo ] treten im
Material von Lukas nur als Ergebnis einer Morphemvorbindung auf.
Die Vokale im Auslaut eines Wortes und/oder einer Sprecheinheit: [-o], [-e].
tur KVKV auf und bilden das Futur mittels eines Subjektmorphems
(ya-) + Reduplikation des ersten Radikals (g) + des Verbalstammes (gdja).
6. Eine andere Gruppe von Verben, deren Stamm die Struktur VKKV
aufweist, bildet das Futur in der unter Pimkt B) angegebenen Weise, und
zwar durch das Subjektmorphem (ya-) + Reduplikation der beiden zu¬
sammengerafften Wurzelkonsonanten (bz) + dem Verbalstamm (dbza).
Aus Gründen des besseren Verständnisses meiner anschließenden Über¬
legungen möchte ich hier schon hervorheben, daß die Verbal wurzel der
Verben der Gruppe B) nur aus den zwei zusammengerafften Radikalen
(bz) besteht. Der auslautende Vokal -a und der zentrale Mittelzungenvokal
a- im Anlaut des Verbalstammes sind nicht zur Wurzel zu zählen. Letzterer
stellt lediglich einen Stützvokal dar, da im Mandara eine Sprechsilbe nicht
mit zwei Konsonanten beginnt. Sobald dieser Stützvokal in Morphemver¬
bindungen aus silbenstrukturellen Gründen nicht erforderlich ist - das
heißt, wenn das vorhergehende Morphem auf Vokal endet - wird er elidiert.
Dieses Phänomen tritt auch beim Nomen in Erscheinung.
7. Betrachtet man die phonetische Reahsierung des Futurs der unter
Punkt C) und D) angegebenen Verben, deren Stamm den langen Vokal [ii]
bzw. [uu] aufweist, so stellt man fest, daß es aus dem Subjektmorphem
jya-l, bzw. dessen AUomorphen [ye-] oder [yo-] -f zwei zusammengerafften
Konsonanten + dem Verbalstamm besteht. Der morphologische Aufbau
ist analog dem des Futurs der Verben der Gruppe B), wird jedooh durch
die phonetische Realisierung verschleiert. Ein Vergleich der beiden Gruppen
zeigt, daß in den langen Vokalen [ii] und [uu] der Verben der Gruppe C)
und D) zwei verschiedene phonologische Einheiten verschmolzen sind:
nämhch der Stützvokal /a-/, den wir in Gruppe B) kennengelernt haben, und
andererseits ein palataler Konsonant y, bzw. ein velarer w. Eine phonemische
Schreibung der unter den Punkten C) und D) angeführten Verben wird
also anders aussehen müssen. Neben der phonetischen Schreibung habe ich
eine solche phonemische versucht. Im Futur tritt in der Reduplikation der
erste Wurzelkonsonant in seiner eigentlichen Gestalt in Erscheinung, da
- wie bei den Verben der Gruppe B) - der Stützvokal /a-/ durch das voran¬
gehende, vokalisch auslautende Subjektmorphem lya-j nicht erforderlich
ist.
8. Die folgenden Beispiele stammen aus dem Bereich des Nomens und
zeigen gleichfalls, daß phonetischem [ii] bzw. [uu] phonemisch /ay/ bzw.
/aw/ zugrunde liegt :
[azaßdleyre] -jazaßdlaynj <i[aza-ßdla-iire] -jaza-ßdla-oynj ,, Kopfkissen"
aza „Ding", tidla „niederlegen" (Verbalnomen), [nVe] -joyrdj ,,Kopf".
Das Nomen [üre] -Idyrdj „Kopf" verliert in der Zusammensetzung [aza-ßdle-yre] -jaza-ßdla-yrdj „Kopfkissen" den Stützvokal /a-/, wodurch der
palatale Radikal jyj in seiner eigentlichen Gestalt in Erscheinung tritt und
den ihm vorangehenden Vokal /«/ von ßdla „niederlegen" zu [e] assimiliert.
\azaro wna\'-~\azara ivna] -jazara nmaj <c[azara uund] -jazara ownaj
„was ist das?"
azara „was?", [uuna] -jdwnaj ,,dies" {selbst. Demonstrativum).
In der Sprecheinheit [azaro ivna\^\azara wna] ,,was ist das?" wird der
Stützvokal jd-j des selbständigen Demonstrativums [uuna] -jdxvnal ,,dies"
elidiert. Dadurch tritt der velare Radikal w zutage und kann den ihm vor¬
angehenden Vokal jaj von [azara] ,,was?" beeinflussen.
[piina] -jpBynaj <['piya-na] -jpiya-naj ,, dieses Treten"
[piya]- Ipdyaj ,, treten" (Verbalnomen), -na , .dieses" (suffigiertes Demon¬
strativum).
An das Verhalnomen [piya] -Ipayaj „Treten" tritt das unselbständige
Demonstrativum -na, wobei der Stammvokal -a des Verbalnomens - wie
stets in solchen Verbindungen - ausfällt. In dieser Morphemverbindung
steht der palatale Radikal jyj vor einem Konsonanten und verschmilzt mit
dem ihm vorangehenden phonemischen jdj zu langem [ii].
[buuna] -Ibdwnaj <.[buwa-na] -jbduxi-na] ,, diese zwei"
\buwa] -jbdwaj ,,zwei", -na ,, dieses" (suffigiertes Demonstrativum).
Hier zeigt sich eine analoge morphophonemische Erscheinung. An das
Zahlwort [buuxi] -jbdwaj ,,zwei" tritt das unselbständige Demonstrativum
-rm. Der Stammvokal -a von [buwa] -jbowaj ,,zwei" wird elidiert. Dadurch
gelangt der velare Radikal jwj in eine Stellung vor einem Konsonanten und
verschmilzt mit dem üim vorangehenden phonemischen /a/ zu langem [uu],
9. Auf Grund von Beispielen dieser Art möchte ich die langen Vokale
[ii] und [uu] im Anlaut und Inlaut eines Wortes und/oder einer Sprechein¬
heit als zwei Phoneme betrachten, nämlich als die Folge von Vokal + Kon¬
sonant.
/ / vor folgendem Vokal
[ü] vor folgendem Konsonant
, , \mo] vor folgendem Vokal
idivl -
[uu] vor folgendem Konsonant
Für den phonemisohen Wert des zur Diskussion stehenden Vokals habe
ich den Vokal /a/ angesetzt und ihm die AUophone [i] und [u] zugeordnet.
Realisierungen wie [dy] bzw. [aw] kennt das Mandara nioht.
10. Eine kritische Prüfung des SprachstofFes zeigt, daß die phonetischen
Vokale [a], [i]^ und [u], die nur im Anlaut und Inlaut eines Wortes und/oder
einer Sprecheinheit auftreten, nicht nur in dem oben behandelten speziellen
Fall, sondern allgemein verschiedene Realisierungen eines vokalischen
Phonems zu sein scheinen. Wer ein Wörterverzeichnis des Mandara durch¬
geht, wird folgende Beobachtungen machen: die Vokale [a], [i] und [m]
stehen z. T. in freier Variation, z. T. in komplementärer Distribution. Es
würde hier zu weit führen. Assimilations Vorgänge im einzelnen aufzuzählen.
Vereinfacht könnte man sagen, daß in palataler Lautuingebuiig der Vorder¬
zungenvokal [i], in velarer der Hinterzungen vokal [u] zur Geltung kommt^.
„Pferd"
„Fuß"
,, geben" (Verbalnomen) ,, hören" (Verbalnomen) ,, Getreide"
„Name"
,, heruntersteigen" (Verbalnomen)
„Fleisch"
,,Zizyphos jujuba"
' Der kurze Vokal [i-] ist im Unterschied zum langen Vokal fii-] im vorliegen¬
den Material im Anlaut eines Wortes und/oder einer Sprecheinheit nicht belegt.
" Die Verhältnisse im Anlaut gestalten sich etwas anders als die im Inlaut. Es handelt sich im Anlaut jeweils um den aus silbenstruktureUen Gründen erforder¬
lichen Stützvokal /a-/. Z. B.
[9fka] - /3-fkaj ,, Kalebasse"
[9lva] - jd-lvaj „Wort"
\dptsa] - jd-ptsaj ,, zurückkehren" (Verbalnomen)
Dieser Stützvokal /a-/ weist im Material von Lukas die Realisierungen [m-] und
- jedoch äußerst selten - [o-] auf; [ii-] und [wu-] setzen sich phonemisch aus dem
Stützvokal /a-/ und einem palatalen Konsonanten jyj bzw. einem velaren jwj
zusammen. Die AUophone stehen einerseits in freier Variation, andererseits
wieder sind sio vom Lautwert der Wurzel abhängig. Z. B.
Z. B.
[bilsa\ - jbdlsaj
[sara] - jsdraj
[v3la\ - jmlaj
[cina] - jcanal
[hiya] jhdyaj
[zhira] - jzhdraj
[tsukwaY" - jtsdkwaj
[tluwa]^^ - jthwaj
[tvulva] - Iwdlval
[okkuld]
[okkure] ■ [iica]
[iiga]
[uußdla]
[uiupa]
[ukkula]
[ukkure] ~ [3kkure]
-/skkwala/ „Huhn"
-/dkkvfard/ ,,ihr"
-/9yca/ ,, schlachten"
-/syga/ ,, Rücken"
-jgwßBla/ ,, Leopard"
-/0wpa/ ,, Lanze"
In einigen Fällen ist die Qualität des Stützvokales vorläufig nicht voraus-
.sagbar. Z. B.
[uktakwa] ,, Achselhöhle"
[dktare] ,,Nase"
Vgl. die durch Reduplikation entstandenen Formen (Imperativ pl.), bei
denen die Vokalo [a] und [u] in freier Variation stehen:
[tsukootsakwa] ~ [tsdkowtsdkwa] < /ts9kw-aw-ts3kwa/ ,, steigt herimter!"
Vgl. die durch Anfügung des Abstrakta bildenden Ableitungsmorphems
11. Es scheint zwar auf den ersten Bhck einige wenige minimal pairs zu
geben, die eine distinktive Opposition der Vokale [a] und [u] beinhalten
- wie z. B. [kire] ,,Hund" und [küre] ,,ihr" (selbständiges Personalpro¬
nomen 2. pl.). Meiner Meinung nach ist diese Opposition jedooh sekundärer
Natm-, da ich dazu neige, den Unterschied in der Realisierung der Vokale
dom Einfluß zweier verschiedener konsonantischer Phoneme zuzuschreiben,
nämlich einerseits dem Phonem jkj in [kare] -jkdrdj „Hund" und anderer¬
seits dem Phonem jkwl in [kure] -jkwsrdj ,,ihr"i^. Das labiale Element des
konsonantischen Phonems jkwj wäre demnach mit dem folgenden Vokal
jdj zu phonetischen [u] verschmolzen in Analogie zu folgenden Beispielen
von denen beide Varianten belegt sind :
[kivattdna] ~ [kottdna] -jkwattdnaj ,, Sklavin"
[r^washa] ~ [ipsha] -jrjwashaj ,, Prauen"
[kyimake] ~ [kimake] -jkyomakdj ,, Schuhe"
Die Reahsierung [kwd] kennt das Mandara nicht.
12. Damit hoffe ich gezeigt zu haben, daß die Vokale [a], [i] und [u] einem
Phonem zugeordnet werden könnten. Das Ergebnis veranlaßte mich, auch
die anderen Vokale einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
13. Da wären zunächst die langen Vokale [ee] und [oo], die nur als Er¬
gebnis einer Morphemverbindung auftreten. Sie sind also morphophone¬
mische Produkte. Z. B.
[abeetare] ~ [ahe ytare] -jaba ytardj < [oba iilare] -jaba dytardj ,,sie sagten"
aba ,, sagte", [iitare] -jdytardj ,,sie" (selbst. Personalpronomen 3. pl.).
In der Sprecheinheit [abeetare] bzw. deren Variante [abe ytare] -jaba
ytardj ,,sie sagten" wurde der Stützvokal jd-j des selbständigen Personal¬
pronomens [iitare] -jdytardj ,,sie" elidiert, wodurch der palatale Radikal
jyj in seiner eigentlichen Gestalt in Erscheinung tritt und entweder den ihm
vorangehenden Vokal jaj von aba ,, sagte" zu [e] assimihert oder mit ihm
zu langem [ee] verschmilzt.
[adaboonawaa] -jadaba lormwaaj < [adaba uuna-waa] -jadaba dwna-waaj
,, deswegen"
adaba ,, wegen", [uuna] -jdwnaj ,, dieses" (selbst. Demonstrativum).
In der Morphemverbindung [adaboonawaa] -jadaba wnawaaj ,, deswegen"
unterliegt der Stützvokal jd-j des Demonstrativums [uuna] -jdwnaj ,, dieses"
[-iire] -j-3yr3l entstandene Form:
[tliwiire] -jtldw-ayrsj ,, Fleisch"
Das Phonem jlcwj tritt in dem abhängigen Subjektmorphem der 2. pl.
[kwa-]-/kwa-/ ,,ihr" in seiner eigentlichen Gestalt in Erscheinung.
aus silbenstrukturellen Gründen der Elision. Der velare Radikal /w/ ver¬
schmilzt mit dem ihm vorangehenden Vokal jaf von adaba „wegen" zu
langem [oo].
14. Offensichtlich setzen sich die langen Vokale [ee] und [oo] - wie die
langen Vokale [ü] und [uu] - aus zwei phonologischen Einheiten zusammen,
nämhoh in diesem Falle aus dem Vokal /»/ und dem palatalen Konsonanten
lyl bzw. dem velaren jwj. Realisierungen wie [ey] bzw. [aw] ~ [ow] sind
ebenfalls möglich'^.
l-a + y-l - [ey]~[ee]
l-a w-l - [aw]~[ow]'^[oo]
I V
m der Umgebung -« #j ^ K-.'*
15. Bei einer eingehenden Untersuchung der Verteilung der Vokale [o],
[e] und [o] kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie sich im
Inlaut'^ eines Wortes und/oder einer Sprecheinheit ähnhch wie die Vokale
[s], [i] und [u] verhalten. Sie scheinen AUophone eines vokalischen Phonems
zu sein und stehen z. T. in freier Variation, z. T. in komplementärer Distri¬
bution. Wie bei dem Phonem /a/~[»]~[M] gelangt in palataler Lautum¬
gebung die vorderzungige Variante [e], in velarer die hinterzungige [o] zur
Reahsierung, wenn sich auch die Assimilationsgesetze im einzelnen zwischen
den zwei Phonemen /a/ und /a/ nicht absolut decken, da es so aussieht, als
ob der zentrale Tiefzungenvokal /a/ eine größere Beharrungstendenz auf¬
weist. Auf die Assimilationsgesetze im einzelnen kann ich hier nicht näher
eingehen, doch lassen sich durchgängige Regelmäßigkeiten feststellen. Z. B.
[bara] - jbaraj ,, waschen"
[nara] - Inarai „Zunge"
[tlare] - Itlar^l ,,Zahn"
[caca] ~ [ceca] - jcacal „Laus"
[jade] ~ [jede] - Ijaddj ,,Ring"
[yawe] ~ [yewe] - lyawdj ,, Wasser"
[kwaskwe],^[kwoskwe]'~~'[koskwe] - Ikwaskwaj ,, Markt"
[kwattana] ~[koU9na] - lkwaUdna]l ,, Sklavin"
[rjUMsha] ~[j;osÄa] - jrjwashal „Frauen"
" Vgl. auf Seite 2 das Subjektmorphem der 1. sg. lya-l und dessen AUo-
morphe [ye-] und [yo-].
^* Das Zeichen § steht für Morphemgrenze.
Das tiefzungige Phonem /o/ hat nach Ausweis des Materials im Anlaut
keine AUophone, nur äußerst selten spricht ein Gewährsmann vor oinem pala¬
talen Konsonanten [e-]. Der Vokal [o-] ist im Anlaut im Material von Lukas
nur dreimal belegt und nach Anmerkung 9 als eine Variante des Phonems /»/
aufzufassen. Über die Verteilung der Vokale im Auslaut siehe § 16.
[r]geyda] - Irjgaydaj^^ „Wange"
[dlogba] - jdlagbal^^ „Axt"
[mokfokfa] ~ Imakfakfa/^^ „Leber"
[showle] - Ishawldj^^ „Verschwägerter"
16. Schließlich möchte ich darauf hinweisen, daß sich auch im Auslaut
eines Wortes und/oder einer Sprecheinheit das Phänomen der Zweivokalität
beobachten läßt, wenn auoh in einer interessanten Variante. Das Mandara
realisiert im Auslaut - sofern es sich nicht um Fremdwörter handelt - nur
zwei Vokale: [-«] und [-e]. Um den Rahmen der von mir aufgestellten vo¬
kalischen Phoneme, also die oppositionelle Zweizahl jaj und /a/ nicht zu er¬
weitern, betrachte ich den auslautenden Vokal [-e] als eine pausale Reali¬
sierung des /a/ Phonems. Z. B.
[buwd] - jbdwaj „zwei"
[cukwa] - jcdkwaj „klem"
[guwa] - Igdwaj „Fluß"
[badamme] - jbaddmmdj ,,alle", ,, alles"
[guwe] - IgdWdl „Elefant"
[male] (mahj „groß"
17. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß eine gewisse Wahrschein¬
lichkeit besteht, daß die Mandarasprache nur zwei Vokalphoneme be¬
sitzt, die die Opposition tiefe Zungenstellung - hohe Zungenstellung bein¬
halten. Das eine Phonem könnte mit dem Symbol des zentralen Tiefzun¬
genvokals jaj, das andere mit dem des zentralen Mittelzungenvokals /a/
dargestellt werden. Die verschiedenen Realisierungen dieser beiden Pho¬
neme - und zwar ob vorderzungig, zentral oder hinterzungig - wären auf
ihre Stellung im Wort und/oder in der Sprecheinheit - das heißt, ob es sich
um Anlaut, Inlaut oder Auslaut handelt - und auf ihre Lautumgebung zu¬
rückzuführen. Phonetisch lange Vokale - mit Ausnahme des langen aa -
wären phonemisch als eine Folge von Vokal plus Konsonant zu werten.
Anlaut Inlaut Auslaut
In der angegebenen Weise lassen sich die in der heutigen Sprache der
Mandara beobachteten Phänomene adäquat und verghchen mit anderen
Möglichkeiten am einfachsten beschreiben.
" j-a-j wird vor y oder den velaren Konsonanten g, k und w in geschlossener Silbe wie [-e-] bzw. [-o-] gesproohen.
Von Bernd Heine, Köln
Im Jahre 1880 veröffentlichte Richard Lepsius mit seiner Nubischen
Grammatik ein Werk, das sich für die diachronische Sprachwissenschaft
in Afrika als von großer Bedeutung erweisen sollte. In seiner Einleitung
stellte er folgende Hypothese über die Entwicklung der afrikanischen Spra¬
chen auf : Der afrikanische Kontinent war ursprünglich von Bevölkerungen
bewohnt, die ,, urafrikanische Negerspraehen" besaßen. Als jüngere Ent¬
wicklungsformen dieser Sprachen sind die Bantu-Sprachen anzusehen. Aus
dem benachbarten Teil Asiens wanderten später Menschen mit hamitischen
und semitischen Sprachen ein und breiteten sich in Nordafrika aus. Der
Kontakt zwischen den hamitischen Sprachen und den Bantu-Sprachen
führte dazu, daß sich eine Gruppe von untereinander isolierten Sprachen
entwickelte, imd zwar die Gruppe der „Misch-Negersprachen", die sich ,,in
ihren grammatischen Einzelbildungen theils den Südsprachen, theils den
Hamitischen Sprachen anschließen . . ." (Lepsiüs 1880, XVIII/XIX).
Die Entstehung dieser Sprachen läßt sich demnach graphisch wie folgt
darstellen :
Die ,, Misch-Negersprachen" werden also als das Ergebnis der Mischimg
von zwei verschiedenen Sprachen oder Sprachengruppen beschrieben.
Lepsius hat damit zu einer bemerkenswerten Popularisierung von Hypo¬
thesen über Sprachmischung in Afrika beigetragen. Insbesondere ist Carl
Urafrikanische Negersprachen
Hamitische Sprachen
Misch-Neger¬
sprachen